Komm‘ heil nach Hause, Kollege Ronzheimer!

Eben habe ich mir das aktuelle Video von Paul Ronzheimer aus der heftig umkämpften ukrainischen Stadt Bachmut angeschaut. Und ich bange darum, dass er lebend irgendwann wieder nach Deutschland zurückkehren wird.

In Bachmut tobt in diesen Tagen die blutigste und verlustreichste Schlacht in der Ukraine. Russische Söldner der berüchtigten Organisation Wagner kämpfen sich Straßenzug um Straßenzug voran. Die ukrainischen Verteidiger halten die Stellung, aber die Lage wird zunehmend brenzliger für sie.

Bachmut ist von zentraler Bedeutung für den russischen Vormarsch. Würde die Stadt fallen, hätten die russischen Invasoren praktisch die Kontrolle über den Donbass erobert, ein Ziel, das Kriegsherr Wladimir Putin in seinem gemütlichen  Sessel im weit entfernten Moskau seinen russischen Landsleuten gern zum Jahrestag des Einmarsches am 24. Februar präsentieren will.

Und mittendrin der deutsche Reporter Paul Ronzheimer, geboren im ostfriesischen Aurich, stellvertretender Chefredakteur der BILD-Zeitung und seit Kriegsbeginn „mittendrin statt nur dabei“. Schon im Sommer vergangenen Jahres geriet der 37-Jährige, der bei der Emdener Zeitung als junger Journalist den Beruf gelernt hat, unter Beschuss durch russische Truppen. Gott sei dank blieb er unverletzt.

Warum wird man Kriegsreporter, habe ich mich vorhin gefragt, als ich Ronzheimers Video aus diesem Keller in Bachmut zuschaute, inmitten anderer Menschen, die Schutz suchen vor dem Wahnsinn dieses mörderischen Angriffskrieges. Frauen sind dort und kleine Kinder krabbeln auf dem Boden herum, während die russischen Söldner Schritt für Schritt, Straße für Straße, näherrücken.

Ronzheimer weiß, auf was er sich einlässt

Er weiß, dass ihn seine Arbeit für uns hier draußen, das Leben kosten kann. Schon seit zehn Jahren ist er unterwegs in Kriegen, hat aus Libyen und Syrien, dem Irak und Afghanistan berichtet. Sein früherer Chef bei der BILD war Julian Reichelt, Sie kennen ihn alle. Auch er hat als Kriegsberichterstatter gearbeitet. Afghanistan, Georgien, Libyen, Irak, Sudan, Libanon waren seine Stationen.

Warum macht man so etwas? Ist es das Geld? Oder der Ruhm, ein Ausnahmejournalist zu sein, der dort hingeht, wo es wehtut, wo man beim Einschlafen nachts nicht sicher sein kann, ob man morgens noch lebt?

Ich bin auch leidenschaftlich Journalist, habe in den vergangenen fast schon 50 Jahren Dinge gesehen und erlebt, die wirklich nicht jeder erlebt. Aber niemals würde ich mich auch nur ansatzweise mit diesen Kollegen vergleichen, die mit einem Rucksack in den Flieger steigen und nicht wissen, ob sie jemals zurückkehren werden nach Hause.

Egal, wie der Wahnsinn in der Ukraine ausgeht: Komm‘ heil nach Hause, Kollege Ronzheimer!




Gaulands „Friedensplan“ scheitert am Widerstand in der AfD-Bundestagsfraktion

Der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland hat am Dienstag in der eigenen Bundestagsfraktion ein heftige Schlappe kassiert. Und das ist auch gut so.

Dort präsentierte der Elder Statesman seinen „Friedensplan“ für die Ukraine, den er eigentlich gestern im Bundestag hatte vorstellen wollen. Doch daraus wurde nichts, weil sich im Zuge der hitzigen Debatte immer mehr Abgeordnete, auch von den sonst eher unaufgeregten, zu Wort meldeten und Gauland und die Fraktionsführung Chrupalla/Weidel – meine Worte – fragten, ob sie noch alle Latten auf dem Zaun haben.

Nach Informationen des linken Journalistennetzwerks „Correktiv“ seien in der Debatte von Parlamentarieren Worte wie „hündische Unterwerfung“ und „Speichelleckerei“ gefallen.

Gaulands Papier, was bei „Correktiv“ im Wortlaut vorliegt, ist ein Musterbeispiel dafür, warum alle anderen Parteien immer wieder gute Gründe frei Haus geliefert bekommen, mit der AfD nicht kooperieren zu können.

