Keine Kompromisse mehr: Ich suche mir eine andere Gemeinde

Ich lebe seit eineinhalb Jahren in Brandenburg, und es gefällt mir sehr. Kleine Stadt, freundliche Nachbarn, viel Grün, viel Wasser, niemand plärrt „Allahu Akbar“ vom Minarett, dafür ist heute „Brandenburger Landpartie“ mit vielen geöffneten bäuerlichen Betrieben, Hofläden, Katzen streicheln und Schafe gucken überall im Land. Ich liebe es, hier lebt mein Deutschland noch, so, wie es vor 40 Jahren auch im Westen noch war.

Brandenburg, das ist frühere DDR, das ist Entchristlichung pur. In irgendeiner Untersuchung nach der Wiedervereinigung kamen Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass Ostdeutschland die größte atheistische Region auf dem Planeten ist. Vermutlich stimmt das.

Aber es gibt Christen natürlich auch hier

In unserer kleinen Stadt gibt es eine katholische Gemeinde. Kleine Kirche, kleine Gemeinde. 60 bis 70 Gläubige kommen hier sonntags um 10.30 Uhr zusammen, um zu beten und zu singen, die Eucharistie zu feiern. Im Grund fühle ich mich hier wohl, Familien, ein paar Kinder, alte Leute natürlich. Die Pfarrer, die sich aus dem Gemeindeverband sonntags abwechseln, machen ihren Dienst solide.

Doch heute Morgen war ich in der Messe genervt, wie noch nie, seit ich hier bin.

Dazu müssen Sie wissen, dass ich vor 40 Jahren aus freier Entscheidung und nach reichlicher Überlegung von einer protestantischen EKD-Kirche zur römisch-katholischen Kirche konvertiert bin. Die Gründe habe ich oft beschrieben, es hätte auch ein Wechsel zu einer Freikirche sein können, aber meine Freunde damals waren mehrheitlich katholisch, und als Papst Johannes Paul II erstmals nach Deutschland kam und ich seine Messen im Fernsehen angeschaut habe, war klar, dass ich mich auf diesen langen Weg begeben würde, der mein Leben bis heute tief prägt.

Und diejenigen, die vielleicht suchen, aber nicht glauben können…

denen möchte ich sagen: Es ist ganz einfach, den Weg zu finden, wenn man erstmal den Entschluss gefasst hat, sich ganz darauf einzulassen.

Ich gehe nicht in einen Gottesdienst, weil ich übers Klima und die NATO hören will. Ich gehe in die Kirche, weil ich Gott verstehen will. Weil ich sein Wort klug ausgelegt haben will, sein Angebot an uns und mich verstehen will.

 

Eine Kirche, wie wir sie auf evangelischen und inzwischen auch katholischen Kirchentagen präsentiert bekommen, braucht kein Mensch So eine Kirche kann weg!

Ich habe vor 40 Jahren gedacht, wenn ich schon in einer Kirche bin, dann nicht in einer rot-grünen Vorfeldorganisation, die mich belehren will, wie ich zu leben und zu denken habe. Ich will Gott, nichts anderes dort.

Heute Morgen eröffnete der Priester die Messe mit einer Begrüßung, in der er die Formulierung „Jüngerinnen und Jünger“ verwandte. Nun, so bibelfest bin ich, dass ich weiß, dass Simon Petrus, Jakobus, Johannes, Andreas, Philippus, Bartholomäus, Matthäus, Thomas, Jakobus, Thaddäus, Simon, Judas keine Frauennamen waren und sind. Als einfacher Geist, denke ich dann, Jesus wird sich etwas dabei gedacht haben, dass er Männer als diejenigen berufen hat, die den Glauben pflegen und in die Zukunft bringen sollen. Während Frauen diejenigen sind, die das Leben pflegen und in die Zukunft tragen. Wenn sie es denn wollen – es gibt für Christen immer die freie Entscheidung.

Also „Jüngerinnen und Jünger“, das hat schon leicht genervt

Aber es war nur der Auftakt zu weit Banalerem. Denn statt Lesung und Predigt ergriff eine Dame mit kurzem Haar, Jeanskleidchen und weißen Turnschuhen das Mikrofon und begann über eine Kinderbild zu plaudern. Vollkommen belanglos zu plaudern. „Mit wem seid Ihr denn heute gekommen“, wollte sie wissen. Und ob sie gern mit ihrer Familie zusammen seien und so weiter. Gott, unser Glaube kamen nicht vor, es war so, als wenn sich unsere Großeltern bei Kaffee und Kuchen über den letzten Kindergeburtstag unterhalten.

Das ist so ähnlich wie die christlichen Einspengsel im Öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Ich schalte inzwischen immer weg, wenn ich im Auto in NRW unterwegs bin und dann „Kirche in Einslive“ kommt, die Staatsfunk-Jugendwelle. Da erzählt dann Veronika von einer evangelischen (oder katholischen) Gemeinde im Sauerland, dass sie am Samstag den Mark mal wieder gesehen habe nach vielen Jahren. Und was es zu essen gab, welche Musik gespielt wurde, und wie schön, dass man Menschen immer mal wiedertrifft. Kein Wort über Jesus, kein Wort über Gott und Glauben. Nur belangloses Gequatsche.

Als dann vorhin bei der Fürbitten eine junge Frau – sicher vom Pfarrgemeinderat – von „Führungskräft_Innen“, genau so betont, sprach, entschied ich mich spontan, mir das nicht mehr anzutun. Trotz der lieben und frommen Leute.

