GASTSPIEL: PHILIPP KÖHLER über Männer, die einfach nur grillen wollen…

Ich gehe einkaufen und erhalte den Hinweis, uuunbedingt nur „gutes“ Fleisch zu kaufen. Ich komme nach Hause, bereite Marinaden vor und erhalte den Hinweis, die Marinade bloß nicht zu versalzen, lege das Fleisch ein und erhalte den Hinweis, darauf zu achten, dass alles bedeckt ist.

Ich beginne Gemüse zu schneiden und erhalte den Hinweis, nur ja keine Gurken zu verwenden, weil: „die stoßen so unangenehm auf“. Ich putze den Salat, und erhalte den Hinweis, darauf zu achten, dass um Himmels willen kein Sand dranbleiben soll. Die Salatsoße soll diesmal bitte doch ein Frenchdressing und kein Essig-Öl…… „bitte!“ (immerhin 😉 )

Ich schneide die Baguettes auf, um Knoblauchbutter und Kräuterbutter großzügig hinein zu schmieren und erhalte den Hinweis, die Scheiben seien bei Heinz und Günther aber unangenehm breit gewesen.

Währenddessen bereite ich die Kohlen vor und achte natürlich nach einem dezenten Hinweis darauf, dass das Feuer nicht so arg raucht („die Nachbarn!“), den Geruch kann ich leider nicht abstellen, was aber auch ein weiterhin zu bemängelndes Problem darstellt.

Während ich den Tisch decke und die Salate anrichte, bekomme ich aus dem Badezimmer einen Hinweis, dass ich noch zehn Minuten hätte und aussehe, als ob ich von der Schwerarbeit käme – ah ja!

Die Gäste kommen und leider habe ich vergessen die Gläser herauszustellen, während ich den Prosecco geöffnet habe, den ich mittags zum Glück nach dem Einkaufen ins Kühlfach gestellt habe. Dankenswerterweise werde ich auf diesen Missstand durch mehrfaches Entschuldigen („… fuuuurchtbar peiiiinlich …“) bei den Gästen, dezentes Verdrehen der Augen und gottergebene Blicke gen Himmel aufmerksam gemacht, sonst hätte ich es vielleicht gar nicht bemerkt.

(Tut mir übrigens leid, dass ich die olle Schürze zum Grillen trage: Sie wurde nach dem letzten Mal leider nicht gewaschen – hätte ich dran denken sollen).

Ich lege das Fleisch auf, der Wind dreht, leider stehen die Gäste im Rauch. Mein Freund Rüdiger, der sich seit seiner Ankunft an einer Flasche Bier festhält, ist dankbar, dass er mir dabei helfen darf, den Grill ans andere Ende des Gartens zu tragen. Dass wir dabei zwischen den anderen sommerkleidlich gewandeten Gästen durch müssen, tut uns wirklich leid!

So ein Mist! Gerade eben bekomme ich den Hinweis, dass ich die Tofuwurst und die Sojaspießchen für Heidrun vergessen habe! Ein Drama! Zum Glück wird Heidrun auch mit Salat satt: „Da ist aber kein Knoblauch drin – odaaaa?“

Heidrun muss nicht alles wissen.

„Warum steht hier soviel Bier? Meinst Du das Wasser reicht?“

„Setz Dich doch mal zu uns, Du bist so ungemütlich.“

Rüdiger schnappt sich eine Flasche Bier und wir unterhalten uns angeregt schweigend eine Stunde lang, bis der Grill leer ist. Jochen, Christian und Michael prosten uns erfreulich stumm aus der anderen Ecke des Gartens zu, während jeder für sich die Fährnisse des Lebens philosophiert und dankbar registriert, dass der Nebenmann ihn mit seinen Ergebnissen nicht belasten will. Sie sind sich einig.

„Hast Du denn auch was abbekommen?“

Vom Biertisch ist helles Gelächter zu hören: „Ja, das Tiramisu hab ich gemacht. Schmeckt es Dir? Ja lecker! Ne? Is ein OOOOrikinaaahlreszept vom oberen Gardasee. Muss ich Dir mal … … … …“

Ich ziehe die Alufolie vom Grill, weil es nach Gewitter aussieht und ich langsam abräumen werde, damit keine Stampede aufkommt.

„Oooooh können wir keine Folienkartoffeln mehr machen?“ „Die Maiskölbchen wollten wir auch noch braten!“

Ups – hatte ich ganz vergessen. Tut mir leid. Der Grill steht jetzt unter dem Carport (danke Rüdiger) Folienkartoffeln und Maiskolben liegen drin und drauf.

