Gaumenfreuden und Servicewüste: Sie können gez auch hier ufflejen….

Einige von Ihnen ahnten bereits, dass ich meinen Arbeits- und damit Lebensmittelpunkt vor einigen Wochen nach Ostdeutschland verlegt habe, genau ins Berliner Umland. Nach Brandenburg. Hätte ich vor drei  Monaten noch nicht für möglich gehalten, aber jetzt isser nun mal da, der Klaus.

Und weil ich mich auch als Wessi und „Systemjournalist“ immer mal gern rauswage, mache ich jeden Tag hier so viele schöne und skurrile Erfahrungen, dass ich ernsthaft überlege, ein „Ostdeutsches Tagebuch“ zu schreiben.

Heute Morgen im Aldi bei mir im neuen Ort vier Kassen, nur eine besetzt. Zwischen den Regalen drängten sich viele Erwachsende, quengelnde Kinder, volle Einkaufswagen. Eine Frau ruft zaghaft: „Kann hier vielleicht jemand eine zweite Kasse öffnen?“, und die eine Kassiererin antwortet laut „Kollegin ist draußen, eine rooochen,…“. Man weiß im ersten Moment nicht, ob man eine Schusswaffe ziehen oder lauthals lachen soll. Die Servicewüste Deutschland manifestiert sich in Tausenden solcher kleiner Dinge.

Schließlich kam die Raucherin doch wieder rein, blond ist sie, und erlöste uns alle mit einem herzlichen „Sie können gez auch hier ufflejen….“ Machte ich dann, Waschmittel, Putzmittel, Schwämme…was man so braucht beim Umzug.

Mettbrötchen, Teil II

Letztens hatte ich Ihnen von meinem morgendlichen Mettbrötchen für 4,60 Euro erzählt hier. Das wurde viel gelesen und tagelang in den Sozialen Netzwerken diskutiert. Draußen geht die Welt unter, und wir unterhalten uns über Mettbrötchen. Ich wollte noch nachtragen, dass ich in unserer  Landbäckereit am Niederrhein vergangene Woche ein vollständiges Mettbrötchen mit Zwiebeln für 2,40 Euro erwerben konnte – statt in Potsdam ein halbes für 2,30. Es ist nicht alles schlecht im Westen…

Toll war auch die Anreise am Dienstag

Mit dem Auto 550 Kilometer die A2 entlang. Am Abend gegen 20.30 Uhr ich in die Raststätte Helmstedt. Voller Freude auf eine Currywurst mit Pommes für 12,40 Euro. Ich, der einzige „Gast“. Ein Großteil der AUTOBAHNRASTSTÄTTE schon dunkel, die Stühle hochgestellt. Zwei junge  Damen, eine auffällig tätowiert, putzten die Theke mit Glasreiniger und unterhielten sich über irgendwas. Dann bemerkten Sie mich, den Kunden. Der war da.

Sie sagten nicht, guten Abend oder fragten, was es sein darf. Beide schauten mich mitleidig an und die eine begann das Gespräch mit „Das sieht aba janz schlecht aus…“ Unwillkürlich schaute ich auf mein weißes Hemd, ob da vielleicht ein Spritzer Tomatensoße drauf ist. War aber nicht…

Dann konkretisierte sie: „Wir schließen nämlich gleich…“

Schließen? Eine Autobahnrststätte? Um 20.30 Uhr? Ich setzte ein enttäuschtes Gesicht auf und gab zu, dass ich mich so auf Currywurst/Pommes für 12,40 Euro gefreut habe. Aber nichts zu machen. Als ich mich umdrehte, um das…Lokal…zu verlassen, rief mir die Tätowierte hinterher: „Weil Sie so nett sind, schenke ich Ihnen noch was!“ Sie drückte mir die letzte Laugenbrezel in die Hand, begleitet mit der Bemerkung: „Die hätten wir sonst sowieso weggeschmissen…“ Ich mich auch, vor Lachen.

