Ein Buch, das ich Ihnen empfehlen möchte

Es kommt selten vor, dass ich Ihnen hier eine Kaufempfehlung für irgendetwas präsentiere. Aber da ich gerade aus dem sommerlichen Garten komme und zwei Stunden im Buch „Ich war BILD“ des ehemaligen Chefredakteurs Kai Diekmann gelesen habe, möchte ich das in diesem Fall ausnahmsweise tun.

Dazu müssen Sie wissen, dass Kai Diekmann mich in 2001 für BILD angeheuert hatte, als stellvertretenden Redaktionsleiter der NRW-Ausgabe, die damals jeden Morgen mehr als zwei Millionen Exemplare in die Kioske brachte, von denen die allermeisten auch verkauft wurden. Vorher war ich Chefredakteur der kostenlosen Tagezeitung „20 Minuten“ in Köln, die den Medienkonzernen Springer und DuMont eine harte Schlacht geliefert hatte. Letztlich verloren wir im gnadenlosen Wettbewerb um Anzeigenschaltungen und Wettbewerbsrecht, im Lesermarkt war „20 Minuten“ in Köln ein fulminanter Erfolg.

Drei Monate, nachdem ich da – beim norwegischen Schibsted-Konzern – raus war, klingelte eines Tages das Telefon bei uns zu Hause. Der Geschäftsführer von BILD NRW war dran, bekundete, dass ich mit meiner jungen Truppe ihnen ganz schön zugesetzt hatte und ob ich mir vorstellen könnte, zu Springer zu wechseln. Da musste ich keine 30 Sekunden überlegen. Termin bei Kai Diekmann in Hamburg, Viertelstunde Gespräch, und ich war drin.

Kai ist ein wirklich smarter Typ

Er weiß, wie das Geschäft funktioniert. Nicht immer war ich bei redaktionellen Entscheidungen über Themen und die Art der Aufmachung der BILD einverstanden. Etwa als Uschi Glas von ihrem Mann verlassen wurde, und wir in der ersten Woche dieses Thema fünf Mal auf der Eins aufmachten. Das ist die Neue, wer bekommt das Haus und so weiter… Und die Erfindung der Kampagne „Refugees welcome“ war auch kein Glanzstück, wenngleich es im September 2015 durchaus richtig sein konnte, das bei der Stimmung im Land so zu machen.

Nach der „Kölner Silvesternacht“ und Gewaltausbrüchen unserer Gäste und dem Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz, hätte BILD umsteuern müssen, meine ich. Das tat aber erst sein Nachnachfolger Julian Reichelt, den Sie alle kennen.

Das Buch von Diekmann ist mitreißend, es beschreibt viele persönliche Erlebnisse mit den Großen und Mächtigen, es gewährt einen tiefen Einblick nicht nur in die Arbeit und die Entscheidungen einer solchen Redaktion. Was mich am meisten fasziniert, ist das Bild, das der frühere BILD-Chef von seinem Freund, dem Altkanzler Helmut Kohl zeichnet. Beide waren wirklich ganz eng befreundet. Kohl duzte ihn, er sprach ihn mir „Sie“ an, aus Respekt vor der gewaltigen Lebensleistung Kohls.

Auch ich war sozialisiert in der Ära Kohls, ein Jahr nachdem der Oggersheimer CDU-Vorsitzender wurde, trat ich der Partei bei. Unvergessen bis heute Kohls Wahlkampfauftritt vor dem Detmolder Rathaus. Immer wieder hatte ich beruflich mit dem Thema Kohl zu tun. Bei Veranstaltungen, Pressekonferenzen, als er zum Antrittsbesuch bei Bill Clinton nach Washington flog, war ich in der Kanzlermaschine dabei. Unvergessen, wie er hoch über den Atlantik in der Nacht ein improvisiertes Hintergrundgespräch mit uns Journalistenmeute abhielt, in Strickjacke mit Hausschuhen. Wir Berichterstatter saßen zu seinen Füßen mit Stenoblock auf dem Flugzeugboden saßen, weil es zu eng war in dem kleinen Raum.

Das sind die Momente, wo ich keine Sekunde zweifle, damals den richtigen Beruf ergriffen zu haben.

Diekmann beschreibt den langen Abschied vom Altkanzler, der ohne jeden Zweifel eine große Figur der deutschen und europäischen Geschichte ist. Vom Dauerstreit mit dessen  Söhnen ums liebe Geld, vom Tod seiner Frau Hannelore und von seinem später folgenden Liebesglück. Von seinem Sturz, vom Leben im Rollstuhl und dann über Kohls Tod, von den Stunden im kleinen Kreis mit seiner Frau Maike und wenigen Vertrauten und Freunden. Von den Tränen.

