Lasst die doch feiern – Sie müssen ja nicht hingehen zum CSD!

Wenn Sie sich heute Morgen einen Überblick über die aktuelle Nachrichtenlage verschafft haben, könnten Sie zu der Einschätzung kommen, es gäbe keine existenziellen Probleme mehr, keine Kriege, keine Messergewalt, kein Wohnungsmangel. Unser größtes Problem ist der Christopher Street Day (CSD) in Budapest, der nicht stattfinden sollte aber stattgefunden hat, und dann noch der in München, der alljährlich stattfindet – ungehindert von Behörden – und der natürlich total bunt und queer und blabla war…

Ich habe mir schon vor der Jahrtausendwende, also vor 25 Jahren, erst in Berlin und später in Köln diese karnevalistisch anmutenden Umzüge angeschaut, bei denen viel nackte Haut und Öbszönitäten aller Art zu sehen sind. Es wird sie nicht wundern: Meine Sache war und ist das nicht.

Erstens bin ich nicht homosexuell, queer oder trans, wie sie vermutlich ahnen. Zweitens stößt mich die provokativ öffentlich zur Schau gestellte Sexualität und der ihr zugrunde liegende Hedonismus ab. Es gibt tatsächlich wertvollere Lebensinhalte als ein zügelloses Dasein.

Aber, und nun komme ich zum Aspekt der Freiheit, wenn Sie CSD-Aufmärsche nicht mögen, dann gehen Sie doch einfach nicht hin!

Ich meine, wenn in Köln 500.000, in Berlin 300.000 und in München 250.000 Menschen ihren Lebensstil friedlich feiern wollen – muss der Staat dann etwas dagegen unternehmen?

In Budapest tanzten gestern 180.000 Menschen bei der sogenannten „Pride“-Parade durch die Straßen. Trotz Verbots und gegen den erklärten Willen des konservativen Präsidenten Viktor Orban. Die Budapester Polizei hatte die Veranstaltung verboten – Teilnehmer sollten 500 Euro Strafe aufgebrummt bekommen, sogar mit einjährigen Haftstrafen wurde gedroht.

„Was verboten ist macht uns erst richtig scharf“, sagte der einstige DDR-Liedermacher Wolf Biermann 1976 bei seinem legendären Konzert in Köln, und ich glaube, dass Orban mit seinem harschen Vorgehen gegen einen vielleicht unappetitlichen aber letztlich harmlosen Umzug das genaue Gegenteil von dem erreicht hat, was er wollte.

Und bitte – nur zur Klarstellung – ich unterstütze seine Politik, an Schulen in Ungarn keine Homo-Lobbyisten zuzulassen wie in Deutschland, wo in einigen Bundesländern die Lehrer die Klasse verlassen müssen, wenn die Queer-Drückerkolonnen den Schülern vorstellen, was es sexuell so alles gibt.

Unsere Kinder und damit die Schüler müssen geschützt werden vor den Einflüssen dieser Leute – Orban macht das richtig!

Aber mit lauter Musik durch die Straßen tanzen und saufen – das ist beim Kölner Karneval jedes Jahr normal, das gehört bei den martialischen Aufmärschen von Fußball-Ultras unbedingt dazu, und selbst wenn in Bayern im Bierzelt Kirchweih gefeiert wird, geht es zu später Stunde nicht unbedingt moralischer zu als beim Christopher Street Day. Nur, dass man vielleicht ein bisschen mehr Kleidung am Leib trägt.

Als am 19. Juni 1988 der amerikanische Pop-Superstar Michael Jackson vor dem Reichstag in West-Berlin auftrat, wollten Tausende Ost-Berliner Jugendliche auf der Straße Unter den Linden mitfeiern, die herüberwehende Musik hören, Wein trinken und feiern. Hätten die sozialistischen Machthaber sie einfach gelassen, wären die jungen Musikfans anschließend zufrieden nach Hause gegangen. Aber die SED setze Knüppelgarden von Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) in Marsch, die die absolut friedlich feiernden Jugendlichen mit Gewalt auseinandertrieben.

