GASTSPIEL MARTIN D. WIND: Von einer publizistischen Vendetta gegen Kardinal Woelki
Der Kardinal hat Fehler gemacht. Der Kölner Erzbischof Rainer Kardinal Woelki hat bei kirchenrechtlichen Fragen und bei Personalentscheidungen nicht nach dem Gusto von Joachim Frank entschieden. Sie kennen Joachim Frank nicht? Dann ist das eine Bildungslücke – unerheblich zwar, aber dennoch. Frank, „Chefkorrespondent des Kölner Stadtanzeigers“, ist, neben Drobinski von der Süddeutschen oder auch Deckers von der Frankfurter Allgemeinen, einer des Dreigestirns der „kritischen Beobachtung“ der Entwicklung innerhalb der Kirche in Deutschland. Das heißt, diese Drei sind für die mediale Begleitung und die Berichterstattung über Gemeinden, Laiengremien, Priester, Bischöfe und der Bischofskonferenz insgesamt verantwortlich. Sie sind Journalisten.
Ehrlich gesagt, wenn Ihnen in jüngster Zeit Herr Frank nicht vor die Füße gefallen ist, haben Sie als Katholik wahrscheinlich ruhiger gelebt, als jemand, der sich dessen Texte im Kölner Stadtanzeiger angetan hat. Frank hat sich verbissen, denn Woelki tanzt einfach nicht nach seiner Pfeife. Und das geht natürlich gar nicht, schon gar nicht, wenn der Flötenspieler nebenher auch noch „Vorsitzender der Gesellschaft katholischer Publizisten“ (GKP) ist. Da weiß man per se, was für die Kirche eigentlich besser wäre.
Wie kommt man zu diesem Verdikt „wenig journalistisch“? Im Journalismus geht es in erster Linie darum, möglichst neutral – andere würden sagen „objektiv“ – „Bericht zu erstatten“. Das ist der Urgrund dessen, was den größten Teil medialer „Berichterstattung“ ausmacht. Die eigene Meinung hat da weitestgehend außen vor zu bleiben. Man zeigt viele Aspekte einer geschilderten Lage auf und lässt möglichst alle Seiten zu Wort kommen. Die eigene Meinung kann man in Kommentaren verbraten. Da ist dann Platz für eine Einordnung des geschilderten Geschehens. Solche Texte werden in der Regel auch mit der Marke „Kommentar“ versehen.
Wer lange genug „im Geschäft“ ist, der weiß, dass manche Journalisten Ihr Handwerk gut beherrschen und sich viel Mühe geben, den Ansprüchen gerecht zu werden. Es gibt aber eben auch Texter, die keinerlei Skrupel haben, handwerkliche Grundsätze schamlos über den Haufen zu schmeißen (dieser Satz ist ein eindeutiges Signals: Hier wird ein Kommentar geschrieben!). Auch Frank scheint da keinerlei Bedenken zu haben. Schon in der Vergangenheit ist er dadurch aufgefallen, dass er Tendenzberichterstattung betreibt. Unter anderem ist es Teil guten Journalismus, dass man in einer Konfliktsituation beide Seiten eines Falles zu gleichen Teilen zu Wort kommen lässt. Dieser Aspekt des berufilchen Ethos guter Journalisten scheint beim Betrachten der Frankschen Ergüsse im Stadtanzeiger keinerlei Rolle mehr zu spielen. Reihum kommen – bis auf sehr wenige Alibistimmen – in der Regel Kritiker des Kardinals zu Wort.
Frank schämt sich nicht mal, in einem Artikel einen protestantischen Amtsträger ausführlich und massiv Angriffe gegen den Kölner Kardinal fahren zu lassen, um dann etwas später geheuchelte Schnappatmung ob der Übergriffigkeit dieses hausfremden Predigers zu simulieren. Dabei war das Verhältnis zum Meisner-Nachfolger nicht immer so getrübt. Einen ersten Schatten warf wohl Woelkis klare Kante gegen den Verein „donum vitae“, der sich trotz kirchlicher Ablehnung deutscher Praxis an der Vergabe von staatlichen Abtreibungsscheinen beteiligt. Dieser Verein wurde von Katholiken gegründet, die sich damit massiv gegen den Willen des Papstes und des Lehramts stellen und sich durch Ihr Handeln nach Meinung vieler selbst exkommunizieren. Solange Woelki sich lediglich sozial-caritativ äußerte oder an einer kindischen Aktion für „Gutmenschen“ teilnahm – lehramtlich nicht spürbar und damit seiner eigentlichen Berufung demnach nicht nachkommend – , medienwirksam ein Schlepperboot vom Mittelmeer nach Köln karren ließ, solange bekam er von Frank nur Schulterklopfen und Wohlwollen.
Nachdem Woelki dann aber auch noch einen neuen Generalvikar ins Amt berief, der Herrn Frank kirchenpolitisch nicht behagt, ging es mit steigender Kadenz gegen den Kardinal. Es gibt kaum noch Tage, an denen der Chefkorrespondent nicht fleißig möglichst viele kritische Stimmen gegen Woelki zusammenträgt und mit einer wirklich durchaus gelungen-grenzwertig beurteilenden Sprache denen zum Fraß vorwirft, die „schon immer wussten, dass der Kardinal ein elender Traditionalist ist“. Dabei kann man sich als Katholik freuen, dass Woelki sich endlich wieder erkennbar katholisch zeigt. Nicht zufällig kommt dieses geschärfte Profil zutage, nachdem sich der Erzbischof von seinem ehemaligen „Kommunikationsdirektor“, Dr. Ansgar Mayer, getrennt hatte.
Doch jetzt hat der Kardinal es gewagt, ein Papier der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) zur Kommunionzulassung konfessionsfremder Eheleute im Vatikan in Frage zu stellen. Das scheint für Frank sowas wie der berühmte Funke ins Pulverfass gewesen zu sein. Seither arbeitet er sich in einem erstaunlichen Furor an Woelki ab, dass man beinah Mitleid mit dem Texter bekommen kann. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht weitere vermeintliche Einzelheiten der Schandtaten und der Schwächen des Kardinals enthüllt werden – offenbar sogar durch tatkräftige Mithilfe illoyaler Verräter aus der DBK, so meldet das zumindest das internationale Nachrichtenportal kath.net, das sich einen von Frank veröffentlichten Brief von sieben Bischöfen an den Vatikan mal genauer angesehen hat. Nach Meinung von kath.net wurde demnach Frank direkt aus der Bonner Zentrale mit vertraulichen Informationen versorgt – was der Pressesprecher der DBK selbstverständlich in Abrede stellen musste.
Wie dem auch sei: Ein Journalist, der seine persönlich zusammengedengelte Feld-Wald-und-Wiesentheologie zum Maßstab kirchlichen Handelns macht, daraus verallgemeinernd eine Anspruchshaltung gegenüber einem Amtsträger der Kirche ableitet und diese flächendeckend unters Volk bringt, sollte sich fragen, ob er der richtig für das Amt des Vorsitzenden der GKP ist. Natürlich ist das durchaus vorteilhaft fürs networking, für das Hintertragenbekommen, aber ist dieses opportunistische Getue und Berichterstatten dann noch „katholisch“?
Eine private Vendetta hat in öffentlichen Medien nichts zu suchen. Und wenn Sie sich jetzt über die Härte dieses Kommentars wundern: Es ist der Versuch, sich dem Ton von Frank halbwegs anzupassen. Leider fehlt dem Autor die pastorale Sprachausbildung. Er ist eher für das unverlogene, offene und klare Wort.