So schlug Gauland vor, das klingt erst einmal diskutabel, die russische Armee solle sich aus dem ukrainischen Staatsgebiet zurückziehen. Und die Vereinten Nationen sollen die Verwaltung der ukrainischen Provinzen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson übernehmen. Für eine Übergangszeit im Tausch gegen einen Waffenstillstand zumindest ein praktikabler Vorschlag.

Doch dann geht es richtig ab

Der Westen solle die Sanktionen gegen den Aggressor Russland einstellen und die Waffenhilfe für die Ukraine „schrittweise reduzieren“. Und – völlig unannehmbar –  die widerrehtlich annektierte Krim soll als integraler Bestandteil der Russischen Föderation anerkannt werden. An diesem Punkt, so berichten mir Teilnehmer der Fraktionssitzung, explodierte die Debatte. Das Völkerrecht abschaffen und durch das Recht des Stärkeren zu ersetzen, das wollten viele in der AfD-Fraktion nicht mitmachen. Die Diskussion wurde lauter, und – so wurde mit berichtet – auch Gauland wurde gegenüber einzelnen Abgeordneten persönlich und laut.

Natürlich sieht Gaulands Plan vor, dass die Ukraine keine NATO-Mitgliedschaft erhalten soll und die USA keine Garantie- und Schutzmacht für die Ukraine werde. Ami go home von rechts.

Als immer mehr Abgeordnete das Wort ergriffen und gegen Gaulands Unterwerfungsplan für die Ukraine redeten, dämmerte den „Moskowitern“ (AfD-Schnack)  wohl, dass eine Abstimmung mit einer Ablehnung des Papiers hätte enden können. Und so fing Alice Weidel das Thema geschickt mit der Bemerkung ein, man müsse da die Details noch einmal betrachten und überarbeiten.

Die Entscheidung über den Friedensplan wurde vertagt.

 

 




Putins Albtraum

Für ein paar Stunden war der ukrainische Ministerpräsident Wolodymyr Selenskyj heute in Washington und begeisterte sowohl seine Gastgeber im Weißen Haus als auch die Mitglieder des Senats mit einer mitreissenden Rede.

„Ihr Geld ist keine Wohltätigkeit, es ist eine Investition in die globale Sicherheit und Demokratie, mit der wir auf höchst verantwortungsvolle Weise umgehen“, sagte Selenskyj, der immer wieder von lautem Beifall unterbrochen wurde. Der Präsident weiter:

„Die Ukraine hat die amerikanischen Soldaten nie gebeten, an unserer Stelle auf unserem Land zu kämpfen. Ich versichere Ihnen, dass ukrainische Soldaten amerikanische Panzer und Flugzeuge perfekt selbst bedienen können.“

Wir immer wieder seit Beginn des russischen Angriffskrieges am 24. Februar kommt mir der Gedanke in den Kopf: Dieser Mann ist für Putin ein absoluter Albtraum. Schon am Kriegstag 1, als Selenskyj mit seinen Kabinettsmitgliedern in den Straßen von Kiew unterwegs war und in eine Kamera die Botschaft für seine Bevölkerung sprach, dass er nicht – wie russische Propagandamedien vorher verbreiteten – das Land verlassen und sich in Sicherheit gebracht habe. „Ich bin hier, wir alle sind hier, um gemeinsam mit Euch unser Land zu verteidigen…“

Was für ein starker Auftritt, was für eine klare Botschaft. Der „Man of the Year“ des Time Magazins ist ein Anführer, wie man ihn sich für diesen verzweifelten Kampf ums Überleben nicht besser vorstellen kann. Seit Kriegsbeginn vor 302 Tagen hat er sein Land nie verlassen. Zum mächtigen Verbündeten USA wagte er die kurze Reise – in einem Flugzeug der Amis. Jetzt am Abend wird er wieder auf der Kommandobrücke in Kiew stehen und den Widerstand gegen den russischen Aggressor anführen.

„Einst wird man Selenskyj mit Churchill vergleichen“, schrieb heute Vormittag jemand auf Facebook. Gut möglich, dass das so kommen wird…

 




Linke mit hellem Moment

«Wir bekennen uns zum Selbstverteidigungsrecht der Ukraine und fordern die volle Wiederherstellung der ukrainischen Souveränität.»

So einfach, zu fornulieren, was eigentlich für jeden Menschen, der halbwegs bei Verstand ist, vollkommen normal sein sollte.

Dass es ausgerechnet die frühere SED, jetzt Linke, ist, die dazu fähig ist, so einen einfachen Satz zu formulieren, während man bei der AfD weiter herumeiert, ist  traurig. Insbesondere, weil es genau diese Dinge sind, die den etablierten (Alt-)Parteien in Deutschland immer wieder Gründe geben, mit der AfD nicht einmal zu reden.




