Frühjahrsputz bei der AfD

Während die Krise um Convid-19 weiter die Schlagzeilen beherrscht und sich  zunehmend Menschen weniger Gedanken um ihre Gesundheit als um den drohenden Abbau von Freiheitsrechten und den möglichen Zusammenbruch unseres Wirtschafts- und Finanzsystems machen, arbeitet die AfD in Ruhe ihre Agenda ab.

Nachdem der Bundesvorstand vor eineinhalb Wochen beschlossen hat, den völkisch-nationalistischen „Flügel“ abzuwickeln, hat man sich gestern in einer Telefonkonferenz darauf verständigt, den Landesvorstand im Saarland um den rechtslastigen Joseph Dörr abzusetzen. Und in Baden-Württemberg beschloss das Landesschiedsgericht den Ausschluss des Landtagsabgeordneten Stefan Räpple. Seinen Spezi, den wirren Antisemiten Wolfgang Gedeon, hatte es bereits in der Vorwoche erwischt.

Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Es ist gut und richtig, was die AfD-Führung nun endlich, endlich durchziehen will: den Prozess der Selbstreinigung energisch zum Erfolg führen. Politik sollte eigentlich ein ernstes Geschäft sein und kein Kasperlethater. Und wenn dann eine neue politische Kraft Erfolg bei den Wählern und durchaus viele kluge Köpfe in ihren Reihen hat, dann sollte man das nicht von einer lautstarken Minderheit kaputt machen lassen. Jörg Meuten und fast der gesamte AfD-Bundesvorstand weiß das, und sie sind offensichtlich entschlossen, ihre Strategie durchzusetzen.

Auch hier erinnere ich noch einmal an die Grünen vor 35 Jahren, dieses Sammelbecken von Maoisten, Steinewerfern, Atomkraftgegnern, Pädophilen, „Stadtindianern“, kreischenden Feministinnen und Jutta „Haste mal ’nen Euro?“ Ditfurth. Die Realos haben den Kampf durchgezogen, und sie haben gewonnen. Um den Preis, dass sie heute leider weitgehend die politische Agenda in Deutschland bestimmen und koalititonsbereit mit nahezu allen anderen sind.

Mit der AfD könnte die Politik in Deutschland verändert werden, mit  einer Realo-AfD. Und die gibt es, wenn ich mir zum Beispiel heute morgen das aktuelle Video der Bundestagsabgeordneten Corinna Miazga zu Corona anschaue. Sachlich, sympathisch, Fakten auf den Punkt. Ganz anders als „Schuldkult“-Gejohle im Bierkeller und „Studienreisen“ nach Braunau.

Die AfD hat viel Potential, gute Leute und engagierte Mitglieder. Aber um Politik mitgestalten zu können, reicht das nicht, so langte der „rechte Narrensaum“ (O-Ton Beatrix von Storch) alles zu zerstören droht, was andere aufbauen.




Diese Beobachtung ist keine Lapalie für die AfD

Nun ist es also amtlich: Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD als „Prüffall für eine mögliche Beobachtung“ eingestuft. Dazu gibt es mehrere Aspekte zu betrachten:

1) Die AfD ist größte Oppositionspartei im Deutschen Bundestag, in einer freien und geheimen Wahl von sechs Millionen Bürgern gewählt worden. Wenn der Inlandsgeheimdienst gegen die stärkste Oppositionspartei im Parlament Schritte einleitet, dann ist das rechtlich natürlich legitim, und – wäre die AfD tatsächlich eine rechtsextreme Partei – auch geboten. Aber ist sie das?

