Terror in Moskau: Von der Unfähigkeit zu trauern

Wir alle wissen, dass der Terrorismus nicht besiegt ist. Und so können Bilder wie gestern Abend aus Moskau nicht überraschen, lediglich der Ort, der Zeitpunkt und die Zahl der Toten sind die Nachricht.

Und jedes Mal, wenn wir im Internet dann aktuelle Videos sehen von Männern mit Sturmgewehren, die eiskalt und ohne jedes Mitgefühl durch eine Halle schlendern und nach rechts und links auf alles schießen, was sich bewegt, fragt man sich, frage ich mich: Was soll dieser Wahnsinn?

Als ich gestern Abend nach einer Veranstaltung in Potsdam die Nachricht erhielt, was in der Crokus City Hall in Moskau passiert ist, war mein erster Gedanke: Tschetschenen oder IS. Die Art des Angriffs, die wir schon in so vielen Fällen zur Kenntnis nehmen mussten, deutete darauf hin. Das ist nicht die Art, wie zum Beispiel Paramilitärs, wie Russen im Widerstand oder reguläre ukrainische Truppen vorgehen. Klar, die greifen Munitionsdepots und Tanklager der russischen Armee mit Drohen an. Aber diese vier Herren, die da gestern 60 Unschuldige umgebracht haben – das war allenfalls noch Columbine High School 1999, aber keine militärische Aktion.

Die Versuche von Propaganda-Dreckschleudern, die Deutungshoheit über den Anschlag nur Minuten nach der Tat unter Kontrolle zu bekommen, wären ein gutes Thema hier.

Schon im Zweiten Weltkrieg waren Desinformation und Manipulation der öffentlichen Meinung ein wichtiger Teil der Kriegsführung. Heute, durch das Internet, gibt es global keine Grenzen mehr.

Da stand ein weißer Van vor der Crokus City Hall, und er hatte ukrainische Kennzeichen. Das verbreitete sich bei X (vormals Twitter) und auf Telegram in wenigen Minuten auf der ganzen Welt. Das ist wie die „smoking gun“, von der man behauptet, man habe sie gefunden und wisse nun, was zu tun ist. Wie der unsägliche Dmitri Anatoljewitsch Medwedew, stellvertretender Chef des russischen Sicherheitsrates. Ich glaube, der Mann sitzt irgendwo gut gekühlt und intravenös versorgt in einem Glaskasten in einem Moskauer Keller, und wenn es darum geht, wüste Drohungen auszustoßen, dann lassen sie ihn kurz raus. Dann kennt er die Täter, ohne sie zu kennen, dann bellt er in alle Welt hinaus, wie unbarmherzig Russland jetzt zuschlagen müsse, dann stellt er auch mal Atomwaffen-Einsätze gegen deutsche Städte in Aussicht. Medwedew ist die Allzweckwaffe. Ein Tweet rausgehauen, und dann tragen sie ihn zurück in seinen Glaskasten und schließen ihn wieder an die Schläuche an, bis er das nächste Mal gebraucht wird.

Was mich in der vergangenen Nacht besonders abgestoßen hat, ist der Hass in den Netzwerken gegen „die Russen“ an sich. Das war und ist ekelhaft.

Da gehen junge Leute in Moskau gut gelaunt in ein Konzert mit Freunden, vielleicht bringt sie der Vater mit einem Auto hin und gibt ihnen noch ein wenig Geld mit für anschließend, wenn sie noch was trinken gehen wollen. Und dann kommen diese Kids nie wieder nach Hause. Ausgelöscht von menschenverachtenden Idioten für irgendwelche wirren „Überzeugungen“. Weltweites Kalifat könnte sein, jedenfalls hat der islamistische IS die Mordtat für sich reklamiert am späten Abend.

Auf Twitter schreibt einer unter ein Video des brennenden Gebäudes in Moskau, alle die da drin seien müssten brennen, ganz Moskau müsse brennen. Es ist ekelhaft, wie empathielos viele Zeitgenossen heute sind. Sie sind unfähig, Mitleid zu empfinden mit den Opfern. Sie sitzen vor einem Bildschirm und fluten das Netz mit Menschenverachtung.

