Erbitterter Kampf um die Macht in der AfD: „Jetzt ist das Endspiel!“

Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen sprach gestern auf dem Bundeskonvent im sächsischen Lommatzsch von einer „vitalen Streitkultur“ in seiner Partei. Damit bewies Meuthen, dass er wirklich einen ausgeprägten Humor besitzt. Die Wahrheit ist, dass in der AfD ein erbitterter Kampf tobt, der das bisher so erfolgreiche Projekt AfD zum endgültigen Scheitern treiben kann.

Aktuell ging und geht es natürlich um die Causa Kalbitz, also den vom Bundesvorstand jüngst aus der Partei ausgeschlossenen brandenburgischen Parteichef. Am Freitag hatte das Landgericht Berlin die Aufhebung von Kalbitz’ Mitgliedschaft durch den Bundesvorstand für unzulässig erklärt. In den Flügel-Hochburgen der Partei, also da, wo sich der „rechte Narrensaum“ (O-Ton Beatrix von Storch) der AfD organisiert, knallten die Sektkorken.

Doch entschieden ist überhaupt nichts, außer das eine offenbar wachsende Zahl an Mitgliedern und Abgeordneten die Nase voll vom Intrigenspiel um die Macht in der Partei haben. Jemand aus der AfD-Bundestagsfraktion sagte mir heute am Telefon: „Es ist das entscheidende Gefecht um das Überleben der AfD. Es gibt jetzt keine Regeln und keine Zurückhaltung mehr.“ Das dachte sich wohl auch der notorisch als Flügel-naher Unruhestifter geltende niedersächsische Bundestagsabgeordnete Armin-Paul Hampel. Er warf Meuthen auf dem Bundeskonvent vor, die Spaltung der Partei zu betreiben und stellte – zusammen mit anderen – einen Antrag, der das Ende der politischen Karriere Meuthens einläuten sollte. Vergebens! Mit 27 zu 23 Stimmen versammelte sich die Mehrheit – in einer geheimen Abstimmung!!! – hinter ihrem Parteichef. Ein Sieg für Meuthen, schon. Aber stellen Sie sich vor, nur drei Delegierte hätten anders abgestimmt – das hätte in der Partei und der Anhängerschaft ein politisches Erdbeben ausgelöst.

Immerhin: Teilnehmer des Treffens versicherten mir übereinstimmend, dass Jörg Meuthen nicht nur kämpft, sondern die politische Richtungsentscheidung erzwingen und gewinnen will. Ein Delegierter sagt mir: „Der Fall Kalbitz ist das Endspiel.“ Eine endgültige Rückkehr des Flügel-Anführers Kalbitz in die Mitte der Partei werde die AfD zerreißen: „Dann werden die bürgerlichen Leute in Scharen diesen Laden verlassen.“

Vom zweiten Bundessprecher Tino Chrupalla wird übrigens berichtet, dass er auf dem Konvent offen eingeräumt habe: Wenn Kalbitz tatsächlich Mitglied der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) gewesen sei, dann habe er in der AfD keinen Platz mehr. Das ist bemerkenswert, hatte Chrupalla im Bundesvorstand noch gegen den Ausschluss von Kalbitz gestimmt. Der bestreitet nach wie vor, er habe der HDJ – laut Meuten „eindeutig eine neo-nazistische Organisation“ – nicht angehört, sondern sei allenfalls als Interessent geführt worden. Kann man glauben oder nicht. Möglicherweise ist das der entscheidende Punkt in der ganzen Auseinandersetzung. War er dabei oder war er nicht?

Es gibt viele Facetten in dieser erbitterten Auseinandersetzung, die es wert sind, beleuchtet zu werden. So etwa die Rolle der Fraktionschefin Alice Weidel, die von vielen Anhängern der Partei nach wie vor als „bürgerlich“ angesehen wird. Mitglieder der Bundestagsfraktion zeichnen ein ganz anderes Bild von einer kalt kalkulierenden Anführerin, die „sich mit dem Flügel ins Bett gelegt“ habe.

Als sei das alles nicht schlimm genug, könnte es noch übler werden. Unter Hauptstadtjournalisten zirkulieren Screenshots aus eine internen Diskussionsgruppe in Sachsen, in der Teilnehmer dafür werben, Waffen und Munition zu horten und ein „sicheres Haus“ in einem kleinen 400-Seelen-Dorf in Sachsen zu beziehen. So könne man sich auf die entscheidende Schlacht mit den Fremden im eigenen Land vorbereiten. O-Ton: „Es reicht nicht, mal zwei Somalier zu erschießen.“ Einer in der Gruppe schlägt vor, Mietshäuser für Asylbewerber anzukaufen, damit man wisse, wo die alle seien, wenn der letzte Kampf beginne. Es finden sich auch Bilder von mehreren Männern in Bundeswehruniformen, die sich angeblich aus rechten Burschenschaften kennen. Ein Name ist dort in Umlauf – der sich auch an anderer Stelle wiederfindet. Es handelt sich dabei um einen Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Münzenmaier.  Der ist nicht nur Politiker, sondern auch das, was man schillernde Figur nennt.

Der Abgeordnete, Vorsitzender des Touristikausschusses des Deutschen Bundestags, wurde im Dezember 2018 vom Landgericht Mainz zu einer Geldstrafe in Höhe von 16.200 Euro wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung verurteilt. Es war ein Berufungsverfahren, denn zuvor war Münzenmaier vom Amtsgericht Mainz zu sechs Monaten Gefängnis auf Bewährung (drei Jahre) verurteit worden. Er soll 2012 direkt an einen Angriff von Hooligans aus Kaiserslautern auf Fans von Mainz 05 – darunter Frauen und Kinder – beteiligt gewesen sein. Was er bestreitet. Allerdings hatte die Polizei kurz nach der Tat seine Wohnung durchsucht und dabei Teleskopschlagstock, Sturmhaube und Fotos von vermummten Hooligans mit gegnerischen Fan-Utensilien gefunden. Sebastian Münzenmaier ist nicht nur einfacher Abgeordneter der AfD, er ist stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion und stellvertretender Vorsitzender der AfD in Rheinland-Pfalz.