Fünfte Amtszeit für Merkel? Der blanke Horror

Heute ist der 90. Geburtstag von Helmut Kohl. Noch-CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer würdigt den Kanzler der Einheit zu recht als großen Staatsmann und verrät, dass man „bei einem Künstler eine Büste in Auftrag gegeben“ habe, die im Konrad-Adenauer-Haus im großen Sitzungssaal einen Platz finden soll. Und der Raum werde auch nach Helmut Kohl benannt. So weit so gut. Traditionen soll man pflegen, auch wenn dieses Land und seine Politiker gerade andere Sorgen haben (sollten).

Ich weiß nicht, ob Sie – wie ich – an ein Leben nach dem Tod glauben, aber wenn es das gibt, dann wird Helmut Kohl heute in seinem Grab rotieren. Denn die BILD beunruhigt die Deutschen mit der Spekulation, Angela Merkel können vielleicht – sozusagen aus Sorge ums Vaterland – noch einmal antreten und eine fünfte Amtszeit im Kanzleramt anstreben. Das wäre der blanke Horror.

Kein Regierungschef nach 1945 hat Deutschland so viel Schaden zugefügt wie diese Frau. Allein wegen zahlreicher Rechtsbrüche gehort diese Frau vor ein Gericht. Die Schäden an Volksvermögen und Menschenleben, die durch Merkels undurchdachte Entscheidungen während der Flüchtlingskrise verursacht wurden, belasten unsere Gesellschaft vermutlich noch auf Generationen. Und ausgerechnet diese Frau soll jetzt noch einmal Regierungschefin werden? Das ist so, als wenn man den Brandstifter zum Oberfeuerwehrmann machte. Allein auf so einen Gedanken zu kommen, ist grotesk. Aber in diesem Land ist inzwischen offenbar alles möglich.




Der Mann, der das Richtige tat, als der Mantel der Geschichte wehte

Heute ist der Tag der Deutschen Einheit! Haben Sie mal kurz daran gedacht? Am 3. Oktober 1990 stand ich mit einem Kopfhörer über den Ohren und einem Mikrophon in der Hand auf der Pressetribüne am Reichstag und berichtete live für ein gutes Dutzend Privatradios überall in Deutschland, als die gewaltige schwarz-rot-goldene Fahne aufgezogen wurde zum Klang der Freiheitsglocke. Den Blick nach vorn gerichtet auf ein wahrliches Meer von Menschen und Fahnen. Unvergessliche Momente meines Journalistenlebens.

Die CDU-Politikerin Julia Klöckner hat vorhin getwittert, dass heute im Film mit Zeitdokumentationen zum Festakt der damalige Kanzler Helmut Kohl weder gezeigt noch überhaupt erwähnt wurde. Frau Klöckner findet das skandalös…und ich auch.

Helmut Kohl hat nicht die Wiedervereinigung ausgelöst. Natürlich nicht! Den Anstoss haben die tapferen Männer und Frauen der Bürgerrechtsbewegung auf den Straßen von Leipzig und Dresden und vielen Orten im damals unfreien Teil unseres Landes gegeben. Unfassbar mutige Menschen, unsere Landsleute „drüben“.

Und dann wehte der Mantel der Geschichte und der Bundeskanzler tat genau das Richtige. Er fand die richtigen Worte im Dezember 1989 vor der Dresdner Frauenkirche, er setzte sich einem schrillen Pfeifkonzert des vieltausendköpfigen linken Mobs vor dem Schöneberger Rathaus aus. Er überzeugte den US-Präsidenten Bush senior – das war leicht – und Frankreichs Präsidenten Mitterand – das war schwer. Er zwang Maggie Thatcher so lange zum Saumagenessen in Oggersheim, bis auch sie zustimmte. Und er plauderte mit Gorbatchow auf einer Steinmauer am Rhein in Bonn über den ewigen Lauf der Geschichte, der verläuft wie so ein großer Fluß. Und schließlich schwitzte und soff er mit Jelzin. Für Deutschland…

Helmut Kohl hat in diesem Prozess, der zur Wiedervereinigung Deutschlands führte, eine herausragende Rolle gespielt, was auch immer man sonst an ihm kritisieren kann und muss.