Ein langjähriger Facebook-Freund postet seit Monaten jeden Tag bunte Kacheln, in denen er sich über die Ukraine, das Ehepaar Selenskyi oder Julija Nawalnaja lustig macht, sie unflätig in den Dreck zieht. Bombardements von Städten, Tote, Krüppel, Vergewaltigte – ist ihm alles egal, wenn es nur die richtige Seite trifft. Gestern Abend lese ich von ihm ein leises, besorgtes Posting über die Opfer in der Crokus City Hall in Moskau, und da er Freunde in Moskau hat, über die Sorge, es könnten Bekannte von ihm an diesem Abend dort gewesen sein.

Wenn es die richtige Seite ist, besorgt und mitfühlend, ist es der vermeintliche Feind, dann nur Gefühlskälte und Menschenverachtung.

Wie werden Menschen so? Ist das die Gottlosigkeit unserer Zeit? Versagen Eltern, Schulen? Ist es das Internet, sind es Ballerspiele auf den Handys unserer Kinder? Ich weiß es nicht.

Ich trauere um die Opfer von Moskau gestern Abend, um ihre Familien und Freunde. Und ob sie Russen sind, Ukrainer oder was auch immer, sie waren vor allem eins: Menschen. Und sie sind vollkommen umsonst gestorben.




Jahrestag 24. November 2017: Als der IS Hunderte Muslime abschlachtete

Heute vor fünf Jahren haben rund 4o Mörder der islamistischen Terrorgruppe IS die voll besetzte al-Rawda-Moschee auf der Sinai-Halbinsel angegriffen. Sie warfen Sprengsätze ins Innere, und stellten sich am Eingang und den Fenstern der Moschee auf, in der Anhänger des Sufismus beteten. Sufisten sind gemäßigte Muslime, und deshalb wurden sie zum Ziel der Fanatiker Allahs.

Die Mörder schossen auf alles, was sich bewegte. Die Gläubigen, die aus der Moschee stürmten, ebenso wie auf die eintreffenden Rettungskräfte. Ein Gemetzel. 305 Menschen starben, etwa 100 wurden verletzt. Unter den Toten waren 30 Kinder.

Anschläge wie diese sind nicht in unserem westlichen Bewusstsein. Wir hier haben 9/11, haben Busse in London, Regionalzüge in Madrid und den Bataclan in Paris, aber der islamistische Terror richtet sich überall auf der Welt gegen Menschen und viele Muslime sterben, weil die Mörder keine Unterschiede machen in ihrem Hass. Und deshalb erinnere ich mal wieder an einem Jahrestag daran, dass muslimische Fanatiker nicht nur ein Problem des Westens sind, sondern aller zivilisierten Menschen auf dem Planeten.

 




Das alles ist erst der Anfang…

„Ich muss bei den besorgten Mitbürgern immer ein wenig lächeln. Ich sage denen gern: Gehen Sie sonntags in die Kirchen, dann müssen Sie keine Angst vor vollen Moscheen haben.“ Die evangelische Theologin Margot Käßmann sagte das in einem Interview vor zwei Jahren mit dem „Hamburger Abendblatt“. Nun, seit heute ist auch das obsolet. Zwei Islamisten stürmten heute Vormittag die Morgenmesse in einer katholischen Kirche in Saint-Étienne-du-Rouvray. Sie nahmen fünf Geiseln, einen Priester, zwei Ordensschwestern und zwei Gottesdienstbesucher. Die Barbaren Allahs töteten den 86-jährigen Priester, in dem sie ihm die Kehle durchschnitten. Eine der anderen Geiseln wurde verletzt und schwebt immer noch in Lebensgefahr. Als die Schlächter die Kirche verlassen wollten, wurden sie von einem Spezialkommando der Polizei erschossen.

Ein tödlicher Angriff auf eine christliche Kirche, einen Gottesdienst friedlicher Christen, verübt von Soldaten des IS, der uns allen, Deutschland, Europa und allen zivilisierten Ländern dieser Welt, den Krieg erklärt haben. Das ist eine neue Qualität. Die Angriffe der vergangenen Tage in Würzburg, Reutlingen und Ansbach und jetzt in einer katholischen Kirche in Frankreich sind nicht das schreckliche Ende einer Serie von islamistisch motivierten Verbrechen – sie sind Teil eines Anfangs. Oder glauben Sie, dass es jetzt aufhört?




Warum eigentlich nicht mal etwas früher planen?

