Ich finde, der Glaube an Gott ist etwas sehr Intimes. Der Wunsch, Gott persönlich zu erfahren, ihm zu begegnen – das ist für Atheisten etwas völlig Irreales. Für Menschen, die glauben, ja wissen, dass es irgendwo da oben einen Gott gibt, dem wir letztlich alle unsere Existenz zu verdanken haben, das kann intimer sein als Sex.
Ich will Sie nicht mit theologischen Gedanken belästigen, aber die dauerhafte Nerverei der sogenannten „Reforminitiative Maria 2.0“ lässt mir keine Wahl, als dazu etwas zu schreiben. Bei Maria 2.0 handelt es sich um eine medial aufgepimpte Aktivistinnengruppe, die die Zerstörung der katholischen Kirche in Deutschland vorantreiben und durch eine protestantisierte Larifari-Kirche à la EKD ersetzen will. Ich betone diesen kleinen aber feinen Unterschied, weil es mir nicht um die Frage Katholisch oder Evangelisch geht, sondern um die Frage: Glaubst Du oder glaubst Du nicht? Gibt es für Dich einen Gott, der alles erschaffen hat und der in unserem persönlichen Dasein existiert? Oder machst Du einfach mit beim linksgrünen Hokuspokus-Spektakel evangelischer Kirchentage mit homosexuellen Hundezüchtern und Vulven malen?
Die ersten 30 Jahre meines Lebens war ich evangelisch-reformiert. Unsere Familie war sehr Jahrhunderten durchgehend evangelisch – aber niemand nahm den Glauben wirklich ernst. Heiligabend in die Kirche, bevor es an die Geschenke und das Festmahl ging. Taufe, Konformation, Beerdigung – das war es mit der Kirche. Irgendwann heiratete ein Onkel von mir eine Katholikin, eine wunderbare Frau aus Belgien. Sie bekam zwei Kinder, die katholisch getauft wurden. Das war ungewöhnlich in unserer Sippe.
Mit meiner Konfirmation war das Thema Kirche und Glaube vorbei – total vorbei. In Diskussionen – etwa über Sexualmoral – war ich auf der anderen Seite, bestritt der Kirche jedes Recht, dazu auch nur etwas zu sagen. Das war aber nicht schlimm, weil es in der evangelischen Kirche bei uns sowieso niemanden interessierte, was man zu dem Thema dachte. Irgendwann Anfang der 90er Jahre entdeckte ich, dass es diese katholische Kirche gab, die mir fremd war, aber die mich zunehmend in den Bann zog. Die meinten das anscheinend wirklich ernst mit diesem Gott, die knieten demütig nieder in der Kirchenbank und die hatten Regeln, die für jeden Gläubigen einen persönlichen Ordnungsrahmen bildete.
Drei Jahre dauerte mein Weg, dann kam Papst Johannes Paul II zum ersten Mal nach Deutschland, und für mich brachen theologisch alle Dämme. Hätte ich damals Freunde gehabt, die Freikirchler waren, wäre ich heute wahrscheinlich ein Evangelikaler. Es geht nicht um Label, sondern um Gott, wie mir das der großartige Johannes Hartl vom Gebetshaus in Augsburg mal sagte. Und genau das ist es.
Die christlichen Kirchen sind so unglaublich vielfältig, dass jeder seinen Weg finden kann, wenn er oder sie sich aufmacht, Gott zu finden. Niemals würde ich Menschen anderer Glaubensrichtungen vorschreiben wollen, was und wie sie glauben sollen. Es ist mir wurscht. Ich liebe meine evangelischen Brüder und Schwestern, das ist doch überhaupt keine Frage.
Aber ich, Klaus Kelle, habe es mir in Jahrzehnten hart erarbeitet, zur katholischen Kirche nicht nur mit Ratio, sondern auch mit dem Herzen zu gehören. Und ich nehme für mich in Anspruch, in dieser katholischen Kirche meinen Glauben leben zu können, so wie sie ist. Mit der Feier der Heiligen Kommunion, mit einer klaren Aufgabenteilung zwischen dem, was Frauen und dem, was Männer in der Kirche Jesu leisten sollen. Was ihre Aufgaben im Dienst für unseren Herrn Jesus Christus sind.
Und wenn nun Aktivistinnenen daherkommen und Thesen an Kirchentüren heften wie einst Martin Luther, dann ist das anmaßend vor dem historischen Vorbild, aber es ist erlaubt. Und sie haben ja in manchen Punkten auch recht. Meine Kirche hat sich schuldig gemacht, sie hat vielerorts weggeschaut vor dem tausendfahcnen Leid sexuell missbrauchter Kinder und Jugendlicher. Sie hat geschwiegen, obwohl sie wusste, was hinter den Mauern von Kathedralen und Klöstern Schreckliches passierte, ja sie hat Täter sogar gedeckt. Und der Weg, den sie eingeschlagen hat, hat gerade erst begonnen, und es wird Jahre dauern, bis alle Täter ermittelt wurden. Und das, was da geschehen ist, wird gegenüber den Opfern niemals wieder gut zu machen sein. Eine Schande, eine Sünde vor Jesus Christus, wie sie kaum schlimmer sein kann. Da hilft auch nicht der Verweis, dass die meisten Missbrauchsfälle in Familien stattfinden, dass Missbrauch von Kindern und Jugendlichen auch in anderen Religionsgemeinschaften, Sportvereinen und bei den Grünen stattgefunden haben. Das ist alles ekelhaft, aber sexuelle Übergriffe von Priestern Jesu an denen, die grenzenlos vertrauten, das ist an Widerwärtigkeit nicht zu überbieten. Es graust einen nur beim Gedanken daran.
Insofern haben diese Kirchenbewegungen wie Maria 2.0 recht, dass all das umfassend und ohne Rücksicht auf die beteiligten Personen aufgeklärt und zur Anklage vor weltlichen Staatsanwälten gebracht werden muss. Doch Unrecht haben diese „Reformerinnen“, wenn sie die Protestantisierung der katholischen Kirche voran treiben.
Sie wollen als Pfarrerin am Altar dienen? Sie wollen einen Dienst für die christliche Kirche leisten, aber auf Eheglück und Kinder nicht verzichten? Fein, alles ist da, gute Reise! Aber es ist nicht katholisch.
Ich gehöre zu der Kirche, in der Männer den Dienst am Altar tun und die Sakramente spenden. Ich gehöre zu den Kirche, in der sich Pfarrer freiwillig dafür entscheiden, ihr Leben Gott zu widmen und zölibatär zu leben. Was geht es die anderen an, die das selbst nicht wollen, wie diese Männer und Frauen leben wollen? Und wie ich meinen Glauben lebe und für welche Gemeinschaft ich mich entscheide? Der Dalai Lama und seine Mönche leben auch zölibatär, ohne dass sie dafür angefeindet werden. Und es gibt sogar evangelische Bruderschaften, deren Mitglieder ehelos bleiben. Freiwillig.
Niemand muss katholischer Priester oder Ordensmann werden oder Nonne. Niemand ist gezwungen, den Weg der Ehelosigkeit einzuschlagen. Aber diejenigen, die das aus freiem Willen machen, haben ein Anrecht darauf, in Ruhe gelassen zu werden. Genau so, wie ich ein Anrecht darauf habe, nicht von den sogenannten Reformbewegungen belästigt zu werden, wenn ich auf dem Weg zur Heiligen Messe bin. Die Damen von Maria 2.0 nerven einfach nur noch…
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