Unfähig, unser eigenes Land zu feiern

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien einen wunderbaren Tag der Deutschen Einheit!

Haben Sie heute vor dem Haus eine schwarz-rot-goldene Fahne aufgezogen oder aus dem Fenster gehängt im oberen Stock? Sind Sie vielleicht in einen Gottesdienst gegangen, um für das Geschenk der Deutschen Einheit unseres Vaterlandes zu danken, oder haben Sie irgendwo an einem Mahnmal Blumen niedergelegt für die vielen Opfer in den 28 Jahren der Trennung?

Haben Sie vielleicht wenigstens für heute Nachmittag Nachbarn eingeladen zum Grillen und Bier kaltgestellt? Auch im Garten kann man eine schwarz-rot-goldene Fahne aufhängen, noch jedenfalls.

Sitzen Sie abends am Feuerkorb und erzählen Geschichten, wo sie gerade waren, als am 9. November 1989 die überraschende Nachricht von der Öffnung der Grenze in Berlin die Runde machte? Von Verwandtenbesuchen im Osten, von „Goldbrand“-Gelagen, von tränenreichen Abschieden auf dem S-Bahnhof an der Friedrichstraße nach kurzen Besuchen „drüben“. Von unfreundlichen Grenzern in Helmstedt, von Paketen mit Bohnenkaffee und Seidenstrümpfen. Von Peter Fechter, Chris Gueffroy und Nico Hübner? Oder schauen Sie vielleicht später am Abend noch „Mit dem Wind nach Westen“ oder „Ballon“?

Ich wette, die meisten von Ihnen tun heute nichts davon

Stolz auf sein Land sein, das darf man allerhöchstens mal, wenn Fußball-Weltmeisterschaft ist. Aber die Zeiten, als Deutschland da noch die globale Fußball-Gemeinde in Entzücken versetzte sind vorbei. Der deutsche Nationalmannschaftsfußball ist an Trostlosigkeit kaum zu überbieten. Wenigstens versagen Männer und Frauen gleichermaßen dabei, ich finde Gleichberechtigung gut. Immerhin sind unsere Vereinsmannschaften weiter auch international klasse.

Erinnern Sie sich noch an das „Sommermärchen“ und den schwarz-rot-goldenen Rausch 2006, der das ganze Land mit Ausnahme einiger grün-woker Deppen erfasst hatte? Ich konnte das kaum glauben, als ich damals durch deutsche Großstädte fuhr, durch enge Häuserschluchten, wo unzählige Fahnen flatterten, genauso wie an jedem dritten Auto.

Wir möchten so gern stolz sein auf unser Land

Aber wir dürfen es nicht. Weil voll Nazi, oder?

In Hamburg wird heute verordnet gefeiert. Jedes Jahr muss ein Bundesland ran. Es gibt eine Feierstunde für 1300 Politiker und Honoratioren und ein Buffet. Und draußen tummeln sich Hunderttausende rund um die Binnenalster, essen Fischbrötchen und Bratwurst und informieren sich an weißen Infozelten der Behörden und Ministerien über deren segensreiches Wirken. Mehr Emotionslosigkeit geht nicht.

Wir sind ein trauriges Volk. Wir können nur feiern, wenn Fußball, Karneval oder Oktoberfest ist und wir uns volllaufen lassen.

Aber wir sind vollkommen unfähig, unser eigenes Land und uns zu feiern…

Dieser Beitrag von Klaus Kelle erschien heute Morgen auf dem Portal TheGermanZ