Aber heute gibt es nur eins, was man ihm zurufen sollte, wo immer er jetzt auch ist: Danke Kanzler!




Heute jährt sich der Tag, an dem ich vor dem Fernseher weinte

Heute vor 35 Jahren wurde Helmut Kohl vom Volk zum Bundeskanzler gewählt. Schon am 1. Oktober 1982 war er durch den dringend notwendigen Koalitionswechsel von der SPD und Schmidt zur Union ins Amt gekommen. Die Bürger bestätigten die schwarz-gelbe Vernunftehe eindrucksvoll. Und die Sozialdemokraten verabschiedeten ihren großen Kanzler Helmut Schmidt mit einem schäbigen und gegenüber der Sowjetunion unterwürfigen Beschluss gegen den NATO-Doppelbeschluss, der später maßgeblich zum Zusammenbruch des kommunistischen Imperiums Moskauer Prägung führte.

Ich war junger Wahlhelfer in einem Wahllokal der Hauptschule Holzhausen in meiner Heimatstadt Bad Salzuflen. Noch nie zuvor war die CDU dort auch nur in die Nähe der 40 Prozent gekommen. Als wir an diesem Abend ausgezählt hatten und der Wahlleiter hinter der CDU als erste Zahl eine 4 mit Kreide an die Tafel schrieb, begriff ich, das heute etwas Historisches in meinem Land geschehen würde. Freiheit statt Sozialismus hatte Kohl im Wahlkampf versprochen und eine geistig-moralische Wende. Ich hatte wochenlang jeden Tag Wahlkampf betrieben in unserer Ortsunion, die von einem Bauern geleitet wurde. Im strömenden Regen fuhren wir mit einem CDU-beschrifteten VW Bulli nachts durch die Stadtteile und klebten Kohl-Konterfeis auf Plakatständer. Samstags standen wir in der Fußgängerzone der Innenstadt, verteilten Broschüren und Luftballons und Aufkleber. Ab und an kamen Aktivisten der örtlichen DKP-Ortsgruppe vorbei und pöbelten uns an. „Fußkranke der Weltrevolution“, so hatte Kohl solche Leute bei einer Kundgebung vor dem Detmolder Rathaus genannt.

Die geistig-moralische Wende kam nicht, was mich irgendwann sehr enttäuschte. Dafür wurde das Privatfernsehen eingeführt, was ich gut fand und finde. Nicht wegen Dschungelcamp und Casting-Shows, sondern wegen Pluralität und echter Konkurrenz zum Staatsfunk. Das wurde letztlich auch enttäuschend für mich.

Die Einheit hat nicht Helmut Kohl erfunden, aber er hatte den richtigen Riecher. Als der „Mantel der Geschichte“ wehte, griff er beherzt zu. Mit seinem Zehn-Punkte-Plan zur Wiederherstellung der staatlichen Einheit unseres Vaterlandes (Aufpassen Gender-StaSi!), mit seiner unnachahmlichen Umarmungsstrategie gegenüber skeptischen Staatschefs. Die Amerikaner unter George Bush senior waren sofort an Deutschlands Seite. Margret Thatcher wollte überhaupt nicht, aber Kohl nötigte sie so lange zum Saumagen-Essen, bis sie aufgab. Und mit Gorbatschow saß er am Rhein und philosophierte um Truppenabzug und Einheit, später mit Jelzin soff und schwitzte mein Kanzler in einer russischen Sauna. Ja, ich stehe heute noch dazu, dass ich Kohl immer wieder gewählt habe, obwohl er kein Konservativer war. Aber er war ein Patriot, für den das Wort Pflichterfüllung keine leere Hülse war. Der Platz ließ für die Flügel, der den Herz-Hesu-Marxisten Blüm ins Kabinett holte und den schwarzen Sheriff Dregger für die Konservativen. Welcher Minister stand eigentlich im Kabinett Merkel zuletzt für…irgendwas? Außer Frau von der Leyen für das Runterwirtschaften der Bundeswehr.