Also gut, denken wir es einmal durch. Der neue polnische Außenminister Witold Waszczykowski hat gesagt, es müsse verhindert werden, dass „wir unsere Soldaten in den Kampf nach Syrien schicken, während hunderttausende Syrer (auf dem Berliner Boulevard) Unter den Linden ihren Kaffee trinken“. Kernige Ansage, seinen Wählern wird es zweifellos gefallen. Inzwischen machen diese Gedanke und seine logischen Folgen die Runde – im Internet sowieso, aber auch zunehmend in den etablierten Medien. Warum eigentlich nicht all den jungen Syrern, die inzwischen zu Hunderttausenden auch nach Deutschland geströmt sind, eine Ausbildung und Waffen besorgen, und sie dann zurückschicken, damit sie ihre Heimat befreien können – von wem auch immer?

Es ist schon eine, sagen wir, wenig logische Situation, dass die Staaten des Westens und vielleicht sogar Russland, darüber nachdenken, Bodentruppen gegen den IS einzusetzen und das Leben junger Männer und Frauen aus unseren Ländern für die Befriedung Syriens zu riskieren, und die geflohenen Syrer schauen dabei in Sicherheit am TV-Bildschirm zu. Auch das wäre etwas, das großen Teilen der Bevölkerung in Deutschland und anderswo wohl nicht zu vermitteln wäre. Und mit der Grundsatzentscheidung der Bundesregierung, dass die Bundesluftwaffe den französischen NATO-Partner mit Aufklärungsflügen und einem Kriegsschiff beim Anti-IS-Einsatz unterstützen wird, dürfte diese Diskussion schon in den nächsten Tagen unüberhörbar anschwellen.

Ja, wir haben ein eigenes Interesse daran, dass in Syrien so schnell wie möglich Verhältnisse geschaffen werden, die eine sichere Rückkehr für die große Mehrheit der hier angekommenen Syrer ermöglichen. Denn – so haben wir gelernt – 70 Prozent von ihnen wollen ja wieder zurück in ihre Heimat. Aber der Irak und auch Afghanistan lehren uns, dass nicht nur der militärische Erfolg wichtig ist, sondern eine Antwort auf die Frage „Und dann?“. Wenn die NATO und Russland das wirklich wollen, wäre militärisch mit dem IS-Spuk zweifellos in einem übersichtlichen Zeitraum Schluss zu machen. Aber was dann? Assad ist aus guten Gründen den meisten Ländern nicht als Lösung vermittelbar. Doch wer soll es machen?

Falls es Ihnen nicht bekannt ist: Es gibt eine syrische Exilregierung, den sogenannten Syrischen Nationalrat. Der sitzt in Istanbul und wird von den anderen syrischen Oppositionsgruppen nicht anerkannt, weil er vermeintlich von der Türkei mit ihren ganz eigenen Interessen gesteuert wird. Nicht umsonst werden Sie noch nie vom Syrischen Nationalrat gehört haben, denn seine Bedeutung in der momentanen Krise ist Null. Daraus folgt, dass die Staaten, die an einer echten Lösung für Syrien interessiert sind, nicht nur über Bombenziele nachdenken müssen, sondern aktive Schritte unternehmen, für die Zeit nach IS und Assad Strukturen zu entwickeln, die übernehmen können. Vermutlich wird es am besten sein, wenn sich NATO-Länder und Russland von Anfang an gemeinsam darum kümmern, sonst heißt es irgendwann wieder, dass alles von Wallstreet und CIA initiiert wurde, wegen Öl oder McDonalds-Imperialismus oder was weiß ich für ein Schmarrn – wir kennen das noch vom Maidan.

Nein, Russland und der Westen müssen Syrer finden, die in der Lage wären, eine Zivilregierung und Verwaltungsstrukturen in ihrer Heimat aufzubauen, wenn die Militärs ihre Arbeit getan haben. Und sie müssen Sicherheitskräfte aufstellen. Dazu kann man in einer demokratischen Gesellschaft keinen jungen Syrer zwangsverpflichten, aber ich denke, es wird auch unter ihnen patriotisch gesinnte junge Männer geben, die für eine anständige Bezahlung und für ein großes Ziel, nämlich die Befreiung und Befriedung ihrer Heimat, zu kämpfen bereit wären. Aber ob unsere Politiker bereit sind, über den Tellerrand hinauszuschauen und erste Schritte in diese Richtung zu unternehmen? Ich gebe zu, meine Skepsis überwiegt.




