Tricksereien wie eine Lex AfD würde das deutsche Parlament vollends zum Gespött machen

Wenn ein Teil der Bevölkerung ohnehin latent verunsichert ist, wenn von „Lügenpresse“, vom „System“ und vom „Merkel-Regime“ offen schwadroniert wird, dann kann die etablierte Politik nichts Dämlicheres machen, als allen Vorurteilen der Fundamentalkritikern neue Nahrung zu verschaffen. Dass es ausgerechnet der geschätzte Bundestagspräsident Norbert Lammert von der CDU ist, sonst ein redlicher Hüter demokratischer Gepflogenheiten, stimmt mich wirklich traurig.

Um was geht es? Im September wählen die Deutschen einen neuen Bundestag. Einige Wochen später tritt dann das neu gewählte deutsche Parlament zur ersten Sitzung zusammen. Dabei ist es eine gute Tradition, dass jeweils der älteste der Abgeordneten die erste Sitzung leitet und auch eine Ansprache hält. Als 1983 die Grünen erstmals ins Hohe Haus einzogen, hätte eigentlich der hessische Neuparlamentarier Werner Vogel Alterspräsident werden sollen. Das erwies sich allerdings als ein wenig schwierig, denn er engagierte sich offen für die Legalisierung von Sex zwischen Erwachsenen und Kindern. Pädophilie war in dieser guten alten Zeit bei vielen Grünen keineswegs ein Tabu, wie wir seit Daniel Cohn-Bendit und anderen wissen. Was aber bei den Grünen gar nicht ging und geht, war ein zweiter Makel. Werner Vogel hatte, sagen wir…eine Vergangenheit. Wie sich herausstellte, war Vogel ein glühender Nationalsozialist, war aktives Mitglied der SA und trat 1938 in die NSDAP ein. Nach Krieg und Gefangenschaft in Sibirien wurde er dann 1954 in Düsseldorf Beamter im Innenministerium. Wie das halt so war damals… Lange Rede, kurzer Sinn: Vogel trat sein Amt nicht an, ein anderer rückte bei den Grünen nach und die Rede im Bundestag hielt Alterspräsident Willy Brandt von der SPD.

Kindersex und Nazi – starker Tobak! Wie Sie wissen, bin ich ein großer Freund von Freiheit und Demokratie. Aber Pädophile und Nazis will ich in unseren Parlamenten auch nicht haben.

Doch jetzt droht neue Gefahr. Bundestagspräsident Norbert Lammert schlug dem Ältestenrat des Bundestages am Donnerstag vor, den Alterspräsidenten zukünftig nicht mehr nach Lebensjahren zu bestimmen, sondern nach parlamentarischen Dienstjahren. Dann würde es wohl Wolfgang Schäuble, auch von der CDU, und es wäre kein unbotmäßiges Verhalten zu erwarten. Würde aber die über Jahrzehnte geltende Regellung greifen, hieße der nächste Alterspräsident Wilhelm von Gottberg, 77 Jahre jung und Politiker der AfD. Sollte die Wahl für die konservative Partei schlecht ausgehen, käme der nächstälteste Abgeordnete dran. Und der wäre nach Lage der Dinge Alexander Gauland, ebenfalls von der AfD.

Ist Lammerts Vorstoß also eine Lex AfD? Es scheint so. Gauland lästerte schon, es erfülle ihn mit Genugtuung «wenn ich an dieser Lammert-Posse erkennen kann, dass die AfD bereits jetzt schon die Altparteien vor sich hertreibt».

Der Deutsche Bundestag macht sich lächerlich, er wird zum Gespött all derjenigen, die „denen da oben“ sowieso nicht trauen. Denen, die dem politischen Establishment alles Miese, jeden Winkelzug, jede Trickserei zutrauen, um bloß einer unliebsamen Konkurrenz nicht die gleichen demokratischen Rechte zugestehen zu müssen, die alle anderen selbstverständlich in Anspruch nehmen. Der Grüne Werner Vogel, Pädophiler und Nazi, führte damals nicht dazu, dass die Regeln im Bundestag geändert wurden. Aber eine drohende Rede des AfD-Politikers Gauland, der jahrzehnteland Mitglied der gleichen Partei war, zu der auch Norbert Lammert gehört, der fordert entschiedenen Widerstand „des Systems“ heraus. Eine traurige Posse ist das alles…




Müssen wir von den Spitzen unseres Staates nicht mehr erwarten als belanglose Inszenierungen?

