Es wäre wünschenswert, dass Russland ein echter Partner wird

War der Absturz eines russischen Passagierflugzeugs, der alle 224 Insassen das Leben kostete, also doch ein Terroranschlag? Russische und ägyptische Offizielle bestätigen das bisher nicht, aber britische und amerikanische Geheimdienste halten es für die plausibelste Erklärung, warum ein Passagierflugzeug ohne Vorwarnung einfach so in der Luft auseinanderbricht. Warten wir also ab, was die weiteren Untersuchungen ergeben. Wenn Allahs Killertrup vom ISIS dahinter steckt, so würde das nur erneut belegen, dass Russland und der Westen ein gemeinsames Problem haben, das sie gemeinsam angehen und lösen könnten. Wenn sie Partner wären.

Russland ist ein großes und militärisch starkes Land. Jeder Nachbar, nicht nur die unmittelbaren, ist gut beraten, sich um ordentliche, ja gute Beziehungen zum Kreml zu bemühen. Und NATO und Russland gemeinsam, jeder mit seiner Militärmacht und seinen Einflusszonen im Nahen Osten, könnten dem Islamischen Staat ein schnelles Ende bereiten. Das wäre auch die Voraussetzung dafür, eine ernsthafte Lösung für das europäische und insbesondere deutsche Problem mit Flüchtlingen und illegalen Zuwanderern zu finden. Aber ich fürchte, es wird nicht passieren, denn Russland wird von einem Mann angeführt, der sich nicht an internationale Gepflogenheiten und Spielregeln zu halten gedenkt.

Nun ist gutes Personal bei der Führung von Supermächten nicht leicht zu finden. Wir sehen das in Washington ebenso wie in Moskau. Staaten sind sowieso keine Freunde, sie haben lediglich Interessen. Diese zusammenzuführen, dazu kann es gut sein, wenn die Chemie zwischen den führenden Personen stimmt. Helmut Kohl war als Kanzler ein Meister darin, persönliche Beziehungen zu flechten. Barbecue mit Bush in Camp David, am Rhein mit Gorbatschov sitzen und über die „Gechichte“ plaudern, und Maggie Thatcher in Rheinland Pfalz zum Saumagen-Essen nötigen. Und plötzlich öffnen sich Wege, von denen man nur Monate vorher nicht zu träumen gewagt hätte.

Eine gute Chemie zwischen Putin und Obama scheint es nicht zu geben. Spätestens seit dem Wort von „der Regionalmacht Russland“ ist man echt sauer im Kreml angesichts dieser offenen Demütigung. Verständlich. Nur, wenn man ein gemeinsames Problem lösen muss und sich nicht leiden kann, gibt es nur einen Weg: Vertrauen in die Verlässlichkeit der jeweils anderen Seite und das strikte Einhalten allgemein gültiger Regeln. Ob die Sowjetunion Gulags betrieben hat oder die Amis einst die Indianer nahezu ausrotteten, spielt nüchtern betrachtet keine Rolle, wenn man den IS bekämpfen will. Aber die Spielregeln müssen eingehalten werden. Sie heißen Transparenz und Rechtssicherheit. Wer im Europa 2015 mit militärischer Gewalt Grenzen verschiebt, wer Tag für Tag mit militärischen Provokationen kleinere NATO-Staaten piesackt, wer durch PR-Profis das Internet mit Unmengen selten dümmlicher Hetzpropaganda gegen den Westen fluten lässt, der kann einfach kein Partner sein. Der kann seinen Fans im Westen ein wenig Spaß bereiten, es den USA endlich mal richtig zeigen. Aber er trägt sicher nicht zu einer Lösung der aktuellen Konflikte bei. Und Respekt gewinnt er höchstens so, wie ein Wirtshausschläger. Dem gehen alle aus dem Weg und jeder grüßt freundlich aus der Ferne, aber in Wirklichkeit kann ihn kaum einer leiden.




8. November 2016 – ich zähle die Tage

In ziemlich genau einem Jahr, am 8. November 2016, endet in den USA eine mehrjährige Vakanz. Dann nämlich wählen die Amerikaner wieder einen Präsidenten. Jeder Staatsmann wünscht sich bekanntlich, mit seiner Politik Spuren zu hinterlassen, die einen Eintrag ins Geschichtsbuch sichern – das ist auf der anderen Seite des Atlantiks nicht anders als hier. Obama hat das locker geschafft – aus gleich drei Gründen. Er ist der erste dunkelhäutige Präsident. Er ist der erste Friedensnobelpreisträger, der wirklich ohne jeden ersichtlichen Grund zu dieser Ehrung gekommen ist. Und er ist die wohl größte Fehlbesetzung als US-Präsident in den vergangenen 100 Jahren. Frieden sollte sein großes Thema sein, eine Welt ohne Atomwaffen sollte es werden, beschworen in vielen brillanten Reden. Doch nach sieben Jahren Obama ist die Welt deutlich unsicherer, das globale Kräftgleichgewicht fragil, Krieg und Verwüstung in vielen Regionen. Welt-Polizist? Anführer des freien Westens? Nichts davon zu sehen. Guantanamo? Reden wir nicht davon…

Auch innenpolitisch ist die Bilanz dünn. Ja, es gibt eine Krankenversicherung, schön und gut. Doch die ist handwerklich so schlecht gemacht, dass sie von den meisten Amerikanern abgelehnt wird. Und auch, dass Standesbeamte(innen) nun ins Gefängnis gesperrt werden, wenn sie homosexuelle Paare nicht trauen wollen, kann ich nicht als Fortschritt ansehen.