Tolerant sein ist gut, Kompromisse muss man machen in einer Ehe und Familie. Aber man muss es nicht in einer Kirche oder auch Partei. Da geht man hin…oder auch nicht. Ich werde eine andere Gemeinde finden, wo nicht gegendert wird, wo die Predigt in der Osternacht (habe ich mal in Bergheim bei Köln erlebt) nicht dem Frauenpriestertum und der Abschaffung des Zölibats gewidmet wird. Wo es einfach um Gott geht. Nur um Gott.

In seiner begeisternden Rede im Freiburger Konzerthaus hat Benedikt XVI. im September 2011 die katholische Kirche in Deutschland mit der Mahnung, die Kirche müsse einen Prozess der „Entweltlichung“ einleiten, um ihren Kernauftrag zu erfüllen, den Finger in die Wunde gelegt. Und all die vermeintlichen „Modernisierer“ jaulten auf wie getroffene Hunde.

Nicht die Einrichtung des neuen Gemeindehauses, nicht die Einladung zum Buffet beim Bürgermeister, auch nicht Krankenhäuser, Kindergärten und Beratungsstellen sind der Kernauftrag. Sondern christliches Leben und Evangelisierung.

Der Kölner Erzbischof damals, Joachim Kardinal Meisner, legte ein Jahr später nach und rief die Christen in Deutschland dazu auf, der wachsenden Entchristlichung in Deutschland entgegenzutreten. Die Kirche müsse „von einer Selbst-Säkularisierung zu einer Selbst-Evangelisierung kommen“.

Und weil ich diesen Geist in meiner kleinen, bisherigen Gemeinde nicht mehr finde, suche ich mir eine neue, wo es um Gott geht.

Die Kirche Jesus besteht seit 2000 Jahren, weil sie immer dem Zeitgeist widerstanden, sich nicht angepasst hat. Vielleicht sollte das einer Mal dem deutschen Klerus und Herrn Bätzing erklären…




Die katholische Kirche lebt

Auf dem Petersplatz in Rom hat am Vormittag Papst Franziskus die Totenmesse für seinen Vorgänger im Petrusamt, den deutschen Papst Benedikt XVI gelesen (zelebriert wurde von Kardinal Giovanni Battista Re). Ich habe mir den Livestream angeschaut und wohlwollend wahrgenommen, dass in der katholischen Kirche in der Nachbarschaft die Glocken geläutet wurden.

Das Requiem war würdig, Zehntausende Gläubige waren dabei, fast 4000 Priester, Bischöfe, Kardinäle. Nach – wie ich das empfinde – wirklich dunklen Jahren meiner Kirche, nach all den schrecklichen Fällen sexuellen Missbrauchs in der Kirche Jesu, nach Vertuschungen, nach Heuchelei, nach so vielen, die den Namen Gottes mit Schmutz überzogen haben, waren das mal wieder zwei Stunden, in denen ich als Katholik durchatmen konnte. Und feststellen, dass es meine katholische Kirche noch gibt, und dass sie immer noch stark ist, dass sie lebt trotz all der Bemühungen der Mehrheit der deutschen Würdenträger, wo ich zögere, dieses Wort angesichts des zerstörerischen Treibens von Herrn Bätzing an der Spitze der Deutschen Bischofskonferenz überhaupt zu verwenden.

Mein Papst, langjährige Leser hier wissen das, war und ist Johannes Paul II. Als ich mich vor vier Jahrzehnten auf der langen Weg begab, den christlichen Glauben für mich zu entdecken, war dieser großartige Mann aus Polen einer der wichtigen Faktoren. Ein wahrer Heiliger, der sich dem Sturm des Zeitgeistes auch im hohen Alter und gebrechlich mutig entgegenstellte, gestützt auf seinen Hirtenstab. Er war es, der die katholische Weltkirche in die Schlacht gegen den gottlosen Kommunismus führte. Seine Fotos und große Holzkreuze trugen die Arbeiter in der Danziger Werft, als sie sich gegen das Machtsystem auflehnten. Gott ist bei uns, wer soll uns aufhalten?

Jede Zeit hat ihren Papst. JP II war genau der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort, als die großen Umbrüche im Osten Europas ihren Lauf nahmen. Und dann der Deutsche, Joseph Ratzinger aus Bayern, Papst Benedikt XVI. Ein hochintellektueller Feingeist, ein gelehrter, einer, der nach den aufregenden Jahren davor der richtige Mann schien, die Kirche wieder in ruhiges Fahrwasser zu führen. Es gelang ihm nicht, die Welle an Schmutz aus allen Ecken seiner Kirche, überlagerte alles. Noch nach seinem Tod zeigten Kirchenhasser null Erbarmen und versuchten, das Andenken an Benedikt zu beschmutzen, in dem sie eine alte Geschichte aus seiner Amtszeit als Erzbischof in München und Freising aufzuwärmen versuchten. Doch die Wahrheit ist, dass Benedikt XVI der erste Papst war, der sich mit Opfern getroffen und mit ihnen zusammen gebetet hat. Er ordnete strenge Regeln für die Priesterausbildung an, änderte die Verfahren, wenn Missbrauchsfälle entdeckt wurden. Opfer erhielten Entschädigungszahlungen – was haben eigentlich die Grünen getan, um den Opfern der Missbrauchsfälle in ihren Gründerjahren gerecht zu werden? Ausgerechnet Papst Benedikt verantwortlich zu machen für das, was in der Kirche geschehen konnte, ist grotesk.