In wenigen Tagen wird Frau Merkel erneut zur Bundeskanzlerin gewählt. Wahrscheinlich werde ich wieder weinen. Aber aus anderen Gründen als damals.




Über das unwürdige Possenspiel rund um den Tod Helmut Kohls

«Ich finde die bisherige Entwicklung unwürdig, für meinen Vater, für Deutschland und für Europa.» Dieser Satz stammt vom Kohl-Sohn Walter, der in den Tagen nach dem Tod seines Übervaters keine Gelegenheit ausließ, öffentlich zu zeigen, was er von dem Gezerre um das Begräbnis im allgemeinen und von der Witwe Maike Kohl-Richter im besonderen hält. Als Walter Kohl Zutritt zu seinem Elternhaus begehrte, wurde er von Polizeibeamten abgewiesen, die ein Hausverbot gegen ihn durchsetzten.

Mit der Entscheidung für ein Begräbnis Helmut Kohls in Speyer wolle man sein „politisches Lebenswerk“ von seiner Mutter Hannelore trennen, behauptet der zornige Sohn und forderte öffentlich, seinen Vater an der Seite seiner Mutter im Familiengrab der Kohls beizusetzen. Und weil das nicht passiert, wird Walter Kohl an der Beisetzung seines Vaters überhaupt nicht teilnehmen. Ein unfassbarer Vorgang.

Und dann der „Staatsakt“, oder wie es jetzt genannt wird „Trauerakt“ am 1. Juli im EU-Parlament in Straßburg. Ist das angemessen? Klar, Helmut Kohl war einer der großen Europäer in der jüngeren Geschichte. Maßgeblich stellte er die Weichen, nicht zuletzt für die Einführung des Euro. Aber Staatsakt? Ein europäischer Staatsakt? Europa ist kein Staat und wird hoffentlich auch nie einer werden. Warum ehrt man einen verdienten, ich sage großen, Bundeskanzler – immerhin der Kanzler der Einheit – nicht in seinem Land?

Man muss nicht mit Kohls Politik einverstanden gewesen sein, aber man kann diesem Mann nicht absprechen, dass er ein deutscher Patriot war, der seinem Land im wahrsten Sinne des Wortes lange gedient hat. Und der dieses unwürdige Possenspiel um sein Begräbnis und sein Andenken wahrlich nicht verdient hat.




Meine persönlichen Erinnerungen an Helmut Kohl

Helmut Kohl war Zeit seines Politikerlebens das, was man „umstritten“ nennt. Ich hatte das Privileg, diesen Kanzler und Parteivorsitzenden immer wieder persönlich erleben zu dürfen, das erste Mal 1976 auf dem Marktplatz von Detmold in meiner lippischen Heimat. Kohl war drei Jahre zuvor zum Vorsitzenden der Partei Konrad Adenauers gewählt worden und machte Wahlkampf vor dem Rathaus. Eine britische Militärkapelle spielte vorher, ich habe heute noch Schwarz-Weiss-Fotos davon.

Als er am 6. März 1983 von den Deutschen zum Bundeskanzler gewählt wurde, saß ich abends im Wohnzimmer meiner Eltern vor dem Fernseher und weinte. Vor Glück. Eines von zwei politischen Ereignissen überhaupt, bei denen mit Tränen über die Wangen liefen. Das andere war 1991, als sich die Nachrichten um die Welt verbreiteten, dass in Moskau ein Putsch gegen Gorbatschow begonnen habe, und wir erwarteten, dass es nun wieder Krieg geben könnte.