Am nächsten Tag in meinem neuen Wohnort per Handy eine Currywurstbude gesucht. Schön sah die nicht aus, aber die über 50-Jährige im grauen Kittel an der Fritteuse machte einen sympathischen Eindruck. Allerdings auch geprägt vom Leben, mit einem grausammen Zug um die Mundwinkel. Currywurst/Pommes kosten hier 5,50 Euro. Dafür werden sie in Berlin an so einer Bude nicht einmal begrüßt. „Kann ich bei Ihnen mit Karte bezahlen“, fragte ich. Und – Sie ahnen es – das sei leider, leider nicht möglich.

+++Apropos+++Spenden für diesen Blog bitte über PayPal @KelleKlaus und auf das Konto DE18 1005 0000 6015 n8528 18+++

Geld könne man sich einen Kilometer entfernt in einem Baumarkt auszahlen lassen. „Aber passen Sie auf, da müssen Sie für mindestens 10 Euro kaufen, sonst kriegen sie nix!“

Ich fuhr dann zur Sparkasse am Bahnhof, fünf Kilometer, um Bargeld zu ziehen. Meine neue Freundin in der Wurstbude war echt überrascht, dass dieser schnöselige Wessi wirklich zurückkam, um eine Currywurst zu essen. Die war gut, aber die Pommes völlig laberig. Mein Stammladen wird das nicht hier.

Gestern entdeckte in am Straßenrand eine „Feldküche“ in olivgrün. Ich nehme an aus alten Beständen der Nationalen Volksarmee (NVA) preiswert erworben. Ein total witziger junger Mann im Blaumann rührte da mit einer großen Schöpfkelle in irgendeiner Suppe. Aber es gibt da auch feste Nahrung. „Was darf’s denn sein, junger Mann“, fragte er. Knacker mit Senf, Rinderbouletten mit Kartoffelsalat, die unvermeidliche Soljanka und – der Klassiker – Rinderroulade mit Kartoffeln und Rotkohl. Ich entschied mich für Königsberger Kloppse mit Kartoffeln, Kapern und gelber Soße. War lecker. Auf dem Biertisch Senf und Ketchup aus Bautzen. Guter Laden. Bis nächste Woche, verabschiedete ich mich vom jungen Mann.

An der „Feldküche“ noch ein großes Werbeschild: „Gournet-Genuss aus dem Havelland“…So ist es wohl…

Habe ich schonmal erzählt, dass ich mich hier total wohlfühle?

+++Am 17.

image_pdfimage_print

Dieser Artikel wurde 23 mal kommentiert

  1. Aro Antworten

    Na klar, 5.50 Euro mit Karte ! Euch Wessis fehlt einfach ein Rad. Und sich hinterher beschweren, dass die Kommunisten elektronisches Geld einführen, damit sie auch wissen, wo Sie ihre Currywurst gegessen haben.

    • .TS. Antworten

      Zur Strafe gab es die passenden Pommes dazu, so funktioniert Karma.

      Fehlt nur noch daß beim Gulaschkanonier nach Karte gefragt wird – und wie das westliche Mettbrötchen bezahlt wurde will ich da lieber erst gar nicht wissen.

    • Holger Schmitt Antworten

      @Aro. Da muss ich Ihnen Recht geben. Bin auch dafür, dass wir das Bargeld noch so lange nutzen (und propagieren) sollten, wie es geht.

  2. H.-J. Pöschl Antworten

    Lieber Klaus Kelle, willkommen in Brandenburg. Vielleicht laufen wir uns hier einmal über den Weg. Würde mich sehr freuen.
    Und etwas Ostalgie muss schon sein, sonst wäre es doch sterbenslangweilig.
    Besuchen sie uns doch einmal in Südbrandenburg – noch schöner als der Rest des Landes und als die ewige schwarze Region verschrien.
    Mit „schwarz“ meine ich … na Sie wissen schon.