Und jetzt Papst Franziskus, ein Pontifex mit dem ich immer mal fremdele, ohne seine Rolle in Frage zu stellen. Wenn die Hälfte der Katholiken auf diesem Planeten in Latein- und Südamerika leben, dann ich doch klar, dass nicht immer ein Italiener Papst wird, sondern dann auch zum Beispiel einmal einer aus Argentinien. Ich sehe, dass Franziskus nichts an der Lehre zu ändern versucht. Manche Äußerungen allerdings…naja.

Jede Zeit hat ihren Papst. Ich hoffe übrigens, dass der nächste einer aus Afrika sein wird. ich habe da einen Mann im Auge, aber davon erzähle ich Ihnen später einmal.

Möge Gott Sie alle segnen!




Wir waren Papst – zum Tod von Papst Benedikt XVI

Am Ende war es nicht überraschend. Wenn man 95 Jahre alt geworden ist, dann weiß jeder, dass das irdische Leben bald enden wird. Auch für einen Papst, nach Definition der katholischen Welt der Nachfolger auf dem Stuhl des Apostels Petrus. «Schmerzerfüllt muss ich mitteilen, dass Benedikt XVI., Papst Emeritus, heute um 9:34 Uhr im Kloster Mater Ecclesiae im Vatikan verstorben ist», teilte der Sprecher des Heiligen Stuhls, Matteo Bruni, vorhin mit. Der Gesundheitszustand des gebürtigen Bayern hatte sich in den vergangenen Tagen deutlich verschlechtert.

Joseph Ratzinger wurde am 19. April 2005 zum Nachfolger von Johannes Paul II. zum Papst gewählt. Acht Jahre später trat der Mann, vom dem man sagt, dass er nie Papst habe werden wollen, in einem spektakulären Schritt als erster Papst seit mehr als 700 Jahren freiwillig zurück. Auf ihn folgte der Argentinier Jorge Bergoglio als Papst Franziskus.

Es heißt, jede Zeit hat ihren Papst. Früher habe ich das nicht verstanden. Ein Papst ist entweder der Richtige oder der Falsche, er ist entweder würdig oder unwürdig, gut oder böse (gab es leider auch). Aber er ist immer ein Abbild seiner Zeit.

Als ich vor 35 Jahren, nach einem dreijährigen Prozess der Selbstprüfung, beschloss, um Aufnahme in die Katholische Kirche zu bitten, wurden dieser Weg und diese Entscheidung maßgeblich beeinflusst durch Papst Johannes Paul II. Nicht direkt natürlich, ein Papst, der zum Telefonhörer greift und ganz einfach Leute anruft, um zu plaudern, das gab es damals noch nicht. Das begann erst mit der Ära Franziskus.

Aber Johannes Paul II war ein Papst nach meinem Geschmack, nachdem ich mehr durch Zufall begonnen hatte, mich mit der katholischen Lehre und Kirche intensiv zu beschäftigen. Konservative Menschen wie ich suchen nach einem Orientierungsrahmen, nach Menschen, die überzeugend sind, die mitreißen. Und ich kann mich nicht erinnern, jemals einen Anführer erlebt zu haben, der das so konnte wie der Papst aus Polen. Ohne Kompromisse pro Jesus Christus, gegen eine „Kultur des Todes“, gegen den gottlosen Kommunismus, gegen Materialismus und den ungezügelten Hedonismus im Westen. Ich bekomme Gänsehaus, wenn ich an seine Predigten zurückdenke, an den gebrechlichen alten Mann, der sich angesichts schwindender Kräfte an seinem Hirtenstab festkrallte und mit grimmigem Gesicht und brüchiger Stimme dem Zeitgeist widerstand – wie ein Fels in der Brandung.

Was für ein Gegensatz zum Feingeist Benedikt

Am 19. Oktober 2003 standen meine Frau und ich morgens ab 4 Uhr in der Frühe mit Hunderttausenden Gläubigen aus aller Welt in Rom vor den Absperrgittern zum Petersplatz und warteten auf Einlass zur Seligsprechungsfeier der inzwischen heiligen Mutter Teresa von Kalkutta. Damals zelebrierte Papst Johannes Paul II.

Am Tag danach waren wir mit 2000 anderen deutschen Pilgern des Maltester Hilfsdienstes im hinteren Teil des Petersdoms zu einer Heiligen Messe, die ein gewisser Kardinal Josef Ratzinger zelebrierte. Dieser gebrechlich wirkende Kardinal aus Bayern sprach mit leiser Stimme und mit einer Ruhe, die keine Sekunde den geringsten Zweifel an seinem, an unserem, Glauben zuließ. Ich weiß noch, dass ich bei Ratzingers Predigt irgendwann dachte, der Mann redet über die Jünger Jesu so, als kenne er Petrus und Paulus aus gemeinsamen Gesprächen abends bei einem Glas Rotwein persönlich. So vertraut, so absolut sicher, es treibt mit heute noch Schauer über den Rücken, wenn ich an diese Predigt denke.

Zum ersten Mal bekreuzigt

Als der Kardinal nach der Messe durch die Reihen der Gläubigen schritt und die Menge segnete, bemerkte ich, wie sich meine Frau, damals noch evangelisch, bekreuzigte, als der Gottesmann an ihr vorbeiging. Zum ersten Mal in ihrem Leben. Vielleicht war dieser Moment die Initialzündung, nach der sie sich auf den Weg zu Gott aufgemacht hat. Acht Jahre danach, wurde auch sie in die katholische Kirche aufgenommen

Mit der dunklen Seite umgehen müssen

Ich habe Papst Benedikt mehrfach selbst erlebt, beim Weltjugendtag damals auf einem großen Feld bei Köln. Dann in München, ich weiß noch, wie verwundert ich war, wie viele Menschen in bayerischen Trachten zum Gottesdient kamen.

