Ich mag nicht mehr mit der Deutschen Bahn fahren

Wenn alles klappt, wie es sollte, wäre das Fahren mit der Deutschen Bahn eine Freude. Geräumige Wagen, Beinfreiheit, freundliches Personal, frischer Kaffee dann und wann. Und einmal im Jahr ist das auch so, und man kommt entspannt und pünktlich am Ziel an.  Aber eben nur einmal im Jahr.

Gestern musste ich nach Berlin, unsere deutsche Hauptstadt, nicht ganz unwichtig für unsereins Politschreiber. Der Termin gestern war wirklich eminent wichtig für unsere Firma. Alles durfte passieren, nur nicht, dass ich nicht pünktlich hinkomme. Nun werden Sie denken, dann soll der Kelle eben am Tag vorher hinfahren, übernachten und frisch geduscht vor der Tür stehen. Ging aber auch nicht, weil am Vortag ebenfalls einiges zu tun war, das keinen Aufschub zuließ.

Ich also zum nächsten Kleinbahnhof Meerbusch-Osterrath, um von dort über Düsseldorf den ICE nach Berlin zu erreichen. 50 Minuten vor Abfahrt am Gleis, der Ticketautomat eine Katastrophe. Kennen Sie das? Sie geben ein, wann sie wohin wollen, die Maschine fragt nach Verbindungen, Bahncard, Platzreservierung und bietet den Druck dwer Fahrverbindungen an. Aber nirgendwo ein Knopf, wo ich den Fahrschein kaufen und dann bezahlen kann. Also bei den Regionalverbindungen schon, aber nicht beim DB-Fernverkehr. Nicht bei diesem Automaten. Und glauben Sie mir, ich habe schon 100 Mal Fahrscheine an solchen Automaten gezogen.

Nach 25 Minuten gab ich auf, denn ich hatte ja noch mein Auto dabei, und bis der ICE in Düsseldorf abfuhr, waren noch eineinhalb Stunden. Also ab nach Düsseldorf, Parkhaus, Hauptbahnhof, Reisezentrum. Ticket erworben und Bitte um Sitzplatz, möglichst am Tisch, damit ich arbeiten kann. Leider funktionierte das Buchungssystem für Sitzplätze gerade nicht und die freundliche Dame konnte mir nicht sagen, wie voll der Zug sein würde. Bald darauf wusste ich es – total überbucht. Alle Sitze besetzt, in den Gängen Gedränge mit Rollkoffern und Übergewichtigen, an den Ausstiegen Menschentrauben mit Rucksäcken auf dem Boden, Laptop auf den Knien, Smartphone in den Händen. Erstaunlicherweise nicht mal angespannte Atmo, wer häufig Bahn nutzt, kennt solche Fahrten.

Drei Stunden stand ich mit Rollkoffer da im Gang herum? Arbeiten? Keine Chance. Tefonieren? In diesem Gedränge? Bis Wolfsburg stiegen bei jedem Halt mehr Menschen ein als ausstiegen. Heißt, es wurde immer voller. Erst in der VW-Stadt konnte ich mich irgendwo neben eine junge Dame quetschen, der nicht schnell genug eine Ausrede einfiel, warum der Sitzplatz neben ihr dringender für ihren Rucksack und die Plastikflasche mit Multivitaminsaft gebraucht werde, statt für einen genervten alten weißen Mann.

Also abgekürzt: Ich war pünktlich bei meinem Termin, Es lief alles gut, jetzt sitze ich im ICE zurück, und dieses Mal konnte ich einen Sitzplatz ergattern, so dass ich hier für Sie schreibe.

Aber es macht einfach keine Freude, mit der Bahn zu fahren. Eine Unverschämtheit, einen Zug mit 120 Porzent zu überbuchen und immer wieder Leute in gelben Westen durchzuschicken, die keinen Kaffee bringen aber darauf aufmerksam machen, dass jeder, der seine Maske nicht trägt  am nächsten Bahnhof rausgesetzt werde. Wenigstens nicht während der Fahrt aus dem Zug geworfen….




Parken in Deutschland

Gestern Abend um 22.15 Uhr auf Düsseldorf International gelandet, jetzt (15.56 Uhr) im ICE nach München, der mit 30 Minuten Verspätung abgefahren ist.

Ich mag nicht gern in Parkhäusern mein Auto abstellen. Das hat keinen besonderen Grund, außer vielleicht, dass ich es unverschämt finde, was manche Betreiber an Geld kassieren. Mein Widerwille ist hauptsächlich der Tatsache geschuldet, dass ich (und Sie) ohne Parkhäuser in der Innenstadt keine Chance haben, knöllchenfrei zu parken. Und Knöllchen – das klingt ja so niedlich, aber seit die Parkraum-Verwaltung beschlossen hat, dass es in deutschen Städten teurer wird, ist mein Widerwille analog zu der Kostentabelle auch kräftig gewachsen.

