Gastspiel Hubert Hüppe: „Eiskalt und menschenverachtend“

Der Tweet der FDP-Bundestagsfraktion mit der Forderung nach einer Krankenkassenfinanzierung für einen Test, der nach ungeborenen Kindern mit Down-Syndrom fahndet, war eiskalt und menschenverachtend. Die FDP hat nicht nur ein Kleinkind mit Down-Syndrom für Parteiwerbung missbraucht. Sie warb mit dem Kinder-Foto für eine Selektionsmethode, die gerade dazu führt, dass viele dieser Kinder nicht geboren, sondern im Mutterleib getötet werden. Erschreckend, dass offensichtlich kein einziger FDP-Abgeordneter daran Anstoß nahm.

Erst nach massiven Protesten vor allem in den sozialen Netzwerken haben die „Liberalen“ ihren Tweet gelöscht und sich damit entschuldigt, der sei „missverständlich“ gewesen. Dabei war er sehr wohl verständlich: Solche Kinder müssen nicht sein, Eugenik für alle, soziale Gerechtigkeit bei der Tötung ungeborener Kinder mit Behinderung.

Denn der Test dient keinem therapeutischen Zweck. Er setzt aber Frauen unter Handlungsdruck, und in den allermeisten Fällen führt die Diagnose Down-Syndrom beim Kind zur Vernichtung seines Lebens. Frauen, die trotz einer solchen Diagnose ihr Kind zur Welt bringen berichten häufig, dass sie von ihrer Umgebung und auch von ihren behandelnden Ärzten unter Druck gesetzt werden, ihr Kind nicht auszutragen. Das Verhalten von Frauen, die bewusst auf Pränaldiagnostik verzichten, wird nicht selten als fahrlässig angesehen.

Nach dem Motto „Nichts über uns ohne uns“ treten inzwischen immer mehr Menschen mit Down-Syndrom selbst für ihr Lebensrecht ein. Dazu gehört der Schauspieler Sebastian Urbanski, der 2017 beim Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus im Deutschen Bundestag gesprochen hat. Dabei erinnerte vor zwei Jahren das Parlament an die Opfer der sogenannten „Euthanasie“, denen auch viele Menschen mit Down-Syndrom zum Opfer gefallen sind. Auf einer Pressekonferenz antwortete er auf die Frage, wie er zu dem Test steht: „Wir wollen doch nur das, was alle anderen Menschen auch wollen: Wir wollen einfach nur leben.“ Natalie Dedreux, eine junge Frau mit Down-Syndrom, die in der „Wahlarena“ die Kanzlerin fragte, wieso man Babys mit Down-Syndrom bis zur Geburt töten darf (und darauf leider keine konkrete Antwort bekam), hat auf Change.org eine Petition gegen den Test gestartet.

Meine Frage an die FDP: Wie wäre es mit einer echten Entschuldigung an die betroffenen Menschen, einschließlich dem Kind auf dem Bild?

Nächste Woche findet im Bundestag eine Orientierungsdebatte zu dem vorgeburtlichen Bluttest  statt. Üblich ist es bei solchen ethischen Gewissensfragen über die Parteigrenzen hinweg ohne Fraktionszwang zu diskutieren. Der Fraktionsvorsitzende Christian Lindner will erkennbar diese Debatte nicht abwarten, sondern seine Fraktion im Vorhinein einnorden. Zuviel Gewissen ist dabei nicht gefragt.

In Ihrem Tweet schreibt die FDP, dass jede Schwangere „diskriminierungsfrei“ nach dem Test entscheiden soll, wie sie mit dem Ergebnis umgeht. Gemeint ist natürlich, ob sie ihr ungeborenes Kind töten oder leben lässt. Offen bleibt, ob auch das Geschlecht, das gleichzeitig festgestellt wird, ein entscheidener Abtreibungsgrund sein darf. Immerhin breitet sich vorgeburtliche Geschlechtsselektion auch in Europa immer weiter aus.

Völlig ignoriert wird dabei, dass es nach deutscher Rechtslage kein Recht auf Abtreibung – auch nicht bei Kindern mit Behinderungen-  gibt,  genau aus dem Grund, weil wir im Artikel 3 Abs.3 des Grundgesetzes ein Diskriminierungsverbot haben. Die schärfste Form der Diskriminierung aber ist die Tötung eines Menschen.

Für mich stellt sich die Frage, ob der Behindertenbeauftragte der FDP-Fraktion, der sich selbst „Teilhabebeauftragter“ nennt, in die Aktion eingeweiht war. Auf seiner Internetseite wirbt er mit dem Satz „Wort und Tat müssen stimmen“. Wie wahr!

Hubert Hüppe (CDU) war von 1991 bis 2009 und von 2012 bis 2017 Mitglied des Deutschen Bundestags. Von 2009 bis 2013 war er Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderten Menschen.