Die Schlägertrupps des SED-Staates in Gestalt von Stasi und Volkspolizei griffen dann auch die Korrespondenten von West-Medien an. Der Fotograf Dietmar Riemann schrieb über diesen Tag: „Es kam zu tätlichen Auseinandersetzungen. Polizei und Stasi griffen ARD- und ZDF-Kamerateams an. Offenbar wollte man jegliche westliche Berichterstattung unterbinden. Die Staatssicherheitsleute zerschlugen eine Fernsehkamera und hieben auf die westlichen Journalisten mit Elektrostöcken ein. Nur noch fluchtartig konnten die westlichen Berichterstatter unter dem Schutz von DDR-Jugendlichen ihre in der Nähe gelegenen Büroräume erreichen.“

Warum das alles, warum den Druck auf dem Kessel so hochtreiben?

Ursprünglich hatte der Ost-Berliner Magistrat überlegt, das Jackson-Konzert ganz offiziell in einem Stadion im Prenzlauer Berg zu übertragen. Das wäre eine freundliche Geste der Freizügigkeit gewesen, so aber wurde die Unzufriedenheit mit dem Regime immer wieder hochgetrieben. Freiheit können sie halt nicht, die Kommunisten.

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Das sind die 40.000 Läufer beim Berlin-Marathon 2019

Alle digitalen Postfächer bei mir und uns sind heute Morgen knallevoll. Das mit Abstand dominierende Thema: Wie viele Teilnehmer waren gestern in Berlin bei der Anti-Corona-Demo? Ich habe gestern die Berichterstattung aus Berlin verfolgt und mit mehreren Teilnehmern der Demo telefoniert und mir von ihnen die persönlichen Eindrücke schildern lassen. Und ja, manche glauben, es waren Hunderttausende Teilnehmer. Im Netz ging vergangene Nacht eine Fotomontage viral, die eine frühere Love Parade und einen weiteren großen Aufzug aus der Luft fotografiert zeigt. Aufgrund der Auflösung des Bildes wenig aussagekräftig, zumal wir in unserer Redaktion bis jetzt nicht verifizieren können, ob das zweite Bild tatsächlich von der Corona-Demo gestern war. Es ist wie bei der Religion – für die Gläubigen ein absoluter Beweis, den man unbedingt glauben will. Für die Ungläubigen einfach Fake News. Die WhatsApp-Nachricht einen sehr lieben und engagierten Freundin heute morgen und der Anruf eines alten Freundes aus Berliner Tagen, der selbst ein Profi im Mediengeschäft ist, haben mich zu diesem Text animiniert.

Dabei sollte ich vielleicht noch einmal erwähnen, dass für mich persönlich mein Land und der Wunsch nach größtmöglicher Freiheit für jeden Bürger die absolute Richtschnur meines politischen Denkens und Handelns sind.  Und deshalb finde ich es richtig, dass die Demonstration gestern stattgefunden hat. Und ich finde auch, es hat der gemeinsamen Sache nicht gut getan, dass kaum einer der Teilnehmer Mundschutz trug oder Abstand hielt. So wurde dem Senat, den Behörden und letztlich – immer das Ende der Kette – der Polizei der Anlass geliefert, die Veranstaltung abzubrechen. Und der Vollständigkeit halber sei ausdrücklich erwähnt, dass es skandalös ist, dass gestern abgebrochen wurde und vor ein paar Wochen beim aggressiven  linken BLM-Happening nicht. So stärkt man das Vertrauen in unseren gemeinsamen Staat ganz sicher nicht. Aber das kollektive Verweigern von Masken und Abstand lieferte den Vorwand, die große Demo abzubrechen. Nun wird über den Abbruch und die Teilnehmerzahlen öffentlich gestritten, aber niemand redet über den eigentlichen Anlass: Wie gefährlich ist Covid-19 tatsächlich? War der Lockdown geboten? Sollte unser gesellschaftliches Leben jetzt wieder normalisiert werden? Keiner redet heute darüber. Und das ist wirklich schade.

Kommen wir also zu den Teilnehmerzahlen. Seit heute Morgen habe ich zwei Stunden lang Fotos und Videos von gestern aus Berlin angeschaut. Und ja, es waren viele Bürger auf der Straße. Die Polizei spricht in einer offiziellen Mitteilung von 17.000 Teilnehmern. Doch wir alle wissen, dass man das so genau nicht feststellen kann an einem Sonnentag in der Hauptstadt, wo auch viel flanierendes Publikum unterwegs ist, und wo so eine bunte und vielfältige Anti-Corona-Demo natürlich für Aufsehen sorgt. Nach Studium der Bilder und Videos halte ich 25.000 Teilnehmer für wahrscheinlich, 30.000 für möglich. Aber Leute, mal ernsthaft: das waren nicht 100.000, nicht 800.000 und schon gar nicht 1,3 Millionen. Das Verbreiten solcher Zahlen schadet der Sache, weil jeder, der unvoreingenommen an das Thema herangeht, sehen kann, dass solche Zahlen absurd sind.

