Emissär Schröder hat ein paar Verlockungen aus Moskau im Reisegepäck

Was der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder nach seinen Gesprächen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und anderen in Moskau in einem Interview verkündet hat, klingt verlockend. Er sei «zuversichtlich, dass Russland im Krieg gegen die Ukraine eine Verhandlungslösung» anstrebt, sagte Schröder in einem Interview mit dem Magazin «Stern» und dem Sender «RTL/ntv».

Der SPD-Politiker wörtlich: «Die gute Nachricht heißt: Der Kreml will eine Verhandlungslösung», meinte Schröder.

Die schlechte Nachricht: Putin lässt auch heute wieder in der Ukraine zerstören, morden und vergewaltigen. Zehntausende Menschen haben seit dem 24. Februar ihr Leben verloren, die Verletzten, die Krüppel, die vergewaltigten Frauen zählt keiner. Schauen Sie sich die zerbombten Städte an, das Trümmerfeld Mariupol sieht aus wie Dresden, Köln oder Hamburg 1945. Und was ist mit den vier Millionen Flüchtlingen? Ach, klar. Die fahren ja alle SUV und wollen nur unser Geld, hatte ich vergessen

Und nach all der Barbarei lässt uns der Kreml-Pate nun von seinem Cheflobbyisten aus dem schönen Lippe, über dessen Parteiausschlussverfahren der SPD-Unterbezirk Hannover in diesen Tagen entscheidet, wissen: Schwamm drüber! Ja, war vielleicht ein bisschen hart, aber jetzt wollen wir wieder Freunde sein. Wenn erst die Turbine eingebaut ist, dann gibt es auch wieder mehr Gas. Und – die größte Unverschämtheit:

Der Ex-Kanzler sorgt sich angeblich um die kleinen Leute, die Menschen draußen im Lande. Wörtlich: «Für uns, die wir hier sitzen, ist das unangenehm, aber es ist zu schaffen. Aber für ganz viele Leute, die mit jedem Cent rechnen müssen, wird das richtig hart. Und dann wird man in Deutschland fragen: Warum verzichten wir eigentlich auf das Gas aus der Pipeline Nord Stream 2? »

Ja, für ihn, den Präsidenten des Verwaltungsrats von Nord Stream 2, ist das echt hart, im Kreml bei Putin am Samowar zu sitzen und zu plaudern. Fast möchte man Mitleid bekommen, wie der einstige „Brioni-Genosse“ leidet in diesen Tagen. Aber natürlich hat Schröder zufällig eine gute Idee für uns alle: Man könne doch, bevor es schlimm wird, na, was wohl, Nord Stream 2 in Betrieb nehmen: «Sie ist fertig. Wenn es wirklich eng wird, gibt es diese Pipeline, und mit beiden Nord-Stream-Pipelines gäbe es kein Versorgungsproblem für die deutsche Industrie und die deutschen Haushalte.»

Schröder bezeichnete die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 mit Blick auf mögliche Gasengpässe als die «einfachste Lösung».

Schröder: Krim für Kiew verloren

Und wo wir gerade bei einfachen Lösungen sind, hat Schröder gleich noch ein paar weitere Überraschungen in seiner Wundertüte, die er aus Moskau mitgebracht hat. Er sagte, die wirklich relevanten Probleme seien doch lösbar, darunter ein Kompromiss für die ostukrainische Region Donbass sowie die Frage einer möglichen «bewaffneten Neutralität» für die Ukraine als Alternative zu einer NATO-Mitgliedschaft.

Schröder betonte in dem Interview, die ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim – die Russland bereits 2014 annektiert hatte – sei aus seiner Sicht für Kiew verloren. «Die Vorstellung, dass der ukrainische Präsident [Wolodymyr] Selenskyj die Krim militärisch wieder zurückerobert, ist doch abwegig», sagte er. «Wer glaubt denn ernsthaft, dass ein russischer Präsident die Krim je wieder aufgeben könnte?» Niemand, Herr Schröder, freiwillig sicher nicht.