  3. S v B Antworten

    Alles Gute zum Umzug, lieber Herr Kelle!
    Und vielen Dank für den kurzweiligen Artikel. In der Kürze der Zeit haben Sie offenbar schon eine Menge Interessantes erleben dürfen. Und ja, erwägen Sie es nicht nur, sondern führen Sie doch bitte das ostdeutsche Tagebuch, welches Sie im Text kurz erwähnten. Wenn zumindest einige Ihrer Einträge dann so unterhaltsam, so interessant, so aufschlussreich und dazu noch so humorig verfasst sein sollten sind wie Ihr heutiger Artikel, werden Sie sich über einen Mangel an Lesern gewiss nicht beklagen können. Und selbst wenn der Inhalt des einen oder anderen Eintrags einige Leser eher nachdenklich stimmen, ihre Besorgnis oder gar ihren Unmut wecken sollte, so zählt auch dies fraglos zur Aktualität eines Tagebuchs. – Einige der geschilderten Erlebnisse könnten sich vielleicht ebenso oder ähnlich im Westen Deutschlands zugetragen haben, aber manches klingt dann doch etwas „speziell“. Da lob‘ ich mir z. B. meinen oberbayerischen Aldi, in dem alle Kassen gemäß der jeweiligen „Schlangenbildung“ VOR Anfang des Laufbandes besetzt werden. Und das umgehend und immer. Um Rauchpausen scheint es in meinem Aldi hingegen ausgesprochen schlecht bestellt. – Dennoch, wenn es mir nicht um die Nähe zur alpinen Bergwelt zu tun wäre – und ich zudem noch „ein paar Jährchen“ jünger wäre -, würde auch ich durchaus einen Umzug nach Ostdeutschland in Erwägung ziehen. Auf meinen Reisen durch die ostdeutschen Lande habe ich mich stets ausgesprochen wohl gefühlt. Auch – vielleicht gerade? – sie haben eine Menge zu bieten. In der Tat so viel, dass ich es bisher noch nicht einmal in den „hohen Norden“ geschafft habe. Immer bin ich irgendwo „hängen geblieben“, weil es unendlich viel zu entdecken, zu besichtigen, zu tun und zu lernen gab. Auch die Menschen dort fand und finde ich sympathisch, zumeist sogar äußerst. Vielerorts war ich tief beeindruckt von Geschichtsreichtum und Kulturschätzen. Immer wieder überrascht die Erkenntnis, dass man auf den Spuren berühmter Persönlichkeiten aus Deutschlands Vergangenheit wandelt. Man schwitzt und pustet sich hoch zur Wartburg und steht nicht viel später just in dem Gemach, in welchem Marin Luther die Bibel ins Deutsche übertrug. Nur ein Beispiel für viele andere „awe-inspiring places“, die man zumindest einmal im Leben besucht haben sollte. Jedes Mal, wenn ich Ostdeutschland in der Vergangenheit bereiste, war ich nicht nur beeindruckt, sondern auch unendlich dankbar, dass man „die ehemalige DDR“ heute so herrlich frei bereisen darf. Vielen ist es wohl nicht einmal mehr bewusst, wie schmerzlich sich der undurchdringliche Eiserne Vorhang in die Erinnerung ganzer Generationen eingebrannt hatte. Nicht einmal im Geographieunterricht eines Gymnasiums war Ostdeutschland Thema. Der andere Teil Deutschlands wurde lange Zeit regelrecht totgeschwiegen. Städte wie Dresden oder Leipzig mussten wohl irgendwo liegen. Gott sei Dank, dass dies alles längst der Vergangenheit angehört. – Dass Sie, lieber Herr Kelle, Ihren Artikel mit dem Geständnis beenden, dass Sie sich in ihrer neuen Wahlheimat schon jetzt „total wohlfühlen“, kann ich als bekennender Ostdeutschland-Fan nur zu gut verstehen. Aber, vielleicht doch nicht allzu oft zu Curry-Wurst mit Pommes greifen. Zweifellos zählt das „Berliner Nationalgericht“ zu den höchsten Gaumenfreuden der Welt, aber – g’sund sand’s hoid ned aso… d‘ Körrie-Wirschd.

  4. H.K. Antworten

    Is des etwa Blaste-Elaste da, der Däller und‘s Peschtäck ?

