Feind, Todfeind, Parteifreund: Der nette Herr Pentz von der hessischen CDU

Ich mag diese Momente, in denen Politikern für einen kurzen Augenblick die Maske vom Gesicht gerissen wird und wir Bürger bestätigt bekommen, dass viele von Ihnen (nicht alle!) kalt und zynisch sind. Manfred Pentz, Generalsekretär der hessischen CDU, ist so einer. In einer Videokonferenz mit der hessischen Jungen Union hat er jetzt den beim Bundesparteitag knapp unterlegenen Friedrich Merz als den „größten Spalter der Partei“ bezeichnet und dessen Anhänger – die beim Fußvolk der Union nach allen Umfragen mit großer Mehrheit hinter dem Sauerländer stehen – als „Merz-Dschihadisten“ bezeichnet. Inzwischen hat sich Pentz öffentlich bei Merz und seinen Unterstützern entschuldigt, wohl auch, weil sich sein Landeschef Volker Bouffier eingeschaltet hatte.

Viele CDU-Delegierte aus Hessen hatten bei der Wahl für den neuen Parteivorsitzenden Merz unterstützt, darunter Promis wie die frühere Oberbürgermeisterin von Frankfurt, Petra Roth, oder den Ex-Ministerpräsidenten Roland Koch. Fast noch schlimmer aber als die verbalen Ausfälle des Generalsekretärs wirkten die Ausführungen von Pentz zu Wirtschaftshilfen für die in der Corona-Krise notleidenden Unternehmen im Land. Wörtlich sagte er:  „So hart es klingt, ich hätte es zugelassen, dass der Markt diese Volkwirtschaft auch mal bereinigt.“ Sprich: Wenn viele Unternehmen und Arbeitsplätze den Bach runtergehen, dann ist das halt so. Ein Schlag ins Gesicht all der kleinen und mittleren Unternehmen, die im Lockdown ums nackte Überleben kämpfen.

Nun könnte man darüber spekulieren, wie jemand der so drauf ist, überhaupt Spitzenfunktionär der Christdemokraten werden konnte. Man kann aber auch einen Blick auf die CDU insgesamt nach der Entscheidung pro Laschet werfen. Aus der CDU höre ich von allen Seiten, dass es nicht die geringsten Signale aus dem knapp erfolgreichen Laschet-Lager gibt, dass man dort auch nur im Geringsten bereit ist, den unterlegenen Teil der Konservativen und Wirtschaftsliberalen in die Zukunft der Partei mit einzubeziehen. So ist zu verstehen, dass die Bundeskanzlerin Merz‘ Ansinnen, ins Bundeskabinett anstelle des Totalausfalls Altmaier zu gehen, barsch zurückwies. Und das „Angebot“ Laschets, Merz einen Platz im Präsidium freizuräumen, war ein vergiftetes Angebot, waren doch die anderen dort allesamt seit Monaten nach Kräften bemüht, eine Wahl des wirtschaftlich völlig von der Partei unabhängigen Herausforderers zu verhindern. Was würde in diesem Kreis ein Friedrich Merz bewegen können?

Auch Leute wie ich, seit 42 Jahren Mitglied in der einst stolzen Volkspartei der bürgerlichen Mitte, müssen begreifen, dass es die alte CDU, die Kraft, in der sich konservative, liberale und christlich-soziale Strömungen zu politischer Macht versammeln, nicht mehr gibt. Und wohl auch nicht mehr geben wird.

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Erbitterter Kampf um die Macht in der AfD: „Jetzt ist das Endspiel!“

Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen sprach gestern auf dem Bundeskonvent im sächsischen Lommatzsch von einer „vitalen Streitkultur“ in seiner Partei. Damit bewies Meuthen, dass er wirklich einen ausgeprägten Humor besitzt. Die Wahrheit ist, dass in der AfD ein erbitterter Kampf tobt, der das bisher so erfolgreiche Projekt AfD zum endgültigen Scheitern treiben kann.