Es sei «ein großer Fehler, mögliche Zugeständnisse der Ukraine als russischen «Diktatfrieden» vorab zu verunglimpfen», sagte Schröder. Er meinte, die wirklich relevanten Probleme seien lösbar, darunter ein Kompromiss für die ostukrainische Region Donbass sowie die Frage einer möglichen «bewaffneten Neutralität» für die Ukraine als Alternative zu einer Nato-Mitgliedschaft.

Ausdrücklich lobte Schröder die Vermittlungsbemühungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in dem Konflikt. «Aber ohne ein Ja aus Washington wird es nicht gehen», schränkte Schröder mit Blick auf die Haltung der US-Regierung ein. Gut, dass wenigstens er das begriffen hat, anders als viele Hobby-Strategen, die die sozialen Netzwerke mit ihren Glaskugel-Vorhersagen überschwemmen, nachdem der Westen jetzt erledigt sei, und die Amerikaner aus Europa verschwinden und sich die Chinesen nun Taiwan einverleiben. Das ist irrationales Wunschdenken, aber gleichzeitig völliger Schwachsinn. Es scheint so, als seien die politischen Vorturner in Europa endlich aus ihrem Dornröschenschlaf aufgewacht und erinnern sich wieder daran, wer und was wir eigentlich sind in den Demokratien des Westens.

Das süße Angebot, das Schröder uns allen übermittelt hat, wird allerdings Wirkung zeigen. Wir Deutschen sind so, wir wollen unbedingt gut sein, wir wollen unsere Badehandtücher auf den Sonnenliegen der Welt verteilen, bevor wir frühstücken gehen. Und wir wollen, dass alles so weitergeht wie vor Corona und Ukraine-Krieg. Endlich wieder bezahlbares Benzin fürs Auto, eine Gasrechnung mit überschaubaren Zahlen, und sonst gibt’s von Olaf und Christian noch was druff für die, die finanziell nicht klarkommen. Endlich nicht mehr diese unerfreulichen Bilder vom Krieg und von kastrierten Kriegsgefangenen. Und wie geht’s eigentlich den Männern vom Azow-Regiment, die sich im Stahlwerk ergeben haben, nachdem ihnen die russischen „Befreier“ zugesichert haben, sie blieben am Leben und würden medizinisch versorgt? Fragt noch einer nach denen und den anderen Gefangenen? Und was wird aus den 1,6 Millionen Ukrainern, die aus dem Osten der Ukraine nach Russland deportiert wurden, viele gegen ihren Willen? Wer kümmert sich noch um die?

Schröders Vorschläge folgen dem alten Prinzip von Zuckerbrot und Peitsche. Erst töten wir mal Zehntausende Menschen, zerstören, foltern und vergewaltigen, und dann kommt der Gerd mit der Flöte wie der Rattenfänger von Hameln aus seiner früheren niedersächsischen Nachbarschaft und verheißt uns den ewigen Frieden und warme Wohnzimmer.

Realpolitik, werden viele von Ihnen jetzt denken, und leider stimmt das sogar. Aber wenn sich die in Berlin jetzt auf einen solchen Kuhhandel einlassen, dann haben sie es auch bei mir endlich geschafft. „Erst kommt das Fressen dann die Moral“, hat Bertold Brecht einst so treffend formuliert. Wenn die Opfer des Putinschen Krieges gegen die Ukraine, wenn das Leiden der Frauen von Butscha und anderswo, wenn uns das geschundene Land und seine Menschen egal sind und wir Nord Stream 2 aufdrehen, damit die Kassen im Kreml wieder sprudeln, wovon sicher seine Verwandten mit den Konten in Panama auch etwas haben, damit wir wieder gemütlich Weihnachten feiern können, dann suche ich mir auch einen anderen Platz, wo ich alt werde als ein Land in dem Eigensucht und Menschenverachtung mehrheitsfähig sind. Putins Krieg ist die Gretchenfrage – wenn dieses Land jetzt dem Rattenfänger Schröder auf den Leim geht, dann tschüss.

Dieser Beitrag erschien zuerst am 3. August 2022 auf dem Nachrichtenportal TheGermanZ.




Komromisse? Gern, aber mit wem?

