In Berlin heißt die Antwort auf alle Fragen: 86

Die Sprachregelung im politischen Berlin heißt: bloß nicht drüber reden! Von woher die Stimmen gekommen sind, die Kai Wegner letztlich zum Hausherrn im Roten Rathaus als Regierenden Bürgermeister spülten. In den ersten beiden Wahlgängen sah es nicht danach aus, dass das was werden könnten. Nein, ganz und gar nicht…

Und dann kam das erlösende Ergebnis: 86 Stimmen für Wegner. Reicht!

Weil es genau die 86 Stimmen waren, die CDU und SPD geschlossen auf die Waage bringen (könnten), sind sie jetzt fein raus. Die AfD habe nix damit zu tun, und die sei sowieso ganz rechts und böse, böse. Ist doch egal, wie die AfD abstimmt. Wir sind alle schwarz-rote Freunde und halten zusammen.

Hätte Wegner 87 oder 88 Ja-Stimmen erhalten, würde jetzt der Baum brennen in der Berliner Landespolitik. Aber 86 – das waren unsere, versichern der Regierende und seine Vorgängerin Franziska Giffey. Ganz sicher.

Ja, kann sein. Kann aber auch nicht.

Auffallend war gestern, dass sich kein Politiker aus CDU und SPD zu dem ganzen Vorgang äußerte. Niemand – außer Wegner und Giffey. Mehr Maulkorb für die Fußtruppen geht nicht.

Ich habe gestern mit CDUlern und AfDlern gesprochen, und ausnahmslos bestätigen mir die Befragten, es habe zwischen Union und AfD keine Ansprachen gegeben, nach den beiden ersten vergeigten Wahlgängen.

Aber ich weiß 100%ig, dass es Stimmen aus der AfD für Wegner gegeben hat. Aus erster Hand sozusagen. Waren es acht, zehn oder zwölf? Keine Ahnung. Vielleicht waren es auch nur fünf Stimmen – aber es gab AfD-Stimmen, dafür verwette ich meine rechte Hand.

Der linksliberale Berliner „Tagesspiegel“, einst eine bürgerliche Zeitung und nach Formatänderung der gedruckten Ausgabe für mich unlesbar, veröffentlichte am Nachmittag sogar die Liste mit den Namen der AfD-Abgeordneten, die angeblich für den CDU-Mann gestimmt haben. Und niemand von denen widerspricht.

Und so entwickelt die Zahl 86 heute eine Magie, die bei Schwarzen und Roten für kollektives Aufatmen sorgt – außer natürlich bei den SPD- und CDU-Angeordneten, die bereit waren, auch im dritten Wahlgang dem eigenen Mann das Messer in den Rücken zu rammen.

Kennen Sie Douglas Adams‘ Kultroman „Per Anhalter durch die Galaxis“? 7,5 Millionen Jahre rechnet darin der Supercomputer „Deep Thought“ und spuckte dann diese Zahl aus, die die Antwort auf alle großen Fragen ist: 42. Doch der Computer hat sich verrechnet. Es ist zumindest in Berlin die 86.

 

Dieser Beitrag von Klaus Kelle erschien zuerst bei der Online-tageszeitung TheGermanZ.

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Dieser Artikel wurde 16 mal kommentiert

  1. gerd Antworten

    Klasse Artikel. Alle Daumen hoch. Abgeordnete der AfD die einen CDU Politiker zum Bürgermeister unserer Landeshauptstadt wählen. Die „Brandmauer gegen rechts“ züngelt nur noch. Am Ende bleibt wohl nur ein Häufchen Asche. So geht das, wenn die Realität die Träuerei einholt.

  2. Günther M. Antworten

    37 Zeilen Unwichtiges kommentieren oder den schönen Frühlingstag genießen, das ist hier die Frage.

      • Günther M. Antworten

        Kurzes Abschweifen…
        Nich für „janz Berlin is eene Wolke“, sondern ca. sechs Std. Brutbestandsaufnahme von Milvus milvus & Milvus migrans,
        und siehe – det war jut.

  3. Stefferl Antworten

    Na ja, wer sagt eigentlich, daß die Zahl 86 stimmt? In Berlin werden Wahlergebnisse schon ganz gerne einmal angepaßt. Bei Bedarf werden sie auch „rückgängig gemacht“.