Herr Precht hat es bemerkt

Der Philosoph und Buchautor Richard David Precht gibt zu, sich geirrt zu haben. «Wir wissen jetzt erst, wie unglaublich stark die ukrainische Armee von Anfang an gewesen ist, bevor die Waffenlieferungen kamen», sagte er jetzt in einem Interview. «Insofern bin ich natürlich von einer Fehlannahme ausgegangen, dass es sich nicht lohnt, sich zu verteidigen, wenn der Krieg in ein, zwei Wochen verloren ist. Man kann sehen, wie man sich täuschen kann.»

Ja, das kann man sehen, lieber Herr Precht. Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, hätten sich die russischen Truppen wie im Selbstbedienungsladen am Nachbarland bedient, an deren Waschmaschinen, Fernsehern und Frauen. Sie hätten die Regierung in Kiew gestürzt, irgendeinen Reichsprotektor, oder wie das bei den Russen heißt, eingesetzt und davon geträumt, dass nun die Sowjetunion wiederersteht. Aber all das ist nicht passiert, und all das wird auch in Zukunft nicht passieren.

Weil die Ukraine stark ist. Weil die Ukrainer – im wahrsten Sinne des Wortes – ums Verrecken nicht unter Putins Herrschaft leben wollen. So wie es auch all die Maulhelden hierzulande nicht wollen würden. Und weil der Westen, allen voran die USA und Großbritannien, inzwischen aber alle, den Freiheitswillen der Ukrainer massiv unterstützen mit Geld, Ausbildung und Waffen.

Putin wird diesen Krieg verlieren, und das ist gut so. Ich schreibe bewusst nicht Russland, denn jeder kann sehen, dass Hunderttausende Russen seit dem Angriff auf die Ukraine ihr Land verlassen haben. Wir alle wollen in Frieden mit Russland leben, wir wollen Handel treiben, Gas und Öl kaufen, meinetwegen durch die zu reparierenden Nord Stream-Rohre. Aber wir wollen nicht abhängig sein von einem menschenverachtenden Verbrecher im Kreml.

Russland hat es in der Hand, Putins Umfeld, die geheimdienste, die Armee, die Oligarchen. Sie sind die Einzigen, die jetzt das Zerstören, Morden und Vergewaltigen schnell beenden können. Aber so lange sie es laufen lassen mit ihrem Führer muss und wird der Westen die Ukraine in ihrem Freiheitskampf unterstützen. Nun auch mit Herrn Precht an der Seite.




FAKE NEWS AKTUELL…jetzt kommt die „schmutzige Bombe“ der Ukraine

Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat seine Kollegen Sébastien Lecornu (Frankreich), Ben Wallace (Großbritannien) und Hulusi Akar (Türkei) angerufen. Schoigu wollte seiner Besorgnis Ausdruck verleihen, dass Kiew plane, eine sogenannte „schmutzige Bombe“ auf eigenem ukrainischen Staatsgebiet zu zünden, und das dann den Russen in die Schuhe zu schieben, um die international weiter zu diskreditieren.

Von Wallace wurde anschließend bekannt, dass er diese Räuberpistole am Telefon direkt zurückgewiesen und den Verdacht geäußert habe, Russland streue solche Gerüchte, um sie für eine weitere Eskalation seiner Angriffe auf Städte in der Ukraine zu benutzen.

Ein kleiner Teil der deutschen Bevölkerung ist ja inzwischen bereit, wirklich alles zu glauben, was irgendwie gegen unser eigenes Land, die EU, die Amerikaner oder was im Westen auch immer gerichtet ist. Und der Kriegsverbrecher Putin ist ein Ehrenmann oder so.

So war es ja auch beim Anschlag auf die beiden Nord Stream Pipelines in der Ostsee vor einigen Tagen. Obwohl  es bisher nicht den geringsten Beweis gibt, wer dahinter steckt, wissen manche ganz genau, dass es die Amerikaner gewesen sind. Einfach weil das so schön ins eigene Weltbild passt. Die Mär von der angeblichen Bekämpfung ukrainischer „Faschisten“, der Schwachsinn, dass Russland von der NATO bedroht wird, und jetzt die Vorbereitung eines Einsatzes von ein oder mehreren schmutzigen Bomben, die deshalb schmutzig genannt werden, weil sie radioaktiven Abfall enthalten und Gebiete dauerhaft nuklear verseuchen können. Sollte so ein Ding demnächst in Kiew explodieren, dann waren es – na klar – die Ukrainer selbst. Und das gute Russland hat aus Menschenfreundlichkeit extra noch davor gewarnt.

