Lehrstunde für Politiker: Wie unser Staat mit Angehörigen von Opfern umgeht

Bundespräsident Joachim Gauck und Bundesinnenminister Thomas de Maizière haben sich am vergangenen Freitag mit 50 Angehörigen der Terroropfer vom Berliner Breitscheidplatz getroffen und ihnen ihr Beileid ausgesprochen. Der „Tagesspiegel“ berichtet über die Begegnung, dass die beiden hohen Repräsentanten des Staates „fassungslos“ gewesen seien, was ihnen ihre Bürger über persönliche Erlebnisse in den Tagen danach zu berichten hatten. So seien die Angehörigen bis zu drei Tage durch Berliner Krankenhäuser geirrt, um endlich zu erfahren, ob Verwandte unter den Opfern waren. Auch seien Angehörige von Sicherheitskräften daran gehindert worden, am Trauergottesdienst in der Gedächtniskirche teilzunehmen mit der Begründung, es seien „hochkarätige Politiker in der Kirche“.

Der Höhepunkt sei dann ein Schreiben des Landes Berlin gewesen. Dabei habe es sich nicht um ein Beileidsschreiben des Regierenden Bügermeisters gehandelt, sondern um eine Rechnung der Gerichtsmedizin mit der Aufforderung, innerhalb der gesetzten Frist zu zahlen; ansonsten werde ein Inkassounternehmen das Geld eintreiben.




Fahren Sie doch noch mal mit der Straßenbahn, Herr Bundespräsident!

Zwei Monate noch, dann ist Bundespräsident Joachim Gauck Privatier. Für heute hat der erste Mann im Staate Gäste zu einer Abschiedsrede ins Schloss Bellevue in Berlin eingeladen. Das Thema: „Wie soll es aussehen, unser Land?“ Eine Frage, die sich in der Tag viele Bürger in diesen Tagen stellen. Auf Gaucks Antwort dürfen wir gespannt sein. Für eine Bewertung seiner Amtszeit ist es noch zu früh. In der Bevölkerung ist Gauck überwiegend populär. Er ist ein politischer Bundespräsident, der nicht singt und durch Wälder wandert, sondern sich eingemischt hat. Wenn er über Freiheit geredet hat, habe ich ihm immer gern zugehört. Zu dem Thema kann er eine Menge beitragen bei seinem Lebenslauf.

In negativer Erinnerung ist mir eine Weihnachtsrede geblieben, in der er sinngemäß sagte, dass sich viele Migranten in Deutschland fürchteten, abends in U-Bahnhöfe zu gehen. Sofort kam mir der Gedanke, dass ich eigentlich nur deutsche Mitbürger kenne, die sich abends in U-Bahnhöfen fürchten – vor Migranten, oder wie das im modernen Deutschland heißt „jungen Männern“.

Verehrter Herr Bundespräsident, bevor Sie am 18. März aus dem Amt scheiden: Fahren Sie doch mal an einem beliebigen Samstagabend mit der Straßenbahn durchs Ruhrgebiet! Ohne Bodyguards. Dann bekommen Sie zum Abschluss noch ein Gefühl dafür, was die Menschen in Ihrem, in unseren Deutschland derzeit mehr als alles andere bewegt!

Am 12. Februar wird Gaucks Nachfolger gewählt, vermutlich der jetzige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier.