Was wir aus dem gestrigen Wahlabend lernen können

Die Landtagswahl im Saarland hat uns allen überraschende Erkenntnisse gebracht.

Demoskopen Noch am Freitag flatterte eine Agenturmeldung mit der Überschrift „Kopf-an-Kopf-Rennen im Saarland“ in unsere Redaktion. Bei der ersten Trendmeldung um 18.01 Uhr gestern lag die CDU fast zwölf Prozent vor der SPD. Kopf an Kopf sieht anders aus.

Volksparteien Die Binsenweisheit, dass Wahlen immer in der Mitte gewonnen werden, bewahrheitete sich gestern Abend besonders deutlich. Hatten wir uns in den vergangenen zwei Jahren daran gewöhnt, dass vorrangig die AfD Nichtwähler in großer Zahl zu mobilisieren versteht, so war es gestern die CDU, die abgewanderte Wähler in Scharen zurückholte. Auf Platz zwei: die SPD. Das Ende der „Systemparteien“, von manchen Aktivisten an den Rändern herbeigesehnt, ist mal wieder abgesagt.

RechtsLinks Die starke Mobilisierung der Unions-Wähler im Saarland wird darauf zurückgeführt, dass selbst bürgerliche Wähler, die mit ihrer Partei aus anderen Gründen hadern, keine „DDR light“ im kleinsten Flächenland wollten, also eine Beteiligung der SED-Nachfolgepartei an der Regierung. Diese reale Gefahr, dass es eine Mehrheit aus SPD und Linke geben könnte, brachte viele Menschen zurück ins Wahllokal. Und das mäßige Abschneiden der AfD an der Saar ist ohne Zweifel dem langen innerparteilischen Streit dort und den „Kontakten“ mit dubiosen Rechtsaußen geschuldet. Das Wahlvolk will keinen Streit und keine Radikalen. Gruß an dieser Stelle an Herrn Höcke!

Grüne Die Öko-Partei ist im Saarland aus dem zweiten Landtag geflogen, und das ist auch gut so. Zu weit weg von der Lebenswirklichkeit der Bürger, zu besserwisserisch, zu abgehoben. Das braucht kein Mensch.

Annegret Die Wahlsiegerin in Saarbrücken heißt Annegret Kramp-Karrenbauer, eine Landesmutter, die so gar nicht mütterlich daherkommt, aber offensichtlich die Herzen vieler Menschen an der Sahr erwärmt hat. Klug, eloquent, schlagfertig schaffte sie, was kaum einer für möglich gehalten hat: einen beeindruckenden Wahlsieg, den man so nicht einmal im Adenaer-Haus in Berlin erträumt hatte. Und im Superwahljahr 2017 hat sie die angeschlagene Kanzlerin und Parteivorsitzende Angela Merkel zurück ins Spiel gebracht. Und sich selbst natürlich, denn Kramp-Karrenbauer gehört seit gestern Abend zur A-Liga ambitionierter Unions-Politiker. Eine, die frisch daherkommt, eine für die Zukunft.




Es tut sich was bei der SPD: Der nächste Hoffnungsträger ist unterwegs

Martin Schulz tritt an, Sigmar Gabriel tritt zurück in die zweite Reihe. Leicht wird dem Alpha-Männchen aus Goslar dieser Schritt nicht gefallen sein. Doch immerhin eröffnet er seiner traditionsreichen SPD damit wenigstens wieder eine kleine Machtperspektive.

Wenn ich so überlege, was dafür sprechen könnte, im September die SPD zu wählen, fällt mir, ehrlich gesagt…nichts ein. Das klingt abwertender, als es gemeint ist, aber die Sozialdemokraten haben in der aktuellen Legislaturperiode alles durchgesetzt, was sie wollten. Andrea Nahles baut die Arbeitswelt um, Manuela Schwesig erledigt die Familien und Heiko Maaß fördert das Denunziantentum im Lande nach Kräften. Alles nicht schön, aber hat immerhin etwas mit Politik zu tun.

Die Union hatte nur ein wichtiges Ziel, dass es durchzusetzen galt, und das hat sie auch erreicht. Angela Merkel wurde wieder Kanzlerin. Punkt. Mit ihrer Entscheidung im Herbst 2015, den Schutz deutsche2 Grenzen aufzugeben, hat sie sich zudem ein einzigartiges persönliches Denkmal für die deutschen Geschichtsbücher geschaffen. Allerdings, wie ich glaube, kein positives.

Rot-Rot-Grün ist eine Machtperspektive für Martin Schulz. Die Zahlen geben bisher keine Mehrheit her, aber es ist völlig offen, was die nächsten Monate bringen werden. Setzt die AfD ihren Höhenflug fort? Gut möglich, aber keineswegs sicher. Lasst Björn Höcke noch zwei, drei Mal öffentlich über das Dritte Reich und seine Folgen schwadronieren, ist mancher bürgerliche Wähler auch schnell wieder weg, der die etablierten Parteien auch nicht mehr ertragen mag.




Berlin-Steglitz, wo man den Kampf gegen Extremismus ernst nimmt…

Abseits von der großen Politik gibt es auch erstaunliche Vorgänge in der kleinen Politik, die einer Betrachtung würdig sind. Zum Beispiel im Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf. Dort war die umstrittene Franziska Drohsel vergangene Woche gescheitert, als sie sich für die SPD um die Position einer Bezirksstadträtin bewarb. Drohsel, Drohsel…da war doch was… Ja, die gebürtige Berlinerin war mal Bundesvorsitzende der Jusos, der Jugendorganisation der SPD. Das ist aber nicht der einzige Verein, in dem sie sich engagiert, sondern zum Beispiel auch in der linksextremen „Gefangenenhilfsorganisation Rote Hilfe“, die sich um Unterstützung und Weißwaschung von Linksradikalen aller Art verdient macht, denen Straftaten vorgeworfen werden. Die übrigens auch vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Und weil Bundesjustizminister Heiko Maas (auch SPD) ja immer wieder eindringlich mahnt, Extremisten in unserer Gesellschaft keine Chance zu geben, fasste sich Torsten Hippe, Fraktionsvorsitzender der CDU in der Bezirksverordnetenvertretung (BVV), ein Herz. Er organisierte eine Mehrheit aus CDU, FDP und AfD (und zwei weitere unbekannte Stimmen aus dem linken Lager) gegen Frau Drohsel, nicht ohne vorher noch klarzustellen, dass die SPD-Kandidatin ein „Sicherheitsrisiko“ sei und „für ein Staatsamt ungeeignet“.

Dass es sowas heute noch gibt und ausgerechnet in der Metropole Berlin… Der Herr Hippe traut sich was, und wahrscheinlich muss er nun mit dem Schlimmsten rechnen, zum Beispiel einem Anruf von Generalsekretär Peter Tauber. Aber wenn es gegen Extremismus geht, und Linkspopulisten gehören nun einmal dazu, müssen alle zusammenstehen. Frau Drohsel hat gestern Abend ihre Kandidatur endgültig zurückgezogen. Am 14. Dezember wird nochmal gewählt…




Jetzt wächst zusammen, was leider inzwischen zusammen gehört

Wundert das jemanden? In der ARD-Sendung von Frau Maischberger spricht sich Deutschlands populärster Grüner, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, für eine erneute Kanzlerkandidatur Angela Merkels aus. Die ist aber von der CDU. Es gab Zeiten, da hätte es in beiden Parteien nach so einer Aussage einen Aufschrei gegeben. Heute nicht mehr. Nun wächst zusammen, was zusammen gehört. Die Union, die über Jahrzehnte die Geschicke der Bundesrepublik bestens geführt hat, ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Ihr Programm heißt Angela…und sonst ist da nichts mehr, seit die Partei im Zuge ihrer dümmlichen Modernisierungs-Bemühungen fast jeden politischen Schwachsinn der Öko-Partei kampflos übernommen hat. Warum also sollen Schwarze und Grüne nächstes Jahr nicht koalieren? Vielleicht – rechnerisch wird es allein nicht reichen – steigt die SPD auch noch mit ins Koalitionsboot, um Merkel im Amt zu halten. Und die FDP? Frau Wagenknecht von der Linken? Ja, sie würden alle mitmachen, da habe ich keinen Zweifel. Und auf diese Weise schaffen sie gleichzeitig ein gigantisches Konjunkturprogramm… für die AfD.