Als ich vor ein paar Monaten meinen BMW, Diesel natürlich, wie seit Jahrzehnten am gleichen Ort illegal parkte (ohne jemand zu behindern), fand ich danach ein Zettelchen der Bielefelder  Stadtverwaltung über 95 Euro vor. 95 Euro! In den Jahren davor hat es mich ungefähr zweimal pro Saison erwischt, und das kostete mich dann 15 oder höchstens 20 Euro. Ein fairer Deal. Aber 95 Euro? Man ist ja gezwungen, Parkhäuser zu benutzen. Und das wollen DIE ja auch.

Da ich jetzt gut drei Tage unterwegs sein werde, ich also erstmals in das Parkhaus der Deutschen Bahn am Düsseldorfer Hauptbahnhof gefahren. Für ungefähr 80 Euro. Auch eine Frechheit, aber gut. Ich also Ticket gezogen und rein. Rechts darf ich nicht weiterfahren, weil da ein rotes Licht leuchtet. Links auch nicht, weil da ein Schild den Weg zu den Parkplätzen der Sixt Autovermietung anzeigt, zu denen ich aber gar nicht will. Nächste Ebene: irgendeine Bundesanstalt hat da für ihre Mitglieder reserviert. Klaus weiter.

Nun kommen die Frauenparkplätze, dann die für Familien mit Kindern, dann die für die Behinderten. Viele dieser Plätze stehen leer, dürfen aber von unsereins 80-Euro-Zahler nicht genutzt werden. Irgendwann erreiche ich den fast vollständig belegten Bereich für alte, weiße Männer. Ich habe es geschafft, dann zum Bahnsteig gehetzt, um dort zu erfahren, dass der ICE eine halbe Stunde Verspätung hat. Ich versuche noch, einen Platz für 4,50 Euro zu reservieren, aber das ist nicht mehr möglich. Leider…

Der ICE ist sehr voll, aber ich habe noch einen Platz bekommen, sogar an einem Tisch. Gegenüber saß eine junge Muslimin mit Schleier und ihrem krähenden Baby, wo sich wohl niemand anders traute. Ich fragte höflich, setzte mich zu ihr und klappte mein Laptop auf, um Ihnen jetzt von meinem Tag zu berichten…




Fahren Sie Bahn, und Sie ahnen, wie Deutschlands Zukunft aussehen wird!

Wenn die Deutsche Bahn stellvertretend für den Zustand Deutschlands steht, dann ist es an der Zeit, dass wir uns ernsthafte Sorgen um die Zukunft machen. In meinem Buch „Bürgerlich, christlich sucht“ schilderte ich bereits eindringlich eine Fahrt mit dem ICE nach Baden-Württemberg, die den geneigten Lesern einen Blick in menschliche Abgründe werfen ließ. Zur Erinnerung für meine vielen treuen Stammleser:

„Hinter mir unterhalten sich zwei mittelalte Männer in vergleichsweise schäbiger Bekleidung darüber, wie ihr Bruder Anverwandte bei irgendeinem Erbschaftsstreit ‚beschissen‘ habe. Im Mittelgang drei vor sich hin pubertierende Jungs um die 16 Jahre herum, Generation Smartphone. Mit Basecap „NY“, mit weißen Bomberjacken, der Klassiker. Mehr Klischee geht nicht. Einer erzählt laut, und das Publikum hat Anteil, ob es will oder nicht, dass er gern mal die beste Freundin seiner Freundin „mit ihr zusammen ficken“ möchte. Ich gebe das hier einfach mal wertneutral so wieder. Und, das ist die gute Nachricht: ‚Sie weiß es aber noch nicht.‘ Spontan denke ich beim Anblick dieser menschgewordenen Zukunft unseres Landes: Hoffentlich wird das Mädchen es auch niemals  erfahren….“

Und schön war auch meine Begegnung mit einigen deutschen Landsleuten Ost auf einem Kleinstadtbahnhof im thüringischen Bad Blankenburg, die tiefe Einblicke in den tatsächlichen Stand des Einheitsprozesses gewährte:

„Hier gibt es eine Pizzeria, aber die Pizza schmeckt nicht…”, sagt mein neuer Freund aus Soest neben mir. Diese Fahrt werde ich nie vergessen, wir lachen viel. “Aber es gibt hier eine Eisdiele, die ist sehr gut. Wenn Sie mal wieder hier sind…” Ich halte das für unwahrscheinlich. Bis Erfurt erzählt er mir Geschichten aus dem real existierenden Osten, der ja nun eigentlich der Westen ist. Auch in Erfurt gibt es eine gute Eisdiele, die ich mal besuchen soll.“

Gestern also von Berlin nach Krefeld, 4:02 Stunden ungezügelte Lebensfreude, genau genommen über fünf Stunden, aber dazu später.