    Gugge do, der Glaus Gelle wird zum Ossi …

    Ei verbibsch …

    🫣

      • H.K. Antworten

        Donge für die Plumen, mein Gutster …

        Bevor mir als einer aus dem selben Geburtsort wie „Muddi“ noch „guldurelle Onäischnunk“ vorwirft, laß ich‘s doch lieber …

        🤐

        • Achim Koester Antworten

          @H.K.
          Nach intensiven Sprachstudien bei einer sächsischen Zimmerwirtin hat diese mich autorisiert, sächsische Zitate zu verwenden.
          Beispiel gefällig?
          Gendern – wenn ein Schiff zur Seite kippt.
          Er hat sechs Ischen, die er leckt – Er hat sächsischen Dialekt.
          Nu?

          • H.K.

            Ei DUNNERLITSCH !

            Däs hättsch jetzat ned gedocht …

  5. GJ Antworten

    Brandenburg bedeutet für mich Entschleunigen. 24/7 würde ich dort nun wirklich nicht erwarten, und mit „keine Kartenzahlung unter 10 €“ kenne ich in Hessen durchaus auch. Bei Netto oder REWE Geld mitnehmen geht auch erst ab einem Mindestkaufwert, das ist für mich o.k. Discounter sind schließlich Verkaufsorte und keine Bank. Sie haben andererseits auch ein Interesse an den Auszahlungen, damit sie nicht zu hohe Bargeldbestände haben, die Raubanreize erhöhen. Ich bin ein Bargeldfreund und zahle bar, wo immer es geht, zumal im Alltagsgeschäft. Im Urlaub ist das zuweilen anders, zumal ich da nicht viel Bargeld mitführen möchte. Und Currywurst an einer Bude, womöglich noch im Stehen? Weiß gar nicht, vor wieviel Jahren ich zuletzt eine gegessen hab. Ist denke ich eher ein Männerding. Wie sieht es denn aus mit einem Vietnamesen- oder Thaiimbiß? Mit viel knackigem Gemüse und Duftreis – das ist meist sehr gut, super frisch und preiswert bei sehr freundlicher Bedienung und hoffentlich ohne Glutamat. Eine Currywurst für 12,50 auf einer ungastlichen Rastanlage? Würde mir nicht einfallen. Da schon eher ein lecker belegtes Käsebrötchen im Tankshop mit einem ehrlichen Pott Kaffee. Die Geschmäcker sind verschieden. Im Städtchen, wo ich arbeite, hat jüngst so ein 24-Stunden-Selbstbedienungs-Tegut aufgemacht mit Digitalzahlung via Handy-App oder so. Soll der Renner sein. Keine Ahnung, wie das geht. Alles digital, KI macht alles möglich. Vielleicht kann man sich bald via App die Schuhe zubinden lassen oder den Hintern abwischen lassen. Vielleicht kriegt man dann auch kurz später eine Mail, daß man Eisenmangel oder Fettstuhl oder was sonst noch hat und welche Nahrungsergänzungsmittel da helfen, um gegenzusteuern. Vielleicht bestellt einem die App dann auch gleich die empfehlenswerten Konsumartikel? Kann man sicher mit einer Generalvollmacht zustimmen, indem man alle Cookies und Schnuckis akzeptiert. So Hundearmbänder, die einem alle Vitalwerte auswerten und piepsen und schimpfen, wenn der Puls nicht stimmt oder zu wenig Schritte gelaufen werden, gibt es ja auch schon längst. Oder diese Alexas, von denen man sich ALLES besorgen lassen kann. Oh je, jetzt geht es mit mir durch…

    • S v B Antworten

      Köstlich, Ihr Kommentar, liebe GJ! Ich habe bei der inneren Visualisierung Ihrer Schilderungen und Vorschläge mitunter herzlich gelacht. Dass Sie allerdings vorschlagen, eine Currywurst mit Pommes(!), danke, für mich nur rot (eine Semmel oder ein „Brötchen“ anstatt wäre für mich ein Super-GAU) nicht stehend an einer Bude, sondern sitzender Weise – wenn überhaupt!!! – zu genießen, outet Sie als Currywurst-ignorant. Diese Wurst aller Würste (fragen Sie Herrn Kelle und mal nicht Ihren Arzt oder Aptheker) muss zwingend im Stehen verzehrt werden. Dann und nur dann erst entwickeln Wurst und Pommes ihr volles Aroma. Ob Sie es nun wahrhaben wollen oder nicht…

