NATO-Diplomatie in Madrid: Wie Erdogans Blockade aufbrechen?

Kurz vor dem NATO-Gipfel hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bekräftigt, dass sein Land einem Beitritt Schwedens und Finnlands zum Bündnis nicht zustimmen werde, bis seine Forderungen erfüllt seien. Man werde den anderen NATO-Staaten – wenig diplomatisch – die «Scheinheiligkeit» gegenüber «Terrororganisationen» mit «Dokumenten, Informationen und Bildern» erklären.

Beim westlichen Verteidigungsbündnis gibt es das Prinzip der Einstimmigkeit. Sollte Erdogan weiter blockieren, könnten die beiden skandinavischen Länder nicht aufgenommen werden, was wiederum gravierende Auswirkungen hätte für das Bündsnis insgesamt und den Störenfried aus Ankara, der in vielerlei Hinsicht militärisch von guten Beziehungen zu den USA abhängt.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg trifft vor dem Gipfel der 30 Staatschefs in Madrid sowohl Schwedens Regierungschefin Magdalena Andersson, den finnischen Präsidenten Sauli Niinistö als auch Erdogan, um einen Kompromiss zu finden.

Der türkische Hinweis auf «Terrororganisationen» bezieht sich auf die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die syrische Kurdenmiliz YPG, dienach Erdogans Ansicht in Skandinavien zu sehr mit Samthandschuhen angefasst würden.




„Basar-Mentalität“ – Natürlich wird die Türkei dem NATO-Beitritt der Skandinavier zustimmen

Die Türkei hat mehrfach erklärt, dass sie einem NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands derzeit nicht zustimmen will. Das ist sicherheitspolitisch absurd, gleichzeitig aber nüchternes Kalkül Ankaras.

Was uns in Deutschland immer seltsam vorkommt ist, wenn andere Länder erst einmal ihre eigenen nationalen Interessen durchsetzen wollen, bevor sie in multinationalen Strukturen denken. Das war bei „America First!“ unter Trump so, und das ist jetzt auch bei Erdogan so.

Natürlich hat der nichts gegen Skandinavier. Und natürlich weiß er auch, dass Schweden und Finnland Musterdemokratien sind, die auch militärisch ein großer Gewinn für das westliche Bündnis wären, dem die Türkei angehört.

Und die Türkei möchte seit einiger Zeit weitere hochmoderne Kampfflugzeuge F-16 aus den USA kaufen. Doch nicht einmal das ist der entscheidende Faktor. In Wirklichkeit geht es um die Terrororganisation PKK – türkische Diktion. Gegen die PKK und die verbündete syrische YPG – in den USA und Europa nicht als Terrororganisation gelistet – geht die Türkei in Nordsyrien vor. Als Reaktion auf den türkischen Einmarsch dort 2019 hatten unter anderem Schweden, Finnland aber auch die Bundesregierung Rüstungsexporte in die Türkei teilweise gestoppt. Und jetzt hat Erdogan endlich einen Hebel, mit dem er die Daumenschrauben ansetzen kann.

«Ankara vermisst Solidarität unter den NATO-Partnern, wenn es um die PKK und die YPG geht, die sie als existenzielle Bedrohung sieht», sagte jetzt Mustafa Aydın, Professor für Internationale Beziehungen an der Kadir-Has-Universität, und er bringt es damit auf den Punkt. Aus türkischer Sicht hat man kein Verständnis dafür, dass Demonstranten auf schwedischen Plätzen PKK-Flaggen schwenken dürfen.

Sie werden einen Deal finden. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte gestern in einem Interview, Verhandlungen mit Erdogan seien immer von einer „Basar-Mentalität“ umweht. Und die Hoffnungen der unerschütterlichen Putin-Verteidiger, die Türkei werde sich auf Seiten Russlands schlagen, ist vollkommen absurd. So wie sich auch China und Indien nicht auf die Seite des Parias in Mosau schlagen. Sie kaufen billiges Erdgas, gern. Aber auch in Ankara, Peking und Neu Delhi weiß man genau, mit was für einem Staatskriminellen man es in Moskau heute zu tun hat.