  4. GJ Antworten

    In einer geheimen Wahl ist es elementar, daß die Stimmabgabe geheim ist und geheim bleibt. Ein extrem wichtiger demokratischer Grundsatz. Es stößt bei mir deshalb auf großes Unverständnis, wenn immer wieder und immer öfter rausposaunt wird, wer hier (angeblich oder tatsächlich) wen gewählt hat oder gewählt haben soll.

  5. S v B Antworten

    Interessanter noch als das Berliner Wahltheater scheint mir die Meldung, dass die Grünen in der Wählergunst weiter verloren haben, die AfD hingegen an Beliebtheit nochmals leicht zulegen konnte. Wen könnte dies wundern?

    Off topic, doch zu empfehlen…
    Für jeden, der einmal erleben möchte, wie es sich anhört bzw. anfühlt, wenn ein Journalist (Roger Köppel, Herausgeber der Schweizer Weltwoche) dem Co-Vorsitzenden der AfD, Tino Chrupalla, die geradezu einmalige Gelegenheit gibt, in einem – fast einstündigen – Interview jeden seiner Sätze zu Ende zu bringen, sprich auszureden, empfiehlt sich die YouTube-Aufzeichnung „Daily-Premiere – Studiogast Tino Chrupalla über die AfD.“ Einfach googeln.

    • GJ Antworten

      Ja, das habe ich schon gesehen/ gehört. Roger Köppel ist erfrischend. Derlei Formate sind absolute Seltenheit. Danke für den Hinweis.

    • H.K. Antworten

      Ebenfalls zu empfehlen:

      Der heutige „Sonntagsstammtisch“ des BR, in dem gleich alle angesprochenen Themen – incl. Biden und Trump – zu Wort kommen.

      Ich hab‘s mir heute wegen des bayrischen Innenministers angesehen.

      Ein schönen, ruhigen Sonntagabend – ohne „Tatort“ …

      • S v B Antworten

        @H.K.

        Danke für Ihren Hinweis, der mich trotz später Stunde tatsächlich dazu verleitet hat, mir die Sendung noch anzuschauen. Eine Dreiviertelstunde habe ich den Politik-Talk mit Interesse verfolgt, mich jedoch etwa ab Minute 45, als Herrmann sich genötigt sah, das übliche „medial-politische Glaubensbekenntnis“ abzulegen – was er auch erwartungsgemäß folgsam tat – aus wohl auch Ihnen geläufigen und verständlichen Gründen ausgeklinkt. Herrmanns Aussagen schienen mir letztlich doch allzu faeserig. Vieles, was er vorher im Laufe der Sendung von sich gegeben hatte, konnte man eigentlich ohne Vorbehalt unterschreiben. Leider konnte aber auch er der Runde weder wirksame, da praktikable Lösungsansätze für das ausufernden Problem der Migration, noch realistische und erfolgversprechende zur Behebung des eklatanten Fachkräftemangels unterbreiten . Hier schien er mir ebenso schwach und hilflos wie alle anderen Politiker, die sich mit besagten Kardinal-Themen befassen und sich dazu regelmäßig in den Medien äußern. – Jetzt würde mich natürlich auch interessieren, wie ist es Ihnen als Zuseher bzw. Zuhörer ergangen ist…

        • H.K. Antworten

          Sie sollen sich doch zu später Stunde, in der „Walpurgisnacht“ nicht vor die Flimmerkiste setzen, sondern – wie anständige Frauen auch – in unserer Hauptstadt die „Bullenschwein*/-/:/_/•/Innen“ mit Gläsern, Flaschen, Steinen und Pyro-Dingern bewerfen !

          Ts ts ts …

          Ein bißchen mehr bürgernahes Verhalten hätte ich jetzt schon erwartet, liebe SvB …

          Also: Seit der Sonntagsstammtisch nicht mehr von Helmut Markwort moderiert wird, hat er m.E. deutlich an ( meinem ) Zuspruch verloren.

          Wenn ich ihn mir inzwischen nicht mehr sonntäglich, sondern nur gelegentlich, d.h. abhängig von den Gäst*/-/:/_/•/Innen, anschaue, hat das sicher seinen Grund.

          Auch Ursula Münch kann daran nichts ändern, da sie – wie auch gestern – immer und immer wieder pauschal auf die AfD eindrischt, ohne wirkliche Argumente aufzufahren.

          Mir fällt auf, daß offenbar vieles in der Politik nur deshalb so läuft, wie es läuft, weil man „denen da“ da „auf keinen Fall das Feld überlassen“ will.