Doch in Erinnerung geblieben ist mir besonders ein Abendessen in der Vorweihnachtszeit 2010 in einem gemütlichen italienischen Restaurant an der Aachener Straße in Köln mit dem späteren Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz. Er erzählte mir mit ernstem Gesichtsausdruck, dass er wisse, dass in den nächsten Tagen furchtbare Missbrauchsfälle im Erzbistum Köln öffentlich bekannt werden würden. Und das sei nur die Spitze eines Eisberges, denn zahlreiche Fälle von sexuellem Missbrauch gebe es überall in der Kirche – in Deutschland und auf der ganzen Welt.

Es war kein lebhafter Abend, keine fröhliche Plauderei wie sonst, wenn wir uns getroffen haben. Uns war klar, dass da eine Riesenwelle auf unsere Kirche zurollte, geeignet, um sie im Kern zu zerstören. Wenn gläubige Christen nicht einmal mehr auf Priester vertrauen können, denen sie ihre Kinder anvertrauen – ja, auf wen denn dann überhaupt noch?

Benedikt war ein Gelehrter, hochintellektuell, einer, der mitreißende Bücher über Jesus Christus schrieb. Aber er war keiner, der die Durchsetzungskraft hatte, seine Kirche nach Bekanntwerden der schrecklichen Missbrauchsfälle auf den Kopf zu stellen. Ja, er entschuldigte sich immer wieder bei den Opfern, er ließ Verhaltensregeln für Priester und Mönche ändern. Ein Ordensmann von den Legionären Christi (LC), die sehr engagiert in der Jungend- und Bildungsarbeit sind und – wie ich finde – großartige Arbeit für die Zukunft der Kirche leisten, erzählte mir damals, wenn sie mit Jungs auf einem Zeltlager oder Sommercamp unterwegs seien und bei einem Fußballspiel einer ein Tor schießt, dann dürften sie als Priester den Torschützen nicht abklatschen oder auf die Schulter klopfen. Null Körperkontakt mehr.

Ich bin sicher, Papst Benedikt, hat sich sein Pontifikat ganz anders vorgestellt als es verlief. Sie haben nach seinem Rücktritt immer wieder versucht, diesen untadeligen Gottesmann in den Schmutz zu ziehen. Erst vor einem Jahr wurde ein vom Erzbistum München und Freising in Auftrag gegebenes „Gutachten“ in die Öffentlichkeit lanciert, in dem dem früheren Erzbischof Ratzinger Fehlverhalten in vier Fällen vorgeworfen wurde.

2022 geriet auch sein eigener Umgang mit Missbrauchsfällen in der Zeit als Erzbischof von München und Freising in die Schlagzeilen. Ein vom Münchener Erzbistum in Auftrag gegebenes Missbrauchsgutachten warf ihm Fehlverhalten in vier Fällen vor. Benedikt war von 1977 bis 1982 Erzbischof von München und Freising gewesen.

Zuvor war es um den Papst im Ruhestand still geworden. Obwohl er bis ins hohe Alter geistig fit war, wie sein Privatsekretär Gänswein immer wieder betonte, baute er körperlich stark ab. Vor ihm starb bereits sein älterer Bruder Georg Ratzinger am 1. Juli 2020 im Alter von 96 Jahren in Regensburg. Benedikt hatte den ehemaligen Kirchenmusiker noch kurz davor am Krankenbett besucht. Der Bruder und seine 1991 gestorbene ältere Schwester Maria standen ihm zeitlebens am nächsten.

Benedikt prägte die katholische Kirche schon weit vor seinem Pontifikat. Als Präfekt der Glaubenskongregation in Rom hatte Kardinal Ratzinger, geboren am 16. April 1927 im oberbayerischen Marktl am Inn, bereits mehr als 20 Jahre Kirchengeschichte geschrieben. Seine strenge Haltung zu Themen wie Geburtenkontrolle, Abtreibung oder Zölibat begeisterte viele katholische Gläubige in Lateinamerika und Afrika, wurde aber von der zunehmend an Bedeutung verlierenden Kirche im hedonistischen Westen zunehmend abgelehnt.

Ich bin sicher, Papst Benedikt ist jetzt an einem besseren Ort als diese Erde, die erkennbar vollkommen aus den Fugen gerät.

Ruhe in Frieden, Papa Benedikt!

 

Dieser Nachruf erschien heute zuerst bei TheGermanZ.




Wem kann man überhaupt noch vertrauen, wenn nicht einmal mehr Priestern?

Ich erinnere mich noch genau an diesen Abend in Köln. Es war in der Vorweihnachtszeit 2010, und ich war mit einem hochrangigen Mann der katholischen Kirche in Deutschland zum Essen verabredet. Ein Hintergrundgespräch „unter Drei“, wie man das in Journalistenkreisen nennt. Wir saßen in einem kleinen italienischen Lokal an der Aachener Straße, tranken wunderbaren Wein aus Sizilien, aßen Pasta und Fisch. So ein wenig Einstimmung auf das kurz bevorstehende Weihnachtsfest, der Geburtstag unseres Herrn Jesus Christus, dachte ich. Im Nachhinein fehlte am Menü nur ein herrlich duftender Bratapfel mit Rosinen, Nüssen und Marzipan als Dessert, dann wäre der Abend kulinarisch perfrekt gewesen.