      Über viele Errungenschaften und noch mehr Überflüssigkeiten des digitalen Zeitalters wiederum sind wir, denke ich, einer Meinung. Ohnehin ist es wohl weit wichtiger, hier standhaft und kritisch zu bleiben als na ja, beim…Verzehr einer… Currywurst!

      Schönes, entspannendes Wochenende!

  6. Luzi Ferase Antworten

    Willkommen im manchmal richtig lustigen Osten, der eigentlich die Mitte ist. Ich habe den Schritt vor drei Jahren gewagt. Manchmal bekomme ich „Gänsehaut“ am ganzen Körper – so zuletzt in einem Klinikum, ein russischer Feldscher wäre wohl besser gewesen. Aber meist sind meine Sachsen sehr verträglich, nur mit dem Witz und einer griffigen Logik klappt es mitunter nicht. Das ist jedoch hauptsächlich den weiblichen Generationen „Mangelbildung“ und „ganz ohne Bildung“ „aber immer Prinzessin“ zu zuordnen.

  7. Holger Schmitt Antworten

    Willkommen im Havelland! Bin gespannt, wie es Ihnen hier ergeht, und würde mich der Bitte anschließen, regelmäßig Anekdoten aus dem Wilden Osten zu posten.

  8. Steffen Joachim Antworten

    „Allerdings auch geprägt vom Leben, mit einem grausammen Zug um die Mundwinkel. “
    Ich kenne das neue Wort „grausamm“ leider noch nicht. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass ich ein Ostdeutscher und Brandenburger bin und nicht durch Schwarmintelligenz geschult bin.
    Sollten Sie „grausam“ gemeint haben, dann stürzt hier leider Ihr Bild ab, das ich bislang von Ihnen hatte, Herr Kelle.
    Was passiert mit der sympathischen Frau, wenn sie Ihren Artikel liest und hört, dass sie grausame Eigenschaften hat? Oder was meinten Sie? Ihre Vergangenheit?
    Grausam ist das, was Sie hier tun: Stigmatisieren, klein machen. Wesentlich besser wäre es, Sie würden erst einmal interessiert mit den Menschen hier leben, ihre Geschichte kennen und würdigen – und feststellen: Das ist hier kein Zoo, wo ich Leute beobachte, sondern es sind meine Landsleute, Menschen auf derselben Stufe wie ich. Dann könnte man vielleicht beginnen, sorgsam zu bloggen.
    Gerne können wir uns einmal auf meinem brandenburgischen Hof treffen, um drüber zu reden, wie die Menschen so sind – und mit welchem Trachten des Herzens wir selber unterwegs sind.

    • Tina Hansen Antworten

      Lieber Steffen Joachim,
      ein wenig kann ich Sie ja verstehen, denn natürlich neigen die „Wessis“ dazu, alles immer an ihren eigenen Maßstäben zu messen und sich dabei durchaus mitunter ziemlich arrogant zu verhalten. Aber insgesamt denke ich doch, dass Sie dem Hausherrn Unrecht tun.
      Als gebürtige Westfälin und Veteranin zahlreicher innerdeutscher Umzüge kann ich Ihnen versichern, dass ich auch die Sitten und Gebräuche in den mir bis dahin nicht vertrauten Regionen Westdeutschlands stets mit dem Interesse einer Völkerkundlerin beobachtete. Da gibt es z.B. den Nordhessen, dessen stolze Vorfahren einst die Völkerwanderung verweigerten oder aber verpennten, je nach Lesart. Als Neuzugezogene empfand ich ihn als eher ruppig, begriff dann jedoch, dass sich das goldene Herz unter der rauen Schale verbirgt. Der Nordhesse neigte noch in den 1990er Jahren zu Hausschlachtungen (von Tieren, ich spreche nicht von einem einzelnen ortsansässigen Kannibalen), verzehrte Ahle Wurscht zum Brot, machte seine eigene Grüne Soße und sagte aus mir unbekannten Gründen in jedem zweiten Satz an eher unpassenden Stellen das Wort „als“. Ich habe ihn – man merkt es schon – sehr fest in mein Herz geschlossen. Ähnliches kann ich von den Franken sagen – auch dies ein wunderbarer Stamm in unserem schönen Land! Weniger warm wurde ich mit dem Wiesbadener und dem Lüneburger, während ich den Hamburger durchaus sehr schätze, aber einfach nicht so knuddelig finden kann wie den Nordhessen oder Franken.
      Also: Ein bisschen Zoo-Feeling gehört vielleicht zu jedem Umzug in die Ferne. Auch wenn diese Ferne in der sog. Westhälfte unseres Landes liegt.
      Bleiben wir entspannt!