Eine Gruppe von Menschen aus dem Kulturbetrieb um die Feministin Alice Schwarzer haben einen Offenen Brief an den Bundeskanzler geschrieben und appelliert, keine schweren Waffen in die Ukraine zu liefern. Zum ersten Mal in ihrem Laben habe sie reale Angst vor einem Atomkrieg, bekannte sie zusammen mit Konstantin Wecker, Dieter Nuhr und 25 anderen, mehr als 100.000 haben per Petition im Netz Solidarität bekundet.

Klar, wer von uns will schon einen Atomkrieg? Niemand.

Das Problem ist doch, dass es aber nur Frieden geben kann, wenn alle beteiligten Seiten bereit sind, daran aktiv mitzuwirken.

Britta Haßelmann, Franktionschefin der Grünen im Bundestag sagte jetzt in einem Interview mit «Stuttgarter Zeitung» und «Stuttgarter Nachrichten»:

«Wo sollen „Kompromisse“ sein, wenn Putin völkerrechtswidrig ein freies europäisches Land überfällt, Städte dem Erdboden gleichgemacht, Zivilisten ermordet werden und Vergewaltigung systematisch als Waffe gegen Frauen eingesetzt wird?»

Das weiß ich auch nicht.




Frieden schaffen mit Björn, Margot und Konstantin….

Sachen gibt’s, die gibt’s gar nicht. Im Internet kreist seit gestern ein Bildchen des Thüringischen AfD-Chefs Björn Höcke, dessen Namen Sie sicher schon mal gehört haben.

In Kreisen der AfD-Bundestagsfraktion kreiste das hellblaue Bildchen mit dem Text eines Mannes, der das innerparteiliche System aus eigener Anschauung von innen gut kennt, aber natürlich namentlich nicht genannt werden will. Er schreibt:

„Ich lach mich schief. Die sonst so friedensbewegte Linke windet sich in Selbstzweifeln und die sonst so bundeswehrbegeisterte und sicherheitsorientierte AfD wird zur neuen Friedensbewegung. Hauptsache a) man ist gegen das BRD-Systen und b) man kann mit Putin kuscheln. Das ist der endgültige moralische Bankrott und hat mit ‚konservativ‘ nichts mehr zu tun, Es ist nur noch opportunistischer moralfreier und billiger Populismus.“

Schreibe nicht ich, sondern einer aus dem Innenbereich…

Und der Volkswirt Ulrich von Suntum aus NRW, der oft gescholten wurde wegen seiner Nähe zur AfD – er kandidierte 2020 sogar mal in Coesfeld als Direktkandidat auf AfD-Ticket für den Kreistag, ohne der Partei anzugehören – schreibt auf Twitter:

„Ich hätte niemals gedacht, dass sich die AfD argumentativ Seite an Seite mit Leuten wie Margot Käßmann und Konstantin Wecker befinden würde.“

Die „Querfront“, jetzt kommt sie….




Zwei Staatsmänner, die Ruhe bewahren

Die Chefs der beiden wichtigsten und mächtigsten Staaten der Welt haben heute telefoniert. In dem fast dreistündigen Gespräch, das – so eine Sprecherin des Weißen Hauses – «direkt» und «detailliert» gewesen sei.

US-Präsident Joe Biden habe «die Implikationen und Konsequenzen» für China klargemacht, «falls China Russland maßgebliche Unterstützung gewähren sollte, während es den brutalen Krieg in der Ukraine vorantreibt».

Und Chinas Präsident Xi Jingping appellierte an Biden, sich gemeinsam mit der Volksrepublik für den Frieden in der Welt einzusetzen.

«Die Krise in der Ukraine ist etwas, das wir nicht sehen wollen», sagte Xi in einem Bericht des staatlichen Fernsehsenders CCTV. Als ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und wichtigste Volkswirtschaften der Welt sollten beide Staaten auch «internationale Verantwortung übernehmen und Anstrengungen für Frieden und Ruhe in der Welt unternehmen». Konflikte und Konfrontationen seien in niemandes Interesse.

Großartig, oder? Genau so stelle ich mir Staatsmänner vor, die natürlich immer Machtinteressen und immer wirtschaftlichen Erfolg im Blick haben. Aber zivilisiert, fortiter in re, suaviter in modo, wie der Lateiner das formuliert: Hart in der Sache, milde im Ton.