Ich geselle mich zu den anderen Männern. Vom Tisch her: „Iiich trinke ü b e r h a u p t keinen Alkohol mehr. Meine Haut! Mein Gewicht und ich schlafe…..“

Ich hole mir noch ne Flasche Bier.

Werner hat Probleme mit der Ex. Sie wohnt im gemeinsamen Haus, bekommt Unterhalt, findet keine Arbeit und der junge Mann, der jeden Tag morgens kommt und angeblich abends geht, ist ihrer Auskunft nach der Hausmeister, der bei ihr Hand anlegt, wenn die Birne wieder glühen soll. Nein – zum Lebensunterhalt trägt dieser junge Mann mit Sicherheit nicht bei.

Ich bin der Böse, weil ich leise darauf hinweise, dass so ab 23:23 Uhr langsam die Nachbarn……
Rüdiger hilft mir beim Tischabräumen, während vorne an der Haustüre die Gäste verabschiedet werden. Rüdiger geht. Später in der Küche:

„War doch ein netter Abend oder?“

Ja – war ein netter Abend. „Hat´s Dir nicht gefallen?“ Doch! „Dann sach doch mal was!“ Hm.

Die Spülmaschine ist falsch eingeräumt! Natürlich mein Fehler. Jetzt muss alles umgeräumt werden und es ist schon so spät und weil ich morgen früh früh aufstehe und mich für die Arbeit fertig mache, kann sie nicht ausschlafen. So ein Mist!

Nein nein – mach Dich ruhig fertig.

„Das Bier hat nicht gereicht! warum hast Du soviel Wasser gekauft? Duhu? – die Putenbrustfilets waren ein bisschen trocken.“

Wenn ich den Zettel geschrieben hätte wären keine Putenbrustfilets drauf gewesen. Tut mir leid. Meine Schuld.

Die Spülmaschine läuft, das Bad ist noch besetzt, ich setze mich hin und trinke in Ruhe ein Bier. Die Küchentüre geht auf: „Wo bist Du denn? Ich warte die ganze Zeit auf Dich. Musst Du denn NOCH ein Bier trinken?! Du stinkst nach Rauch!“

jo!

„Uschi hat übrigens … … .“

Gute Nacht…




GASTSPIEL KIRSTINE FRATZ über die Zukunft der Emanzipation

Was ist los mit den Männern und Frauen im gegenwärtigen Zeitgeist? Es herrscht eine große Verunsicherung, wie der eine noch mit der anderen Umgang pflegen soll. Was ist noch flirten und wo fängt sexuelle Übergriffigkeit an? Und warum geht auf einmal gar nicht mehr, was früher irgendwie normal war? Der Allgemeinplatz von „Und ewig lockt das Weib“ wird gerade zum Problem und keiner kennt sich mehr aus.

Der männliche Trieb ist jetzt kein Instinkt mehr, sondern ein pathologisches Verhalten geworden. Das „Kavaliersdelikt“ hängt hoch aufgehängt am öffentlichen Pranger und Männer in Machtpositionen haben ihren Respekt verspielt, weil sie unter Generalverdacht stehen, ständig auf Missbrauchschancen zu lauern. Vor diesem Hintergrund entwickelt sich auch das Flirten gerade zu einem Spaziergang durch ein Mienenfeld. Man könnte meinen, dass momentan alle sorgfältig gepflegten Privilegien für das männliche Verlangen nach Frauen ihre Gültigkeit verlieren und sich gegen sie verkehren.

Was ursprünglich mal gedacht war als System, um vor sich und anderen Männern als toller Hecht dazustehen, kehrt sich gerade gegen das männliche Ego und macht aus ihm eine ziemlich traurige Figur, dem jede gesellschaftliche Anerkennung entzogen wird. Und weil das so ist, trauen sich die betroffenen Frauen zunehmend aus Ihrer Deckung, in der sie mit Ihrer Scham ausgeharrt haben, weil die Zeit nicht reif dafür war. Jetzt scheint ihr Leid gesellschaftlich anerkannt, und der Täter hat anschließend seinen Status verwirkt. Heute haben sie das gesellschaftliche Back Up für ihre Anklage – die Zeiten haben sich geändert.

Bei allem Leid, das momentan zu Tage kommt, und bei allen Problemen, die in dieser Hinsicht noch auf Frauen warten, wage ich zu behaupten, es ist eine gute Zeit für Frauen. Sie haben die gesellschaftliche Legitimation dafür, den Mann, egal in welcher Position, in seinem sexuellem Verhalten in Frage zu stellen und ihn der öffentlichen Bewertung preiszugeben. Damit setzen sie nicht nur Grenzen, die gerade alle verunsichern, sondern schieben eine interessante Dynamik an.

