WM im Fernsehen: 17:5 für Katar gegen Münster

Der hochgeschätzte Kollege Helmut Markwort hat in seinem immer interessanten und scharfsinnigen „Tagebuch“ im Magazin FOCUS genau hingeschaut bei den Einschaltquoten von ZDF und ARD während der WM-Vorrunde in Katar.

Wohin wir damals blickten, Boykottaufrufe für das Turnier, was in unserem aktuellen Fall zu messen ist am Trikot-Verkauf und an den Einschaltquoten bei den Übertragungen der deutschen Spiele. Da war gegenüber früheren Weltmeisterschaften ein massiver Einbruch vorhergesagt worden, von den Medien, die meinten, es werde viel zu wenig Homo-Regenbogen geschwenkt in Katar. Und als sich Deutschland gegen Japan im ersten Spiel mit 1:2 vor den Augen der Welt blamierte, schauten tatsächlich im Durchhnitt nur 9,6 Millionen Zuschauer zu – bitter wenig. Wenn man aber genau hinschaut, wusste man auch, dass das Spiel an einem Wochentag um 14 Uhr deutscher Zeit angepfiffen wurde und der Gegner Japan – zur damaligen Zeit – nicht sonderlich attraktiv erschien.

Am Sonntag danach gegen das Fußball-Schwergewicht Spanien sah es dann ganz anders auf. 17 Millionen schalteten beim ZDF das Spiel ein, ein Markanteil von sensationellen 49,3 Prozent. Als es um etwas ging für den deutschen Fußball, waren fast alle da, die auch sonst da sind. Der zeitgleich laufende „Tatort“ aus Münster, den viele Kommentatoren vor dem Match als Quotensieger vorn sahen, schauten ganze fünf Millionen an. Markwort süffisant: „Der Fußball hat also 17:5 gewonnen.“




Ein kleiner Satz, der am Morgen bei mir Wohlgefallen auslöste

Trotz meiner seit langem anwachsenden Abneigung gegen den öffentlich-rechtlichen Staatsfunk in Deutschland, höre ich an jedem Morgen WDR 2, wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, um unsere Kinder zur Schule zu bringen. Die Musik gefällt mir, die Nachrichten sind in der Regel seriös und informativ, die Verkehrshinweise zuverlässig und wenn zwischendurch ein Witzeerzähler, die man heute ja in Deutschland „Komidiän“ nennt, zwei Minuten geistlose und absolut unwitzige Flachheiten erzählt, schalte ich halt auf einen anderen Sender. Heute Morgen hatte ich jedoch ein positives öffentlich-rechtliches Erlebnis. Beim Moderatorengespräch über US-Präsident Obamas Abschiedsbesuch in Deutschland fragte der Moderator, ob das persönliche Verhältnis zwischen Obama und Bundeskanzlerin Merkel in den gemeinsamen acht Jahren als Regierungschefs zweier der wichtigsten Länder dieser Welt eng und vertrauensvoll gewesen sei. Und der WDR-Experte für Amerika sagte tatsächlich: „Das weiß ich nicht.“ Hammer, oder? Das weiß ich nicht… einfach so.

Manch einer wird jetzt denken: Was ist denn an diesem Satz so besonders? Er weiß es halt nicht. So, wie sich die Königshaus-Berichterstatter der billigen, bunten Frauenzeitschriften Woche für Woche für Millionen Leserinnen etwas ausdenken müssen, um ihre Kundschaft zufriedenzustellen. Die Pressestelle im Buckingham-Palastes in London wird nicht dafür bezahlt, Informationen rauszugeben, sondern zu verhindern, dass die Leute erfahren, wie es wirklich so zugeht bei den Windsors. Und so schaut man sich in den Redaktionen an, was die Paparazzis so liefern und erfindet dann frei Geschichten dazu über Ehekrisen, vermeintliche Schwangerschaften und Saufgelage im Palast. Genau genommen ist DAS die wahre Lügenpresse.

Aber zurück zum Westdeutschen Rundfunk. Da gibt also ein Reporter auf die Frage des Moderators zu, dass er die Frage objektiv gar nicht beantworten kann. Staaten haben keine Freundschaften, sie haben Beziehungen und – außer Deutschland manchmal – echte Interessen, die sie vertreten. Woher soll ein Journalist wissen, was Obama und Merkel wirklich voneinander halten? Klar, die sehen sich, die umarmen sich, sie schauen mit ernster Miene auf die flatternden Nationalfahnen und stellen sich zum Gruppenfoto bei internationelen Konferenzen auf. Aber ein persönliches Verhältnis? Empathie gar? Merkel? Unwahrscheinlich…

Ich finde, Reporter sollten immer ehrlich sein und auch zugeben, wenn sie mal etwas nicht wissen. Das ist menschlich. Ich will keine Gestalten sehen wie diesen ARD-Korrespondenten, der nach dem Terroranschlag in einem Regionalzug nahe Würzburg einem Millionenpublikum mitteilte, was er eine Stunde vorher beim Bäcker an Gesprächen aufgefangen hat. Ich will Fakten, Fakten, Fakten! So, wie der großartige Kollege Helmut Markwort das als Focus-Chefredakteur mal öffentlichkeitswirksam formuliert hat. Und wenn mann nichts weiß, dann weiß man halt nichts.