Hitlergrüße auf der Wiesn

Man liest so eine Meldung und fragt sich: Waren die wirklich nur hackedicht? Oder krank damals in der Schule, als Geschichtsunterricht stattfand.?

Auf dem Oktoberfest in München haben zwei italienische Touristen den Hitlergruß gezeigt. Sie filmten sich gegenseitig mit ihren Handys, bevor Polizeibeamte kamen und sie vorläufig festnahmen.

Und nicht damit Sie denken, ich hätte was gegen Italiener: Am selben Abend zeigt anderswo im Bierzelt ein 19-Jähriger deutscher Herkunft ebenfalls den Hitlergruß, setzte aber noch einen drauf und schlug einem 47-jährigen Mann am Nachbartisch gleich auch noch mit der Faust ins Gesicht.

Klar, die Wiesn-Polizei war zur Stelle und kassierte den Idioten auch gleich ein.

Aber was mich immer fasziniert und beschäftigt: Warum tun Leute sowas?

Warum ist es so schwer, einfach ausgelassen und friedlich zu feiern? Und was bringt Leute dazu, den Hitlergruß zu zeigen, als Symbol für Krieg und industriell organisierten Massenmord. Was ist daran so „witzig“?




O’zapft is…

Das Oktoberfest in München ist eröffnet. Irgendwie freue ich mich darüber, auch wenn ich selbst nicht so Volksfest-Geher bin.

In meinen 64 Jahren war ich einmal auf die Theresienwiese eingeladen, zu meiner Bremer Zeit drei Mal im Festzelt auf dem Freimarkt („Wo die Weser einen großen Boden macht…“) und als Stadtrat in Bad Salzuflen fünf Mal – Pflicht – beim Schützenfest. Das reicht auch für den Rest meiner Tage.

Aber diese Feste, die Tradition, das ist eine Konstante im Leben vieler Menchen, und das trägt auch zur gesellschaftlichen Stabilität bei. Als Corona-bedingt auch das Oktoberfest nicht stattfinden durfte, das hatte schon etwas vom vorgezogenen Armageddon. Und wenn alles zusammenbricht: wenigstens O’zapft is…




Die dunklen Seiten des größten Volksfestes der Welt

Als Journalist bekommen sie jede Woche Videos zugeschickt, von Lesern mit dem Handy aufgenommen. Videos, die sie eigentlich gar nicht sehen möchten. Gestern ein privat aufgenommenes Video mit Szenen vom Münchner Oktoberfest, angeblich vom gerade laufenden.

Sie kennen die ausgelassenen Szenen aus überfüllten Bierzelten, Lederhosen und Dirndl dominieren, es wird gesoffen, gegrölt, ausgelassene Stimmung. Ich bin aus dem Alter weitgehend raus, fühle mich aber auch nicht berufen, die Jüngeren darüber zu belehren, wie verwerflich ihr Treiben ist, das aber nicht unähnlich dem von uns früher ist. Bierzelt muss man nicht, kann man aber mögen.

Dieses Video aber zeigt komatös besoffene junge Leute, zerbrochene Biergläser und Scherben, vollgekotzte Zeltböden und offene sexuelle Handlungen inmitten der tanzenden Menge. Eine „Szene“ war so unfassbar  grotesk, wo eine junge Frau ihrem anscheinend vollkommen betrunkenen und dumpf vor sich hindämmernden Begleiter mit einem selten dämlichen Filzhut auf dem Kopf, unter der Bierbank – umringt von tanzenden und singenden Menschenmassen – mit der linken Hand…ach, Sie wollen das gar nicht wissen.

Man sagt ja, dass Religion in Deutschland keine Rolle mehr spielt, aber bei diesem Anblick fiel mir unwillkürlich die Sache mit Sodom und Gomorrha im Alten Testament wieder ein, wo Gott richtig sauer auf die sündigen Einwohner der beiden Städte war und sie komplett vernichten wollte. Und Abraham fragte Gott dann, ob er tatsächlich Schuldige und Unschuldige ohne Unterschied vernichten wolle. Gott ließ sich erweichen und sagte zu, wenigstens Sodom zu verschonen, wenn sich dort wenigstens zehn anständige Menschen finden ließen. Die gab es aber  nicht mehr, und den weiteren Verlauf der Geschichte kennen Sie.

„Der Verlust der Scham ist ein sicheres Zeichen für beginnenden Schwachsinn“, hat der Wiener Psychoanalytiker Sigmund Freund mal gesagt, und wenn ich mir die Filmschnipsel vom Oktoberfest anschaue, dann bin ich überzeugt, dass er Recht hatte.

Nur, was ist die Folge daraus? Wollen Sie das Oktoberfest, ja Volksfeste überhaupt verbieten? Niemand will das. Millionen Besucher verhakten sich nicht so. Lässt man es also laufen, wie es sich gerade entwickelt? Oder wird es dann von Jahr zu Jahr schlimmer?

Die Redakteurin eines Reisemagazins schreibt im Internet von ihren Erlebnissen bei mehreren Münchner Oktoberfesten:

„Nicht nur auf der Theresienwiese muss man aufpassen, nicht in die Pfützen aus Erbrochenem und Urin zu treten. Am Bahnsteig, vor Hauseingängen, mitten auf dem Bürgersteig und natürlich auf dem berüchtigten „Kotzhügel“: Es wundert zwar nicht, dass Unmengen an Bier nicht unbedingt das Beste aus den Feierwütigen herausholen, auf den Anblick und Geruch würde ich trotzdem lieber verzichten.“

Warum werden Menschen so? Warum verlieren sie jeden Anstand, jedes Benehmen und letztlich auch jede Scham? Ist das der Anfang vom Ende einer Gesellschaft, die in Gänze seit vielen Jahren keine existenziellen Probleme mehr kannte? In der man halbwegs klarkommt, auch ohne sich an Regeln zu halten oder für den eigenen Lebensunterhalt selbst zu arbeiten.

Oder ist das alles nur die Frustration eines älter werdenden Mannes, der diese Welt immer weniger versteht? Verstehen will.

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