Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin…

Wir wollen nie wieder Krieg, aber wir wollten auch nie wieder Auschwitz! So formulierte sinngemäß der frühere Bundesaußenminister Josef Fischer von den Grünen sein Ja zum Bundeswehr-Einsatz damals auf dem Balkan. Ein Satz, der sich mir bis heute eingeprägt hat und der schlüssig und überzeugend darlegt, warum der Einsatz militärischer Mittel als Ultima Ratio, als wirklich letztes Mittel, niemals ausgeschlossen werden kann.

Lesen Sie noch mal nach in den Geschichtsbüchern die Jahre 1938 und 1939! Die europäischen Mächte betrachteten das massiv aufrüstende Hitler-Deutschland mit Argwohn, seine offen vorgetragenen Gebietsansprüche, sein Großmachtbestreben, seine Bereitschaft zum Krieg gegen die Nachbarstaaten. Was haben sie verhandelt damals, einen Kotau vor dem Mann veranstaltet, der bald darauf die ganze Welt ins Verderben stürzen sollte. 55 Millionen Tote blieben rund um den Erdball auf den Schlachtfeldern zurück, als der Wahnsinn endlich vorbei war. All die Bemühungen der Diplomatie, all die Zugeständnisse, die der Franzose Édouard Daladier und der Brite Neville Chamberlain investierten, waren für die Katz‘. Ein skrupelloser Diktator hat niemals Respekt vor Diplomatie, die nicht mit glaubhaften Drohungen einhergeht.

Und so ist das auch jetzt in Nordkorea. Der menschenverachtende Steinzeit-Staat bedroht seit Jahren die ganze Region, setzt sich über UN-Resolutionen hinweg und hat nun höchstwahrscheinlich auch nukleare Waffen. Alle paar Tage testet Kim Jong Un Trägerraketen, droht sogar den Vereinigten Staaten mit einem atomaren Angriff. Es ist offensichtlich, dass der Herrscher in Pjöngjang entweder nicht mehr alle Tassen im Schrank hat, Poker liebt oder eine ernsthafte Todessehnsucht hat. Ist so ein Mann zu beeindrucken mit Verhandlungen?

Kein zivilisierter Mensch kann Krieg wollen. Ich ganz sicher auch nicht. Doch man muss einer drohenden Gefahr frühzeitig entgegentreten, man muss sie vor allen Dinge erkennen. Der frühere US-Präsident Barack Obama pflegte gern mal „rote Linien“ zu ziehen, um bei deren Missachtung durch andere Staaten dann… nichts zu tun. Der aktuelle US-Präsident Donald Trump scheint anders zu denken und zu handeln. Ob das gut ist, können wir noch nicht beurteilen, denn wie gesagt: Krieg kann nur die Ultima Ratio schlechthin sein, wenn nichts anderes mehr greift.

Die deutsche Friedensbewegung zog einst mit einem verkürzten Zitat von Bertold Brecht in die Kampagne gegen den Nato-Doppelbeschluss: „Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin…“ Klang super, oder? Ein schöner Traum, den wir alle spontan teilen möchten. Doch findige Köpfe haben dann nochmal nachgeschlagen bei Brecht und hzerausgefunden, dass das Zitat noch weitergeht. Es heißt im Original: „Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin, dann kommt der Krieg zu euch.“ Und dann geht es noch weiter: „Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt / Und läßt andere kämpfen für seine Sache / Der muß sich vorsehen; denn / Wer den Kampf nicht geteilt hat / Der wird teilen die Niederlage.“




Wenn der IS doch bloß ein paar Bücher bekommen würde….

In den sozialen Netzwerken des Internets werden täglich viele Bilder mit mehr oder weniger intelligenten Sinnsprüchen verbreitet. Oft sind kreative und witzige Ideen dabei, oft handelt es sich aber auch um billige Hetze und dümmliche Scherzchen. Und manchmal ist etwas für Romantiker dabei. Gestern fand ich ein Zitat von Malala Yousafzai, einer weltbekannten pakistanischen Kinderrechtlerin, die vergangenes Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Zweifellos eine bessere Wahl als es US-Präsident Obama und einige andere vorher waren.

„Wenn Ihr den Krieg beenden wollt“, so steht da auf diesem Bild im Internet, das helle Kieselsteinchen und bunten Blütenblättern zeigt, „sendet Bücher statt Waffen. Sendet Stifte statt Panzer. Sendet Lehrer statt Soldaten.“ Ist das nicht schön? Ich bin zu Tränen gerührt, allerdings nicht über die Botschaft, sondern über die grenzenlose Naivität, die sie ausdrücken und die von zahlreichen Fans begeistert gefeiert wird. Da werden „die Regierungen“ angeprangert, die den Krieg wollen – allen voran natürlich die USA. Da wird über Weltherrschaft fabuliert, über die Milliardenumsätze der Rüstungsindustrie und, und, und…. das Übliche halt. Nicht einer wirft die Frage auf, was Boko Haram in Nigeria wohl mit einer Schiffsladung Bücher tun würde. Oder wie es um die Köpfe von Lehrern im Islamischen Staat (IS) bestellt wäre, die zum Beispiel Mädchen unterrichten wollen würden. Mir ist auch nicht bekannt, dass die Kurden den Westen um Buntstifte zur Verteidigung gegen die mordenden Banden gebeten hätte.

Man soll ja nicht lästern, und ich gebe zu, dass ich Menschen wirklich mag, die sich eine bessere Welt wünschen. Insofern ist es durchaus schön, was Frau Yousafzai da gesagt hat. Aber es ist weltfremd, es ignoriert die grausame Realität dort draußen, und es trägt dazu bei, dass all die Träumer in unseren Wohlstandsgesellschaften denken, so funktioniere die Welt. So lange nicht ein paar Lehrer mit Büchern und Stiften in den Nahen Osten reisen und den IS dazu bewegen, das Morden, Kreuzigen und Enthaupten zu beenden, werde ich den oben geäußerten Gedanken weiterhin Schwachsinn nennen, auch wenn viele jetzt weinen und Räucherstäbchen entzünden werden.