Aktuell ging und geht es natürlich um die Causa Kalbitz, also den vom Bundesvorstand jüngst aus der Partei ausgeschlossenen brandenburgischen Parteichef. Am Freitag hatte das Landgericht Berlin die Aufhebung von Kalbitz’ Mitgliedschaft durch den Bundesvorstand für unzulässig erklärt. In den Flügel-Hochburgen der Partei, also da, wo sich der „rechte Narrensaum“ (O-Ton Beatrix von Storch) der AfD organisiert, knallten die Sektkorken.

Doch entschieden ist überhaupt nichts, außer das eine offenbar wachsende Zahl an Mitgliedern und Abgeordneten die Nase voll vom Intrigenspiel um die Macht in der Partei haben. Jemand aus der AfD-Bundestagsfraktion sagte mir heute am Telefon: „Es ist das entscheidende Gefecht um das Überleben der AfD. Es gibt jetzt keine Regeln und keine Zurückhaltung mehr.“ Das dachte sich wohl auch der notorisch als Flügel-naher Unruhestifter geltende niedersächsische Bundestagsabgeordnete Armin-Paul Hampel. Er warf Meuthen auf dem Bundeskonvent vor, die Spaltung der Partei zu betreiben und stellte – zusammen mit anderen – einen Antrag, der das Ende der politischen Karriere Meuthens einläuten sollte. Vergebens! Mit 27 zu 23 Stimmen versammelte sich die Mehrheit – in einer geheimen Abstimmung!!! – hinter ihrem Parteichef. Ein Sieg für Meuthen, schon. Aber stellen Sie sich vor, nur drei Delegierte hätten anders abgestimmt – das hätte in der Partei und der Anhängerschaft ein politisches Erdbeben ausgelöst.

Immerhin: Teilnehmer des Treffens versicherten mir übereinstimmend, dass Jörg Meuthen nicht nur kämpft, sondern die politische Richtungsentscheidung erzwingen und gewinnen will. Ein Delegierter sagt mir: „Der Fall Kalbitz ist das Endspiel.“ Eine endgültige Rückkehr des Flügel-Anführers Kalbitz in die Mitte der Partei werde die AfD zerreißen: „Dann werden die bürgerlichen Leute in Scharen diesen Laden verlassen.“

Vom zweiten Bundessprecher Tino Chrupalla wird übrigens berichtet, dass er auf dem Konvent offen eingeräumt habe: Wenn Kalbitz tatsächlich Mitglied der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) gewesen sei, dann habe er in der AfD keinen Platz mehr. Das ist bemerkenswert, hatte Chrupalla im Bundesvorstand noch gegen den Ausschluss von Kalbitz gestimmt. Der bestreitet nach wie vor, er habe der HDJ – laut Meuten „eindeutig eine neo-nazistische Organisation“ – nicht angehört, sondern sei allenfalls als Interessent geführt worden. Kann man glauben oder nicht. Möglicherweise ist das der entscheidende Punkt in der ganzen Auseinandersetzung. War er dabei oder war er nicht?

Es gibt viele Facetten in dieser erbitterten Auseinandersetzung, die es wert sind, beleuchtet zu werden. So etwa die Rolle der Fraktionschefin Alice Weidel, die von vielen Anhängern der Partei nach wie vor als „bürgerlich“ angesehen wird. Mitglieder der Bundestagsfraktion zeichnen ein ganz anderes Bild von einer kalt kalkulierenden Anführerin, die „sich mit dem Flügel ins Bett gelegt“ habe.

