„Gott schütze unser Vaterland“

Heute Morgen in der Heiligen Messe – falls Sie es nicht wissen, so nennen Katholiken ihre Gottesdienste – gab es bei den Fürbitten etwas Erstaunliches. Die Lektorin bat Jesus Christus „für unser Vaterland, für seine Sicherheit und Wohlfahrt für seine Bürger“. Mir fiel vor Schreck fast das Gesangbuch aus der Hand.

Hatte sie das wirklich gesagt, gewagt, das V-Wort auszusprechen? Muss ich das melden beim Verfassungsschutz?

Ja, sie hat es gewagt. Und spontan fragte ich mich, ob ich in meinen 64 Lebensjahren jemals erlebt habe, dass in einem Gottesdienst für unser Vaterland gebetet wurde. Ich glaube nicht…




Glauben Sie es oder nicht: Die Kirche Jesu lebt – aber es wird anders

Also mit der katholischen Untergrundkirche in der Volksrepublik China will ich uns nicht vergleichen, obwohl ein chinesischer Herr Bätzing da sicher seinen Platz finden würde von wegen Anpassung an den Staat und so. Aber inzwischen ist es tatsächlich so, dass ich jeden Sonntag 35 Kilometer hin- und dann zurückfahre, um einen anständigen katholischen Gottesdienst, eine Heilige Messe, mitfeiern zu dürfen.

Wir haben hier auch gute Pfarrer, aktive Gemeinden, gleich um die Ecke. Manchmal gehe ich da auch hin, denn wie „mein Pfarrer“, Pater Klaus (schöner Name übrigens), mal sagte: Auch eine langweilige Messe ist besser als keine Messe. Da hat er recht. „Mein Pfarrer“ sage ich, seit er der erste Mensch war, der nach meinem schweren Herzinfarkt Anfang 2016 im Krankenhaus in Mönchengladbach ankam. Da lag ich auf der Intensivstation, und die Ärzte kämpften um mein Leben. Drei Mal mussten sie mich mit Stromstößen wiederbeleben und drei Wochen lag ich noch im künstlichen Koma ohne eine ärztliche Prognose, ob ich jemals wieder aufwache.

Felix, einer meiner besten Freunde, war damals von meiner Frau informiert worden, rief Pater Klaus LC an, und der wiederum ließ alles stehen und liegen und raste los. Ja, ich finde es gut, dass es Priester gibt, die sich aus eigenem Entschluss für den Zölibat entscheiden und 24/7 da sind, wenn die Not bei einem seiner Schäfchen am Größten ist.

Heute Morgen also Heilige Messe in einem christlichen Haus in der Nähe von Düsseldorf, keine Kirche. Fast 100 Leute teilten sich Stühle, Hocker und Papierkopien mit Liedertexten. Brechend voll alles bis zur Haustür, ein improvisierter Altar, Zwei mit Instrumenten, ernsthafte Stille. Pater Rafael zelebrierte. Es ging – natürlich – heute um den Josefstag, um den heiligen Josef. Der war ein sehr spannender Mann. Als seine Frau ihm sagte, sie bekomme ein Kind, war das zweifellos ein Schock für den Zimmermann, denn Beischalf hatte nicht stattgefunden. Maria war noch Jungfrau, als sie schwanger wurde, was – wie Sie wissen – ein ungewöhnlicher Vorgang ist.

Es ist nicht überliefert, ob Maria ihren Josef beruhigen konnte mit einem heute beliebten Satz wie „Ich kann Dir alles erklären…“ Aber Sie wissen, wie es weitergeht in dieser großen Geschichte, die mit der Geburt Jesu am Heiligen Abend nicht endete, sondern in dieser Nacht in Bethlehem erst so richtig begann.

Kein Klima, kein Gender, keine aufgeregten kurzhaarigen Damen vom Pfarrgemeinderat, die meinen, sie müssten den ganzen Laden übernehmen, und das Zeitalter der Männer sei vorbei. Sondern einfach Kirche. Einfach Gott. Einfach – in meinem Fall – katholisch.