Doch Weihnachtsstimmung kam nicht auf, denn nach ein paar Minuten privaten Geplänkels kam der Mann gegenüber zur Sache. Gerade waren einzelne schlimme Fälle von sexuellem Missbrauch Schutzbefohlener in katholischen Schulen und Kinderheimen bekannt geworden. „Das ist nur eine kleine Spitze des Eisbergs“, sagte mein Gesprächspartner und griff zu seinem Weinglas. „Da kommt eine Lawine auf unsere Kirche zu von einem Ausmaß, das Du dir nicht einmal vorstellen kannst!“

Wir redeten den ganzen Abend nur über dieses Thema. Er erzählte mir von Ermittlungsakten, die er eingesehen hatte, vom Leid der Kinder, deren Eltern dieser 2000 Jahre alten Institution blind vertraut hatten. Wem, wen nicht einem katholischen Priester kann man seine Kinder anvertrauen? So fragten wir uns und redeten und redeten. Hängt dieses schlimme Thema mit dem Zölibat zusammen, der Ehelosigkeit von katholischen Klerikern? Unfug, denn 90 Prozent der sexuellen Übergriffe auf Kinder, geschehen in der Familie und dem Bekanntenkreis. Da gibt es kein Zölibat, aber Missbrauch jede Menge. UndwWie groß wird der Schaden für die Institution Weltkirche sein, und was wird mit dem Pontifikat des deutschen Papstes Benedikt XVI?

Nein, es war kein unbeschwerter Abend wie einige Male zuvor. Keine Witzchen über den ein oder anderen Monsignore, kein Austausch über all die unappetitlichen Machtspielchen in der Bischofskonferenz. Der Abend war bedrückend, einfach nur bedrückend. Als dann später all der Dreck öffentlich wurde, die schrecklichen Enthüllungen aus katholischen Einrichtungen rund um den Globus, da habe ich immer wieder an dieses Abendessen in Köln gedacht. So auch heute Nachmittag, als ich mich journalistisch mit den schlimmen Vorgängen beschäftigen musste, die sich im katholischen Jungenheim für schwer Erziehbare nahe München ereignet haben sollten. Vor vielen Jahren, aber das macht es ja nicht besser.

Ich habe ein emotionales Verhältnis zu meiner Kirche, in der ich als Kind nicht sozialisiert und in die ich nicht hineingeboren wurde. Und ich stehe fest in meinem  Glauben, den ich vor etwa 30 Jahren entdeckt habe. Damals folgte ich der ungeheuren Faszination des polnischen Papstes Johannes Paul II. Und bis heute bin ich ein Teil der Kirche Jesu, gläubig, demütig – ok, ich gebe zu, das mit der anderen Wange, die man hinhalten soll, wenn man geschlagen wird, das macht mir zu schaffen, denn es widerspricht meinem Naturell. Aber das ist ein anderes Thema.

Was ist Ihnen sagen will: ich kenne inzwischen so unglaublich viele wunderbare Christen – katholische wie evangelische – , die ihren Glauben ernstnehmen und leben. Für die das tägliche Gebet zum Tag dazugehört wie Brot und Kaffee am Morgen. Als ich 2016 einen schweren Herzinfarkt erlitt, war der erste Besucher bei mir auf der Intensivstation ein katholische Priester, den ich seit vielen Jahren kenne. Mein Freund Felix hatte ihn angerufen, um zu erzählen, was passiert war. Und er ließ alles stehen und liegen und raste zum Krankenhaus, um mir beizustehen. Das werde ich ihm nie vergessen. Ich könnte hier zwei Stunden weiterschreiben über viele schöne Dinge und unglablich viel Gutes, was die Kirche Christi leistet auch heute. Über wunderbare Priester und Ordensleute, über Laien in der Gemeindearbeit und bei den Sozialdiensten. Nein, die Kirche Jesu ist kein Sündenpfuhl, sie ist nicht Satans Spielwiese.  Aber sie ist schwer angeschlagen durch das Wirken wirklich böser Menschen, Menschen, die ich abgrundtief verachte für das, was sie sind und was sie getan haben.

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Keiner weiß, wie schwer die katholische Kirche auf Dauer beschädigt sein wird

Über Jahrzehnte, wahrscheinlich Jahrhunderte, sind Menschen in Pfarrhäusern und Einrihtungen der katholischen Kirche weltweit missbraucht worden Es ist eine Schande, was in der Kirche Jesu alles möglich war und ist. Ja, oberste Kirchenführer haben sich zu ihrer Schuld bekannt, der Heilige Vater selbst hat immer wieder Opfer getroffen, um Vergebung gebeten und mit ihnen zusammen geweint. Das ist gut und richtig so. Wie nachhaltig die katholische Kirche durch den Vertrauensverlust beschädigt ist, mit all dem Wegschauen und Vertuschen, kann niemand von uns sagen.

Nicht erst mit dem zügellosen Relativismus, der in beide christichen Kirchen seit Jahren eingesickert ist, haben sich immer mehr Gläubige von ihren Hierarchien und Autoritäten abgewandt und versuchen, ihre Überzeugungen in Basisgemeinden, geistlichen Aufbrüchen und Hausgebetskreisen zu leben. Oberste Kirchenführer, die auf dem Tempelberg ihre Kreuze verstecken – das Kreuz, an dem Jesu für alle gelitten hat und einen schrecklichen Tod starb:  Ich empfinde für diese „Oberhirten“ nur noch Verachtung und ich hoffe, auf all die anständigen und tiefgläubigen Priester und Ordensleute – ohne jeden Zweifel die überwältige Mehrheit auch heute.