Eine geistig-moralische Wende versprach der Kanzler Kohl und enttäuschte mich und viele andere bitter. Aber wenn es um Europa ging, machte er vieles richtig. Oder sagen wir: Er hatte den richtigen Kompass, wenn auch handwerklich manches schief lief. Die Organisation der deutschen Wiedervereinigung war sein Meisterstück. Als der Mantel der Geschichte wehte, griff er zu. Ohne Absprache mit seinem Koalitionspartner, ohne Konsultationen mit Washington, Paris, London und Moskau diktierte er seiner Hannelore seinen Zehn-Punkte-Plan in die Reiseschreibmaschine. Sein persönliches Drehbuch für den Weg zur Einheit.

Er hat es gut gemacht. Er saß mit Gorbatschov auf einer Mauer am Rhein und sie redeten über die schrecken des großen Krieges. Er fand mit den Vereinigten Staaten und George Bush sen. schnell einen mächtigen Verbündeten für sein Vorhaben, das deutsche Volk wieder in einen Staat zusammenzuführen. Er gewann das ehrliche Vertrauen Mitterrands und drehte schließlich auch die knarzige Maggie Thatcher um. Auch Deutschlands Nachbarn vertrauten diesem Mann aus Oggersheim, der so gar kein Großmannsgehabe ausstrahlte und immer wieder hohe Staatsgäste an den heimischen Esstisch zu pfälzischem Saumagen nötigte.

Unvergessen seine Kundgebungen vor dem Schöneberger Rathaus, wo er von 50.000 Berlinern gnadenlos ausgepfiffen wurde und mit stolz gerecktem Kinn „Einigkeit und Recht und Freiheit“ gegen den Mob ansang. Unvergessen die Nacht, als die Mauer fiel, und ich als Reporter mit einem Mikrofon bis zum Morgengrauen an Grenzkontrollstellen, die längst keine mehr waren, live berichtete. Unvergessen die gewaltigen Kundgebungen im Volkskammerwahlkampf 1990. In Erfurt und Leipzig war ich mitten in der Menge dabei und vergaß meine gebotene Zurückhaltung als Journalist und stimmte enthusiastisch in die „Deutschland, Deutschland“-Sprechchöre mit ein.

Nur ein Politiker, der sich ausruht, macht keine Fehler. Nur einer, der keine Vision hat, eckt nicht an, zieht sich keine Häme zu. Helmut Kohl hatte bei all den Fehlern, die er auch gemacht hat, den richtigen Kompass. Eine Eigenschaft, die man seiner aktuellen Nachfolgerin auch wünschen möchte.

Als Helmut Kohl 1993 zum Antrittsbesuch beim neuen amerikanischen Präsidenten Bill Clinton in Washington antrat, war ich als Journalist dabei. Ich erlebte einen historisch tief gebildeten und mitreißend witzigen Mann, der ohne Krawatte mit offenem Hemd und Strickjacke auf einem Klappstuhl in der Kanzlermaschine hoch über dem Atlantik das Weltgeschehen erläuterte. In dem kleinen Besprechungsraum des Flugzeugs war es viel zu eng für all die Berichterstatter. Ich gehörte zu denen, die sich mit Kuli und Stenoblock schließlich auf den Teppich zu seinen Füßen setzte. Ich werde diese Reise nie vergessen. Und ich verneige mich vor einem großen Staatsmann.




Die Mächtigen und wie sie mit dem Unmut des Volkes umgehen

Weltweit demonstrieren in diesen Tagen Menschen in großer Zahl gegen das Einreiseverbot für Bürger mehrerer muslimischer Länder in die USA. Das muss man ernstnehmen, das sollte auch Donald Trump ernstnehmen. In Großbritannien haben mehr als eine Million eine Online-Petition gegen die Einladung des amerikanischen Präsidenten ins Vereinigte Königreich unterzeichnet. Nun könnte man sagen: Wann hat schon jemals eine Online-Petition wirklich etwas bewirkt?