Es ist keine Mühe, sonntags dorthin zu fahren. Es ist wie eine Fahrt in einen kurzen Urlaub. Mehr als die Hälfte der Anwesenden waren jünger als 20, die zweitgrößte Gruppe waren Frauen/Mütter und – ich habe heimlich durchgezählt – sechs alte weißen Männer wie ich. Die anderen fünf haben sich sicher ebenso gefeut wie ich, hier die Zukunft unserer Kirche erleben zu dürfen. Weder die unsäglichen Missbrauchsfälle, weder Herr Bätzing und der Synodale Irrweg – die Kirche Jesu – katholisch oder protestantisch – wird eine Zukunft haben. Ganz sicher.

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Sonntagmorgen am Niederrhein

Die ältere Dame mit den weißen Haaren in der Bankreihe hinter mir ist bestimmt über 70, und der ältere Herr neben ihr zweifellos ihr Ehemann. Ich schätze, Goldene Hochzeit hatten sie schon vor Jahren, Schön, ich freue mich immer, wenn ich Paare sehe, wo dasKonzept tatsächlich so funktioniert, wie die christlichen Kirchen das empfehlen.

Kurz vor Beginn der Heiligen Messe, wie ich da noch glaubte, klopfte mir die Dame mit ihrer linken Hand auf meine linke Schulter. Sie beugte sich vor und raunte mir ins Ohr: „Das hat mich hier noch nie jemand gefragt…“ Das, damit meinte sie den Moment zwei Minuten vorher, als ich mit „Gotteslob“ und zwangsweise Maske („weil wir doch singen“) in meine angestammte dritte Bankreihe links in St. Mariae Geburt in Kempen Platz genommen hatte, mich umdrehte und die beiden älteren Leutchen fragte, ob ich ihnen vielleicht die Sicht versperre und nach rechts oder inks rutschen soll, damit sie den Altar besser sehen können. Sie waren offensichtlich völlig perplex, dass mal jemand einfach freundlich und höflich ist. In der Kirche.

Apropos, ich habe vor ein paar Wochen schon mal über diese sogenannten „Wortgottesdienstfeiern“ geschrieben, und das mir das nicht sonderlich gefällt, wenngleich es natürlich besser ist, WGFs finden statt als gar nichts. Aber eine Heilige Messe ist für mich eine Heilige Messe.

Einige von Ihnen haben mir damals geschrieben und widersprochen, dass viele der Wortgottesdienst_*feiernden sehr bemüht seien, dieses christliche Beisammensein schön zu gestalten. Und ich will das niemandem absprechen, wirklich. Aber ich frage mich, warum es bei ungefähr gleichbleibender Anzahl katholischer Priester und gleichzeitig deutlich nachlassendem Gottesdienstbesuch nicht möglich sein soll, weiter  ausreichend Heilige Messen anzubieten. Unwillkürlich dachte ich an Frau von der Leyen als Verteidigungsministerin, die Tausende Mitarbeiter in ihrem Ministerium hatte und gleichzeitig im Jahr 150 Millionen Euro für externe „Berater“ verballerte.

Katholische Priester sollen zölibatär leben, damit sie 24/7 für ihre Schäfchen da sein können. Ich habe mehrfach Ausnahmesituationen erlebt, wo ich schnell einen Priester brauchte – und jedesmal war einer da. Eigentlich keine Zeit, aber hier bin ich! Wunderbar, ich finde das wirklich großartig. Aber ich werde – bei allem Respekt vor den Laien, die sich sonntags viel Mühe geben – nun vorher genauer hinschauen, ob Messe ist oder nicht. Ich bin nicht freiwillig katholisch geworden vor 39 Jahren, um nun am Sonntag Wortgottesdienste zu erleben. Aber wenn man Herrn Bätzing als Vorturner hat, muss man sich auch nicht wundern…

Auf dem Weg zur Kirche begegnete ich übrigens drei Frauen, die mit Kinderwagen und Baby spazierengingen bei herrlichem Sonnenschein. Drei Mütter mit ihrem Kindern. Und man fragt sich: Wo sind eigentlich die Väter dazu? Ich meine, was haben sie am Sonntagmorgen so Wichtiges zu tun, dass sie ihre Frauen und Kinder allein an die frische Luft schicken? Noch müde? Aufmarsch beim Schüzenfest? Ich finde, manche Väter haben noch Verbesserungspotential. Als ich aus der Bäckerei kam mit den Frühstücksbrötchen kam mir ein junges Paar mit Kinderwagen entgegen. Sie lachten und scheinen wirklich sehr verliebt und glücklich zu sein. Na also, geht doch…

Ihnen allen einen schönen Sonntag!