In Abspräche mit Papst Franziskus hat sich jetzt ganz aktuell Papst emeritus Benedikt XVI zu den Missbrauchsfällen in seiner Kirche geäußert – und das in einer Klarheit, die keine Fragen offen lässt.

„In verschiedenen Priesterseminaren bildeten sich homosexuelle Clubs, die mehr oder weniger offen agierten und das Klima in den Seminaren deutlich veränderten“, beschreibt er die Situation. Den  sogenannten 68ern weist Benedikt eine erhebliche Mitschuld zu, denn zwischen 1960 und 1980 seien die „geltenden Maßstäbe in Fragen der Sexualität vollkommen weggebrochen“. Der „Zusammenbruch der katholischen Moraltheologie“ habe  die Kirche „wehrlos gegenüber den Vorgängen in der Gesellschaft“ gemacht, schreibt Benedikt weiter. Vorgänge, bei denen „Pädophilie als erlaubt und als angemessen diagnostiziert wurde“.

 




Dem Relativismus in Kirche und Gesellschaft entgegentreten

Ist Ihnen schon mal aufgefallen, bei welchen Anlässen in einer katholischen Messe geklatscht wird? Das eine ist der persönliche Dank, zum Beispiel für den Chor, der gerade so schön gesungen hat. Oder die Organistin, die in den wohlverdienten Ruhestand geht. Oder für den neuen Diakon, der vorgestellt worden ist. Beliebt sind auch internationale Gäste aus der Dritten Welt, die zu Besuch in der Gemeinde sind und über „Projekte“ erzählen, was der Pfarrer anschließend nutzt, um für eine möglichst großherzige Spende für genau diese Projekte zu werben.

Beifall für den Geistlichen gibt es nie, wenn er das Evangelium verkündet und die Lehre unserer Kirche auslegt. Oder haben Sie schon einmal erlebt, dass die Gemeinde einem katholischen Pfarrer im Gottesdienst applaudiert, wenn er erklärt, warum Frauen eben in unserer Kirche nicht Priester werden können. Oder dass der Zölibat eine an sich gute Sache ist – weil diese Leute sich ja freiwillig dafür entscheiden, ehelos zu bleiben.

Aber rauschenden Beifall gibt es immer, wenn so ein Gottesmann dafür plädiert, die Regeln seiner Kirche gerade nicht zu befolgen. So wie kürzlich in Köln der Priester, der erklärte, er werde Frauen in finanzieller Not natürlich die Pille besorgen. Oder unser Priester heute, der sagte, dass so eine Ehe aus christlichem Verständnis schon irgendwie etwas Kostbares sei, aber jeder Mensch auch ein Recht darauf habe, wieder neu anzufangen – nach einer gescheiterten Ehe. Natürlich klatscht das Volk Gottes auch am Niederrhein bei solchen Gedanken eines geistlichen Hirten.

Ich will hier nicht das Fass mit der Unauflöslichkeit der Ehe aufmachen, zumal schopn Mose da einst ganz interessante Gedanken entwickelt hatte. Muss jeder selbst wissen, wie er und oder sie sein Leben gestalten möchte. Und wie er oder sie mit seinem oder ihrem christlichen Glauben in dieser Frage umgeht. Aber diese Beliebigkeit, dieses „et hätt noch immer jot jejange“, dieses „wollen wir mal nicht ganz so ernst nehmen“, das stört mich zunehmend – in der Kirche ebenso wie in vielen Ehen. Mit fällt dann immer Papst Bendekit ein, der bei der Eröffnung des Konklaves 2005 noch als Kardinal Ratzinger sagte:

„Einen klaren Glauben nach dem Credo der Kirche zu haben, wird oft als Fundamentalismus abgestempelt, wohingegen der Relativismus, das sich »vom Windstoß irgendeiner Lehrmeinung Hin-und-hertreiben-lassen«, als die heutzutage einzige zeitgemäße Haltung erscheint. Es entsteht eine Diktatur des Relativismus, die nichts als endgültig anerkennt und als letztes Maß nur das eigene Ich und seine Gelüste gelten läßt.“

Und genau das dürfen wir nicht zulassen!




Wie ich meinen Frieden mit Papst Franziskus gemacht habe

Als ich Anfang der Neunziger zum katholischen Glauben konvertierte, war Johannes Paul II Papst. Ein Mann, der den Lauf der Weltgeschichte entscheidend beeinflusst hat, der rund um den Erdball vielen Millionen Menschen persönlich begegnet ist und sie für den Glauben begeistert hat. Johannes Paul II war und ist „mein Papst“, und er hat auch die alle zwei, drei Jahre stattfindenden Welttreffen junger Katholiken, sogenannte Weltjugendtage, erfunden. Im folgte der Deutsche auf dem Stuhle Petri, Benedikt XVI, der Theologe, der Intellektuelle, der nach den Weltrreisenden seines Vorgängers Innendienst im Vatikan tun sollte. Ein Papst geschliffener Worte, Autor wunderbarer Bücher von seltener Glaubenstiefe. Fast tragisch, dass das Pontifikat Benedikts überschattet wurde von den weltweit bekannt gewordenen Missbrauchsfällen. Er hatte sich seine Amtszeit als Oberhaupt der katholischen Weltkirche zweifellos ganz anders vorgestellt. Und dann ging er in den Ruhestand. Ein Papst, der selbst bestimmt, wann es genug sein sollte.