Frauen fühlen sich anscheinend zunehmend immer weniger verantwortlich für die erotischen Anforderungen, die Mann an sie so stellt. In Zukunft könnte das bedeuten, das Frauen ihr Selbstbild immer unabhängiger von der männlichen Vorstellungswelt machen.

Ein Grund dafür ist, dass Frauen die nächste Stufe der Emanzipation eingeläutet haben. Erst haben sie sich von den dienenden Funktionen gelöst, welche die männlich dominierte Gesellschaft ihnen zugeteilt hatte. Sie haben sich das Leben des Mannes zum Vorbild genommen und ihre Rechte erkämpft, um es der Freiheit und Unabhängigkeit von den Männern gleich zu tun. Das Leben der Männer wurde zu ihrem Referenz-Modell für Emanzipation und Selbstbestimmung, sie hatten ja auch kein anderes.

Nachdem dieser Ansatz in weiblichen Lebensmodellen und gesellschaftlichen Perspektiven schon sehr weit gekommen ist, stellt sich jetzt zunehmend die Frage, ob das wirklich echte Weiblichkeit ist oder immer noch eine männlich definierte Weiblichkeit nur mit anderem Vorzeichen?

In den gesellschaftlichen Nischen des moderne-Frau-sein überlegt man gerade, was das Wesen einer Weiblichkeit ist, die sich jenseits der Vorstellungen, Beurteilungen und Verurteilungen von Gesellschaft und Mann entfaltet? Diese Frage treibt immer mehr junge Frauen aus unseren Breiten um, und sie machen sich gerade auf, das herauszufinden. Sie diskutieren das nicht in öffentliche Debatten oder sitzen in renommierten Talk-Runden zwischen Meinungsvertretern von “Popo grabschen ist doch nicht so schlimm!“ und Vorkämpferinnen der Emanzipation, die sich in endlosen Streitereien zwischen altem Machtanspruch, demographischer Verschiebung, Kind/Karriere und dem biologischen Auftrag von Frauen herumplagen.

Was die Welt von Ihnen erwarte,t blenden Sie gerade betont aus. Sie haben genug Selbstbewusstsein, um ihrer Weiblichkeit selbst Form zu geben und vertrauen der Gesellschaft gerade nicht, dafür einen brauchbaren Beitrag zu leisten. Die blühende Szene nennt sich Woman Circle und nimmt vielerorts richtig Fahrt auf. Die Idee dahinter ist, das es sie gibt, die weibliche Urkraft, die Quelle, die Freude, die Liebe, einfach weil man eine Frau ist. Sie wollen suchen und finden was sich die Gesellschaft irgendwann mal unter den Nagel gerissen und für ihre Zwecke missbraucht hat. Sie wollen mehr und mehr diesen Kern in sich finden, der wirklich selbstbestimmt funktioniert und sie stark und kraftvoll macht mit femininen Vorzeichen.

Wenn sie diesen Kern finden und etablieren, dann hätte die Gesellschaft in der Tat zu großen Teilen die Kontrolle über Frauen verloren. Denn wenn die nächste Generation Frauen lernt, ihr Selbstbild auch jenseits von äußeren Erwartungen zu stabilisieren, dann passiert etwas Ungeheuerliches. Sie geben sich dann nicht nur selber die Form, sondern hören auch auf, formgebend für das Selbstbild der Männer zu sein. Und weil diese Entwicklung bewusst und unbewusst im vollen Gange ist, sind die Frauen zunehmend kompromisslos geworden, wenn es darum geht still zu halten, damit Mann klar kommt. Und das ist natürlich erst einmal sehr verwirrend und auf einmal kennt sich keiner mehr aus.

Die patriarchischen Strukturen haben gewährleistet, dass Institutionen und Männer eine große Kontrolle über Frauen hatten. Somit war sie eine berechenbare und konstante Größe für die Stabilität u. a. des männlichen Selbstbildes. War sie dann doch mal auf Abwegen, hatten Staat und Mann das Recht, auf Ihrer Seite sie entsprechend zu sanktionieren, damit sie ganz schnell wieder ihre formgebende Funktion einnahm und Mann in sich und vor den anderen nicht ins Wanken geriet. Diesen Mechanismus kann man noch in vielen Teilen der Welt beobachten, teilweise versehen mit den ungeheuerlichsten Sanktionen und Präventivmaßnahmen, damit Frau ja nicht auf die Idee kommt, sich frei zu machen von der männlichen Abhängigkeit bezüglich ihres Verhaltens.