2) In Kreisen rechter und linker Extremisten macht man sich gern über den Verfassungsschutz lustig. Zahnloser Tiger, Zeitungsausschnittsbehörde und so weiter. Die können uns mal, heißt es dort – allerdings von denen, die nichts zu verlieren haben. Eine Partei wie die AfD, die den Anspruch hat, bürgerlich-konservativ zu sein, wirbt genau um das konservative Bürgertum. Sie wirbt um Menschen, die – zum Beispiel im Öffentlichen Dienst tätig sind. Da kann die Mitgliedschaft in einer Partei, die vom BfV beobachtet wird, existenzbedrohend werden. Und Leute, die auch in der Privatwirtschaft noch etwas erreichen wollen, werden sich fernhalten von einer Partei, die „vom Staat“ überwacht wird. An diesen problemen sind in den 90er Jahren die Republikaner gescheitert.

3) Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang sagte heute, es gebe „erste tatsächliche Anhaltspunkte“ einer gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichteten Politik in der AfD. Und da braucht man nicht beim Geheimdienst zu sein, um Studienreisen auf den Spuren Adolf Hitlers, „Schuldkult“-Gejohle im Dresdner Bierkeller und widerwärtiges rassistisches Gequatsche bei Saufabenden von Gliederungen der Parteijugend einordnen zu können. Die AfD selbst hat in den vergangenen Monaten einiges unternommen, um den „rechten Narrensaum“ enzudämmen und möglichst loszuwerden, zuletzt das konsequente Vorgehen gegen die schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Doris von Sayn-Wittgenstein, die angeblich gegenüber Mitarbeitern den Holocaust geleugnet haben soll. Vielen in der AfD, die engagierte Mitglieder und Patrioten im besten Sinne des Wortes sind, leiden unter solchen Ausfällen. Und Herr Gedeon ist immer noch Mitglied…

4) Ab wann ist man eigentlich rechtsextrem? Wenn man die Verfassung und die demokratische Ordnung abschaffen will – klar! Wenn man gegen Ausländer und ihre Unterkünfte mit Gewalt vorgeht – natürlich! Wenn man Rassen- und Judenhass verbreitet – auf jeden Fall! Aber macht die AfD das wirklich? Ist das die Beschreibung dessen, was diese Partei tut? Ich habe nicht den Eindruck.




Die AfD hadert mit ihrer Jugendorganisation

Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Jürgen Braun, ist ein kluger strategischer Kopf und ein guter Typ. Wir kennen uns seit 40 Jahren – natürlich aus der Jungen Union. Jürgen macht Realpolitik, keine Spinnereien, keine Verschwörungstheorien, einfach nur solide bürgerlich-konservative Politik. Würde er hier im Wahlkreis antreten, meine Stimme hätte er.

Anders als einige andere in seiner Partei weiß er, dass radikale Sprücheklopfer das fast sichere Aus für eine Partei rechts der Union bedeuten können. Deshalb hat er einen mutigen Vorstoß gegen den – wie man das in der AfD inzwischen geläufig nennt „rechten Narrensaum“ unternommen: Er will die Jugendorganisation der AfD noch einmal neu gründen. Denn – so Braun – auf Veranstaltungen der „Jungen Alternative“ (JA) seien „seltsame Parolen gerufen und Gesänge angestimmt worden“. Das soll es ja kürzlich auch bei einer Reise der Jungen Union (JU) gegeben haben. Nur dass die nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werden… Die JA in Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bremen aber schon, was nur simpel gestrickte Geister für eine Lapaalie halten können. Die Beobachtung einer Organisation durch den Verfassungsschutz ist ein erheblicher Abschreckfaktor für Menschen, die noch ein Leben haben, im öffentlichen Dienst arbeiten oder Karriere machen wollen. Die rechten „Republikaner“ sind in den 90er Jahren auch daran gescheitert.

Ob es eine neue JA geben wird, muss die Partei entscheinden – not my business. Beispiele für solche Neugründungen gibt es – sogar in der braven FDP. Als sich deren Jugendorganisation Jungdemokraten in den 70er Jahren extrem links radikalisierte, zogen die Liberalen die Notbremse. Und gründeten die Jungen Liberalen – heute der Jugendverband.