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Wortgottesdienst…nix für mich am Sonntag

Heute Morgen war ich versehentlich in einem „Wortgottesdienst“. Ich/wir fahre(n) immer 15 Kilometer, um sonntags an einer würdevollen katholischen Messe teilzunehmen Und ich war gleich gut gelaunt, weil mir die Frau aus dem Pfarrgemeinderat am Kirchentor zurief, ich bräuchte keinen Impfausweis mehr vorzeigen. Ein guter Start. Aber eben nur ein Start.

Als eine Frau im wehenden weißen Gewand zum Altar schwebte, ahnte ich, dass ich schlechte Laune bekommen würde.

Dazu müssen Sie wissen: Ich bin der letzte Mensch auf diesem Planeten, der irgendetwas gegen Frauen hätte. Frauen sind großartig, das ideale Gegenüber zu uns Kerlen, wenn sie sich eben auch selbst so verstehen. Frauen und Männer sind nicht nur unterschiedlich, sie haben auch unterschiedliche Begabungen, Empfindungen und Aufgaben. In den Augen der römisch-katholischen Kirche sind die Frauen diejenigen, die das Leben weitertragen in die Zukunft, und Männer sind die Bewahrer des Glaubens für die Zukunft, wenn Sie mir erlauben, das so vereinfacht zu beschreiben.

Ich weiß, dass meine vielen evanglischen Freunde das anders sehen, und ich war ja selbst früher Protestant und kenne bis heute phantastische und tiefgläubige Menschen, nie würde ich Menschen, die anders glauben als ich mit Hochmut, der auch nicht christlich wäre, begegnen. Niemals. Vielleicht haben die ja recht mit ihrer Art zu glauben. Alles möglich.

Aber als jemand, der sich den Weg zum katholischen Christsein aus freiem Antrieb über Jahre erkämpft hat, möchte ich da, wo Heilige Messe draufsteht, auch Heilige Messe drin haben. Mit heiliger Eucharistie, mit Weihrauch, mit lateinischen Chorälen, Messdienern und – ja – einem Mann am Altar. Weil ja Jesus Christus vor gut 2000 Jahren 12 Männer zu Aposteln berufen hat, wie wir in der Bibel gelesen haben.

Und nachher werde ich wieder viele Mails und Chat-Nachrichten bekommen, ob ich denn das mit der „Päpstin“ gar nicht wisse, und dass die Bibel doch völlig überholt sei, und Jesus natürlich Frauen dabei hatte, sogar eine Tochter, und ich bin sicher: wenn wir genau suchen bei Dan Brown – da muss auch ein Transgender mit am Tisch gesessen haben. Ganz bestimmt. Und wenn gar nichts mehr hilft, dann haben amerikanische Wissenschaftler irgendwas dazu entdeckt.

Nur, bitte: Ich möchte gern weiter katholisch sein und glauben, wie es einst normal war. Und ich will natürlich auch eine Kirche, die sich an ihre eigenen Regeln hält, und die knallhart durchgreift etwa bei den widerwärtigen Missbrauchsfällen der Vergangenheit. Und ich finde Johannes Hartl toll mit seinen  MEHR-Konferenzen und seinem Gebetshaus. Gottesdienst feiern mit den Stilmitteln der modernen Zeit –  aber nicht verwässert im Inhalt und auch nicht bei den Ritualen und bei der Mystik. Die Kirche ist – wenn Sie selbst nicht glauben, hören Sie hier dann auf zu lesen! – kein Sozialverein, bei dem der Blumenschmuck neben dem Altar und das Liedgut des Männerchores entscheidend ist. Entscheidend ist, dass ein Rahmen geschaffen wird, IHN zu finden und für sich selbst entdecken zu können.

Und da will ich keine Änderungen, die einfach so gemacht werden, weil der Pfarrgemeinderat das halt beschlossen hat. Ich will da sonntags einen Pfarrer am Altar, einen Mann, so wie die Jünger Jesu Männer waren, so, wie es nach meinem persönlichen Glauben sein sollte.

Wem das egal ist, was ich will – hey, nie würde ich irgendwem vorschreiben wollen, wie er oder sie zu glauben oder auch zu leben hat. Macht, was Ihr wollt!