Die Woman Circle-Bewegung will diesen Wahnsinn versöhnen. Sie tragen nicht den Geschlechterkampf weiter, sondern sind bereit für für den Frieden. Aber nicht auf der Basis von Gewinnern und Verlierern, sondern auf der Basis von einem Neustart. Denn wenn Sie ihre wahre Weiblichkeit gefunden haben, dann wünschen sie sich, dass es die Männer ihnen gleichtun. Sie hoffen auf eine Männlichkeit, die sich unabhängiger macht von ihrem Erwartungsdruck gegenüber Frauen und freier wird von den Anforderungen der Gesellschaft bezüglich ihres Selbstbilds.
Freie Frauen wollen freie Männer und die hat das Patriarchat eben auch nicht hervorgebracht. So dürfen wir gespannt sein, welche Chancen in dem momentan öffentlich gemachten Leid für Mann und Frau noch stecken. Arbeitet sich diese Zeitgeist-Dynamik weiter durch unsere Lebensbereiche, dann könnte die Aussage der Feministin und Schauspielerin Emma Watson vielleicht zukunftsfähig sein.

“Both men and women should feel free to be sensitive. Both men and women should feel free to be strong… it is time that we all perceive gender on a spectrum not as two opposing sets of ideas.”

Auch wenn man jetzt denkt, dass wird nie passieren, dann entsteht hier doch gerade ein neuer Zeitgeist- Sehnsuchtsort und damit eine verlockende Idee. Behalten wir im Blick, welche Kraft sie noch entfaltet!

Von Kirstine Fratz ist erschienen: „Das Buch vom Zeitgeist und wie er uns vorantreibt“.

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Ein Tor öffnen, das man nie wieder schließen kann

In verschiedenen Medien wurde diese Woche darüber berichtet, dass in den USA eine Frau ihr ungeborenes Baby hat töten lassen, einfach, weil es ein Junge war. Die Frau hat das öffentlich zugegeben, ohne Unrechtsbewusstsein, denn ein Mann hatte sie einst im Flugzeug als „Schlampe“ bezeichnet, und seitdem hasst sie Männer. 2012 hatte sie sich künstlich befruchten lassen und sogar nach Betreuungseinrichtungen gesucht, die ausschließlich für Mädchen gegründet worden sind. Aber dann erwartete sie einen Jungen, ein „Monster“, wie sie das nennt. Man könnte das für eine weitere spinnerte Geschichte aus den oftmals überdrehten Vereinigten Staaten halten. Aber man könnte auch darüber nachdenken, wie sich Dinge entwickeln können, wenn man auf den unsäglich dummen Satz „Mein Bauch gehört mir“ Rechtsnormen aufbaut. Ich habe selbst oft über das „Tor“ geschrieben, das man „einmal geöffnet, nie wieder wird schließen können“. Wer menschliches Leben grundsätzlich zur Disposition stellt – egal, ob das ungeborene, das alte oder das behinderte – verändert das Bewusstsein der Menschen. Und, bevor ich allzu übel beschimpft werde, es geht mir hier nicht um die vielzitierte Notlage. Natürlich gibt es außergewöhnliche Situationen, in die zum Beispiel eine werdende Mutter geraten kann, wenn ihr Leben selbst gefährdet ist oder die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung ist oder, oder, oder… Aber Schwangerschaftsabbruch als Mittel der Familienplanung? Sterbehilfe als Folge einer Entscheidung der vermeintlichen späteren Erben? PID als Alltag auf dem Weg zum völlig makellosen Kind? Ich halte viele Forderungen dieser Art für eine furchtbare Entwicklung, und ich bin froh, dass wir in Deutschland noch nicht (ganz) so weit sind. Nun mögen Sie einwänden, dass man doch nicht aus einem Fall in den USA solch ein Pauschalurteil fällen darf. Mag sein, aber es ist eben nicht nur der eine Fall. Es ist auch die junge Frau, die ich mal kennengelernt habe, die im Alter von 31 Jahren schon vier Abtreibungen hinter sich hatte, weil sie vier Mal schwanger von vier unterschiedlichen Männern war, die sie alle kaum kannte. Oder schauen Sie nach Indien und China, wo jedes Jahr zigtausende Kinder abgetrieben werden, einfach weil sie Mädchen somit und in den Augen ihrer Erzeuger nutzlos sind. Wo sind eigentlich die Feministinnen, die immer lauthals für das „Recht auf Abtreibung“ gestritten haben, wenn sie nun feststellen müssen, dass in manchen Teilen dieser Welt besonders die Mädchen zu Opfern dieser Forderung werden?