Spiel mit dem Feuer

Keine außenpolitischen Floskel ist derart abgegriffen wie „Der Nahe Osten ist ein Pulverfass, da genügt ein Funke“. Heute hat die Welt einen Vorgeschmack darauf bekommen, was so ein Funke sein könnte. Die Türkei hat ein russisches Kampfflugzeug abgeschossen, weil es angeblich in ihren Luftraum eingedrungen ist. Russland bestreitet dies, der Jet sei nur über syrischem Gebiet unterwegs gewesen. Müßig, darüber zu spekulieren, wer die Wahrheit sagt. Vielleicht werden wir es irgendwann erfahren, vielleicht auch nicht.

Einer der beiden Piloten des russischen Flugzeugs konnte sich glücklicherweise retten, so dass dieser Zwischenfall wohl nicht zu einer Eskalation führen wird, sondern unter Blechschaden abgelegt werden kann. Die Reaktionen sind vorhersehbar. Russland wird den türkischen Botschafter einbestellen, US-Präsident Obama wird sein tägliches Golfspiel für ein paar Minuten unterbrechen und seiner Betroffenheit Ausdruck verleihen, und Verschwörungstheoretiker stehen bereit, sofort weiterzuverbreiten, was angeblich hinter diesem Zwischenfall steckt – Wallstreet, CIA, Herr Hooton mit seinem Plan oder Außerirdische. Ich denke, sie warten nur noch darauf, dass St. Petersburg den Ton vorgibt. So weit also alles wie immer.

Für Menschen, die in der realen Welt leben, dokumentiert der aktuelle militärische Zwischenfall lediglich, wie fragil die Situation unter den Mehr-oder-weniger-IS-Bekämpfern ist. Starke Mächte wie die NATO, Russland aber auch der Iran mischen da mit – ohne Koordinierung, ohne Absprache untereinander. Das ist brandgefährlich. Es erhöht die Gefahr einer ernsten militärischen Konfrontation unter Atommächten, und es verringert eine effektive IS-Bekämpfung. Der islamistische Terror ist ein gemeinsames Problem des Westens, Russlands, Chinas und vieler weiterer Länder. Wenn man mit der derzeit größten Gefahr aufräumen will, muss man miteinander reden und sich absprechen. Militärisch wäre der IS kein großes Problem, wenn echter Wille da ist, und nach dem Terroranschlag gegen ein russisches Passagierflugzeug und der Gewaltorgie von Paris ist jetzt die Zeit, diesem blutigen Spuk ein Ende zu bereiten. Miteinander.




Es wäre wünschenswert, dass Russland ein echter Partner wird

War der Absturz eines russischen Passagierflugzeugs, der alle 224 Insassen das Leben kostete, also doch ein Terroranschlag? Russische und ägyptische Offizielle bestätigen das bisher nicht, aber britische und amerikanische Geheimdienste halten es für die plausibelste Erklärung, warum ein Passagierflugzeug ohne Vorwarnung einfach so in der Luft auseinanderbricht. Warten wir also ab, was die weiteren Untersuchungen ergeben. Wenn Allahs Killertrup vom ISIS dahinter steckt, so würde das nur erneut belegen, dass Russland und der Westen ein gemeinsames Problem haben, das sie gemeinsam angehen und lösen könnten. Wenn sie Partner wären.

Russland ist ein großes und militärisch starkes Land. Jeder Nachbar, nicht nur die unmittelbaren, ist gut beraten, sich um ordentliche, ja gute Beziehungen zum Kreml zu bemühen. Und NATO und Russland gemeinsam, jeder mit seiner Militärmacht und seinen Einflusszonen im Nahen Osten, könnten dem Islamischen Staat ein schnelles Ende bereiten. Das wäre auch die Voraussetzung dafür, eine ernsthafte Lösung für das europäische und insbesondere deutsche Problem mit Flüchtlingen und illegalen Zuwanderern zu finden. Aber ich fürchte, es wird nicht passieren, denn Russland wird von einem Mann angeführt, der sich nicht an internationale Gepflogenheiten und Spielregeln zu halten gedenkt.