Es ist ein phantastisches Buch, das Kai geschrieben hat, mitreißend, und voller Empathie für den Altkanzler. Menschen meiner Generation, die sich für lebendige Geschichte interessieren, können hier ein paar Euro gut investieren.




„Making people happy“ – Was ein erfolgreiches Unternehmen ausmacht

Vor fast 20 Jahren nahm ich an einer Chefredakteurskonferenz des norwegischen Schibsted-Medienkonzerns in Stockholm teil. Ein schickes Hotel am See, 30 Kollegen aus mehreren europäischen Ländern, Matjes in sechs verschiedenen Saucen zur Auswahl und Schwarzbrot. Tolle Atmosphäre, kreativ und innovativ und jede Menge Spaß. Ich erinnere mich noch an einen Vortrag, bei dem uns der Refernt schilderte, dass man demnächst mit dem Handy bezahlen kann, wenn man vor einem Cola-Automaten steht und eine Dose Coke ziehen will. Boah, haben wir da alle gestaunt.

Und besonders erinnere ich mich noch an einen Top-Coach aus – na klar, woher sonst?  – den USA. Zum Thema Unternehmensphilosophie brachte er uns bei: Um eine gute Idee zu beschreiben, bedarf es nicht mehr als fünf Worte. Fünf! Dabei müsse man sich stringend am Kern des Geschäfts ausrichten.

Als Beispiel wählte der Redner Walt Disney, der einst gefragt wurde, was seine Geschäftsidee sei. Er antwortete nicht, dass er Comicfiguren erfindet, Cartoons zeichnen lässt, Filme produziert oder Freizeitparks baut. Die Antwort von Walt Disney auf die Frage, was er eigentlich geschäftlich mache, lautete: „Making people happy!“ Menschen glücklich machen – das und nur das war seine Geschäftsidee.

Heute Morgen las ich von der Vorstellung des Geschäftsberichts 2018 des Axel Springer Konzerns, dem zufolge das Medienhaus „erfolgreichste Jahr der Unternehmensgeschichte“ (Döpfner) hinter sich hat. Wie ist das möglich, werden Sie jetzt fragen, wo doch nahezu alle Zeitungen seit Jahren massive Auflagenverluste und damit verbunden auch Einbußen im Anzeigengeschäft haben?

Ganz einfach: Weil sich das Nutzerverhalten, das Leserverhalten geändert hat. Das Zeitalter des bedruckten Zeitungspapiers ist vorbei. Es ist tot! Nehmen Sie Abschied! Die Zukunft ist digital – ob wir das wollen oder nicht. Und nicht aus Zufall steht Springer heute so glänzend da. Als andere noch in neue Zeitungsdruckereien investierten, schickte der Konzern den früheren BILD-Chef Kai Diekmann für über ein Jahr ins Silicon Valley nach Kalifornien. Seine Aufgabe dort: Essen gehen, Leute kennenlernen, Ideen aufsaugen und mit nach Deutschland bringen.

Ein schöner Job, oder? Mittags unter einem Sonnenschirm am Meer sitzen, frische Gambas („Catch of the Day“) essen, stilles Wasser mit Eiswürfeln genießen bei 35 Grad Celsius – ohne Krawatte und in Turnschuhen mit jungen Topstrategen von Google, Microsoft und Apple. Und die Milliardengeschäfte der Zukunft erdenken.

Was verkündete Matthias Döpfner gestern an Kernzahlen?

Der Anteil der digitalen Geschäfte am Konzernumsatz stieg vergangenes Jahr auf 70,6 Prozent. Digitale Geschäftsmodelle erwirtschafteten 84,3 Prozent des bereinigten operativen Gewinns. Der Umsatz stieg um 9,6 Prozent.

Der gesamte Konzernumsatz stieg um 4,1 Prozent auf 3,18 Milliarden Euro. Der bereinigte Gewinn stieg um 14 Prozent auf 737,9 Millionen Euro.

Das sind die harten Fakten, die die Wirklichkeit abbilden. Nicht das vorfreudige Geraune im Internet, dass die „Systemmedien“ demnächst endlich zusammenbrechen werden, weil sie nicht mehr so viel gedrucktes Papier verkaufen.

„Wir befinden uns auf dem Weg zum reinen Digitalunternehmen“, sagte der Springer-Vorstandschef Döpfner gestern in Berlin. Verlagsgründer und Namensgeber Axel Springer wäre stolz gewesen.

Und sein Erfolgsrezept formulierte Döpfner so: „Zeichen der Zeit frühzeitig erkennen.“ Das sind nur fünf Worte. Und mehr braucht man nicht, um ein erfolgreiches Geschäft zu beschreiben.

 

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