Der damalige Kardinal Ratzinger, später dann Oberhaupt der Katholischen Weltkirche, warnte das Kardinalskollegium im Jahr 2005 in einer Predigt im Petersdom vor – so wörtlich – einer „Diktatur des Relativismus“. Und er sagte seinen Brüdern, sie sollten keine Angst vor einem antichristlichen Zeitgeist haben, sondern einfach weiter fest im Glauben stehen.

Darüber dachte ich vorhin im Wortgottesdienst nach, der an mir vorbeiflog wie die tägliche öffentlich-rechtliche Radiorubrik namens „Kirche in 1 Live“, in der jeden Tag irgendwer etwas Belangloses aus seinem Leben erzählt, ohne dass meistens das Wort Gott überhaupt vorkommt.

Und ich fragte mich selbst, während ich da in der Bankreihe kniete, ob nicht ich selbst das Problem sein könnte. Ob nicht die Welt um mich herum zerbröselt, und ich das bestenfalls noch nicht begriffen habe oder – viel schlimmer – nicht mit der modernen Zeit zurecht komme.

Ich meine, ich stelle mich jeden Tag in dieser oder jener Sache selbst in Frage. Bin ich auf der falschen Seite, muss ich vielleicht Argumente von Gegnern doch ernsthaft bedenken? Das ist ein anstrengender Prozess. Wenn ich in den Netzwerken die Apparatschicks aller Seiten verfolge, die nie an irgendwas zweifeln, bin ich oft fassungslos. Die wissen alles, auch was Putin wirklich denkt oder Biden, und wer noch wo welchen Waffen oder Goldvorräte insgeheim versteckt hat. Sagenhaft. Irgendwer sagt es ihnen, und sie vertreten es bis aufs Blut. Manchmal glaube ich zu verstehen, wie das damals alles geschehen konnte. Es würde auch heute wieder funktionieren. Andere Ideologie, andere Uniformen, aber die Masse marschiert, wenn es ihr befohlen wird.

Vielleicht werden unsere Kinder später von mir sagen: Schrullig, der Alte. Netter Kerl, ganz passabler Vater, aber der wollte doch tatsächlich immer einen Mann am Altar stehen haben sonntags… Ja, das will er, der schrullige Alte…

P.S. Ich weiß, dass der Wortgottesdienst immer ein integraler Bestandteil der Messe ist, dem dann die Eucharistie folgt. Nur die folgte eben  nicht…

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Friede sei mit Dir!

Das Virus ist allgegenwärtig. Und überall präsent, auch wenn ich wie wohl die meisten von Ihnen unsicher bin, ob er wirklich so gefährlich ist, wie viele behaupten. Manche sagen so, manche so.

Heute Morgen auf dem Weg zur Heiligen Messe, am Eingang zur Kirche halten Leute aus dem Pfarrgenmeinderat die Kirchentüren auf, damit die Gläubigen nicht die Türgriffe anfassen müssen. Die Weihwasserbecken leer, Friedensgruß nach dem Vaterunser unerwünscht. Bloß nicht anfassen. Gottvertrauen, klar. Aber sicher ist sicher.

Anders als vergangene Woche ist die Kirche sehr voll, zweiter Fastensonntag, es geht auf Ostern zu. Und das ist wichtig. Sehr wichtig, jedenfalls für die Menschen, die noch wissen, dass es hier nicht um Hasen und Ostereier geht, sondern um ein epochales Ereignis in der Geschichte der Menschheit. Aber das ist ein anderes Thema.

Als es zum Friedensgruß kommt und zunächst alle starr nach vorn schauen, durchbricht einer in der zweiten Reihe das sterile Nichts und streckt seiner Nachbarin die Hans hin:  „Der Friede sei mit Dir!“ Sie greift zu, und sofort beginnen auch andere damit, einige umarmen sich, manche lachen. Hey, wir sind das Volk Gottes, vor was sollen wir Angst haben?

Ein wirklich befreiender Moment in unserer Kirche in Kempen am Niederrhein. Und die Erinnerung daran, was auch für uns alle, also auch Sie, gilt: Nur einer muss den Rücken gerade machen und beginnen, dann ist alles möglich…




GASTSPIEL OLIVER WAGNER: Was macht die Heilige Messe eigentlich heilig?