Nun ist gutes Personal bei der Führung von Supermächten nicht leicht zu finden. Wir sehen das in Washington ebenso wie in Moskau. Staaten sind sowieso keine Freunde, sie haben lediglich Interessen. Diese zusammenzuführen, dazu kann es gut sein, wenn die Chemie zwischen den führenden Personen stimmt. Helmut Kohl war als Kanzler ein Meister darin, persönliche Beziehungen zu flechten. Barbecue mit Bush in Camp David, am Rhein mit Gorbatschov sitzen und über die „Gechichte“ plaudern, und Maggie Thatcher in Rheinland Pfalz zum Saumagen-Essen nötigen. Und plötzlich öffnen sich Wege, von denen man nur Monate vorher nicht zu träumen gewagt hätte.

Eine gute Chemie zwischen Putin und Obama scheint es nicht zu geben. Spätestens seit dem Wort von „der Regionalmacht Russland“ ist man echt sauer im Kreml angesichts dieser offenen Demütigung. Verständlich. Nur, wenn man ein gemeinsames Problem lösen muss und sich nicht leiden kann, gibt es nur einen Weg: Vertrauen in die Verlässlichkeit der jeweils anderen Seite und das strikte Einhalten allgemein gültiger Regeln. Ob die Sowjetunion Gulags betrieben hat oder die Amis einst die Indianer nahezu ausrotteten, spielt nüchtern betrachtet keine Rolle, wenn man den IS bekämpfen will. Aber die Spielregeln müssen eingehalten werden. Sie heißen Transparenz und Rechtssicherheit. Wer im Europa 2015 mit militärischer Gewalt Grenzen verschiebt, wer Tag für Tag mit militärischen Provokationen kleinere NATO-Staaten piesackt, wer durch PR-Profis das Internet mit Unmengen selten dümmlicher Hetzpropaganda gegen den Westen fluten lässt, der kann einfach kein Partner sein. Der kann seinen Fans im Westen ein wenig Spaß bereiten, es den USA endlich mal richtig zeigen. Aber er trägt sicher nicht zu einer Lösung der aktuellen Konflikte bei. Und Respekt gewinnt er höchstens so, wie ein Wirtshausschläger. Dem gehen alle aus dem Weg und jeder grüßt freundlich aus der Ferne, aber in Wirklichkeit kann ihn kaum einer leiden.




Von der totalen Ohnmacht am Hudson River

Wäre das nicht schön? Eine Weltorganisation, die Willen und genug Kraft hat, Frieden und Menschenrechte global durchzusetzen? Unterstützt von den großen, reichen und militärisch starken Nationen? Alle Menschen werden Brüder, sozusagen? Die Vollversammlung der Vereinten Nationen (UN) heute hat eindrucksvoll dokumentiert, wie weit entfernt die Menschheit von diesem Zustand der Vernunft wirklich ist. Lippenbekenntnisse von allen Seiten, nichts Konkretes. Obama und Putin unversöhnlich, ein gemeinsames Vorgehen zur Bekämpfung des IS, ja zur Befriedung des Nahen Ostens insgesamt, ist nirgendwo in Aussicht. Es ist ernüchternd zu sehen, dass es das große gemeinsame Ziel der Weltgemeinschaft nicht gibt. Der IS wird weiter köpfen, Assad wird weiter Fassbomben auf Zivilisten abwerfen lassen, und Millionen Menschen werden sich weiter zu Fuß auf die große Reise nach Europa machen. Es ist zum Weinen.




Wenn der IS doch bloß ein paar Bücher bekommen würde….

In den sozialen Netzwerken des Internets werden täglich viele Bilder mit mehr oder weniger intelligenten Sinnsprüchen verbreitet. Oft sind kreative und witzige Ideen dabei, oft handelt es sich aber auch um billige Hetze und dümmliche Scherzchen. Und manchmal ist etwas für Romantiker dabei. Gestern fand ich ein Zitat von Malala Yousafzai, einer weltbekannten pakistanischen Kinderrechtlerin, die vergangenes Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Zweifellos eine bessere Wahl als es US-Präsident Obama und einige andere vorher waren.

„Wenn Ihr den Krieg beenden wollt“, so steht da auf diesem Bild im Internet, das helle Kieselsteinchen und bunten Blütenblättern zeigt, „sendet Bücher statt Waffen. Sendet Stifte statt Panzer. Sendet Lehrer statt Soldaten.“ Ist das nicht schön? Ich bin zu Tränen gerührt, allerdings nicht über die Botschaft, sondern über die grenzenlose Naivität, die sie ausdrücken und die von zahlreichen Fans begeistert gefeiert wird. Da werden „die Regierungen“ angeprangert, die den Krieg wollen – allen voran natürlich die USA. Da wird über Weltherrschaft fabuliert, über die Milliardenumsätze der Rüstungsindustrie und, und, und…. das Übliche halt. Nicht einer wirft die Frage auf, was Boko Haram in Nigeria wohl mit einer Schiffsladung Bücher tun würde. Oder wie es um die Köpfe von Lehrern im Islamischen Staat (IS) bestellt wäre, die zum Beispiel Mädchen unterrichten wollen würden. Mir ist auch nicht bekannt, dass die Kurden den Westen um Buntstifte zur Verteidigung gegen die mordenden Banden gebeten hätte.