Das große Rätselraten im Revier: Wie geht es weiter mit Frau Hinz von der SPD?

Seit mehr als zwei Wochen ist die SPD-Bundestagsabgeordnete Petra Hinz aus Essen in aller Munde. Da wurde durch einen anonymen Brief an mehrere regionalen und überregionalen Medien bekannt, dass die 54-jährige Politikerin die Öffentlichkeit und ihre Partei über ihren Lebensweg belogen hat. Anders als behauptet hat sie niemals Abitur gemacht und demzufolge auch kein Hochschulstudium der Rechtswissenschaften. Man habe wohl mal Gerüchte gehört, aber niemals ernsthaft nachgefragt, bekannten altgediente Genossen aus der Ruhr-SPD gegenüber Journalisten.Jetzt hat Hinz, nachdem sie sich beim Bundestagspräsidenten krank gemeldet hat, ihre Parteiämter im Unterbezirk Essen und im Ortsverein Frohnhausen niedergelegt. Was sie nicht niedergelegt hat, ist ihr Bundestagsmandat, obwohl die Bundestagsverwaltung noch Termine für ein Gespräch mit Bundestagspräsident Norbert Lammert angeboten hatte. Nun ist Frau Hinz über den 31. Juli hinausgekommen, das heißt praktisch: ihre Diäten für den Monat August von 9.300 Euro sowie die monatliche Aufwandspauschale von 4.300 Euro hat sie wahrscheinlich sicher. Da sie krank gemeldet ist und sich derzeit in stationärer psychiatrischer Behandlung befindet, darf man wohl davon ausgehen, dass die gleichen Zahlungen auch noch für September anfallen werden. Telefonate nimmt sie nicht an, aber Frau Hinz hat sich inzwischen per Mail bei Ihrer Essener Partei gemeldet. Sie werde sich demnächst öffentlichen äußern… Wundert sich noch jemand, dass Politiker im Ansehen der Bevölkerung nie zuvor erreichte Negativwerte in Umfragen erhalten?




Sigmar Gabriel hat es doch ganz gut gemacht

Wieso sind eigentlich drei Viertel aller Stimmen ein schlechtes Ergebnis? Eine Watsche? Mir sind Politiker nicht dann suspekt, wenn sie Gegenwind bekommen, sondern mir kommt es merkwürdig vor, wenn Politiker von allen geliebt werden. Das war schon früher so. Ich erinnere mich an eine CDU-Versammlung, Stadtverband, vor über 30 Jahren. Es war Vorstandswahl, und der wiedergewählte Vorsitzende erhielt 101 Stimmen von den 102 Answesenden. Und mein spontaner Gedanke war: Mit dem stimmt etwas nicht. Ein Politiker muss gestalten, muss Standpunkte vertreten und Widerstand aushalten. Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt, der vor wenigen Wochen gestorben ist, hat diese Erfahrung gemacht. Als Erfinder des NATO-Doppelbeschlusses von der eigenen Partei, der SPD, bedrängt und beschimpft. Unvergessen das Foto vom Parteitag, wo neben dem einsamen Kanzler noch ganze 12 Genossen mit trotzig emporgereckter Stimmkarte seiner Nachrüstungspolitik zustimmten. Die Geschichte hat Schmidt recht gegeben, und in den vergangenen Jahren lag ihm seine Partei, ja ein Großteil der Bevölkerung zu Füßen. Ein Elder Statesman, dessen Rat immer gefragt war. Bis zum Lebensende.

Nun ist Sigmar Gabriel nicht Helmut Schmidt, und ob er jemals Bundeskanzler wird, ist noch längst nicht entschieden. Aber man muss konstatieren, dass Gabriel deutlich an politischer Statur gewonnen hat. Er führt die SPD und hält den Laden zusammen. Schon vergessen, wie es vorher war? Engholm, Scharping, Platzeck, Beck? Dazwischen mal ein kleiner Putsch vom Oskar, der dann später eine andere Partei mitbegründet hat, um seine frühere SPD zu ärgern. Nein, unter Gabriel ist die SPD zur Ruhe gekommen, sie regiert im Bund mit und ist in vielen Bundesländern und den meisten Großstädten die führende Partei, auch wenn sie in Umfragen bundesweit bei 25 Prozent stagniert. Gabriel hat heute eine gute Rede gehalten, die weitgehend frei von ideologischem BlaBla blieb und sich an sachlichen Notwendigkeiten orientierte – sein Ja zu TTIP und zur Vorratsdatenspeicherung gehören dazu. Er hat der Versuchung widerstanden, seiner Partei, in der sich viele Mitglieder und Funktionäre wieder mehr linke Wohlfühl-Romantik wünschen, nach dem Mund zu reden. Dafür haben ihm einige einen Denkzettel verpasst. Na und?