Was ist dem einzelnen Priester eigentlich noch heilig? Das Evangelium jedenfalls nicht. Zumindest für einen Pfarrer in meiner neuen Schweizer Heimat. Er liest beharrlich aus dem „Evangelium nach…“ und nicht dem „Heiligen Evangelium nach…“. Haarspalterei? Ich glaube, es ist der Anfang vom Ende.

Denn dazu fallen hier und in allen anderen katholischen Kirchen des Kantons gerne mal das Gloria und fast immer das Halleluja weg, die zweite Lesung generell und mit ihr die Psalmen. Ein Schuldbekenntnis habe ich noch nie gehört, Weihrauch gab’s nicht mal zu Ostern und Weihnachten, gesungen wird nur im Notfall. Die Gewänder der Messdiener werden als Kostüme für Brauchtumsveranstaltungen verliehen, die Ministranten selbst kommen in unfestlichen weißen Kutten. Das Messbuch verschwindet immer mehr. Stattdessen werden eigene Gebete (inklusive Hochgebet) aus einem Ringbuch vorgetragen.

Immer, wenn ich denke, der Tiefpunkt ist erreicht, kommt es noch schlimmer. Zum Hochfest Epiphanie fiel die (Heilige) Messe aus („der Pfarrer hat so viel zu tun“). Stattdessen gab’s einen Wortgottesdienst. Zum Abschluss wurden dann kleine Päckchen mit Kreide, Kohle und Weihrauch verteilt. Damit die Leute ihre Häuser selbst segnen. Nach dem Motto: Hol dir die frohe Botschaft doch gefälligst selbst nach Hause.

Und so ist aus dem Weglassen eines einzigen Wortes eine ganze unselige Lawine von Veränderungen geworden. Nicht, dass die Streichung des Wortes „heilig“ tatsächlich der Anfang war. Aber irgendwo hat es begonnen. Jemand ist aus der Liturgie ausgeschert und ging seine eigenen Wege. Vermutlich um der Gemeinde zu gefallen, nicht anzuecken. Manchmal habe ich den Eindruck, hier weiden die Schafe den Hirten.

Die Ergebnisse: eine verstümmelte Liturgie, Einzug von Esoterik in Gemeindearbeit und Liturgie, Verlust jedweder Festlichkeit und Freude während der Heiligen Messe, eine traurige Gemeinde, die geschlossen möglichst weit hinten, also weit weg vom Herrn im Tabernakel (der steht hier immerhin noch in den meisten Kirchen im Altarraum), sitzt und Priester, die während sie die „frohe Botschaft“ verkünden, aussehen, als müssten sie furchtbar leiden.

Bitten um ein Gespräch zu diesen Themen wurden vom Pfarrer nicht beantwortet. Man hört wohl lieber auf den Zeitgeist. Der ist bequemer.

Wo blüht heute christliches Leben? Überall dort, wo Jesus noch wirklich im Zentrum steht. Dort, wo Lobpreis kein Fremdwort ist, Heilige Messen von Herzen zelebriert werden. In Gemeinden, die von Priestern geleitet werden, die von Herzen Haupt sind und die ihnen anvertrauten Schafe vor dem verführerischen und trügerischen Zeitgeist schützen (da fallen mir gleich noch ein paar Gedanken zum Thema „Laien in der Kirche“ ein, aber das ist vielleicht ein Thema für einen anderen Tag). Herr, schenke uns Hirten, die deine Schafe weiden.




Was ist an einem festen Standpunkt schlecht?

Im Gottesdienst ging es heute Morgen um einen bekannten Text aus dem Markus-Evangelium über den Moment, als zwei seiner Jünger Jesus baten, rechts und links von ihm sitzen zu dürfen. Das gefiel den anderen zehn überhaupt nicht, und Jesus mahnte: „Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein.“ Unser Pfarrer entwickelte daraus einen interessanten Zickzackkurs zur derzeit in Rom tagenden Familiensynode. Er hoffe und bete, schloß unser Geistlicher seine Ausführungen, dass auch die versammelten Synoden-Teilnehmer nicht nur dogmatisch über das Thema Familien denken und reden, sondern es vor allem menschlich betrachten. Eigentlich war ich schon fast erstaunt, dass an dieser Stelle nicht – wie sonst vielerorts üblich – Beifall der versammelten Gemeinde aufbrannte. „Menschlich“, das klingt super, oder? Der Kölner sagt ja gern „man muss auch jönne könne“. Seht doch alles nicht so eng! Die 10 Gebote, die Lehren von Jesus – ist ja schön und gut, aber warum denn immer alles so ernst nehmen? Übersetzen wir unseren Glauben an Gott und die Lehre seines Sohnes doch einfach mal ins „Menschliche“. Schauen wir nur, was die Leute haben möchten, und dann sagen wir: „Ja, genau! Das meinte Jesus auch!“ Allerdings sollten wir die Kirche dann direkt danach auflösen.




