Unseren täglichen Zeitgeist gib uns heute und vergib uns unsere Schuld

Nur 25 Prozent der Deutschen haben Umfragen zu Folge noch eine zumindest rudimentäre Vorstellung davon, was eigentlich Pfingsten ist. 50 Tage nach dem Ostersonntag, wird von den Gläubigen die Entsendung des Heiligen Geistes gefeiert. Für Nicht-Gläubige ist das schwer nachzuvollziehen und auch für viele Glaubende kaum verständlich. Unser Pfarrer begann heute Morgen seine Predigt zu diesem Hochfest der katholischen Weltkirche mit Uli Hoeneß. Voller Empörung sprach der Gottesmann davon, dass gestern ein verurteilter Steuerhinterzieher von den Fans im Stadion gefeiert worden sei. Kurz blitzte ein Gedanke in meinem Kopf auf. Es drehte sich irgendwie um Vergebung und Barmherzigkeit. Doch schon ging es weiter. Empörend auch, dass viele Menschen der bisweilen unkontrollierten Massenzuwanderung nach Deutschland nicht applaudieren. Kann man so sehen, aber ist dieses Thema so simpel abzuhandeln? Im Gottesdienst zum Pfingstfest? Ich denke nicht.

Zu Glauben ist in unserer modernen Gesellschaft nicht immer leicht. Treu zu einer Kirche zu stehen, schon gar nicht. Ein wichtiger Grund, warum ich Beides mit Leidenschaft tue, ist das Synonym vom Fels in der Brandung. Die Kirche Christi muss nicht regelmäßig „modernisieren“, immer mal ein neues Parteiprogramm beschließen. Sie muss einfach nur das verkünden, was sie für die Wahrheit hält. Wer das nicht hören will, muss es nicht. Wer es nicht glauben will, muss es auch nicht. Die Attraktivität der Kirche, die seit über 2.000 Jahren ihren Weg durch die Zeiten beharrlich geht, ist genau diese Standhaftigkeit. Ein Beispiel: Viele Menschen halten Abtreibung für etwas Normales. Das dürfen sie in einer freien Gesellschaft. Aber ich finde es gut, dass auch in dieser Fit-for-Fun-Gesellschaft mal jemand widerspricht. Jeder Mensch darf denken, was er oder sie will. Aber es gefällt mir einfach, wenn jemand widerspricht, zumal wenn es aus ethischen Gründen und mit Leidenschaft ist. Kurzum: Unser Pfarrer ist ein gottesfürchtiger Mann und ein wunderbarer Seelsorger. Aber heute Morgen habe ich mich geärgert. Und das wollte ich Ihnen einfach mal erzählen.




Herr Pfarrer und das „gute Werk“

Ich fürchte, es ist dem Mann wirklich ernst. Der pensionierte evangelische Pfarrer Ulrich Wagner erstaunte in der vergangenen Woche mit dem Vorschlag, für die Asylbewerber in Flüchtlingsheimen Prostituierte zur Verfügung zu stellen. Diese Männer hätten doch „ein sexuelles Bedürfnis“, was sich in seinem Dorf u. a. daran zeige, dass Männer aus dem Asylbewerberheim immer wieder Frauen auf der Straße belästigten. Den Flüchtlingen Essen und Trinken zu geben, reiche nicht aus. Finanziert werden solle das Projekt aus einem neu zu gründenden Unterstützerkreis, der „Freie Liebe für freie Menschen“ heißen könne. Vielleicht, so Wagner weiter, finde sich auch „ein Bordellbesitzer“, der bereit sei „ein gutes Werk zu tun“. Man ist sprachlos angesichts der Frauenverachtung, die aus diesen Worten des Herrn Pfarrer spricht. Der Bordellbesitzer, der „ein gutes Werk tut“, indem er Frauen für lau zur Verfügung stellt, sozusagen als Befriedigungsmaschinen. „Am Vormittag ist da ja eh nicht viel los, vermute ich“, fügte er zynisch hinzu. Wir reden immer viel über die Glaubwürdigkeit der Kirchen, und die können nicht für das dämliche Geschwätz eines einzelnen ihrer Repräsentanten in Haftung genommen werden. Aber wie ein Mann, der Güte und Barmherzigkeit als Lebensaufgabe haben sollte, derart zynisch und menschenverachtend daherreden kann, schockiert mich dann doch ein wenig.