Das Ticket gekauft, traf ich mich eine gute Stunde vor Abfahrt mit Karin in einem Kaffee-Shop mit Außengastronomie gleich rechts, wenn man den Hauptbahnhof zur Invalidenstraße verlässt. Cappuccino, Espresso, Buttercroissants mit Karin, einer engagierten Facebook-Freundin, die ich zum ersten Mal persönlich traf. Sie hat, was mir fehlt: Ahnung vom Internet und den Sozialen Netzwerken, und immer wenn ich nicht mehr weiter weiß vor dem Bildschirm, rufe ich Karin an. Wirklich klasse, das Mädel. Nach zwei, drei Feuerwehrfahrzeugen, die mit Blaulicht und Martinshorn in der Nähe vorbeirasen, wird es richtig laut neben uns.

Aus welchen Gründen auch immer hatte sich die Alarmanlage eines Taxis nur wenige Schritte entfernt aktiviert und hupte mit ohrenbetäubendem Lärm in unsere Richtung. Der Fahrer – augenscheinlich ein Gast unseres Landes – hatte alle Ruhe der Welt, öffnete die Motorhaube, lachte sein fröhliches Lachen, winkte uns zu, und wir winkten zurück. Die Welt wächst zusammen. Kann ja mal passieren.

Es fängt an zu nerven mit dem Krach und dem ständig wiederholenden Hiu-Hiu-Hiu, Ältere kennen das durchdringende Geräusch vom Streifenwagen von Lieutenant Kojak damals, der, immer wenn er zum Einsatz in Manhattan ausrücken musste, ein mobiles rotes Blinklicht per Magnet auf das Dach seines Streifenwagens bappte, und dann losraste. Saucool, die Amis, schon damals, als bei uns noch Inspektor Wanninger mit seinem grauen BMW über den TV-Bildschirm schleuderte.

Plötzlich endete der Alarm, der Fahrer am Rande des Nervenzusammenbruchs  – wir hatten ihn schon liebgewonnen – hatte aus Versehen den richtigen Knopf gedrückt. Ein Dutzend Umstehende klatschen Beifall, wir auch. Unwillkührlich fällt mir „Du wolle Rose kaufe…“ ein, da wird unsere Aufmerksamkeit vom Geschrei zweier Frauen in unmittelbarer Nähe links von uns geweckt. Beide kreischen – warum muss das immer sein? – und hauen sich mit den Fäusten gepflegt auf die Fresse – warum auch immer. Schließlich geht eine zu Boden, Blut schießt aus ihrer Nase, sie weint und klagt lautstark. Die Siegerin – Champion of German Main Station – nimmt ungerührt ihren Rucksack über die Schulter und schlendert weiter, ohne die Kontrahendin noch eines Blickes zu würdigen. The Winner takes it all… Karin geht dann rüber, sie hat immer ein paar Feuchttücher dabei. Nase tupfen, Kopf streicheln, nach und nach nähern sich weitere Samariter. Irgendwann kommt ein Rettungswagen, begleitet von fünf, sechs Bahn-Securitys. Sehn‘ se, dit ist Berlin…

Ich fahre los im ICE 844. Bis Krefeld in Nordrhein-Westfalen sehe ich keinen einzigen Bahnmitarbeiter, der mein Ticket kontrolliert oder vielleicht mal einen Kaffee bringt. Nichts. Ich denke zwischendurch: Hoffentlich ist wenigstens einer in der  Fahrkabine. Nicht dass wir hier die Neuauflage vom Kino-Blockbuster „The Taking of Pelham One Two Three“ nachspielen über einen außer Kontrolle geratenden Zug…

Irgendwann kommen wir in Duisburg an, ich stehe schon an der Tür, doch der Zug rollt noch. Eine Tür neben dem Ausgang wurde offenbar nicht vom auch nicht vorhandenen Schaffner verschlossen und knallt wild immer wieder hin und her. Dahinter liegt eine Anzeige mit leuchtenden Schaltern und Sicherungen- vielleicht auch der rote Knopf für die Detonation. Ich versuche, die Tür zu schließen, aber ohne Schlüssel funktioniert das nicht. Ein anderer Fahrgast kommt, wie sich später herausstellt ein Pole. Auch er versucht, die Tür zu schließen, auch er scheitert. „Haben Sie sowas in einem ICE schon mal erlebt?“, will er breit grinsend wissen, und als ich verneine, lacht er noch lauter und sagt: „Ich auch nicht. Nicht einmal in Polen….“

