Ukraine-Krieg: Wenn sie doch schon verhandeln, warum nicht auch ein Waffenstillstand?

Was die hoch angesehene „Financial Times“ gerade zum Ukraine-Krieg schreibt, klingt vollkommen skurril. Danach gebe es seit einiger Zeit Geheimverhandlungen zwischen den beiden Kriegsparteien über einen Stopp oder zumindest eine deutliche Reduzierung der gegenseitigen Angriffe auf Energieanlagen.

Dazu muss man wissen, dass die russische Invasionsarmee bereit Ende vergangenen Jahres begonnen hat, systematisch ukrainische Wärmeinfrastruktur anzugreifen und zu zerstören. Klar, wenn die kalte Jahreszeit kommt, und die Menschen in ihren Wohnungen frieren, ist die Begeisterung, in den Kampf zu ziehen, wenig ausgeprägt.

Nun ist aber Kiew vor wenigen Monaten mit der überraschenden Spezialoperation im Großraum Kursk auf russisches Gebiet vorgedrungen und greift seit Wochen erfolgreich Öllager (und Munitionsdepots) auch tief im russischen Hinterland an. Und ohne Öl kann auch in Russland nicht mehr jeder heizen.

Also die gegenseitigen Schläge, die sich ja vorrangig gegen die Zivilbevölkerung richten, um deren Kriegsmoral zu brechen, zeigen Wirkung.

Jetzt hätten Moskau und Kiew vor Wochen auf Geheimdienstebene Gespräche aufgenommen, die „Häufigkeit der Angriffe auf die Energieinfrastruktur des jeweils anderen“ zu reduzieren, schreibt die „Financial Times“. Und weiter auf Berufung auf Quellen, die direkt mit den Verhandlungen vertraut sind, behauptet das Blatt, es habe schon im Herbst 2023 eine Vereinbarung gegeben, Kraftwerke und andere Energieanlagen nicht mehr anzugreifen. Das habe dazu geführt, dass Russland seine Angriffe reduziert habe. Als die Ukraine Anfang 2024 seine Drohnenangriffe auf russische Ölraffinerien dann verstärkt habe, sei die Stimmung in Moskau wieder umgeschlagen.

Niemand von uns kann wissen, was hinter den Kulissen dieses grauenhaften und sinnlosen Krieges wirklich passiert. Andererseits ist sehr unwahrscheinlich, dass die FT so etwas schreibt, ohne dass es konkrete Informationen gibt, die die Geschichte stützen. Solche internationalen meinungsführenden Blätter nehmen das mit dem Journalismus in der Regel noch ernst.

Aber wenn Moskau und Kiew miteinander sprechen – auf Vermittlung Katars, wie man hört -, wenn sie Angriffe auf die zivile Infrastruktur des Kriegsgegners reduzieren, wenn sie Gefangene austauschen – warum um alles in der Welt, ist es dann immer noch nicht möglich, wenigstens erstmal einen Waffenmstillstand zu vereinbaren?

 




Sehnsucht nach einem Russland, das es nicht mehr gibt

Sie sind nach einem spektakulären Gefangenenaustausch in Freiheit, doch sie wollen Russland nicht den Rücken kehren. Bei einer Pressekonferenz in Bonn sagte gestern der russische Oppositionspolitiker Ilja Jaschin, er betrachte seine Freilassung nicht als Gefangenenaustausch, sondern als „illegale Ausweisung gegen meinen Willen“.

„Vom ersten Tag hinter Gittern an habe ich gesagt, dass ich für einen Austausch nicht bereit bin. Ich habe öffentlich darum gebeten, nicht in die Austauschlisten aufgenommen zu werden, da ich mich als russischer Politiker und Patriot verstehe.“

Ein Mitarbeiter des russischen Geheimdiensts FSB, der ihn eskortiert hatte, habe ihm zum Abschied gesagt: „Du kannst natürlich wie Nawalny nach Russland zurückkehren. Du wirst wie Nawalny verhaftet werden. Und du wirst wie Nawalny enden“.

Putins Russland eben….




Kein guter „Deal“: Ich würde den Waffenhändler und den Mörder nicht austauschen

In Russland sitzen derzeit zwei amerikanische Staatsbürger im Gefängnis: die Basketballerin Brittney Griner und Paul Whelan. Der wurde zu 16 Jahren verurteilt, weil er spioniert haben soll. Griner hatte bei der Einreise Cannabisöl dabei, was nicht erlaubt ist. Ihr Verfahren läuft noch, sie sitzt also erst einmal in Untersuchungshaft.

Nun können wir darüber philosophieren, wie blöd eigentlich jemand sein muss, der bei der Einreise nach Russland verbotene Substanzen bei sich führt und glaubt, nicht kontrolliert zu werden. Und ob Whelan tatsächlich ein Spion ist? Gut möglich, wissen wir nicht. Spione im Feindesland leben gefährlich. Aber aus Gründen des Humanismus denkt unsereins erstmal: holt die da raus und fertig!

Die Außenminister Antony Blinken und Sergej Lawrow haben in der vergangenen Woche das erste Mal nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine wieder miteinander telefoniert. Nicht über die Ukraine, oder sagen wir, nur am Rande darüber. Blinken wollte den Preis wissen, was Russland für die Herausgabe der beiden amerikanischen Staatsbürger aufruft. Und der Preis hat es in sich.

Die Russen wollen ihren Staatsbürger Viktor Bout zurückhaben, zunächst ein erfolgreicher Transportunternehmer, der nach dem Ende der Sowjetunion sein Portfolio um Waffenhandel erweiterte und damit extrem erfolgreich wurde. 1000 Mitarbeiter und 60 eigene Flugzeuge hatte Bout mit seiner Firma in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Ungeniert lieferte er Waffen an jeden, der bezahlte – auch Kriegsparteien, die sich gerade gegenseitig bekämpften, wurden mit dem notwendigen Gerät versorgt, sich gegenseitig umzubringen. Unzählige Menschen starben durch Bouts Aktivitäten, manche Bürgerkriege hätten ohne seine Lieferungen gar nicht geführt werden können. 2008 machten die Amerikaner dem ein Ende und verhafteten Bout, verurteilten ihn zu 25 Jahren Haft und 15 Millionen Dollar Geldstrafe.

Der Mörder aus dem Berliner Tiergarten heißt Wadim Nikolajewitsch Krassikow und ist Mitarbeiter des russischen Geheimdienstes FSB. Er hat im August 2019 den Georgier Selimchan Changoschwili erschossen. Der war zuvor Leiter einer tschetschenischen Kampfgruppe, die den russischen Besatzern dort schwere Verluste zugefügt hatten. Da beschloss man, ihn „zu liquidieren“. Wie die Herrschaften des FSB das so machen, wenn der Kreml anruft und einen Auftrag hat.

Ich nehme an, der Austausch wird letztlich so stattfinden, wie jetzt diskutiert. Realpolitik, nennt man das. Gut möglich, dass das schon nächste Woche vollzogen wird, irgendwo an einer Brücke im Morgennebel.

Eine naive Sportlerin und einen, der möglicherweise Dokumente geklaut und illegal Fotos gemacht und an seinen CIA-Führungsoffizier weitergeleitet hat, im Tausch gegen einen Mann, der mittelbar verantwortlich für den Tod zigtausender Menschen ist und dann noch einen eiskalten Auftragskiller, der auch vor dem Tiergarten-Job schon aktiv war und „nasse Aufträge“ erledigt hat – das ist kein „guter Deal“, wie Donald trump das formulieren würde. Und ich auch.

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