Als sei das alles nicht schlimm genug, könnte es noch übler werden. Unter Hauptstadtjournalisten zirkulieren Screenshots aus eine internen Diskussionsgruppe in Sachsen, in der Teilnehmer dafür werben, Waffen und Munition zu horten und ein „sicheres Haus“ in einem kleinen 400-Seelen-Dorf in Sachsen zu beziehen. So könne man sich auf die entscheidende Schlacht mit den Fremden im eigenen Land vorbereiten. O-Ton: „Es reicht nicht, mal zwei Somalier zu erschießen.“ Einer in der Gruppe schlägt vor, Mietshäuser für Asylbewerber anzukaufen, damit man wisse, wo die alle seien, wenn der letzte Kampf beginne. Es finden sich auch Bilder von mehreren Männern in Bundeswehruniformen, die sich angeblich aus rechten Burschenschaften kennen. Ein Name ist dort in Umlauf – der sich auch an anderer Stelle wiederfindet. Es handelt sich dabei um einen Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Münzenmaier.  Der ist nicht nur Politiker, sondern auch das, was man schillernde Figur nennt.

Der Abgeordnete, Vorsitzender des Touristikausschusses des Deutschen Bundestags, wurde im Dezember 2018 vom Landgericht Mainz zu einer Geldstrafe in Höhe von 16.200 Euro wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung verurteilt. Es war ein Berufungsverfahren, denn zuvor war Münzenmaier vom Amtsgericht Mainz zu sechs Monaten Gefängnis auf Bewährung (drei Jahre) verurteit worden. Er soll 2012 direkt an einen Angriff von Hooligans aus Kaiserslautern auf Fans von Mainz 05 – darunter Frauen und Kinder – beteiligt gewesen sein. Was er bestreitet. Allerdings hatte die Polizei kurz nach der Tat seine Wohnung durchsucht und dabei Teleskopschlagstock, Sturmhaube und Fotos von vermummten Hooligans mit gegnerischen Fan-Utensilien gefunden. Sebastian Münzenmaier ist nicht nur einfacher Abgeordneter der AfD, er ist stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion und stellvertretender Vorsitzender der AfD in Rheinland-Pfalz.




Die CDU am Wendepunkt: Im Kanzleramt brennt abends lange Licht

In der CDU tobt derzeit ein Machtkampf, der allenfalls mit dem gescheiterten Putschversuch gegen Helmut Kohl 1989 vergleichbar ist. Damals probte der beliebte baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth – „Cleverle“ genannt – den Aufstand gegen den Patriarchen aus Oggersheim. Unterstützt wurde er dabei von Kohls Generalsekretär Heiner Geißler und wohl auch dem Chef des Arbeitnehmerflügels, der damals noch Gewicht in der Union hatte: Norbert Blüm. Kohl setzte sich durch, Geißler verlor seinen Job und tingelte dann durch die deutschen Fernsehtalkshows, um vergessen zu machen, dass aucch er einst zur Kohl-Kerntruppe gehörte.

Nach drei dramatischen Wahlschlappen für die CDU in Brandenburg, Sachsen und Thüringen gewinnt eine Erkenntnis auch bei führenden Köpfen der Union deutlich an Boden: die Annegret kann es nicht. Gemeint ist damit der Vorsitz der CDU. Daraus folgt allerdings zwingend die Erkenntnis, dass, wer eine Partei nicht erfolgreich führen kann, schon gar nicht geeignet ist, eine Bundestagswahl als Spitzenkandidatin erfolgreich zu bestreiten oder gar Deutschland zu regieren.

Was also nu, CDU? Friedrich Merz liegt Umfragen zufolge in der Bevölkerung weit vorn in der Beliebtheit gegenüber allen anderen denkbaren Unions-Kandidaten. Aber was das Wahlvolk will, das interessiert im Konrad-Adenauer-Haus nach den Merkel-Jahren nur noch am Rande.

Armin Laschet traut sich den Sprung ins Kanzleramt zu, Selbstsuggestion par excellence. Für ihn spricht eigentlich nur, dass er ein Regierungsamt ohne Fehler verwaltet und Chef des größten Landeserbandes mit einem Drittel der Bundesparteitagsdelegierten ist. Inhaltich würde er zweifellos den Unions-Vernichtungskurs Angela Merkels weiterführen. Und in Nordrhein-Westfalen hat auch Jens Spahn seine Heimatbasis, der vergangenes Jahr beim Kampf um den Parteivorsitz deutlich an Statur gewonnen hat. Außerdem führt er sein Gesundheitsministerium professionell und arbeitet gefühlt mehr als das gesamte Bundeskabinett zusammen. Was Spahn mit Merz verbindet, ist dass sie ganz nach oben wollen. Sonst allerdings nichts.