      • Günther M. Antworten

        Als waschechter Nordhesse (ein Chatte in der Fremde) erlaube ich mir einige Rchtigstellungen…
        Ihre Ausführungen:
        „Als Neuzugezogene empfand ich ihn als eher ruppig (1)
        begriff dann jedoch, dass sich das goldene Herz unter der rauen Schale (2) verbirgt.
        Der Nordhesse neigte noch in den 1990er (3) Jahren zu Hausschlachtungen von Tieren, ich spreche nicht von einem einzelnen ortsansässigen Kannibalen(4),
        verzehrte Ahle Wurscht zum Brot (5),
        Machte seine eigene Grüne Soße (6) und sagte aus mir unbekannten Gründen in jedem zweiten Satz an eher unpassenden Stellen das Wort „als“ (7)
        Ich habe ihn (8) – man merkt es schon – sehr fest in mein Herz geschlossen.“

        (zu 1 – Chattenblut ist halt keine Buttermilch)
        (zu 2 – tja, rustikaler Charme)
        (zu 3 – von wegen 1990er – wir schreiben das Jahr 2023, und ich fahre xyz km und kaufe im Chattengau, z.B. in „Dorla, Werkel, Lohne-des Hessenlandes Krone“)
        (zu 4 – einem Gegner beißt der Chatte auch mal die Halsschlagader durch – siehe Tacitus)
        (zu 5 – Ahle Wurscht zum Brot??? – um Himmels Willen – wer riskiert denn eine Mehlvergiftung!!! – da wird eine [Runke – handbreit abgeschnetten unn „achielt“] – denn in der allergrößten Not, schmeckt die Wurscht auch ohne Brot!)
        (zu 6 – genannt Schnippchen)
        (zu 7 – ooh nein – er sagt „als wie“ – denn „doppelt gemobbelt“ hält besser).
        (zu 8 – für Sie als Völkerkundlerin – ein Flecken liegt auf der chattischen Historie, der heißt Gandestrius bzw. Adgandestrius. Er war jener chattische „Adlige“, der sich bei Tiberius anbot den Arminius mit Gift zu ermorden.)

        • Tina Hansen Antworten

          Danke, verehrter Günther M., für diese Ergänzungen! Hier können nun alle den Unterschied sehen zwischen „eingeboren“ und „eingewandert“.

          😉

  9. Tina Hansen Antworten

    Ein bisschen spät kommt meine Frage, doch wichtig ist sie allemal:
    Was ist der gelbe Krautberg neben den köstlichen Klopsen und den perfekt dazu passenden Kartöffelchen?
    Ich meine, zu Königsberger Klopsen isst man Rote Bete. Nicht wahr?

