Warum nicht mal stolz sein auf das eigene Land?

Morgen feiern wir 25 Jahre Deutsche Einheit. 25 Jahre – schon? Kaum zu glauben. Alle Gänsehaut-Momente durfte ich damals als Reporter in Berlin miterleben. Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 verbrachte ich mit Kopfhörer auf und Mikro in der Hand am Übergang Bernauer Straße. Als Helmut Kohl vor dem Schöneberger Rathaus gnadenlos ausgepfiffen und Stunden später vor der Gedächtniskirche von Zehntausenden begeistert gefeiert wurde, stand ich in der Menge. Unzählige Reportagen habe ich aus der untergehenden DDR produziert, live vom Weihnachtsmarkt auf dem Alexanderplatz berichtet, in Betrieben und Kitas Landsleuten eine Stimme gegeben, und am 3. Oktober stand ich auf der Pressetribüne vor dem Reichstag und berichtete live für ein Dutzend Privatsender in Deutschland, während zu den Klängen der Freiheitsglocke unsere Fahne gehisst wurde. Ich habe diese Zeit als Journalist und als Deutscher miterlebt, für den sich die Wiedervereinigung unseres Landes wie ein Wunder anfühlte. Bis heute bin ich bewegt, wenn ich alte Fotos aus dieser Zeit sehe. Mein emotionales Verhältnis zu unserem Land ist damals stark geworden. Ich habe nichts dafür getan, hier geboren zu werden. All das, was unser Land ausmacht, habe ich geschenkt bekommen. Und unser Land ist weit mehr als die zwölf Jahre der widerlichen Nazi-Barbarei. In Kunst und Kultur hat Deutschland Großartiges hervorgebracht. Unsere Techniker, die Machinenbauer, deutsche Autos, deutsches Bier und deutscher Fußball werden weltweit bewundert. Wir sind bestens organisiert, deutsche Tugenden und so. Und deshalb ist dieses Land, unübersehbar in diesen Tagen, ein Magnet für Menschen aus aller Welt, für die Hoffnungslosen, die sich wünschen, Teil des deutschen Wunders werden zu dürfen.

Heute denke ich politische Themen stets von dem Standpunkt aus, was ist gut und richtig für Deutschland und seine Menschen. Wie kleinkariert kommt mir oftmals vor, mit was wir uns hier Tag für Tag beschäftigen. Einem Land, dessen politische Elite sich allen Ernstes mit einer Pseudowissenschaft wie Gender Mainstreaming beschäftigt, kann es nicht schlecht gehen. Warum schreibe ich hier so hymnisch über das Land, in dem ich lebe? Es ist die Sorge, dass wir unsere Gemeinsamkeiten mehr und mehr vergessen oder nicht mehr zu schätzen wissen. Wir warten darauf, stets empörungsbereit, dass irgendetwas schief geht, über das wir schimpfen können. Menschen, die sich selbst als Patrioten verstehen, beleidigen hemmungslos die gewählten Repräsentanten und die Institutionen unserer freiheitlichen Gesellschaft. Und die schwarz-rot-goldenen Fahnen hängen wir nur bei Fußball-Großereignissen aus dem Fenster, statt ein unverkrampftes Verhältnis zu unserem Land zu pflegen – wie das überall auf der Welt üblich ist.

Ich bin gern Deutscher, und – ja, ich sage das so – ich bin stolz auf dieses Land, mein Land. Ich bin das, ohne gegenüber anderen Staaten und Menschen überheblich zu sein oder Schlimmeres. Ich weiß, dass man stolz auf das eigene Land sein kann, und trotzdem glücklich über Reisen ohne Grenzen, über die enge Partnerschaft mit anderen Ländern insbesondere in Europa. Unsere Kinder haben schon viel von der Welt gesehen, eine Tochter ist gerade zu einem Schulpraktikum in London. Wahnsinn, oder? Alles ist möglich, die Zukunft könnte golden sein – könnte, wenn wir nicht vergessen, wer wir sind und woher wir kommen. Ich wünsche Ihnen einen schönen 3. Oktober – feiern Sie ihn bewusst!