Was für ein Unterschied zum martialischen Auftritt des russischen Präsidenten Putin heute im Moskauer Luschniki-Stadion, der sich von zehntausenden umjubeln ließ wie…Sie wissen schon.

Es ist gut, dass hier zwei besonnene Männer bereit zu sein scheinen, die Welt halbwegs in der Ballance zu halten.




Eine Woche Krieg in der Ukraine: Ein geschundenes Land, Sanktionen und die Nato ist zurück

Die 156 Meter lange Jacht „Dilbar“ des russischen Oligarchen Alischer Usmanow liegt für Reparatur- und Wartungsarbeiten in einem Dock der Werft Blohm + Voss in Hamburg. Medien berichteten, das 600-Millionen-Dollar teure Schiff sei von den Behörden in Hamburg im Rahmen der europaweiten Sanktionen gegen russische Superreiche beschlagnahmt worden. Aber das ist nicht so, denn der Hamburger Senat kann das gar nicht entscheiden. Zuständig sind das Bundeswirtschaftsministerium in Berlin und die Generalzolldirektion in Bonn.

Usmanows Yacht liegt also erstmal da herum, und dass der Mann als beinharter Unterstützer des russischen Präsidenten Wladimir Putin gilt, macht die Sache in diesen Zeiten auch für ihn nicht besser.

Der Krieg, den Putin in der Ukraine angezettelt hat, beschäftigt zunehmend auch das benachbarte Europa und damit Deutschland, die 14 osteuropäischen Nato-Mitgliedsländer ebenso wie die 16 angestammten westlichen Nato-Staaten. Und die ganze Welt ist empört über das zunehmend irrationale Vorgehen Russlands.

Nie wurde das so deutlich wie gestern in der Vollversammlung der Vereinten Nationen. 141 der 193 Mitgliedsstaaten stimmten der Resolution zu, mit der Russland zur sofortigen Einstellung der Kampfhandlungen gegen die Ukraine aufgefordert wurde, 35 Mitgliedsländer enthielten sich und ganze fünf auf diesem Planeten stimmten gegen die Resolution: Russland selbst, Belarus, Syrien, Nordkorea und Eritrea. Na, herzlichen Glückwunsch, möchte man da Moskau zurufen bei diesen Verbündeten.

Interessant ist auch, dass sich die Atommächte China und Indien enthielten, weil doch unsere Putin-Fans ganz sicher sind, dass „der Chinese“ natürlich auf Seiten Russlands steht gegen den verhassten Westen. Ich denke nicht, dass China so kalkuliert, weil die ganz eigene Gedanken über die zukünftige Weltordnung und die eigene Rolle darin haben. Aber lassen wir das Spekulieren.

Die Ukraine kann alleine – auch mit Waffen aus Deutschland – diesen Krieg nicht gewinnen. Sie kann den Preis für spätere Verhandlungen hoch treiben, und das macht Präsident Selenskyj bisher bravourös. Heute fanden in Belarus zum zweiten Mal Friedensgespräche zwischen den Kriegsparteien statt, ohne dass irgend etwas in Sachen Frieden tatsächlich vereinbart wurde. Wer hätte das auch ernsthaft erwartet?

Immerhin man einigte sich auf humanitäre Korridore, um die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln im Kriegsgebiet sicherzustellen. Und um den sicheren Abzug von Zivilisten zu ermöglichen, die nur noch raus wollen. Angeblich haben bereits eine Million Menschen die Ukraine verlassen, 500.000 von Ihnen sind in Polen untergekommen. Großen Respekt vor unseren Nachbarn!

Wenn jemand einen Krieg beginnt, gibt es immer drei Möglichkeiten, wie sich die direkten Nachbarn verhalten können.

Wegsehen und nichts tun? Das ist für niemanden in diesem Konflikt eine Option. Militärisch eingreifen? Dafür gibt es keine Grundlage, weil die Ukraine nicht Mitglied der NATO ist und auch überhaupt niemand im Westen einen Krieg mit der Atommacht Russland führen will. Selbst wenn in einem solchen Fall – was sehr wahrscheinlich ist – die NATO die Oberhand behielte, wäre unser ganzer Kontinent eine einzige Trümmerwüste und es gäbe vielleicht Millionen Todesopfer, wenn überhaupt jemand überlebt. Das will Putin auch nicht, wird dann gesagt, doch Putin macht seit Wochen Dinge, von denen alle angenommen haben, er würde es nicht tun.