          Mit anderen Worten: alles Mögliche wird nur deshalb getan ( oder auch nicht ), weil ansonsten „die da“ womöglich Wählerzuspruch erhalten würden. Leider trompete gestern auch Joachim Herrmann, der ansonsten von mir sehr geschätzte bayrische Innenminister, in dieses Horn.

          Man kann, ja DARF und WILL auf keinen Fall zugeben, daß bereits seit Jahren eine bestimmte Partei, deren Namen sich selbst unter Abbeißen der eigenen Zunge nicht nennen will, tatsächlich mit sehr vielem recht hatte.

          Das. Ergebnis sehen wir jetzt. Messerstechereien, Schießereien auf offener Straße, am hellichten Tag, Vergewaltigungen, Morde und und und – und unsere Justiz befindet diese Täter dann für „auf dem besten Weg, ein gutes Mitglied der Gesellschaft zu werden“.

          Da brat mir doch einer den Herrmann …

          „Rot Front ! Genoss*/-/:/_/•/Innen !“

          • S v B

            Wie wahr, wie wahr, lieber H.K. (ui, das reimt sich fast).
            Aber bevor ich mich in der Walpurgisnacht dazu herablasse, marodierend durch die Straßen der Hauptstadt zu ziehen, greife ich doch lieber zum guten alten Hexenbesen und begebe mich auf einen ausgedehnten Ritt durch die Nacht. – Sie werden jetzt vielleicht lachen, aber im vergangenen Sommer habe ich mir tatsächlich eine sehr schmerzhafte Schulterprellung bei einem Ritt auf dem Hexenbesen zugezogen. Dies, weil ich hoch auf einem Südtiroler Bergmassiv der Versuchung partout nicht widerstehen konnte, einen Riesenbesen zu ersteigen. Meine Freundin sollte den memorablen Moment fotografisch für die Nachwelt festhalten. Ich robbte mich also mutig den Besenstil (der aus einem schräg aufgestellten, geschälten und abgehobelten Baumstamm bestand), entlang nach oben und positionierte mich wie bereit zum Abheben für einen Ritt über herrliche Almen, Berge und Täler. Nach zwei, drei Schnappschüssen jedoch geriet ich plötzlich ins Rutschen, glitt haltlos zur Seite ab und fiel aus respektabler Höhe ziemlich unsanft „ins Gelände“. Voraus meine linke Schulter, welche danach zwar noch wochenlang heftig schmerzte, aber nicht ernsthafter verletzt war. Im Nachhinein betrachtet also wieder ein unkomplizierter und zudem preiswerter Test, der mir den Beweis dafür lieferte, dass wenigstens mein Knochengerüst noch einigermaßen intakt zu sein scheint. Welche Erleichterung. – Aber ich gebe natürlich gerne zu, dass Sie völlig recht hätten, wenn Sie jetzt kopfschüttelnd feststellen sollten – je oller, desto doller! – Schönen Ersten noch!

            PS: Das Ganze spielte sich noch dazu vor Publikum ab – nämlich vor den zahlreichen Gästen, die sich auf der Terrasse des nahe gelegenen Bergrestaurants aufhielten. Herrje, wie peinlich!

          • H.K.

            Hm …

            Was soll ich sagen ?

            Zumindest ZWEI Punkte fallen mir auf:

            1. „Nach zwei, drei Schnappschüssen …“ – sollte das nicht „Schnäppschen“ heißen ?

            2. Angesichts der Zuschauer*/-/:/_/•/Innen erwähnen Sie leider mit keinem Wort, wieviel Sie denn durch die Kollekte mit dem ( immerhin ziemlich voluminösen ) Hexenhut eingenommen haben.
            ( Den Punkt 3 erspare ich Ihnen ( Der wäre gewesen, „WIE haben Sie diese Einnahmen in Ihrer Steuererklärung eingesetzt ?“ )).

            😇

  6. Nordlicht Antworten

    Ob Frau Merkel innerlich schäumt, daß sie die Wahl nicht rückgängig machen kann?

    Es dürfte wohl niemand der These widersprechen, daß Frau Merkels Herz primär den Grünen und dann der (Ex-)SED gehört. Die CDU war für sie nur der Fahrstuhl.

    (Daß eine Wählerstimme für die ausgegrenzte Partei genauso viel wert ist wie für eine andere, wird nun faktisch zur Kenntnis genommen. Das bedeutet nicht, daß die CDU aufhören wird, mit Verfassungsschutz, Regierungsfernsehen und allen anderen Tricks den rechteren Mitbewerber zu delegitimieren.)

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