Diese Art der Desinformation veranstalten Großmächte übrigens gerne und leider immer häufiger.

So wie KGB-Agenten, die in den 70er Jahren jüdische Friedhöfe in deutschen Städten mit Hakenkreuzen beschmierten, um die Geschichte vom Wiedererstarken der Nazis propagandistisch zu begleiten. Oder wie leider auch die USA, die zur Rechtfertigung ihres völkerrechtswidrigen Angriffs auf den Irak im UN-Weltsicherheitsrat eine große Show mit Fake News auf Schaubildern veranstalteten. Oder als versehentlich russischstämmige Seperatisten über der Ostukraine ein Verkehrsflugzeug mit einer russischen Buk-Rakete abschossen und dann ein wirklich lächerliches Photoshop-Bild von einem ukrainischen Kampfflugzeug ins Netz stellten, dass angeblich fotografiert worden sei, als es auf die Verkehrsmaschine zusteuerte. Es gibt immer welche, die solche Lügen glauben. Weil sie es glauben wollen. Nichts kann absurd genug sein, dass es nicht in Deutschland Menschen gibt, die das glauben wollen.

 




Liebesgrüße aus Kiew: Brücke kaputt

In einer Spezialoperation des ukrainischen Geheimdienstes SBU wurde am frühen Morgen die 19 Kiometer lange Brücke zwischen Russland und der von Moskau annektierten ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel schwer beschädigt. Dabei wurden mindestens drei Menschen getötet. Durch die Explosion eines LKWs auf der Brücke wurden sieben mit Treibstoff gefüllte Kesselwagen eines Güterzugs in Brand gesetzt. Teile der Fahrbahn brachen danach ein und der Verkehr über die Brücke musste wegen der enormen Schäden komplett eingestellt werden.

Die sogenannte Kertsch-Brücke wurde nach drei Jahren Bauzeit und drei Milliarden Euro Kosten im Frühjahr 2018 zunächst als Autobahnbrücke, dann im darauffolgenden Winter auch als Bahnstrecke eröffnet. Der russische Präsident war 2018 dabei und ließ sich im Führerhaus eines Zuges  fotowirksam in Szene setzen. Über die Brücke werden der Nachschub und die Versorgung der russischen Truppen auf der Krim sichergestellt – bis  heute früh.

 




China und Indien zunehmend genervt von Putins Feldzug

Der Krieg Putins gegen das Nachbarland Ukraine war von Anfang an eine schlechte Idee. Die völlige Fehleinschätzung der Kampfkraft der ukrainischen Streitkräfte – jahrelang ausgebildet und vorbereitet auf den Ernstfall von amerikanischen und britischen Beratern – und dem Willen der Ukrainer, ihr Land, ihr Leben und die nationale Souveränität zu verteidigen, ließ bereits nach wenigen Wochen ahnen, dass dieser Krieg für Russland zu einem Desaster werden könnte.

In den vergangenen zwei Wochen hat die Ukraine Tausende Quadratkilometer der zwischenzeitlich von Russland besetzten Gebiete im Osten des Landes befreit.

Die EU bereitet gerade nach der russischen Teilmobilisierung ein fünftes umfassendes Paket weiterer harter  Sanktionen vor.

Wenn das Ölembargo der EU im kommenden Jahr vollständig in Kraft tritt, werden China und Indien die einzigen Notanker für Russlands massiv angeschlagene Wirtschaft sein. Für den Westen wird Russland nämlich auf viele Jahre als Handelspartner komplett ausfallen.

Und genau da eröffnet sich gerade eine weitere Front für Putin.

Insbesondere aus China kommen immer kritischere Töne über Russlands Feldzug. Peking ist erkennbar genervt über die Beratungsresistenz in Moskau, wie man jüngst beim Treffen der Staatschefs der sogenannten „Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit“ – eine Art gegen-G7 – in Usbekistan beobachten konnte. Nun forderte gestern ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums einen schnellen Waffenstillstand in der Ukraine und eine Lösung, die den „legitimen Sicherheitsbedenken aller Parteien“ Rechnung trägt. Und genau das will Putin gerade nicht. Er will Landnahme, „russische Erde einsammeln“.

Auch der indische Ministerpräsident hat Putin inzwischen öffentlich wissen lassen, dass er den Krieg gegen die Ukraine für einen Fehler hält.

Die Hoffnung der Unterstützer Putins, man werde mit China und Indien schon adäquat die Sanktionen des Westens auffangen, dürfte sich als Luftblase erweisen. Derweil kann die Ukraine auf die starke und feste Unterstützung Amerikas und Europas weiter bauen.