  10. John Brunswick Antworten

    Willkommen im Osten. Zugegeben, die Leute haben manchmal ne komische Einstellung, sind im großen und ganzen aber auf dem Boden der Tatsachen geblieben. Wobei ich allerdings nicht auf die Idee kommen würde, an der Imbissbude mit Karte bezahlen zu wollen. Auch diese Ostalgie kann ich nicht nachvollziehen, liegt wahrscheinlich daran, dass ich im Sperrgebiet an der Grenze aufgewachsen bin und deswegen ein anderes Gesicht des Sozialismus kenne. Dazu kommt noch die wechselvolle Geschichte unserer Gemeinde und die weitverzweigte West- Verwandtschaft unseres Clans. Lassen Sie ruhig Land und Leute auf sich wirken, da ist diese Idee mit dem Ostdeutschen Tagebuch gar nicht so verkehrt.

    • H.K. Antworten

      Herr Brunswick,

      selbstverständlich gibt es diese „Ostalgie“ bei manchen „Ossis“, genau wie es im Westen die „früher-war-alles-besser“-Typen gibt.

      Beide haben m.E. irgendwo und irgendwie in gewisser Weise recht.

      Ob die Einen wirklich Mauer, Stacheldraht, Selbstschußanlagen & Co zurückhaben möchten, wage ich ebenso zu bezweifeln wie daß die Anderen die Zeiten ohne Spülmaschine, Wäschetrockner, Internet und was weiß ich alles wieder herbeisehnen.

      Meist bleibt ja das Gute in Erinnerung. Und wenn ich manchmal höre „wir konnten früher in Urlaub fahren und mußten nicht einmal die Haustür abschließen“, so mag das in manchem „Käffchen“ so gewesen sein – aber generell ? Bei uns zuhause war das nie so – ich könnte mich dran erinnern …

      Und daß die „Ossis“ irgendwie gelernt haben, vieles zu schätzen und weniger wegzuwerfen, als wir oberschlauen und oftmals „verwöhnten“ Wessis, mag angesichts dessen, was heutzutage in diesem Land so los ist, doch eher positiv zu sehen sein – neudeutsch: „nachhaltig“.

      Wie auch immer: Ich habe in meinem bisherigen Leben überall, wo ich war, super tolle, nette Menschen kennengelernt – und leider auch das genaue Gegenteil.

      Und das hatte jeweils nichts, aber absolut nichts, mit der Herkunft oder der Hautfarbe zu tun.

      Deshalb halte ich es lieber mit Wolfgang Bosbach: „Bei mir werden Menschen nicht nach Herkunft, Hautfarbe oder sonst etwas beurteilt, sondern ausschließlich nach ihrem Charakter“.

      Daher sind die, die mich beklauen, belügen, womöglich umbringen wollen, bereits nach dem ersten Versuch „nicht mehr willkommen“.

      Oder anders: sie werden nicht mehr eingeladen, müssen mein Heim sofort verlassen und sollten sich ja nicht mehr in meiner Nähe blicken lassen.

      Anders als viele „Wessis“ und unsere phantastische Bundesregierung, die genau diese Leute weiter in Scharen einlädt und auffordert, genau all das weiterzumachen, haben offenbar viele „Ossis“ begriffen, daß es nicht wirklich förderlich ist, Diebe, Vergewaltiger und Mörder im Haus zu haben und ihnen vielleicht noch die eigenen Töchter „anzutragen“.

      Die „guten Wessis“, die Grün*/-/:/_/•/Innen und Woke*/-/:/_/•/Innen haben das noch nicht begriffen.

      Daher fordern die Bundesländer im wesentlichen „mehr Geld“ statt „weniger Flüchtlinge“.

      Inzwischen sollen wohl morgen beim „Flüchtlingsgipfel“ im Kanzleramt u.a. deutsche Grenzkontrollen beschlossen werden.

      Intelligenterweise findet das nicht aus Einsicht statt, daß es so nicht weitergehen kann, sondern nur, „um der AfD keinen weiteren Zulauf“ zu bescheren.

      Und da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich ( u.a. auch die „Zeitung mit den vier Buchstaben“ ), daß die AfD inzwischen die Grün*/-/:/_/•/Innen abhängt und der SPD auf die Pelle rückt.

      Und Friedrich Merz hat es auch noch nicht begriffen – und wird es auch nicht mehr begreifen.

      Schaun mer mol, dann sehn mer schon …

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert