Was tun, wenn mein Staat Sicherheit nicht mehr gewährleisten kann?

An der Stoneman Douglas High School von Parkland im County Broward im US-Bundesstaat Florida sind am Mittwoch 17 Menschen erschossen worden, die meisten waren Schüler. Der Täter wurde festgenommen.

Der Killer hatte Rauchbomben im Schulgebäude gezündet und dann mit einem halbautomatischen Gewehr vom Typ AR-15 auf die flüchtenden Schüler und Lehrer geschossen. „Beim Beschaffen der Tatwaffe wurden keine Gesetze gebrochen“, sagte ein Offizieller, der in der Süddeutschen Zeitung zitiert wird. Beim Benutzen der Waffe aber schon, möchte man hinzufügen.

US-Präsident Donald Trump hielt eine angemessene Trauerrede im Fernsehen, erwähnte die amerikanischen Waffengesetzte mit keinem Wort. Und dennoch gibt es in den Vereinigten Staaten derzeit kein anderes Thema. Wieder ein High School-Shooting, wieder Tote, wieder Angehörige, die nichts gemerkt haben. Ja, es ist einfach, in den USA eine Waffe zu kaufen. Und ja, es gibt gute Gründe, dass viele Amerikaner eine Waffe im Haus haben wollen. Eine Facebook-Freundin, die in Texas lebt, schrieb mir mal, dass die nächste Polizeistation 50 Meilen entfernt ist. Wie hilft ihr Staat, wenn die in höchter Not ist? Ein Verbrecher, ein Vergewaltiger oder auch eine Klapperschlange im Garten? Da erscheint die Kavalerie frühestens nach 25 Minuten. Und in der Zwischenzeit?

In unserer behaglichen Kleinstadt am Niederrhein gibt es eine Polizeiwache. Die wird seit vergangenem Jahr aus Kostengründen um 18 Uhr abgeschlossen und morgens um sechs Uhr wieder in Betrieb genommen. Wenn in der Nacht etwas passiert – Männer mit Sturmhauben über dem Kopf im Schlafzimmer oder so, schauen Sie einfach mal wieder „Aktenzeichen XY..ungelöst“ – und ich einen Notruf absetze, muss ein Streifenwagen erst einmal 17 Kilometer zurücklegen, bis die Hilfe da ist. Also vorausgesetzt, es ist gerade ein Streifenwagen nebst Besatzung bereit.

Ist es wirklich undenkbar und schändlich, den Wunsch zu verspüren, zur Verteidigung der eigenen Familie eine Waffe im Haus zu haben? Darf man nicht fragen, warum in Deutschland nur Polizei und Verbrecher Waffen haben dürfen aber nicht unbescholtene Bürger wie ich? (ja, ja, ich weiß, es geht auch, wenn man in einem Verein ist, vorher eine Waffenbesitzkarte erhalten hat, sich untadelig verhält, Waffe und Munition getrennt aufbewahrt und so weiter und so weiter…) Natürlich haben viele Amis Schusswaffen zu Hause und es passiert viel Schreckliches. Auch viele Schweizer haben Schusswaffen im Haus, und es passiert…nichts.

Ich persönlich habe kein Interesse an Waffen und Schießen. Mir reicht es, wenn mein Staat ein hohes Maß man Sicherheit organisieren kann. Absolute Sicherheit gibt es nie. Aber so, wie es jetzt ist, gefällt es mir auch nicht.




Die Chancen, die unsere Kinder heute haben

Meine Facebook-Freunde wissen, dass gestern bei uns eine Party stattfand. Unser 15-jähriger Sohn hatte ein Dutzend Freunde zum (O-Ton) „Grillen und Chillen“ eingeladen, weil er nächste Woche für zehn Monate als Austauschschüler in den USA fliegen wird. Ich vermisse ihn jetzt schon, denn genau wie seine große Schwester im vergangenen Jahr wissen Eltern, dass sie ihr Kind, das sich am Flughafen noch einmal umdreht und kurz winkt, nie mehr so zurückkommen wird, wie es abgeflogen ist. Und das ist gut so, denn die Möglichkeiten heutzutage sind für junge Leute in Deutschland phantastisch. Reisetechnisch war der Höhepunkt meiner Schullaufbahn eine viertägige Klassenfahrt nach Berlin wenige Monate vor dem Abitur. Heute ist Freizügigkeit Normalität. Unsere Tochter war in USA, vergangenes Jahr konnte sie – von der Schule angeboten und organisiert – ein Berufspraktikum in London machen. In diesem Herbst wird sie in Wien ein Praktikum absolvieren, nächstes Jahr nach dem Abitur fünf Wochen ein weiteres in Brüssel. Sind wir reich? Nicht wirklich. Und trotzdem ist es möglich, die Welt kennenzulernen, andere Arten zu denken, zu arbeiten und ja, auch zu feiern zu erleben. Ich mag es, wenn junge Menschen aus verschiedenen Ländern zusammen arbeiten und zusammen feiern. Es erweitert den Horizont, und es ist auch, quasi beiläufig, ein Friedenswerk. Früher haben sich Deutsche und Franzosen alle paar Jahre gegenseitig umgebracht. Vorhin habe ich im Autoradio Interviews mit deutschen Fußballfans in Paris gehört. Sie haben Tickets ergattert, doch Deutschland ist im Finale nicht dabei. Nun feuern sie am Abend Frankreich oder Portugal an. Warum nicht?

Die Welt wächst zusammen, ob wir das wollen oder nicht. Und ich trage keine rosa Brille, denn es gibt zweifelsohne viele unerfreuliche Aspekte bei Globalisierung und durchlässigen Grenzen. Aber es ist gut, die Welt kennenzulernen, Sprachen zu lernen und zu verstehen, dass andere Länder auch lebenswert sind.