Die sind ja genauso wie wir hier….

Wunderbare Aktion des Teams vom inhaftierten russischen Oppositionellen Alexej Nawalny.

Ein Mitarbeiter Nawalnys gab sich am Telefon als Mitarbeiter eines Moskauer Wehrkreiskommandos aus und rief den Sohn Nikolai (32) von Kremlsprecher Peskow an. Nun sei ja „Teilmobilmachung“ vom Präsidenten angeordnet, und deshalb solle er sich hzum Dienstantritt einfinden. Peskows Sohn antwortete Statusbewusst, dass er sich nicht einfinden werde, sondern das auf  „einer anderen Ebene entscheiden lasse“.

Wörtlich sagte er: «Wenn Sie wissen, dass ich Herr Peskow bin, dann sollten Sie verstehen, dass das nicht ganz korrekt ist, dass ich mich dort einfinde. Kurz, ich werde das auf einer anderen Ebene regeln.»

Kremlsprecher Peskow reagierte mit – was auch sonst – dem Vorwurf, das Telefonat sei geschnitten worden. Doch es war ein Live-Telefonat in einer Radiosendung. Und in dem mittgeschnittenen Gespräch, sagt Peskow junior, dass er grundsätzlich bereit sei zur Verteidigung der Heimat. Aber in die Ukraine wolle er nicht. Wer will als russischer Soldat schon dorthin, um für einen völlig unsinnigen Krieg als Kanonenfutter verheizt zu werden?

 




Der Erfolg der ukrainischen Streitkräfte hat eine Vorgeschichte

Balaklija, Kupjansk uns Isjum sind Städte in der Ostukraine, die beim schnellen Einmarsch der russischen Armee erobert wurden. Von dort aus sollte der Vormarsch auf den Donbass gestartet werden. Doch daraus wird nun erst einmal nichts, wie es scheint, denn über diesen Städten und Dutzenden anderen weht wieder die blau-gelbe Flagge der Ukraine.

Die ukrainischen Streitkräfte haben in nur wenigen Tagen mehr als 3000 Quadratkilometer von den Aggressoren zurückerobert. Kupjansk Eisenbahnknoten, der  an das russische Bahnnetz angeschlossen ist, sollte zur Versorgung der russischen Truppen dienen. Sollte…

Und für die russischen Angreifer kommt es noch schlimmer: Die ukrainischen Soldaten konnten Dutzende modernster russischer Panzer erbeuten. «Vielleicht brauchen wir gar keine Leopard-Panzer mehr», ätzte jüngst der ukrainische Kriegsreporter Andrij Zaplijenko…

Es ist eine Verschnaufpause für die Ukraine, aber kein Grund zur Euphorie. Der Ausgang dieses Krieges ist weiter völlig offen. Russland ist eine Atommacht, aber wie jeder jetzt sieht, strukturell, logistisch und von der Kampfmoral der jungen Soldaten her alles andere als unbesiegbar, wenn Moskau nicht Armageddon auslösen will. Ich halte das für ausgeschlossen, nicht einmal ein menschenverachtender Kriegsherr wie Wladimir Putin wird die Vernichtung seines Landes riskieren wollen. Wie es heißt, hängt er sehr an seiner Heimatstadt St. Petersburg.

Die ukrainische Armee ist erstaunlich mobil, ideenreich und bestens aufgestellt. Erstaunlich? Oder auch nicht.

Es waren Briten und Amerikaner, die sich nach der völkerrechtswidrigen Einverleibung der Krim durch Russland an Kiew gewandt und Hilfe angeboten haben. Denn – seien wir ehrlich – die ukrainische Armee 2014 war eine Trümmertruppe, die beim Aufmarsch russischer Soldaten auf der Krim ihre Uniformen ausgezogen haben und den Russen Kasernen, Rathäuser und Häfen kampflos überlassen haben. Dann kamen die angelsächsischen Berater, bildeten Soldaten aus, lieferten moderne westliche Waffen, erteilten Lektionen in Kriegstaktik.

Heute ist 2022. Wohl auch durch die Leichtigkeit, mit der man die Krim 2014 übernehmen konnte, dürfte man im Kreml geglaubt haben, es würde auch im Donbass und in Luhansk, vielleicht sogar mit der ganzen Ukraine ein leichtes Spiel geben. Eine Woche Einmarsch, alle laufen weg oder stehen mit Winkelementen an der Straße. Was für eine dramatische Fehleinschätzung.

Was Amerikaner und Briten 2014 gesäht haben, trägt jetzt reiche Früchte. Ja, die Ukraine kann diesen Krieg gewinnen.