Wie ich meinen Frieden mit Papst Franziskus gemacht habe
Als ich Anfang der Neunziger zum katholischen Glauben konvertierte, war Johannes Paul II Papst. Ein Mann, der den Lauf der Weltgeschichte entscheidend beeinflusst hat, der rund um den Erdball vielen Millionen Menschen persönlich begegnet ist und sie für den Glauben begeistert hat. Johannes Paul II war und ist „mein Papst“, und er hat auch die alle zwei, drei Jahre stattfindenden Welttreffen junger Katholiken, sogenannte Weltjugendtage, erfunden. Im folgte der Deutsche auf dem Stuhle Petri, Benedikt XVI, der Theologe, der Intellektuelle, der nach den Weltrreisenden seines Vorgängers Innendienst im Vatikan tun sollte. Ein Papst geschliffener Worte, Autor wunderbarer Bücher von seltener Glaubenstiefe. Fast tragisch, dass das Pontifikat Benedikts überschattet wurde von den weltweit bekannt gewordenen Missbrauchsfällen. Er hatte sich seine Amtszeit als Oberhaupt der katholischen Weltkirche zweifellos ganz anders vorgestellt. Und dann ging er in den Ruhestand. Ein Papst, der selbst bestimmt, wann es genug sein sollte.
Und nun also Franziskus, mit bürgerlichem Namen Jorge Mario Bergoglio, seit dem 13. März 2013 der 266. Bischof von Rom und Anführer von rund 1,2 Milliarden Katholiken rund um den Erdball. Bis heute fremdeln viele Katholiken in Europa und Deutschland mit dem Argentinier, der so ganz anders ist, als man sich hierzulande einen Papst vorstellt. Zugegeben: Als die ersten Fotos nach seiner Wahl bekannt wurden, musste ich schmunzeln. Ein Heiliger Vater, der in der Straßenbahn fährt, der an der Hotel-Rezeption auf seine Rechnung wartet, die er dann auch selbst bezahlen will, und der seinen Zeitungsboten in Buenos Aires persönlich anruft, um das Abonnement abzubestellen, da er ja jetzt eine Weile in Rom wohnen würde – das hatte was. Das war unkonventionell, das war ein Papst zum Anfassen und nicht zum Niederknien. Für die Kirche ist der Mann aus Argentinien ein Geschenk, denn bei allem Repekt vor dem brillanten Intellektuellen Ratzinger, erreicht Papst Franziskus deutlich mehr Menschen mit seiner unkonventionellen Art des Auftretens, mit seinem Abweichen von Redemanuskripten, die in der Kurie mehr als einmal zu spontanen Schweißausbrüchen seiner Mitarbeiter führte. Katholiken müssten sich auch nicht vermehren „wie Karnickel“ sagte er einmal. Und ich muss sagen, das war auch mir deutlich zu viel für den Nachfolger des Heiligen Petrus. So redet ein Papst nicht, dachte ich damals und so denken bis heute viele Gläubige.
Gestern Abend habe ich vor dem Fernseher gesessen und die Vigil, das Nachtgebet, des Papstes mit einer Million Jugendlichen beim Weltjugendtag im polnischen Krakau angeschaut. Mit mitreißenden Worten warb der Pontifex für eine engagierte Kirche. „Liebe junge Freunde, wir sind nicht auf die Welt gekommen, um zu vegetieren, um es uns bequem zu machen, um aus dem Leben ein Sofa zu machen, das uns einschläfert.“ Was für ein eindringlicher Appell für ein Oberhaupt der katholischen Christen. Und es ging weiter: „Ein Sofa – wie jene modernen mit einlullenden Massagen – die uns Stunden der Ruhe garantieren, um uns in die Welt der Videospiele zu begeben und Stunden vor dem Computer zu verbringen“. Es sei für viele leichter, „dusselige und benommene Jugendliche zu haben“. Die Welt brauche keine „Sofa-Jugendlichen“, sondern welche mit Schuhen an den Füßen, oder „noch besser mit Stiefeln“, damit sie Spuren hinterlassen können.
Boah! Welch‘ starke Worte, welche ansteckende Begeisterung, die in diesem Moment von dem fast Achtzigjährigen ausging. Und der Jubel der jungen Menschen, zusammengeströmt aus 180 Ländern auf dieser Welt, um zusammen den Glauben, das Vermächtnis von Jesus Christus zu feiern und zu leben. Ich habe auch heute früh die Abschluss-Messe am Bildschirm verfolgt, wieder waren deutlich mehr als eine Million Menschen auf dem gigantischen Feld vor dem Altar mit dem überdimensionalen Jesus-Bild dabei. Und wieder habe ich gedacht: Was für eine Begeisterung strahlt dieser Mann aus, die so deutlich im Gegensatz zur bräsigen Alltags-Geschäftigkeit mancher deutscher Bischöfe steht – nicht aller, wohlgemerkt. Und als ich das so dachte, bei den Klängen der WJT-Hymne „Jesus Christ, you are my life…“, da, genau in dem Moment, habe ich meinen persönlichen Frieden mit Papst Franziskus und seiner Art gemacht.