Ein Anfang, der für Viele gleich wieder Abschied ist

Letzlich war es dann doch eine recht würdige Feier, heute in unserer Kirchengemeinde. Die Erstkommunion ist, wie regelmäßige Leser meiner Beiträge wissen, immer eine zwiespältige Sache für mich. Natürlich freue ich mich, wenn da 100 Kinder erstmals zum Tisch des Herrn eingeladen werden. Und ich liebe geradezu das Bild, wenn all die Mädchen dort in weißen Kleidchen und die Jungs in ihren ersten dunklen Anzügen und Krawatten vorn im Altarraum stehen, die Paten mit Kerze neben sich, alle mit angemessen ernstem Blick, der dokumentiert: Hier geht es um etwas wirklich Wichtiges. Weniger erfreut bin ich beim Anblick vieler der mitgekommenen Verwandten, die man sonst nie in der Kirche sieht – den ein oder anderen vielleicht mal an Weihnachten – und von denen einige den Eindruck machen, gar nicht zu wissen, wo sie da sind, um was es geht und überhaupt: was redet der da vorn immer von Erlösung? Sei’s drum, wenigstens hat dieses Mal kein Handy geklingelt, und man muss auch für solche Fortschritte dankbar sein.

Rund 100 Kinder, verteilt auf zwei Messen, gehören nun also vollkommen zu unserer Kirche, und unwillkürlich musste ich bei ihrem Anblick daran denken, wie ihr Lebensweg weiter aussehen wird. Für einen beträchtlichen Teil von ihnen war’s das mit dem heutigen Tag. Es gibt eine Menge Geschenke, wahrscheinlich viele Geldscheine, wenn’s gut läuft auch ein Kreuz für die Kinderzimmer-Wand. Vielleicht ein Dutzend von ihnen wird sich den Messdienern anschließen und für die nächsten zwei, drei Jahre so den Kontakt zu ihrer Gemeinde halten. Der ein oder andere übernimmt vielleicht hin und wieder eine Aufgabe beim alljährlichen Gemeindefest. Vielleicht nehmen auch einige zukünftig mal an einem Sommercamp teil. Die wenigsten werden in Zukunft regelmäßig die Heilige Messe besuchen.

In fünf, sechs Jahren sind die meisten dann zum ersten Mal verliebt. Nichts interessiert sie dann weniger als Kirche, denn die ist „uncool“. Und die Empfehlung, vor der Ehe keinen Sex zu haben, werden nicht einmal die, die es sich vorgenommen haben, durchhalten. Unsere Gesellschaft, unsere Medien, das Internet, die Freundinnen und Freunde lassen keinen Raum für solch extravagantes Verhalten. Einzelne werden vielleicht ungewollt schwanger und suchen den Rat von Freunden oder Pro Familia zu ihrer „Notlage“. Wer hört auf die Kirche? Zwischendurch gibt es vielleicht noch mal ein Gebet, vor der Abschlussarbeit in Mathematik zum Beispiel. Oder die Messe am Heiligen Abend vor dem Geschenkeverteilen. Die meisten werden vermutlich irgendwann heiraten. Dann könnte die Kirche kurz interessant werden, weil es so schön feierlich ist und Fotos am Altar gern ins Album geklebt werden. Und so weiter. Erst später wird der Glaube dann wieder interessant, wenn ein naher Angehöriger stirbt oder wenn man selbst krank wird oder in Not gerät. Und je näher das eigene irdische Leben rückt, desto intensiver werden die Versuche, zu begreifen, dass es ja doch irgendwie weitergehen könnte und dass da „noch jemand ist“.

Das ist er, der Kreislauf des geistlichen (Er-)Lebens in einer Wohlstandsgesellschaft. Die Kirchen wissen das. Warum tun sie bloß nichts, um diese scheinbaren Unabänderlichkeiten zu durchbrechen?