Veganer Grünkohl, Currywurst und Nippes: Über den Weihnachtsmarkt geschlendert

Es ist saukalt draußen, bei Ihnen sicher auch. Und Sie heizen und wissen gleichzeitig, dass Sie dieses unvermeidbare Heizen teuer zu stehen kommen wird in den nächsten Monaten, wenn die neuen Abschlagszahlungen vom Vermieter oder den Stadtwerken eingefordert werden.

Wann aber haben wir alle Zeit, endlich in Weihnachtsstimmung zu kommen?

Ich habe es heute versucht, in meiner Heimat am schönen Niederrhein. In der Stadt Willich gibt es nämlich das Schloss Neersen, und drumherum war an diesem Wochenende dort der traditionelle Weihnachtsmarkt. Endlich wieder nach Corona.

Am Samstag gegen Abend versuchte ich es, brach aber nach einer halben Stunde den Bummel ab, weil es so voll war, so eng, solch ein Gedränge, dass da selbst bei hohem Glühweinkonsum keine Chance auf Besinnlichkeit bestand. Wenn Sie ständig angerempelt werden, ohne dass sich wenigstens jemand entschuldigt, wenn sich betrunkene späte Mädels in wattierten Winterjacken einen Eierpunsch nach dem anderen in den Hals schütten, dann hilft auch nicht mehr, wenn aus den Lautsprechern „Vom Himmel hoch, da komm‘ ich her…“ dudelt.

Also heute Nachmittag nochmal, das war entspannter. Und ich mag ja auch diese kleinen traditionellen Märkte noch, wo man wenigstens einen Hauch gebrannter Mandeln in der Winterkuft wahrnehmen kann. Anders als auf den Giga-Märkten wie Köln, wo sie in einem ewigen Strom von  Menschen aus aller Herren Ländern durch die engen Gassen geschoben werden, ob Sie es nun wollen oder nicht. Und da riechen Sie eher süßliche Cannabisdämpfe als gebrannte Mandeln.

Nein, das war heute schön beim Schloss Neersen. Ich hatte Ihnen ja versprochen, einen Currywurst-Test zu machen. Habe ich, und es war top. Holzkohlegrill, Krakauer Grillwurst, frische Pommes mit Majo – 6,50 Euro. Die älteren con Ihnen werden sich noch erinnern: 6,50 Euro, das waren früher 13 Deutsche Mark. Für eine Bratwurst und Pommes. Moderne Zeiten.

All der Nippes in den Buden, den man so kennt wie Holzschnitzereien und bunt blinkende Weihnachtsdekos, gab es natürlich reichlich. Keine Ahnung, wer das kauft. Und warum. Die St. Sebastianus Schützenbruderschaft war gleich mit mehreren Ständen vertreten, auch veganen Grünkohl gab es. Und weil sich die (christliche) Bruderschaft Barmherzigkeit auf die Fahnen geschriebn hat, gab es eine ordentliche Portion leckeren Grünkohl mit Mettwürstchen für angemessene 4,50 Euro.

Bin ich jetzt in Weihnachtsstimmung? Natürlich nicht. Aber beim Zurückschlendern erstand ich noch an einer total weihnachtlichen Bude mit mediteranen Köstlichkeiten wie Schafskäse, Oliven und Fladenbrot nein bisschen was für zu Hause. So hatte sich der Besuch auf dem Weihnachtsmarkt doch noch gelohnt.




Glühwein und Rum bei der SPD: Zeitreise in eine heimelige Vergangenheit

In unserer Straße, drei Häuser weiter, wohnt der Bürgermeisterkandidat der SPD für das kommende Jahr. Als ich den Flyer mit seiner Einladung zu Glühwein und Bratwurst im Postkasten fand, zögerte ich keine Sekunde, mich anzumelden. Denn er ist ein guter Typ, ein Sozi, wie man ihn malen würde – geradlinig, idealistisch, immer ansprechbar, wenn Bürger etwas auf dem Herzen haben. Wir beide reden an einem Stehtisch über Weihnachten und wie es so ist, das Leben an sich. Ein paar Dutzend Nachbarn sind da, ein wirklich schöner Abend, auch wenn grau und nass.

Nach dem vierten Glühwein – „der schmeckt nur, wenn ordentlich Rum drin ist“ – kommen wir zur Politik. Wenn es um die „großen Themen in Berlin“ geht, könnten wir uns abklatschen. Ein einziges Trauerspiel, was die GroKo-Helden da veranstalten. Aber wenn es um unseren Ort geht, blüht unser Gastgeber auf. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Leute Wohnungen haben, die sie auch bezahlen können“, sagt er und holt noch zwei Glühwein für uns…mit viel Rum.

Das Berufsleben ist für ihn durch – jetzt hat er Zeit für Kommunalpolitik. Und er freut sich, dass das Verfassungsgericht gestern den Beschluss der schwarz-gelben Landesregierung kassiert hat, nach dem es bei Bürgermeister- und Landratswahlen keine Stichwahl mehr geben sollte. „Jetzt macht Wahlkampf wieder Spaß“, sagt er und nimmt noch einen Schluck, während sich die ersten Gäste verabschieden. Zu Hause ist noch viel vorzubereiten für das Weihnachtsfest. „Ich hab‘ schon mal überlegt, mit der Parteipolitik ganz aufzuhören“, erzählt er beim sechsten Glühwein mit Rum. Seine Frau und er haben vor 30 Jahren das eigene Häuschen erworben. „Wir könnten zwei Kinder aus Syrien aufnehmen, ihnen ein Dach über dem Kopf, Essen und Bildung, die Chance auf eine glückliche Zukunft bieten….“

Ich schließe mich einigen Nachbarn an, die aufbrechen wollen. Langsam gehen, denn der Glühwein macht sich bemerkbar und vor allem der Rum. Ein schöner Blick in die Vergangenheit war das, diese SPD ist die große Traditionspartei, die auch heute noch als Volkspartei ihren Platz in Deutschland haben könnte. Als man sich Gedanken um die Sorgen der kleinen Leute machte und Außenminister Willy Brandt und Helmut Schmidt hießen und nicht Heiko Maas.