Werfen wir einen Blick auf die SPD

Die Sozialdemokraten in Deutschland haben unser Land mitgeprägt – im Guten wie im Schlechten. Als ich im zarten Alter von 16 Jahren begann, mich für Politik zu interessieren, war ich davon überzeugt, die SPD werde Deutschland „den Russen“ ausliefern. Die von Brandt, Bahr und Wehner betriebene Öffnung nach Osten schien mir ein katastrophaler Fehler zu sein. Heute weiß ich es besser und leiste Abbitte. Brandts Kniefall in Warschau im Dezember 1970 war richtig – eine angemessene Demutsgeste, die unserem Land viel neues Ansehen in aller Welt verschafft hat. Und seine Ostpolitik gehörte zu den vielen Mosaiksteinen, die dazu führten, dass knapp 20 Jahre später das SED-Unrechtsregime im unfreien Teil Deutschlands zusammenbrach und die Einheit ihre historische Chance bekam. Ich habe im Laufe der Jahre etwas gelernt, was heute vielen meiner Landsleute abhandengekommen ist: die Erkenntnis, dass es in der Politik nicht nur Schwarz und Weiß gibt, sondern hauptsächlich ganz viele Grautöne.

„Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht“, rief der Reichstagsabgeordnete Otto Wels am 23. März 1933 in das weitgehend gleichgeschaltete deutsche Parlament. Ein letztes Aufbäumen des demokratisch gesinnten Deutschland gegen den braunen Wahnsinn, der gerade begonnen hatte. Oder denken Sie an den legendären Berliner Bürgermeister Ernst Reuter und seinen leidenschaftlichen Appell an die „Völker der Welt“, die Stadt Berlin nicht der sowjetischen Unfreiheit preiszugeben. Was für herausragende Politiker hat diese Partei für unser Land hervorgebracht.

Und heute? Die SPD sitzt mit an Merkels Kabinettstisch in Berlin. Sie regiert in den meisten Bundesländern und fast alle deutschen Großstädte. Niemals zuvor war der Sozialdemokratismus so präsent wie in dieser Zeit, und fast alle machen mit. Und dennoch – das zeigt eine aktuelle Umfrage – verharrt die Partei bei 23 Prozent – kaum mehr als halb so viel Zustimmung wie die Union im Land genießt. Wie das zu erklären ist, sollen und werden Politologen und Historiker einst analysieren. Ich glaube, es liegt daran, dass sich in der SPD immer ein latenter Unwillen zeigt, in der bürgerlichen Mitte zu bleiben, also da, wo Gerhard Schröder sie zuletzt erfolgreich hingeführt hatte. Immer gibt es diese Ausreißer nach ganz links. Den Familien, die Krippenplätze wünschen, welche zur Verfügung zu stellen, reicht nicht. Man schwadroniert über eine Krippenpflicht für alle, man will die Hoheit über den Kinderbetten. Eine Sexualerziehung in den Schulen, die Kindern Toleranz beibringt, reicht nicht. Man will mit aberwitzigen Bildungsplänen Kinder zur Akzeptanz anderer Lebensstile zwingen. Und jetzt Thüringen. Die Partei, die in Ostdeutschland unter den Kommunisten gelitten hat, wie keine andere, gibt sich anscheinend als Steigbügelhalter für die Wahl des ersten Ministerpräsidenten aus den Reihen des SED-Rechtsnachfolgers namens „Die Linke“ her. Warum machen die das? Ein Hang zur Selbstzerstörung? Ich kann es nicht verstehen. Ist es in der Mitte so langweilig? 12 Prozent hatten die Sozialdemokraten jüngst noch bei der Landtagswahl in Thüringen. So, wie es aussieht, werden es beim nächsten Mal weniger sein.