Die Uhr läuft, ein Ende des Elends ist in Sicht. Wer Nachfolger wird? Keine Ahnung. Das Bewerberfeld der Republikaner ist noch zu schrill und zu unübersichtlich, um fundierte Analysen zu erstellen. Trump wird es sicher nicht, Jeb Bush hoffentlich auch nicht. Bei den Demokraten wird Hillary Clinton ins Rennen gehen, eine starke und erfahrene Kandidatin. Doch über die Ziellinie ist es auch für sie noch ein weiter Weg. Persönlich hoffe ich, die GOP wird den jungen Senator Marco Rubio aus Florida ins Rennen schicken. Er ist aus meiner bescheidenen Sicht der Dinge der einzige Republikaner, der Hillary schlagen könnte. Er ist jung und steht für Aufbruch, er ist ein guter Redner mit einem Lebenslauf, wie ihn die Amerikaner lieben – Latino, aus kleinsten Verhältnissen nach oben gearbeitet und nun „running for president“. Und er steht für ein starkes Amerika, das bereit ist, sich einzumischen, wenn es notwendig ist.

Aber ganz ehrlich: Mir ist fast schon egal, wer im November 2016 gewählt wird. Wenn nur im seit sieben Jahren verwaisten Oval Office endlich wieder ein Präsident sitzt, der dieses auch Amt ausfüllen kann.




Von der totalen Ohnmacht am Hudson River

Wäre das nicht schön? Eine Weltorganisation, die Willen und genug Kraft hat, Frieden und Menschenrechte global durchzusetzen? Unterstützt von den großen, reichen und militärisch starken Nationen? Alle Menschen werden Brüder, sozusagen? Die Vollversammlung der Vereinten Nationen (UN) heute hat eindrucksvoll dokumentiert, wie weit entfernt die Menschheit von diesem Zustand der Vernunft wirklich ist. Lippenbekenntnisse von allen Seiten, nichts Konkretes. Obama und Putin unversöhnlich, ein gemeinsames Vorgehen zur Bekämpfung des IS, ja zur Befriedung des Nahen Ostens insgesamt, ist nirgendwo in Aussicht. Es ist ernüchternd zu sehen, dass es das große gemeinsame Ziel der Weltgemeinschaft nicht gibt. Der IS wird weiter köpfen, Assad wird weiter Fassbomben auf Zivilisten abwerfen lassen, und Millionen Menschen werden sich weiter zu Fuß auf die große Reise nach Europa machen. Es ist zum Weinen.




Ein Händedruck für die Geschichtsbücher

Nach sechs Jahren US-Präsidentschaft von Barack Obama tue ich mich schwer damit, noch zu glauben, seine Amtszeit könnte irgendwelche politischen Spuren in den Geschichtsbüchern hinterlassen. Zu dünn sind die Ergebnisse, die der Mann im Weißen Haus besonders in der Außenpolitik vorweisen kann. Und selbst in der Innenpolitik findet man außer einer halbherzigen Gesundheitsreform, die von weiten Teilen der eigenen Bevölkerung abgelehnt wird, nicht viel Mitreißendes. Umso mehr freue ich mich, dass er nun mit der angelaufenen Aussöhnung zwischen USA und Kuba doch noch eine Initiative gestartet hat, die weltweit für Beifall sorgen wird. Gewiss, ein Händedruck mit Raúl Castro macht noch keinen Sommer. Aber nach jahrzentelanger Eiszeit, nach Blockade und – nicht zuletzt – nach vielen Toten, die bei der Flucht aus dem sozialistischen Sonnenstaat in die Freiheit ertrunken sind, tut sich endlich etwas. Zu Zeiten des Ost-West-Konflikts, als sich die Weltmächte USA und Sowjetunion mit ihren jeweiligen Verbündeten gegenüberstanden, machte die Isolation Kubas durch den Westen durchaus Sinn. Aber heute? Auch die Kubaner wissen, dass es besser ist, die Vereinigten Staaten zum Freund zu haben, mit dem man handeln kann und der für Devisen sorgt. Und auch die USA und ihre starke Latino-Gemeinschaft in Florida haben weder ein strategisches, noch ein wirtschaftliches und schon gar kein militärisches Interesse mehr, die Insel unter der Knute zu halten. Hoffen wir also, dass man sich einigt, dass man Botschaften eröffnet, Handelsbeziehungen zum beiderseitigen Nutzen entwickelt und vor allem Familien zusammenkommen und in Kuba politische Gefangene in die Freiheit entlässt. Es ist schon irre, wie schnell plötzlich alles möglich ist, wenn man wirklich will. Und es bleibt die Frage: Warum eigentlich nicht schon früher?