Einmal hatte ich beruflich die Gelegenheit, einer Menge von einer Million Menschen oder mehr gegenüber zu stehen. Das war am 3. Oktober 1990 auf der Pressetribüne vor dem Reichstag. Das war gewaltig, und wie gewaltig konnte ich erst am nächsten Tag auf den Fotos in Zeitungen sehen, die aus der Luft geschossen worden waren. Und als die inzwischen Heilige  Mutter Teresa von Kalkutta selig gesprochen wurde, war ich auf dem Petersplatz in Rom inmitten von 350.000 Menschen. Wir brachen morgens von unserem Hotel in der Stadt auf, und es dauerte Stunden, um überhaupt zum Vatikan zu kommen. Ich gehe regelmäßig zum Fußball, zugegeben zu einem kleinen aber widerstandsfähigen Club. Oft fahre ich aber auch auswärts in viel größere Stadien nach München und Mönchengladbach, Schalke oder Dortmund. Michael Jackson habe ich sieben Mal live erlebt, in Basel, Prag und Hockenheim. Ja, ich glaube, ich habe ein Gespür, solche Dinge halbwegs seriös einzuschätzen. Aber ich habe keine Agenda, denn ich bin Journalist und versuche, einfach meinen Job zu machen. Und mein Job ist es, die Wirklichkeit abzubilden, auch wenn bedauerlicher Weise heute viele Kollegen eher eine politische Agenda verfolgen.

Der Kampf um die Zahlen – ordinär: Wer hat den Längsten? – ist ein Kampf um die Deutungshoheit. Eine Million gestern in Berlin – das wäre vorrevolutionär. Das Volk steht auf! Oder so. Aber, Freunde, das tut es gar nicht. Gehen Sie in den aldi oder Rewe-Markt, da treffen Sie das Volk. Und es trägt Masken, hält den Abstand ein und ist froh, nicht infiziert zu sein. Wir müssen raus aus der Blase, die glaubt, automatisch immer die Mehrheit da zu finden, wo man selbst gerade steht.

Auch bei den Love-Parades in Berlin waren nie eine Million Menschen dabei. Es wurde vom Veranstalter behauptet, alle haben es geschrieben, gut fürs Geschäft. Win-Win. Aber die Strecke zur Siegessäule – besser als Fan-Meile bekannt – ist etwa 1,4 Kilometer lang. Es ist physisch unmöglich, dass sich dort eine Million Menschen versammeln. Aber die Fotos des tanzenden Volks um die Siegessäule, fotografiert aus der Luft sind beeindruckend. Beim Berlin-Marathon in Berlin (Foto 2019) laufen – rund – 40.000 Athleten mit. Die Läufer starten in vier Wellen à 10.000. Bis überhaupt alle losgelaufen sind, dauert es 50 Minuten – bis alle losgelaufen sind! Aber wenn sich die erste Welle in Bewegung setzt, sieht es einfach nur gigantisch aus für den Betrachter.

Schauen Sie sich die Fotos gestern von den Teilnehmern am Nachmittag beim Reichstag an – in Sichtweite zum Kanzleramt! Und dann schauen Sie sich die Bilder von der Kundgebung am 9. September 1948 an, auf der der Regierende Bürgermeister Ernst Reuter (SPD) den dramatischen Appell an die Weltgemeinschaft richtete, seine Stadt nicht preiszugeben. „Ihr Völker der Welt,…“, sicher erinnern Sie sich noch schwach. Und sicher haben Sie Bilder gesehen von den gewaltigen Menschenmassen vor dem zusammengeschossenen Reichstag. Historiker schätzen, dass damals 350.000 Berliner dort zusammengekommen sind. Und dann sollen das gestern 1,3 Millionen gewesen sein. Ernsthaft?

