Die SPD feiert ihr Comeback des Jahrtausends

Erinnern Sie sich auch noch an Gespräche abends beim Bier, wo selbst unsereins Mitleid mit der SPD hatte?

Das Jing und Jang, den Ausgleich zwischen den Machtblöcken in Deutschland? Links, die große, starke und stolze SPD – Rechts die Christdemokraten in CDU und CSU, die damals den Namen mit dem C durchaus noch verdienten? Und dann war Totalabsturz.

Obwohl ich kein Sozi bin, wie sie wissen, habe ich zwei Mal in meinem Leben das Kreuz bei der SPD gesetzt, einfach weil sie gute Kandidaten zur Wahl gestellt hatten in meinem Stimmbezirk und die von der CDU echte Graupen waren. Da habe ich überhaupt keine Berührungsängste.

Meine ersten Schwiegereltern sind SPD-Mitglieder, wunderbare Leute, samstags im Garten wurde der Grill nie kalt, Mitglied im Sportverein, in der Gewerkschaft, bei den Kaninchenzüchtern. Immer die gleichen Leute zwei Mal in der Woche in der Kneipe am Stammtisch – nur die Wimpel wurden gewechselt. Ich mag dieses kleinbürgerliche Milieu sehr. Das war die gute, alte SPD, die sich darum kümmerte, dass niemand durchs soziale Netz fiel, dass es Lohnerhöhungen gab und Arbeitsschutz und Arbeitnehmerrechte.

Doch die Lehrer- und Beamtenpartei der vergangenen zwei Jahrzehnte, wo einfache Mitglieder nach zwei Stunden die Versammlung verließen, die Studenten danach aber noch linksextreme Flausen in die Beschlüsse reinschrieben und ihre Kandidaten in Vorstände drückten, veränderten alles. Nach Schröder erlebte die SPD einen beispiellosen Absturz. Als Journalist war ich damals bei einer Wahlkundgebung der SPD in der Westfalenhalle II in Dortmund. Dazu müssen Sie wissen: Dortmund, das ist die SPD, oder das war sie früher. Die Herzkammer der Genossen, wo man ein paar rote Schuhe hätte aufstellen können, und die Leute hätten sie ins Parlament gewählt.

Und da stehe ich nun in der Westfalenhalle II, bevor der Bundeskanzler Schröder eintrifft, und höre den Moderator auf der Bühne sagen, er freue sich 3000 Genossen begrüßen zu dürfen. Und alle klatschten. Da hab‘ ich mir gedacht: Klaus, es ist noch Zeit, da zählen wir einfach mal schnell durch. Und so schlenderte ich am Rand entlang, zählte die Reihen und multiplizierte mit der Zahl der Stühle. Dort saßen genau 1002 erwartungsfrohe Genossen. Und ganz ehrlich: Die Leute taten mir aus tiefstem Herzen leid, gerade weil ich so viele bodenständige und anständige Genossen in meinen jungen Jahren davor kennengelernt habe.

Die SPD war weg, dachten wir alle in den vergangenen Jahren, als die Partei, die zum Beispiel einst eine Macht in Sachsen war, mit der Fünf-Prozent-Hürde kämpfte, als die Kandidaten der Genossen immer häufiger unter 20 Prozent landeten. Ja, damals haben wir uns die Sozis wirklich von Herzen zurückgewünscht. Und nun haben wir sie.

Bärbel „Wer?“ Bas, die neue Bundestagspräsidentin, protokollarisch Nummer 2 in Deutschland. Nummer 1 ist der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, auch ein SPD-Genosse. Und Bundeskanzler wird nun Olaf Scholz von der SPD, und im Windschatten flattern all die Kühnerts und Eskens mit. Wenn es jemals ein politisches Comeback auf diesem Planeten gab, dann dieses der SPD.