Der Protest von Kultursschaffenden und VIPs kann Trump egal sein. Was die Sängerin Madonna von ihm hält, ist letztlich so irrelevant, wie das Liedchen, das die Sängerin „Pink“ einst gegen George W. Bush trällerte. Mr. Präsident, ich kann ihnen erzählen, was harte Arbeit ist, singt da eine, die nach Konzert und After-Show-Party gegen 13 Uhr in den seidenen Kissen eines Luxushotels aufwacht, während einem Präsidenten der USA morgens um sechs Uhr – jeden Morgen – von seinen Leuten die Katastrophen der ganzen Welt vorgetragen werden. Die Selbsterhöhung im Kulturbetrieb, die Schauspieler und Sänger, die in Talkshows abends erklären, wie man alles besserer machen könnte, sind irrelevant. Für Trump, für mich und auch für die große Masse der Bevölkerung.

Aber wenn im wahrsten Sinne des Wortes Millionen ganz normale Menschen gegen eine Politik demonstrieren, sollte der Verantwortliche darüber ernsthaft nachdenken und nicht mit harter Hand einfach sein Ding durchziehen und Überbringer schlechter Botschaften „köpfen“.

Als Anfang der 80er Jahre in Deutschland die Debatte um den Nato-Doppelbeschluss tobte, demonstrierten im Bonner Hofgarten 500.000 Menschen. Der noch frisch gewählte Bundeskanzler Helmut Kohl flog mit seinem Hubschrauber in der Nähe vorbei und konnte die gewaltige Menge seiner Landsleute sehen. In seinen Memoiren schrieb er, er habe damals gedacht: Kann es wirklich sein, dass die sich alle irren und ich recht habe? Das beschäftigte ihn intensiv. Dann entschied er, den Doppelbeschluss weiter zu unterstützen. Die Geschichte hat ihm recht gegeben. Der Nato-Doppelbeschluss brachte den schon damals brüchigen Warschauer Pakt endgültig zum Einsturz.

Ob Trump mit seinem Einreiseverbot auch das Richtige tut? Darüber wird erst in der Zukunft irgendwann entschieden.

Dieser Text erschien zeitgleich am 31. Januar 2017 in der Online-Tageszeitung TheGermanZ.




Meine Deutschlandreise durch die Union

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben. Als Journalist sowieso. Aber wenn die Reise auch noch durch die Unionsparteien führt, dann ist es in diesen Tagen besonders spannend. Unionsparteien – Sie erinnern sich! Volksparteien, die unsere Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg entscheident geprägt haben. Kanzler wie Adenauer und Kohl, die die Weichen richtig stellten, als die politische Konkurrenz noch – vielleicht in diesem Zusammenhang unpassend formuliert – im Schützengraben saß. Die Union traf die richtigen Entscheidungen für ein demokratisches und rechtsstaatliches System, für eine (damals) freie und (heute noch) soziale Marktwirtschaft. Für die Westbindung, für Europa, für die Einheit… Die Bilanz kann sich sehen lassen, auch wenn es natürlich Fehler gab, wie etwa Frau von der Leyen zur Bundesfamilienministerin zu machen. Schwamm drüber, jetzt sorgt sie für Schminktische in Kasernen, und als Familienministerin war sie bei den Deutschen überaus populär. Man darf mit Fug und Recht annehmen, dass sie bei roten und grünen Wählern eine Menge Zustimmung mit ihrem Krippenausbau gefunden hat. Weniger im eigenen Lager. Und damit kommen wir zu Angela Merkel.

Ich war die ganze Woche unterwegs, in Berlin, München, Düsseldorf und anderswo. Und meine Hauptbeschäftigung war, mich mit Abgeordneten von CDU und CSU zu treffen, um zu erfahren, wie die Stimmung hinter den Kulissen eine gute Woche vor dem nächsten Bundesparteitag wohl sein wird. Es liegt in der Natur der Sache, dass ich niemanden mit Namen zitieren darf. Wer sich also nicht für die Union interessiert oder nicht glaubt, dass Politiker mit einem wie mir sprechen, dem empfehle ich, an dieser Stelle auszusteigen und etwas anderes zu lesen.

Den verbleibenden Leserinnen und Lesern (bei Bedarf auch den anderen 60 Geschlechtern) möchte ich erzählen von einem Abgeordneten und Kreisvorsitzenden, der am Montag, also einen Tag nach der Ankündigung Angela Merkels, sie werde erneut als Bundeskanzlerin kandidieren, 17 Parteiaustritte in seinem Briefkasten vorfand. Begründung unisono: jetzt reicht’s uns endgültig! Ich möchte Ihnen erzählen von Abgeordneten, die dem Defätismus frönen, also der Mutlosigkeit. Die seit #wirschaffendas am Telefon und an Straßenständen beschimpft werden. Deutschland kann seine Grenzen nicht mehr schützen? Kann doch wohl nicht angehen.

Ich möchte Ihnen von Unions-Abgeordneten erzählen, die mir sagten, dass ihnen der sogenannte „Modernisierung-Kurs“ besonders der CDU nicht behagt, die sinnfreie Aufgabe von als unerschütterlich angesehenen Überzeugungen. Aber die auch klar sagen: Jetzt ist Wahlkampf, jetzt müssen wir erstmal gewinnen. Und dann sehen wir weiter. Und überhaupt: wer soll es denn machen, wenn nicht die Angela? Und wenn Rot-Rot-Grün gewinnt, wird es doch alles noch schlimmer.

Doch es gibt auch noch andere, einen Mann zum Beispiel, der eine Menge Einfluss hat in seiner Partei. Er sagte mir: Bis zur Flüchtlingskrise hatte ich ein distanziertes Verhältnis zu Merkel, aber vergangenes Jahr hat sie endlich mal klar einen Standpunkt bezogen. Und Horst Seehofer aus Bayern und Julia Klöckner aus Rheinland-Pfalz, die eine Woche vor der Landtagswahl die Richtung änderte, um dann zu verlieren – bei diesen beiden Parteifreunden steigt sein Blutdruck: „Man muss auch mal Kurs halten, wenn Gegenwind kommt…“




Die CDU im Sinkflug: Wenigstens reicht es für Schwarz-Grün nicht mehr

Wer wissen möchte, wie die Zukunft der CDU aussehen wird, der sollte nach Österreich gehen. Das empfahl mir ein österreichischer Journalisten-Kollege, als ich vor einigen Wochen nach einer Podiumsdiskussion in Wien mit ihm am Buffett stand. Eigentlich müsste man die ÖVP unterstützen, philosophierte er, da sie in der Alpenrepublik die einzige Partei sei, in der noch rudimentär christliche Überzeugungen zu finden sei. So wie in der CDU, wenn man mal ins Programm schaut. Aber wer tut das schon? Die ÖVP ist in einem trostlosen Zustand, bei der chaotischen Bundespräsidentenwahl zuletzt, die ja wiederholt werden muss, standen sich die Kandidaten der Grünen und der FPÖ in der Stichwahl gegenüber. Die Traditionsparteien SPÖ und ÖVP saßen beim Wahlvolk in den hinteren Reihen. Wer die Zeichen der Zeit nicht erkennt, wer mit Arroganz auf insbesondere die eigenen, treuesten Wähler herabschaut, wer auf Shicki-Micki-Berater hört, die abends beim Rotwein ihren Klienten aus der Politik ihre Selbstverwirklichungsträume vom bunten Gender-Deutschland nahebringen, den bestraft das Leben. Definitiv!

In Berlin und „Meck-Pom“ wird demnächst gewählt. In aktuellen Umfragen liegt die CDU im Nordosten bei 26 Prozent und in Berlin bei 18. Das gilt heutzutage in der Partei Konrad Adenauers und Helmut Kohls schon als guter Wert. Ist es aber nicht. Hätte die CDU ihren Job gemacht, hätte man neben Modernisierung und Klimawandel auch wenigstens ein Stück weit auf den konservativen Flügel gehört, ich bin überzeugt, dass es die AfD gar nicht gäbe. Aber viele der Treuesten der Treuen aus der CDU haben nach den Merkel-Jahren die Nase gestrichen voll. Und dabei hatte alles so gut angefangen. Eine Parteivorsitzende aus Ostdeutschland, Frau und Ossi, pragmatisch, klug, unideologisch. Ich fand sie gut, schon als die meisten meiner Freunde noch Edmund Stoiber bei der Kanzlerkandidatur den Vorzug gaben. Und ich bewunderte „Angie“ sogar hin und wieder, besonders für ihre Auftritte auf internationaler Bühne. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz bürstete sie den iranischen Außenminister einmal in harschen Worten ab, wie man es auf diplomatischem Parkett in Deutschland wohl nur selten erlebt hat. Ja, die ersten Jahre Merkel waren gute Jahre. Für Deutschland, nicht für die CDU. Denn unter Merkels Führung schlug die Partei, die die Bundesrepublik über Jahrzehnte entscheidend geprägt hat, einen verhängnisvollen Marsch nach links ein.

Ohne Frage: eine Volkspartei muss mit der Zeit gehen, wenn sie Volkspartei bleiben will. Die Welt wächst zusammen, neue Lebensstile entstehen, mehr individuelle Freiheit bringt auch für manche Menschen neue Probleme mit sich. Und wenn mehr Krippenplätze gewünscht werden, muss eine Regierung diese zur Verfügung stellen. Aber muss man bei der „Modernisierung“ einer Partei seine Grundsätze über Bord werfen? Heißt Modernisierung, dass man die Überzeugungen, die man über Jahrzehnte taper verteidigt hat, über Nacht aus dem fenster schmeißt – manchmal ohne Beschluss eines Parteitags oder der Fraktion, einfach par ordre de mufti? Hat man die CDU-Mitglieder gefragt, ob sie die Grenzen für eine Million Menschen aus dem muslimischen Kulturraum öffnen wollen? Hat man sie gefragt, als 11.000 Kilometer entfernt ein Erdbeben war, ob sie die deutschen Atomkraftwerke, diese Technologie, die kurz vorher von der CDU noch als so sauber und sicher gepriesen wurde, abschalten wollen? Hat man sie gefragt, ob sie wirklich Grundschüler in unserem Land mit dem unwissenschaftlichen Gender-Schwwachsinn konfrontieren soll, sexuelle Vielfalt für Achtjährige? Das mag bei den Grünen ein ernsthaftes Thema sein, da gibt es so eine Tradition. Aber in der CDU? Oh ja, und nicht nur dort. Selbst der zuständige CSU-Minister in Bayern fällt dieser Tage mit seinem Herz für GenderGaga an den Schulen auf. Im katholischen BAYERN, wo die Christsozialen mit absoluter Mehrheit regieren. Man fasst sich an den Kopf.

Und das bringt uns zur aktuellen Lage. Wolfgang Bosbach, CDU-Urgestein aus dem rheinischen Bergisch-Gladbach, kandiddiert im kommenden Jahr nicht wieder für den Deutschen Bundestag. „WoBo“, wie ihn seine zahlreichen Fans liebevoll nennen, leidet seit langem an einer schweren Krankheit. Nun will er nicht mehr, und wer könnte ihm das übelnehmen? Aber er will auch politisch nicht mehr mitmachen, nicht mehr eine Politik aktiv unterstützen, an die er selbst nicht mehr glaubt. Bei der Euro-Rettung ging es los, zuletzt beklagte er in Interviews den „Kontrollverlust unseres Staates“ in der Flüchtlingsfrage. Wolfgang Bosbach, eine unüberhörbare Stimme der alten CDU, ich sage der Kohl-CDU, tritt ab. So wie Erika Steinbach, die unbequeme konservative Politikerin und frühere Präsidentin des Bundes der Vertriebenen. Auch ihre Stimme wird der CDU fehlen, jedenfalls vielen Mitgliedern und Wählern, wohl weniger den Funktionären im Adenauer-Haus in Berlin. Man könnte weitere markante CDU-Politiker nennen, die keine Lust mehr haben, etwa Thomas Dörflinger aus dem Schwarzwald. 51 Jahre jung ist er, seit 19 Jahren im Bundestag und eine der beeindruckendsten Stimmen in der jüngsten Stammzellen-Debatte. Nun sucht er eine andere berufliche Herausforderung. Einfach so, losgelassen von der Droge Politik.