Und nun also Franziskus, mit bürgerlichem Namen Jorge Mario Bergoglio, seit dem 13. März 2013 der 266. Bischof von Rom und Anführer von rund 1,2 Milliarden Katholiken rund um den Erdball. Bis heute fremdeln viele Katholiken in Europa und Deutschland mit dem Argentinier, der so ganz anders ist, als man sich hierzulande einen Papst vorstellt. Zugegeben: Als die ersten Fotos nach seiner Wahl bekannt wurden, musste ich schmunzeln. Ein Heiliger Vater, der in der Straßenbahn fährt, der an der Hotel-Rezeption auf seine Rechnung wartet, die er dann auch selbst bezahlen will, und der seinen Zeitungsboten in Buenos Aires persönlich anruft, um das Abonnement abzubestellen, da er ja jetzt eine Weile in Rom wohnen würde – das hatte was. Das war unkonventionell, das war ein Papst zum Anfassen und nicht zum Niederknien. Für die Kirche ist der Mann aus Argentinien ein Geschenk, denn bei allem Repekt vor dem brillanten Intellektuellen Ratzinger, erreicht Papst Franziskus deutlich mehr Menschen mit seiner unkonventionellen Art des Auftretens, mit seinem Abweichen von Redemanuskripten, die in der Kurie mehr als einmal zu spontanen Schweißausbrüchen seiner Mitarbeiter führte. Katholiken müssten sich auch nicht vermehren „wie Karnickel“ sagte er einmal. Und ich muss sagen, das war auch mir deutlich zu viel für den Nachfolger des Heiligen Petrus. So redet ein Papst nicht, dachte ich damals und so denken bis heute viele Gläubige.

Gestern Abend habe ich vor dem Fernseher gesessen und die Vigil, das Nachtgebet, des Papstes mit einer Million Jugendlichen beim Weltjugendtag im polnischen Krakau angeschaut. Mit mitreißenden Worten warb der Pontifex für eine engagierte Kirche. „Liebe junge Freunde, wir sind nicht auf die Welt gekommen, um zu vegetieren, um es uns bequem zu machen, um aus dem Leben ein Sofa zu machen, das uns einschläfert.“ Was für ein eindringlicher Appell für ein Oberhaupt der katholischen Christen. Und es ging weiter: „Ein Sofa – wie jene modernen mit einlullenden Massagen – die uns Stunden der Ruhe garantieren, um uns in die Welt der Videospiele zu begeben und Stunden vor dem Computer zu verbringen“. Es sei für viele leichter, „dusselige und benommene Jugendliche zu haben“. Die Welt brauche keine „Sofa-Jugendlichen“, sondern welche mit Schuhen an den Füßen, oder „noch besser mit Stiefeln“, damit sie Spuren hinterlassen können.

Boah! Welch‘ starke Worte, welche ansteckende Begeisterung, die in diesem Moment von dem fast Achtzigjährigen ausging. Und der Jubel der jungen Menschen, zusammengeströmt aus 180 Ländern auf dieser Welt, um zusammen den Glauben, das Vermächtnis von Jesus Christus zu feiern und zu leben. Ich habe auch heute früh die Abschluss-Messe am Bildschirm verfolgt, wieder waren deutlich mehr als eine Million Menschen auf dem gigantischen Feld vor dem Altar mit dem überdimensionalen Jesus-Bild dabei. Und wieder habe ich gedacht: Was für eine Begeisterung strahlt dieser Mann aus, die so deutlich im Gegensatz zur bräsigen Alltags-Geschäftigkeit mancher deutscher Bischöfe steht – nicht aller, wohlgemerkt. Und als ich das so dachte, bei den Klängen der WJT-Hymne „Jesus Christ, you are my life…“, da, genau in dem Moment, habe ich meinen persönlichen Frieden mit Papst Franziskus und seiner Art gemacht.




Befreit euch endlich von politischer und materieller Last!

Als ich heute früh die Aral-Tankstelle meines Vertrauens aufsuchte, um zehn frische Brötchen zu erwerben, wollte ich einen gewohnt lockeren Spruch anbringen. Zu der Dame an der Theke sagte ich mit Blick auf ihre Backwaren: „Na, heute ist für Sie ja wohl der umsatzstärkste Tag des Jahres.“ Fragend schaute sie zurück. Ich setzte nach: „Karfreitag! Da haben die Bäckereien doch alle geschlossen.“ Ihr Gesicht hellte sich auf: „Gut, dass Sie das sagen. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Dann werde ich gleich noch ein paar Brötchen mehr in den Ofen schieben…“ Manche Erlebnisse im Alltag übersteigen selbst meine Vorstellungskraft. Dazu passt auch meine Suche nach einem passenden Foto zu dieser Kolumne heute Morgen. Bei einer großen internationalen Fotodatenbank mit Millionen von Motiven gab ich als Suchwort „Karfreitag“ ein. Was ich erhielt, waren zunächst unzählige Hasen-Cartoons mit bunten Eiern drumherum. Es ist ein Elend, mit welcher Rasanz der christliche Glaube und das Wissen um die Grundlagen des christlich (-jüdischen) Abendlandes in unserer Wohlstandsgesellschaft überrollt wird.