Man soll ja nicht lästern, und ich gebe zu, dass ich Menschen wirklich mag, die sich eine bessere Welt wünschen. Insofern ist es durchaus schön, was Frau Yousafzai da gesagt hat. Aber es ist weltfremd, es ignoriert die grausame Realität dort draußen, und es trägt dazu bei, dass all die Träumer in unseren Wohlstandsgesellschaften denken, so funktioniere die Welt. So lange nicht ein paar Lehrer mit Büchern und Stiften in den Nahen Osten reisen und den IS dazu bewegen, das Morden, Kreuzigen und Enthaupten zu beenden, werde ich den oben geäußerten Gedanken weiterhin Schwachsinn nennen, auch wenn viele jetzt weinen und Räucherstäbchen entzünden werden.




Ich zähle die Tage, bis Sie endlich in den Ruhestand gehen, Mr. President

Mit dem demonstrativen Wegsehen des Westens angesichts türkischer Luftangriffe auf die irakischen Kurden, wird ein neuer Tiefpunkt moralischer Verkommenheit in der einstigen Werte- und Verteidigungsgemeinschaft namens NATO erkennbar. Der Architekt dieses Totalversagens trägt einen Namen: Barack Obama, Friedensnobelpreisträger, Golfspieler und US-Präsident. Mit dem Krieg im Irak, das sei eingeräumt, hatte er von seinem Amtsvorgänger George W. Bush ein schweres Erbe übernommen. Doch der viel zu frühe Abzug seiner Soldaten aus dem Irak hat den Islamischen Staat (IS) erst möglich gemacht. Stünden heute noch 80.000 schwer bewaffnete GIs im Land, gäbe es zwar nicht einen islamistischen Wirrkopf auf der Welt weniger, aber die Folterer, Vergewaltiger und Kopfabschneider könnten nicht ein großes Areal, über zwei Staaten ausgebreitet, kontrollieren. Es gäbe dann keinen IS.
Der frühere glücklose US-Präsident Jimmy Carter hatte in der Außenpolitik kein gutes Händchen, wie jeder weiß. Gegen Obama wirkt er wie ein Chefstratege und Weltenlenker.
Wie sieht die außenpolitische Bilanz dieses angeblichen Heilsbringers Obama im Oval Office aus? Atomwaffenfrei wollte er die Welt machen, Kriege wollte er beenden, eine neue Ära des Friedens und der friedlichen Co-Existenz sollte eingeleitet werden. Nichts davon ist auch nur annähernd erfüllt worden. Weder hat er den aggressiven Islamismus mit seiner glänzenden Rhetorik beeindrucken können, noch hat er es geschafft, sich als überzeugender Anführer des freien Westens zu positionieren. Die Despoten dieser Welt lachen über Obamas Amerika, das „rote Linien“ verkündet und bei Überschreiten nichts tut. Sie klopfen sich auf die Schenkel vor Vergnügen, wenn sie mit ansehen, wie sich der vermeintlich mächtigste Mann der Welt von den iranischen Mullahs, von Putin und jetzt Erdogan vorführen lässt. Wie er beim chinesischen Präsidenten vor der Tür warten muss, bis dieser Zeit für ihn hat. Die gewaltigste Militärmaschinerie der Welt ist unter diesem schwachen Commander in Chief nicht in der Lage, der IS wirkungsvoll Einhalt zu gebieten, weil er nicht den Mut hat, die notwendigen Entscheidungen zu treffen.
Die Welt ist mit dem US-Präsidenten Obama nicht sicherer, sondern deutlich unsicherer geworden. Und bis zu seiner Ablösung werden noch eineinhalb zähe Jahre vergehen. Hoffentlich ist die Zeit bis dahin nicht zu lang, um all die außen- und verteidigungspolitischen Schäden, die er hinterlassen wird, wieder auszubügeln.