Und warum das alles? Weil eine Mehrheit der Delegierten beim CDU-Bundesparteitag Armin Laschet gewählt hat, den falschesten Spitzenkandidaten ever, um unbedingt Friedrich Merz zu verhindern. Und so bewahrheitet sich wieder das alte Mantra des früheren NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers: „Alles hängt mit allem zusammen.“

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Auf Reisen zu Fototerminen beim Großen Bruder

Wie gut ein Politiker für unsereins und wie gefährlich er für die rot-grüne Bagage ist, dafür gibt es einen untrüglichen Gradmesser: andauernde Häme auf SPIEGEL Online. Das Dauerbashing trifft seit Monaten vornehmlich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der im Merkel-Umfeld als die einzige ernsthafte Kraft angesehen wird, der das Elend mit Mutti beenden könnte.

Spahn hatte sich vergangene Woche überraschend mit John Bolton, Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, getroffen und – so die Legende – über die Gefahr durch Bio-Terrorismus unterhalten. Schlimm oder? Und Spahn hat vorher niemanden gefragt, ob er das darf. Und er hat auch nicht seinen Kollegen im Amt des Gesundheitsministers der USA, Alex Michael Azar, getroffen. Und er hat auch keinen Demokraten getroffen, war nicht bei den Obamas zum Tee und hat an keiner Demo gegen Trump teilgenommen. Wenn man unbedingt an jemandem herumnörgeln kann, findet man immer etwas. Mal macht Spahn zu viel allgemeine Politik, mal macht er Gesundheitspolitik – aber dann falsch. Dabei sollte man erwähnen, dass der ehrgeizige Münsterländer in den ersten Monaten im Amt mehr Themen und Lösungsvorschläge unterbreitet hat, als jeder andere Bundesminister – ausgenommen vielleicht Seehofer.

SPIEGEL Online legt in seinem Artikel nahe, der CDU-Politiker habe nur allen zeigen wollen, wie gut er in den USA vernetzt ist, dass er sogar von Bolton empfangen wird. Und weiter? Natürlich ging es darum. So läuft Politik. Oder glaubt jemand, dass CDU-Spitzenkandidat Jürgen Rüttgers Anfang 2005 den kalifornischen Gouverneur Arnold Schwarzenegger in Los Angeles getroffen hat, um über den Braunkohletagebau im Hambacher Forst zu sprechen?




Linke interessieren sich für Machtpolitik, Bürgerliche eher nicht

Eine aktuelle Meinungsumfrage hat ergeben, dass eine deutliche Mehrheit der SPD-, Grünen- und Linke-Wähler dafür ist, das kommunale Wahlrecht so zu verändern, dass Nicht-EU-Ausländer, die dauerhaft in Deutschland leben, an Kommunalwahlen aktiv teilnehmen dürfen. Das muss man wissen, wenn es in diesem Jahr wieder an die Wahlurnen geht.

Die gute Nachricht: 57,2 Prozent der Befragten insgesamt lehnen diese Idee klar ab. Bei der AfD sind es fast 97 Prozent, aber auch bei Union und FDP 65 Prozent. Die schlechte Nachricht: die linken Parteien interessieren sich für Politik, die bürgerlichen Parteien nur dafür, das Schlimmste zu verhindern. Wir haben das oft erlebt. Findet eine blödsinnige Initiative von Links keine Mehrheit, bringt man sie zwei Jahre später wieder ein. Steter Tropfen höhlt den Stein. Irgendwann wird es dann mal eine Mehrheit geben, weil die Bürgerlichen es leid sind, immer wieder gegen den gleichen Unfug zu Felde zu gehen. Und hat sich die politische Linke in einem Punkt durchgesetzt, dürfen wir davon ausgehen, dass selbst bei einer wechselnden Mehrheit die Bürgerlichen das Rad nicht mehr zurückdrehen.

Als 2005 in Nordrhein-Westfalen nach Jahrzehnten eine bürgerliche Mehrheit aus CDU und FDP zustande kam, tauschte die neue Mehrheit in einer Landesverwaltung mit 330.000 Mitarbeitern rund 60 (in Worten: sechzig) politische Beamte aus. Großer Aufschrei linker Kommentatoren. Als ob für einen Politikwechsel ausreicht, dass man ein Dutzend Minister und ein paar Staatssekretäre neu besetzt. CDU und FDP übernahmen damals Pressesprecher mit SPD-Parteibuch, der Chef des Verfassungsschutzes – auch SPD-Mitglied – bliebt im Amt. Selbst eine Staatssekretärin der Sozialdemokraten durfte noch eine begrenzte Zeit im Amt bleiben.