Über die Gründe muss man nicht groß nachdenken, sie fallen einem wie reife Äpfel vor die Füße. Es ist zum einen der Wohlstand, der viele Menschen glauben lässt, es brauche keinen Gott mehr, um ihr eigenes Schicksal positiv zu beeinflussen. Es sind Elternhäuser, Schulen und Kirchen, die in der Masse jämmerlich dabei versagen, jungen Leuten zu erklären, um was es bei der Lehre Christi geht. Es ist die „Fit for Fun“-Generation, die vor lauter Spaß-Events, Playstations und Supermodels, die zu finden sind, keine Zeit mehr hat, sich mit Nebensächlichkeiten wie der Frage nach dem Wie und vor allem Warum der menschlichen Existenz zu beschäftigen. Es ist die Entscheidung für einen anderen Glauben, sei es den Buddhismus, wo alles so freundlich, nett und ausgeglichen ist, sei es „die Natur“, wo allerdings die Frage unbeantwortet ist, wer die eigentlich gemacht hat, oder sei es der Atheismus, der mit seiner aufgesetzten Überheblichkeit, alles wirklich ganz genau erklären zu können, deutliche Anzeichen einer Sekte trägt.

Der entscheidende Grund allerdings sind unsere Amtskirchen, deren finanzielle Basis unerschütterlich ist und ihnen trotz sinkender Mitgliederzahlen steigende Kirchensteuereinnahmen beschert. Deren Zeugnis durch bisweilen widerwärtige Anpassung an den Zeitgeist verwässert wird. Die gute Geschäfte als Sozialdienstleister mit eigenen Krankenhäusern, Beratungsstellen, Kindergärten und Altenheimen machen. Dafür lassen sie den Herrgott auch mal einen guten Mann sein, etwa wenn sich die Caritas gegen das Betreuungsgeld ausspricht, denn Krippenplätze bringen natürlich auch dieser Unternehmung ordentliche Staatszuschüsse. Die offiziellen Medien der Kirchen lohnen – Ausnahmen gibt es natürlich – nicht einmal mehr einer kritischen Würdigung, so belanglos sind sie geworden. Und die Feigheit vieler deutscher Bischöfe, auch der katholischen, ist erbärmlich. Wo sind die tapferen Kirchenmänner, wenn es um den Kampf gegen Sterbehilfe geht? Warum nimmt nicht ein einziger Bischof an dem alljährlichen 1000-Kreuze-Marsch in Berlin für das Recht auf Leben eines jeden Menschen teil? Wo sind die Kirchen beim verzweifelten Protest Tausender Eltern in Baden-Württemberg gegen den Angriff von rot-grünen Gender-Ideologen auf ihre Kinder und auf die traditionellen Familien? Sie passen sich an, sie wollen nicht anecken, sie wollen auch in Zukunft an die Buffets der Mächtigen eingeladen werden, die ihnen wohlwollend auf die Schultern klopfen, aber in Wahrheit über sie lachen. Lieber Gott, wie wünsche ich mir heute einen Ruhrbischof wie Franz Hengsbach zurück oder Fuldas streitbaren Kirchenführer Johannes Dyba. Wo sind die Kirchenführer bei den Katholiken und bei den Evangelischen, die noch einen – verzeihen Sie! – Arsch in der Hose haben und zu ihren, zu unseren Überzeugungen ohne Wenn und Aber stehen? Jesus Christus hat gesagt, sie und wir sollen rausgehen in alle Welt und seine Botschaft „verkünden“. Er hat nicht gesagt: Geht raus, bildet Stuhlkreise, palavert und passt Euch an!

Alles nicht schön, wenn man auf die deutschen Amtskirchen schaut, in denen viele stolz darauf sind, wie perfekt und ökonomisch erfolgreich sie den Niedergang verwalten. Und dennoch ist es für einen Abgesang auf das Christentum zu früh. Ja, die Kirchen werden in Deutschland weiter schrumpfen. Und sie werden sich verändern, durch strukturelle Maßnahmen wie die Zusammenlegung von Gemeinden, durch Laienorganisationen, die nicht dazu beitragen, den Glauben in die Gesellschaft, sondern den Mainstream und die Belanglosigkeit in die Kirchen zu tragen. Und durch Pfarrer, denen von ihren Bistümern so viele Aufgaben übertragen werden – von der Immobilienverwaltung bis zur Umsetzung von Sparplänen – , dass für Seelsorge und Verkündigung immer weniger Zeit bleibt. Doch überall in den Kirchen gedeihen bunte Pflänzchen, die Hoffnung auf einen neuen Aufbruch und auf eine neue Kirche machen. Die evangelikalen oder freikirchlichen Gemeinschaften mit ihrem lebendigen Gemeindeleben und ihrer großen Anziehungskraft auf junge Menschen sind es im evangelischen Bereich. Die neuen geistigen Gemeinschaften, all die Jugend 2000, Totus Tuus, Gemeinschaft Emmanuel, Nightfever,Regnum Christi u.s.w. sind es bei den Katholiken. Hier findet sich die Glaubensbegeisterung, die einstmals selbstverständlich war. Hier sammeln sich viele junge Menschen. Hier kann man die Zukunft erleben. Dies soll nicht die Leistung der engagierten Gemeindepfarrer schmälern, die es natürlich überall in Deutschland noch gibt, und die vielfach Großartiges unter widrigen Bedingungen leisten. Aber es soll den Blick darauf lenken, was notwendig ist, um wieder Strahlkraft auch auf Kirchenferne zu entwickeln: Das Bekenntnis zur Lehre Jesu und zu einem Gott. Wo das im Mittelpunkt steht, kommen die Menschen und hören zu. Wo aber all das heruntergeleiert wird, was uns der Mainstream tagein tagaus vorkaut, da entwickelt sich kein Feuer mehr. Oder wie es Papst Benedikt XVI. in seiner überragenden Freiburger Rede 2011 formulierte: „Die von ihrer materiellen und politischen Last befreite Kirche kann sich besser und auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden, wirklich weltoffen sein.“