So wurschteln die Hoffnungsträger für ein Wiedererstarken der Union mit eigener Agenda vor sich hin. Die einen unterstützt von der starken Jungen Union (JU) unter Tilman Kuban, andere vom Wirtschaftsrat, der Mittelstandsvereinigung und der stark wachsenden konservativen Basisbewegung WerteUnion. Und im Kanzleramt bei „Mutti“ brennt abends in diesen Tagen lange Licht. Dort tagt das „Girls Camp“ der Kanzlerin und überlegt, welche Weichen man stellen muss, damit die dramatischen Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre personell in die neue Zeit hinübergerettet werden kann…




Die Kernschmelze hat begonnen – auch in der CDU

Die Stimmung im Vorstand der CSU soll „sehr ernst“ gewesen sein gestern Abend. Alles andere wäre aber auch seltsam angesichts der Lage rund um CDU und CSU. Und die stellt sich heute Morgen so dar:

1) Horst Seehofer ist dieses Mal augenscheinlich kein „Drehhofer“, auch wenn er gestern erst mit Rücktritt kokettierte und dann wieder lavierte. In der Frage Flüchtlinge und Masterplan steht er wie eine Eins. Und die CSU auch.

2) Angela Merkel bewegt sich keinen Millimeter, sie will die CSU demütigen und als lästiges Anhängsel erledigen. Die Landtagswahl in Bayern interessiert sie nicht. Es mehren sich Stimmen aus dem Umfeld der Kanzlerin, nach denen sie gern die CSU in der Koalition gegen die Grünen eintauschen würde. Wer gestern Abend das Balzverhalten von Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Daniel Günther im Fernsehen erlebt hat, weiß, was ich meine. Interessant übrigens, wie die Mainstreammedien vollkommen undifferenziert auf die CSU und ihre führenden Köpfe einprügeln. Mit Journalismus hat das alles nichts mehr zu tun.

3) Eine solche Rochade birgt erhebliche Risiken für die Parteivorsitzende. Viele in der CDU wollen eine Koalition mit den Grünen nicht. Und das aus guten Gründen. Die massiven Verluste der Union bei der Bundestagswahl 2017 resultieren ja gerade aus dem linksgrünen Kurs, den die Partei Adenauers und Kohls unter Merkel eingeschlagen hat.

Ein Tausch CSU gegen Grüne in der Bundesregierung ist kein Selbstläufer. Die Unzufriedenheit in der Bundestagsfraktion wurde in den vergangenen Woche mehrfach sichtbar. Aus dem konservativen Berliner Kreis ist zu hören, dass man einem solchen Bündnis nicht zustimmen werde. Im CDU-Parteivorstand gestern haben Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und Thüringens CDU-Chef Mike Mohring erneut Unterstützung für Seehofers Asyl-Masterplan geäußert. Wie Markus Söder im Oktober haben beide nächstes Jahr Landtagswahlen zu gewinnen…oder auch zu verlieren.

Ich gehöre nicht zu den Hellsehern, die wir regelmäßig auf Facebook in großer Zahl erleben. Ich warte gerne ab, was tatsächlich entschieden wird. Und ich setze darauf, dass die CSU standfest bleibt.

Aber in einem bin ich mir absolut sicher: Das Zerbrechen der Parteienfamilie aus CDU und CSU würde ein politisches Erdbeben in Deutschland auslösen, das das ganze bisher gewohnte Parteiensystem an den Abgrund bringen würde. Es wäre nach der SPD auch das Ende der Volkspartei CDU. Und Schuld an dem Desaster trägt dann niemand anders als Angela Merkel, die aus dieser traditionsreichen und erfolgsverwöhnten Partei einen Trümmerhaufen gemacht hat.