Mir geht es nicht darum, die Zahlen runterzurechnen. Warum auch? Ich teile den Freiheitswillen der viele Demoinstranten gestern. Aber ich bin dafür, Dinge seriös zu betrachten. Denn 20.000 Teilnehmer, die für ihre Bürgerrechte auf die Straße gehen und den Kurs der Regierung kritisieren, sind absolut großartig und belegen, dass unsere Demokratie lebt. Immer noch.

Nie waren alternative Medien wie dieser Blog so wichtig wie in dieser aufgehitzten Zeit. Erlauben wir uns eine eigene gut begründete Meinung. Berichten wir stetig und seriös über das, was in unserem Land und international gerade passiert. Über das, was von vielen der etablierten Medien verschwiegen oder verniedlich wird. Wenn SIE in der Lage und willens sind, meine Arbeit hier zu unterstützen, freue ich mich über irgendeine Ihnen mögliche Spende zum Beispiel über PAYPAL hier

 




Lasst den Leuten doch ein kleines bisschen Freiheit!

Zum 20. Jahrestag der demokratisch legitimierten Machtübernahme Putins in Russland, wollen wir nicht versäumen, von hier aus einen Glückwunsch an den Kreml-Chef zu senden. Die Bundesregierung gratuliert auch jedem, außer unserem wichtigsten Verbündeten, versteht sich.

Viele Tausend Russen (und Russinen) haben gestern in Moskau demonstriert – nicht gegen etwas, sondern für etwas. Für freie Wahlen, in vielen Ländern der Welt etwas Selbstverständliches. Kandidaten und Programme konkurrieren darum, was das Beste für  ihre Bürger ist. Und die entscheiden dann in einer freien, gleichen und geheimen Wahl.

Das gibt es auch in Putins Russland, nur dass es da noch eine kleine Vorbehaltsklausel gibt. Kandidaten, die der herrschenden Klasse offen widersprechen, werden einfach nicht zugelassen. Und alle, die der Herrschenden Klasse zu Diensten sind oder sein wollen, verbunden mit Privilegien, ordentlichem Gehalt und Dienstwagen, dürfen kandidieren. Ganz frei. Nun, es gibt wirklich auch Schlimmeres. Putin hat auch schon Leute, die seiner Macht gefährlich werden könnten, für zehn Jahre ins Straflager sperren lassen. So wie Michail Chodorkowski. Immerhin wurde dessem Gnadengesuch 2013 entsprochen, und heute lebt er in London. Da ist aber bekanntermaßen Polonium verbreitet…. Also vorsichtig sein, Michail!

Ich treffe in jüngster Zeit immer wieder Menschen, die man in der Bewertung von Putin ernstnehmen kann und sogar muss. Die sagen mir: Ja, Russland kann man nicht mit unseren westlichen Gesellschaften vergleichen. Die meisten Russen mögen ihn, mögen, dass er sein Land zurück auf die Weltbühne führt und ihnen Futter für ihren nationalen Stolz gibt.

Putin hat eine Mehrheit hinter sich, davon bin ich überzeugt. Aber warum lässt er die Leute nicht in Ruhe demonstrieren? Warum lässt er gestern in Moskau willkührlich friedliche Demonstranten, alte Leute, junge Familien mit Kindern, nicht einfach demonstrieren? Sondern lässt sie festnehmen und einsperren?

Ich habe mich das schon gefragt, als es die DDR noch gab. Im Juni 1988 trat der amerikansche Pop-Superstar Michael Jackson vor dem Reichstag vor 50.000 Zuschauern auf. Mehrere Tausend Jugendliche aus Ost-Berlin versammelten sich am Brandenburger Tor in der Hoffnung, dass die Musik zu ihnen herüberwehte und sie eine große Party feiern könnten. Letztlich war wenig zu hören oder nur sehr dünn. Aber Mielkes Schlägertrupps marschierten dennoch auf und trieben die jungen Bürger mit Knüppeleinsatz auseinander. Es gab 30 Festnahmen. Bei einem Konzert von Bryan Adams hatte es in Ostberlin vorher schon mal solche Szenen gegeben – mit noch mehr Festnahmen.

Warum haben Despoten solche Angst vo Kultur? Warum lassen sie den Leuten nicht einfach ihren Spaß oder – wie jetzt in Moskau – dieses kleine Stückchen Freiheit? Ich werde das nie verstehen, denn durch solches Vorgehen wächst der Druck im Kessel erst richtig.