Die CDU wird ohne Bosbach, Steinbach, Dörflinger und andere klarkommen. Die „Modernisierer“, ich nenne sie gern die „Verwässerer“, werden es mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen. Sie träumen von schwarz-grünen Koalitionen, vergessen dabei aber, einen Blick auf ihre Taschenrechner zu werfen. Denn der Aderlass an Wählern, die der Merkel-CDU den Rücken kehren und zu AfD, ins Nichtwähler-Lager oder übrigens auch wieder zur FDP abwandern, machen Schwarz-Grün zukünftig bei den meisten Wahlen rechnerisch unmöglich. Und das ist die gute Nachricht dieses ganzen Trauerspiels.




Das Kreuther Phantom spukt mal wieder

Dass in Internetforen und Leserbriefen der Rücktritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel gefordert wird, ist Alltag. Die Intensität, mit der es augenblicklich geschieht, ist neu. Das Agieren dieser sonst so machtbewussten Frau an der Spitze unserer Regierung in Bezug auf den Zustrom von Flüchtlingen stößt inzwischen auf harsche Kritik in großen Teilen der Bevölkerung. Da ist mächtig Dampf auf dem Kessel. Manch einer setzt darauf, die Kanzlerin werde sich bald von selbst verabschieden, um das Amt einer UN-Generalsekretärin zu übernehmen. Wie intensiv das diskutiert wird, ohne dass Merkel jemals öffentlich die Absicht geäußert hätte, diesen Job im Hochhaus am Hudson River anzustreben, ist erstaunlich.

Noch erstaunlicher jedoch ist, wie laut auf einmal zumindest in unionsnahen und konservativen Kreisen, eine Ausdehnung der CSU aufs ganze Bundesgebiet geradezu beschworen wird. Horst, komm und rette uns, ist – mit anderen Worten – in vielen Foren und Netzwerken zu lesen. Allein, da wird der Wunsch Vater des Gedankens sein und bleiben. Der große CSU-Vorsitzende Franz-Josef Strauß hatte es einst versucht, als auf seine Initiative hin am 19. November 1976 die CSU-Landesgruppe des Bundestages bei ihrer Klausurtagung in Wildbad Kreuth beschloß, die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU aufzukündigen. Groß war die Aufregung seinerzeit, als diese politische Sensation bekannt wurde. Doch in Bonn saß einer, der kühl blieb, frostig sogar. Oppositionsführer Helmut Kohl, der Mann aus der Pfalz, Vorsitzender der Schwesterpartei, stellte klar: eine Ausdehnung der CSU auf die Bundesrepublik werde den sofortigen „Einmarsch“ der CDU nach Bayern bedeuten. Aus zwei CSU-Bezirksverbänden signalisierte man Kohl Unterstützung für diesen Fall. Und in der CSU begann das Rechnen. Eine CDU in Bayern, selbst wenn sie nur 10 Prozent der Stimmen erränge, würde absolute Mehrheiten und viele Direktmandate gefährden – Abgeordnete, Bürgermeister und Landräte kosten. Am 12. Dezember, nach nur gut drei Wochen, brach die Revolution zusammen. Die CSU besann sich auf ihre Kernkompetenz als DIE Partei der Bayern, die aus dem Freistaat ein Erfolgsmodell sondergleichen geformt hat. Kaum anzunehmen, dass man in München Lust verspürt, sich jetzt erneut auf ein großes Abenteuer dieser Art einzulassen.