Wir steigen aus, zehn Minuten Zeit, um gemütlich von Gleis 4 zu Gleis 6 zu schlendern und auf den Regionalzug nach Mönchengladbach zu warten. Doch der kommt gar nicht. Inzwischen ist es 22.53 Uhr, die Anzeige auf der Tafel zeigt an, dass der Regionalzug nach Mönchengladbach um 12.01 Uhr komme. Kann eigentlich nicht sein, aber steht da. Ein Zug fährt ein. Fahrziel: Düsseldorf. 23.10 Uhr: Der nächste Zug kommt – er transportiert Fahrgäste nach Xanten. Weit und breit kein Bahnbediensteter, den ich fragen könnte. Keine Anzeige, keine Lautsprecherdurchsage – nichts. Ernsthaft frage ich mich mehrmals, ob überhaupt noch ein Zug kommt, um mich nach Hause zu bringen.

Ein paar Meter abseits steht ein junges Paar, sie malerisch gekleidet, er in weißen Jeans mit weißer Jacke, beide dunkle Haut. Der Junge ist auf einer Mission, denn unablässig grabscht er seine Begleiterin vorne und hinten, oben und unten an. Kann man ja machen, bunte Vielfalt und so, aber der Gesichtsausdruck von ihr lässt ahnen, dass sie das vielleicht gar nicht möchte. Als ich überlege, zu den Beiden zu gehen und kurz mal nach dem Rechten zu sehen, löst sich Romeo von Julia, und sie nutzt die Zeit, schnell ein paar Selfies von sich mit einfahrendem Zug im Hintergrund zu schießen. Alles in Ordnung also. Inzwischen steht neben mir ein junger Mann, helle Hautfarbe, T-Shirt, kurze Hose, Schlappen und Bierflasche, die er immer wieder an die Lippen führt. Er ist keine zwei Meter entfernt von mir und läuft ruckartig hin und her. Ich behalte ihn die ganze Zeit im Auge, denn wenn er… versehentlich… zwei weitere Schritte auf mich zugehen würde, dann müsste ich ihm weh tun. Und wer will das schon abends auf einem Bahnsteig mitten im Ruhrgebiet?

Als ich im Kopf gerade zusammenrechne, was eine Taxifahrt nach Hause wohl kosten wird…kommt plötzlich unerwartet der Regionalzug. Nach Mönchdengladbach. Was soll ich sagen: Ich bin zu Hause, jetzt ist 1.56 Uhr, alles doch noch gut gelaufen. Die ganze Fahrt war anstrengend, keine Ansprechpartner, in Hannover waren die Kabel der Überleitungen zum widerholten Mal einfach eingebrochen, in Duisburg Sicherheitsgefühl null, Pappteller mit großen Flatschen Senf drauf wehen durch die Halle. Ich hatte keine Angst, war auch nicht in Gefahr, der Zug ist nicht entgleist. Es war einfach alles nur total asi. Und das wollte ich Ihnen jetzt noch schnell erzählen. Gute Nacht!




Woher kommen bloß die vielen Asozialen?

Der ICE nach München bleibt auf freier Strecke plötzlich stehen. Fünf Minuten vergegen, dann zehn, dann endlich eine Ansage. Im vorderen Teil des Zuges wurde in einer Toilette Alarm ausgelöst. Ein Fahrgast hatte dort offenbar eine Zigarette geraucht. Die Zeit von ein paar hundert Menschen wird verplempert. Von einer Person, der sich nicht an die Regeln halten will.

Unser jüngster Sohn (11) kam gestern verstört von der Schule nach Haus. Seine Mutter hatte ihm morgens einen frankierten A4-Umschlag mitgegeben, den er einfach nur in den Briefkasten einwerfen sollte. Kurz vor seiner Bushaltestelle kommt ein etwa 40 Jahre alter Mann auf den kleinen Kerl zu, reißt ihm ohne Kommentar den Umschlag aus der Hand und geht einfach weiter. Kein Elfjähriger, der von einem Erwachsenen beklaut wird, wehrt sich micht, wenn er allein ist. Und sonst war weit und breit niemand in der Nähe. Der Umschlag und sein Inhalt hatten keinen Wert. Einfach ein paar Fotokopien, die wir schnell nochmal ausgedruckt und dann abgeschickt haben. Aber was macht so eine Erfahrung mit einem elfjährigen Kind? Was lernt er über unsere Gesellschaft? Und überhaupt: woher kommen bloß die viele Asozialen in unserer Gesellschaft?