Ich will niemandem von denen irgendetwas Schlechtes unterstellen. Ich bin sicher, dass sie eine ordentliche Arbeit abgeliefert haben. Aber wissen Sie, was fünf Jahre später passierte? Rot-Grün wurde wieder in die Verantwortung gewählt und sie schafften alles ab, was die Regierung Rüttgers auf den Weg gebracht hatte. Alles! Und da waren eine Menge guter Dinge darunter, von ernsthafter Sparpolitik über eine moderne Hochschulpolitik bis hin zu Reformen in der Schulpolitik. Alles weg! Nach Monaten war es so, als hätte es die fünf Jahre CDU/FDP an Rhein und Ruhr nie gegeben. Eine Episode. Ausgelöscht.




Muffins statt Algebra – unsere Schulen vor den Sommerferien

Wir haben vier Kinder auf drei verschiedenen Schulen. Seit etwa zwei Wochen stehen die Zensuren fest. Und seither findet Unterricht nur noch rudimentär, wenn überhaupt statt. Wir haben auch viele befreundete Paare, die ebenfalls schulpflichtige Kinder haben. Sie alle erzählen die gleichen Erfahrungen. Einer unserer Söhne fragte in dieser Woche seine Lehrerin, ob sie wohl die siebte Stunde ausfallen lassen könne, die Klasse wolle zelten und man müsse noch Einiges vorbereiten. Es wurde, klar, genehmigt. Aus anderen Klassen höre ich von Filme gucken, Eis essen gehen, und man bringt selbstgebackene Muffins und Taccos mit Chilli-Sauce morgens in die Schule mit, denn statt Mathematik will man ein Pre-Sommer-Frühstück veranstalten. Immerhin fand auch ein Sponsorenlauf für irgendeinen wohltätigen Zweck statt.

Ich bin kein Spießer und will auch keiner sein. Wenn es um nichts mehr geht, warum sollen die Kids noch getriezt werden? Aber halt, vielleicht um etwas zu lernen? Vielleicht in einer Projektwoche, wo die Schüler gemeinsam und abseits vom Zensuren-Druck etwas Sinnvolles tun. Eine Theaterstück proben, einen Garten auf dem Schulgelände anlegen, die Welt retten…was weiß ich.

Als im Jahr 2005 Jürgen Rüttgers zum ersten Mal seit 40 Jahren für die CDU die nordrhein-westfälische Staatskanzlei eroberte, war neben der galoppierenden Verschuldung des Landes das heißeste Streitthema im Wahlkampf der Unterrichtsausfall. 2,8 Millionen Stunden fanden pro Schuljahr nicht statt. Lehrer krank ohne Vertretung, Schulkonferenzen, Fortbildung. Rüttgers und seine umtriebige Schulministerin Barbara Sommer machten Schluss damit. Für fünf Jahre, dann war schwarz-gelber Feierabend und alles wurde wieder so wie zuvor. Alles? Nein, die rot-grüne Landesregierung erhebt einfach keine Statistiken mehr über den Unterrichtsausfall an NRW-Schulen. Dann kann es auch kein schlechtes Ergebnis mehr geben…

Übrigens: Weil immer mehr Eltern in NRW ihre Kinder mit fadenscheinigen Ausreden schon vor den offiziellen Ferien aus dem Unterricht nehmen – dann sind auch Urlaubsflüge billiger – gehen die Schulbehörden rigoros gegen diese Familien vor. Eltern, die die Ferien ihrer Kinder verlängern und die Schulpflicht missachten, müssen mit einem Bußgeld rechnen. Pro Kind und Elternteil werden pro Tag 80 Euro fällig. Merke: In Nordhrein-Westfalen dürfen Schüler zwar Eis essen und zelten statt Erdkunde und Physik lernen, aber wenn sie Urlaub machen wollen, folgt direkt die Zahlungsaufforderung vom Amt.