Die dritte Möglichkeit erleben wir gerade. Viele Länder beschließen gemeinsam, den Aggressor zu bestrafen oder/und zum Einlenken zu bewegen, durch Nadelstiche unterhalb der Schwelle eines heißen Krieges. Geldvermögen einfrieren, Reisemöglichkeiten beschränken, Geschäftesbziehungen abbrechen, internationalen Zahlungverkehr massiv einschränken, Technologietransfer unterbinden. Das schafft wenig Freude im Land des Aggressors, erst rückt man auch da natürlich demonstrativ zusammen. Denn wer will schon das eigene Land verraten?

Aber auf Sicht, wenn die Sanktionen wirken, wenn einflussreiche Oligarchen nicht mehr an ihre Vermögen (oder Yachten) kommen, sie ihre Kinder auf teuren Privatschulen in London und ihre Geliebten in Luxusappartments nicht mehr besuchen können, dann nervt das irgendwann. Und genervte aber einflußreiche Oligarchen wollen irgendwann auch, das das mal endet. Ob dieser Plan aufgeht? Ich weiß es nicht, aber es ist ein Plan.

Womit ich wirklich große Bauchschmerzen habe, das sind Einschränkungen für russische Bürger hier bei uns. Wenn Supermärkte keine russischen Dosensuppen mehr anbieten, dann wird das Putin nicht beeindrucken. Was soll das also?

Wenn in München der Stardirigent Valery Gergiew bei den Philharmonikern rausfliegt, einfach weil er Putin-Freund ist und sich nicht laut genug distanziert hat, dann geht das gar nicht. Weil Intendant Benedikt Stampa und Oberbürgermeister Dieter Reiter ihre persönliche Erwartungshaltung über das, was Valery denken und tun sollte, zum Maßstab für seine Weiterbeschäftigung nehmen. So etwas sollte in einer Demokratie nicht möglich sein.

Also: Hoffen wir, dass die Kämpfe endlich abflauen!

Militärexperten sagen: 150.000 Soldaten reichen bei weitem nicht aus, die ganze Ukraine in den Griff zu bekommen, schon gar nicht im Griff zu behalten. Der erstaunlich massive Widerstand im Westen der Ukraine müsste Herrn Putin klarmachen, dass er sich das nicht einmal wünschen sollte. Dauernd diese Holzkisten in die Heimat, das kommt auch in Russland nicht an. Den Osten der Ukraine hat er oder wird er in wenigen Tagen komplett unter Kontrolle haben. Die Krim hat er 2014 bereits widerrechtlich einkassiert in sein Reich. Auch dort fehlt mir die Phantasie, wer das wie rückgängig machen sollte.

Tausende Menschen sind in dieser ersten Woche auf beiden Seiten getötet worden, der materielle Schaden in den Städten ist enorm. Es wäre an der Zeit, ernsthaft zu versuchen, das Töten und Zerstören zu beenden und eine Lösung am grünen Tisch zu vereinbaren, die beiden Seiten irgendwie gerecht wird oder mit denen sie wenigstens leben können.

Für mich ist erstaunlich, dass Putin wirklich mit so brachialer Gewalt vorgegangen ist und vorgeht. Aber genauso beeindruckt bin ich vom Widerstand in der Ukraine selbst. Das hat Herr Putin mit Sicherheit so nicht erwartet. Und was mich besonders freut: Der Westen ist wieder da. Trump und Macron hatten noch vor zwei Jahren die Notwendigkeit der NATO in Zweifel gezogen. Jetzt ist die NATO wieder ganz oben, Moldavien, Georgien, Finnland und Schweden liebäugeln mit der Mitgliedschaft im Verteidigungsbündnis.

Und Deutschland? Die Etablierten schreiten Seit‘ an Seit‘, beschließen im Vorübergehen einen Sondervermögen von 100 Milliarden für die Modernisierung der Bundeswehr, was sehr, sehr, sehr nötig ist. Das Zwei-Prozent-Ziel für Verteidigungsaufgaben wird ab jetzt immer eingehalten, sagt man uns. Und Olaf Scholz redet im Parlament über Russland wie zuletzt John F. Kennedy. Und als ich jetzt Annalena Baerbock in der UN-Vollversammlung reden gehört habe, musste ich unwillkürlich an Lara Croft aus dem bekannten Computerspiel denken. Nicht zu fassen, welche Metamorphosen innerhalb einer einzigen Woche möglich sind auch hier bei uns in Deutschland.

Der Hacker-Angriff auf diesen Blog hat uns beunruhigt, aber wir sind wieder da. Noch ein bisschen Fleißarbeit zum Rekonstruieren verlorengegangener Texte und zerschossener Funktionen – jetzt geht es ohne Pause weiter. Eine gute Gelegenheit, Sie noch einmal um Unterstützung für unsere Arbeit zu bitten. Spenden Sie auf PayPal über @KelleKlaus oder auf unser Konto bei der Berliner Sparkasse DE18 1005 0000 6015 8528 18. Vielen Dank!




Ich zähle die Tage, bis Sie endlich in den Ruhestand gehen, Mr. President

Mit dem demonstrativen Wegsehen des Westens angesichts türkischer Luftangriffe auf die irakischen Kurden, wird ein neuer Tiefpunkt moralischer Verkommenheit in der einstigen Werte- und Verteidigungsgemeinschaft namens NATO erkennbar. Der Architekt dieses Totalversagens trägt einen Namen: Barack Obama, Friedensnobelpreisträger, Golfspieler und US-Präsident. Mit dem Krieg im Irak, das sei eingeräumt, hatte er von seinem Amtsvorgänger George W. Bush ein schweres Erbe übernommen. Doch der viel zu frühe Abzug seiner Soldaten aus dem Irak hat den Islamischen Staat (IS) erst möglich gemacht. Stünden heute noch 80.000 schwer bewaffnete GIs im Land, gäbe es zwar nicht einen islamistischen Wirrkopf auf der Welt weniger, aber die Folterer, Vergewaltiger und Kopfabschneider könnten nicht ein großes Areal, über zwei Staaten ausgebreitet, kontrollieren. Es gäbe dann keinen IS.
Der frühere glücklose US-Präsident Jimmy Carter hatte in der Außenpolitik kein gutes Händchen, wie jeder weiß. Gegen Obama wirkt er wie ein Chefstratege und Weltenlenker.
Wie sieht die außenpolitische Bilanz dieses angeblichen Heilsbringers Obama im Oval Office aus? Atomwaffenfrei wollte er die Welt machen, Kriege wollte er beenden, eine neue Ära des Friedens und der friedlichen Co-Existenz sollte eingeleitet werden. Nichts davon ist auch nur annähernd erfüllt worden. Weder hat er den aggressiven Islamismus mit seiner glänzenden Rhetorik beeindrucken können, noch hat er es geschafft, sich als überzeugender Anführer des freien Westens zu positionieren. Die Despoten dieser Welt lachen über Obamas Amerika, das „rote Linien“ verkündet und bei Überschreiten nichts tut. Sie klopfen sich auf die Schenkel vor Vergnügen, wenn sie mit ansehen, wie sich der vermeintlich mächtigste Mann der Welt von den iranischen Mullahs, von Putin und jetzt Erdogan vorführen lässt. Wie er beim chinesischen Präsidenten vor der Tür warten muss, bis dieser Zeit für ihn hat. Die gewaltigste Militärmaschinerie der Welt ist unter diesem schwachen Commander in Chief nicht in der Lage, der IS wirkungsvoll Einhalt zu gebieten, weil er nicht den Mut hat, die notwendigen Entscheidungen zu treffen.
Die Welt ist mit dem US-Präsidenten Obama nicht sicherer, sondern deutlich unsicherer geworden. Und bis zu seiner Ablösung werden noch eineinhalb zähe Jahre vergehen. Hoffentlich ist die Zeit bis dahin nicht zu lang, um all die außen- und verteidigungspolitischen Schäden, die er hinterlassen wird, wieder auszubügeln.