Norbert Lammert ist ein Liebling der deutschen Feuilletons, und das ist für einen Politiker, zumal einen der CDU, wirklich erstaunlich. Lammert stammt aus Bochum, aus dem Ruhrgebiet. Der Menschenschlag dort gilt zurecht als direkt, als geradeaus. Im Revier wird nicht herumgeschwurbelt, da ist klare Kante angesagt. Und für klare Kante ist dieser Norbert Lammert seit langem bekannt. Wie oft konnte er stehende Ovationen aller Fraktionen des Bundestages entgegennehmen, wenn er wieder einmal allen im Hohen Haus aus der Seele gesprochen hatte. Wenn er ARD und ZDF dafür geißelte, dass sie zwar per Gesetz von Zwangabgaben üppigst leben und zur informationellen Grundversorgung verpflichtet sind, aber nicht übertragen, wenn das Parlament zu seiner ersten Sitzung der neuen Legislaturperiode zusammenkommt. Lammert, das ist einer, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Und wenn Sie mich noch gestern gefragt hätten, wen ich persönlich mir heute als neuen Bundespräsidentden wünsche, ich hätte ohne Zögern Lammert genannt.

Doch das war gestern.

Heute hat der amtierende Bundestagspräsident vor den Wahlmännern und Wahlfrauen der Bundesversammlung eine selten dämliche – weil so belanglos und Mainstream – Rede gehalten, die anregt, grundsätzlich über unser politisches Spitzenpersonal nachzudenken. Lammert ist die Nummer 2 im Staate, die Nummer 1 ist nun Frank-Welter Steinmeier. Was erwarten wir als Bürger von denen? Irgendwas Wichtiges entscheiden können sie nicht, Ihre Kraft ist die Kraft des Wortes. Einem Bundespräsidenten oder einem Bundestagspräsidenten hört man zu, denn man nimmt an, dass er etwas Wichtiges zu sagen hat, das vielen Menschen Orientierung bietet. Er kürzlich wurden wir alle nochmal an die großartige „Ruck“-Rede von Roman Herzog erinnert – ein Musterbeispiel für eine kluge Rede eines deutschen Staatsoberhauptes.

Doch woran arbeitete sich Lammert heute ab? Genau! An Donald Trump…. Den nannte er nicht namentlich, aber es war unmissverständlich. „Wer Abschottung anstelle von Weltoffenheit fordert und sich sprichwörtlich einmauert“, wer ein „Wir zuerst“ zum Programm erkläre, dürfe sich nicht wundern, wenn es im andere gleich täten. Tolle Idee, oder? Ist noch keiner drauf gekommen. Also fast keiner, also eigentlich irgendwie alle. Ich wünsche mir von einem der führenden Gestalten unseres Landes, dass er mal gegen den Strich bürstet, dass er mal etwas Überraschendes sagt, über das die Leute nachdenken können. Aber Trump-Bashing vor den höchsten Repräsentanten Deutschlands bei der Wahl unseres neuen Staatsoberhauptes, das ist so platt und banal, dass ich es kaum fassen kann.

Wieso, lieber Herr Lammert, ist eigentlich das Konzept Abschottung negativ zu bewerten und das Konzept Massenflutung etwas Positives? Wieso ist der Wunsch eines Regierungschefs, sein Land und seine Bürger durch Grenzen und Mauern sicherer zu machen, verwerflich? Und eine deutsche Regierungschefin, die unkontrolliert Menschen in unser Land durchwinkt, die hier schwerste Straftaten begehen so wie gestern im Münsterland der nigerianische Asylbewerber, der eine 22-jährige Frau mit zahlreichen Messerstichen tötete, wird zur quasi Heiligen verklärt?

Wer definiert denn, was der richtige Weg ist? Und was hat Donald Trump bei der Wahl unseres neuen Bundespräsidenten zu suchen? Nachdem Norbert Lammert heute in den Chor derjenigen einstimmte, die den Überraschungssieger aus USA gefahrlos prügelte, erhoben sich die Abgeordneten von ihren Sitzen und spendeten stehenden Beifall. Auch die anwesende Bundeskanzlerin. Mir wurde übel bei dieser Inszenierung. Leider hatte ich keine Stoppuhr dabei, um prüfen zu können, ob auch lange genaug geklatscht wurde…