Warum muss man eigentlich Bilder für NRW retten?

Ich weiß noch, wie beeindruckt ich war, als ich zum ersten Mal die Zentrale der WestLB in Düsseldorf betrat. Eine Lobby, so groß wie die Ankunftshalle eines mittleren Flughafens, viel Marmor und beeindruckende Kunst überall. Wie wir inzwischen erfahren haben, befanden sich mindestens 400 wertvolle Werke großartiger Künstler darunter. Picasso, Dali, Beus – Geigen von Stradivari, nichts war zu teuer in den goldenen Zeiten der Landesbank. Allerdings sind die inzwischen vorbei, die WestLB verzockte sich, häufte Milliardenschulden an und wurde abgewickelt. Rechtsnachfolger ist die Portigon AG, die alles, was an Werten übriggeblieben ist, für möglichst viel Geld verkaufen soll. Darunter auch die Kunstwerke.
Nachdem sich bei der Landesregierung herumgesprochen hatte, was da alles meistbietend unter den Hammer kommen sollte, entstand hektische Betriebsamkeit. „Unser Ziel ist es, so viele Kunstwerke wie möglich für NRW zu sichern“, versprach NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD), erläuterte aber nicht, warum eigentlich. Das Land Nordrhein-Westfalen ist mit etwa 140 Milliarden Euro verschuldet, auch die an sich geduldigen Steuerzahler an Rhein und Ruhr dürften unruhig werden, wenn jetzt fette Millionenbeträge für Hochkultur ausgegeben würden. Deshalb entschieden die Politiker, erst einmal energisch ans Werk zu gehen… und einen Runden Tisch einzuberufen. Das Ergebnis: Es soll eine Stiftung gegründet werden, möglichst mit vielen privaten Geldgebern. Kommt nicht genug Kohle zusammen, will das Land irgendwie helfen, ob mit Cash oder Bürgschaften ist ebenso unklar, wie die Höhe der zu erwartenden Kosten für die Rettungsaktion. Sicher ist nur: Nicht alle 400 Werke sollen NRW erhalten bleiben, aber die besten Stücke. Zwölf sind wohl schon ausgewählt, ein paar Dutzend sollen noch bewertet werden.
Ich finde Kunst und Kultur großartig, und ich befürworte, dass der Staat sich um die Pflege derselben kümmert. Zum Beispiel, indem er dafür sorgt, dass Kinder in der Schule einen Zugang zu diesem für sie in jungen Jahren noch eher langweiligen Bereich bekommen. Schüler sollen zu Theateraufführungen gehen, sie sollen begreifen, dass es nicht nur HipHop gibt, sondern andere Arten der Musik, die mitreißend sind. Sie sollen erfahren, welch ein Gewinn es für sie persönlich ist, ein gutes Buch zu lesen. Oder Gedichte. Aber warum muss der Staat Hochkultur subventionieren? Warum ist es eigentlich so wichtig, ob die genannten zwei Picassos in Nordrhein-Westfalen hängen oder in Rheinland-Pfalz, München oder Berlin? Die Welt wächst zusammen, haben wir gelernt, viele Millionen Deutsche verreisen jedes Jahr, längst nicht nur nach Malle. Kulturinteressierte laufen mit Reiseführer in der Hand von Tempelruine zu Stadtmauer. Und sie gehen auch in Museen in Paris, London oder New York. Klar wäre es schön, wenn Picasso und Dali in Essen zu sehen sind, aber es wäre auch schön, wenn sich private Sammler oder Großkonzerne darum kümmern statt Politiker.
In Deutschland ist beinahe der gesamte Kulturbereich staatlich alimentiert. Jeder Theater-Sitzplatz wird mit Steuergeldern subventioniert. Die staatliche Filmförderung in Deutschland steckt seit Jahren eine Menge Geld in die Produktion von Filmen, von denen es viele nicht einmal in die Kinos schaffen, geschweige denn ein großes Publikum erreichen. Künstlerisch wertvoll, natürlich, aber sollten in einer freien Gesellschaft nicht auch die Gesetze des Marktes gelten, wenn es um Kunst und Kultur geht? Warum muss der Staat Kunst fördern, die bisweilen kaum einen interessiert? Wer entscheidet eigentlich, was künstlerisch wertvoll ist? Und vor allem: Warum ist es staatliche Aufgabe, möglichen solventen Sammlern und Galerien wertvolle Kunstwerke vor der Nase wegzuschnappen?