„D-Day“ bei den Christdemokraten: Morgen entscheidet sich, wohin die Reise der CDU gehen wird

Der digitale Bundesparteitag der Christlich-Demokratischen Union (CDU) hat begonnen. Morgen Vormittag werden 1.001 Delegierte nach monatelangem Kampf, teilweise Schlammschlacht, darüber entscheiden, wer nach dem kurzen und über Strecken unglücklichen Zwischenspiel von Annegret Kramp-Karrenbauer die Kommandobrücke der einzig verbliebenen Volkpartei in Deutschland, übernimmt und in die Fußstapfen von Konrad Adenauer und Helmut Kohl tritt. Die Pasrteitagsregie – für den Fall, dass Sie einen der zahlreichen Livestreams nutzen wollen – sieht vor, dass die Vorstellungsreden der Kandidaten gegen 9.40 Uhr beginnen und das Ergebnis etwa um 11.30 Uhr vorliegt.

Den Namen Angela Merkel erwähne ich an dieser Stelle nicht, eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Frau, die das Gesicht der Union zur Unkenntlichkeit geschliffen und unser Land in seine schlimmsten Krisen geführt hat, hebe ich mir auf bis zu ihrem letzten Amtstag. Nur soviel schon jetzt: Es wird keine freundliche Würdigung sein, allerdings auch keine platte Generalabrechnung.

Auf jeden Fall ist die CDU auf ihrer Talfahrt abrupt gebremst worden und zu neuen Höhen aufgestiegen, als die Corona-Krise begann. Wer entscheidet, wo es lang geht und an wen das Geld verteilt wird, hat immer viele Freunde. CDU und CSU liegen zusammen derzeit in Umfragen bei 36 Prozent – mit weitem Abstand vor den zweitplatzierten Grünen. Gute Zahlen führen bei vielen Funktionären zu Übermut, die schon im vergangenen Jahr angesichts der abstürzenden Umfragewerte um ihre Mandate bangten. Jetzt ist alles wieder gut, Macht, Pöstchen und Fahrbereitschaft sind wieder nähergerückt – warum soll man da noch etwas ändern?

Vielleicht weil der politische Kurs zuletzt katastrophal schlecht war? Nur politische Romantiker wie ich denken so. Partei-Apparatschicks hoffen, dass das Virus noch ein bisschen wütet, weil dann der Höhenflug der Union wohlmöglich anhält. Aber nach dem Virus dürfte es ungemütlich werden, wenn analysiert wird, wer welche Fehlentscheidungen getroffen hat. Und wie viele Arbeitslose es gibt, wie viele Pleiten und vernichtete Existenzen.

Drei Kandidaten bewerben sich um den CDU-Vorsitz: Friedrich Merz, Armin Laschet (im Tandem mit Jens Spahn) und Norbert Röttgen. Und im Alpenvorland lauert noch der bayerische Löwe, manche sagen: das Mietzekätzchen: Markus Söder. Der will zwar nicht CDU-Chef werden aber Bundeskanzler, und nach Umfragen trauen ihm das viele Bürger auch nördlich des Weißwurstäquators durchaus zu.

Dürfte die Basis der CDU – immerhin noch mehr als 400.000, die die Merkel-Jahre durchgehalten haben – entscheiden, wäre Friedrich Merz der Erfolg kaum zu nehmen. Der Sauerländer ist ein brillanter Redner, weiß wie das politische Spiel geht, und hat eine sehr starke Kampagne hingelegt. Und vor allem: Er ist der Einzige der Herren, dessen Existenz nicht auf politischen Seilschaften und Staatspöstchen beruht. Merz ist der einzige wirtschaftlich unabhängige Kandidat. Norbert Röttgen, dessen Kandidatur zunächst niemand ernst genommen hat, wurde im Laufe der Zeit zu einem ernstzunehmenden Spieler. Mit markanten Aussagen zu Nawalny und North Stream 2 hat er auch bei konservativen Parteifreunden wie mir deutlich Punkte gemacht, um dann in der Migrationsfrage alles mit dem Hintern wieder einzureißen, als er forderte, ein paar Tausend Flüchtlinge aus dem Lager „Moria“ auf Lesbos in Deutschland aufzunehmen. Inzwischen scheint sicher, dass er einen Achtungserfolg erzielen wird, für ihn persönlich und seine politische Zukunft hat sich die anfangs belächelte Kandidatur jedenfalls gelohnt. So wie 2018 bei Jens Spahn, der im Rennen gegen AKK und Merz verlor, aber deutlich an Statur gewonnen hatte. Kandidat der Herzen sozusagen.

Morgen Vormittag wird entschieden – hop oder top. Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass a) keiner der drei Bewerber im ersten Wahlgang eine Mehrheit erreichen wird. Und b) dass die Stichwahl zwischen Friedrich Merz, dem Hoffnungsträger für Konservative und Wirtschaftsliberale, und Armin Laschet, dem treusten Vasallen Angela Merkels auch bei ihren zahlreichen unglücklichen Entscheidungen, fallen wird. In den vergangenen Tagen bekunden viele Kreisverbände und Vereinigungen ihre Unterstützung für Merz. Aber was nützt eine Mehrheit beim örtlichen Kreisparteitag, wenn die drei Delegierten beim Bundesparteitag Laschet wählen?

Der RCDS in Kassel, also die Studentenorganisation der Union, hat seine Mitglieder zu ihrer persönlichen Präferenz für die drei Kandidaten befragt. Das Ergebnis: 84 % für Merz, 16 für Röttgen und sage und schreibe null Stimmen für Laschet. Null! Auch Bundestagspräsident und Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble, der große alte Mann der CDU, hat sich gestern öffentlich für Friedrich Merz ausgesprochen. Bundestagsabgeordnete wie Sylvia Pantel, die Sprecherin des konservativen Berliner Kreises in der Bundestagsfraktion, oder Jungstar Philipp Amthor  haben sich pro Merz ausgesprochen. Die Junge Union Deutschlands in einer breit angelegten Mitgliederbefragung – klar für Merz. Auch da lag Röttgen auf Platz 2 vor dem NRW-Ministerpräsidenten Laschet. Und das macht diese CDU 2.0 so einzigartig: dass sie wahrscheinlich dennoch Laschet wählen werden. Weil ein großer Teil der Nutznießer des Merkel-Systems weiter auf dem warem Sofa vor sich hindämmern möchten, anstatt sich damit auseinanderzusetzen, was hier in dieser Gesellschaft gerade los ist.

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