Lasst mich in Ruhe mit dem glitzernden Nippes!

Als ich heute früh unsere kleine katholische Diaspora-Kirche in der brandenburgischen Provinz betrat, traute ich meinen Augen nicht zu glauben, so voll war die Bude des Herrn, in der sich sonst sonntags 60 oder 70 Gläubige versammeln. 60 oder 70 Gläubige in einer katholischen Kirche im atheistischen Osten, das finde ich schon eine respektable Zahl, aber heute waren echt alle Bänke voll – ALLE Bänke.

Grund war ganz offensichtlich der Volkstrauertag, an dem die Meisten von uns in einer sentimentalen Grundstimmung sind, und bereit, unserer Verstorbenen zu gedenken und für ihr Seelenheil zu beten.

Aber zwischendurch dachte ich auch kurz an den Vortag, als wir im Gedränge eines Möbelhauses etwas suchten und natürlich nicht am hauseigenen „Weihnachtsmarkt“ vorbeikamen. Zipfelmännchen, Glitzerketten, Weihnachtsmann-Püppchen, dunkelrote Unterteller, Zimtsterne aus Holz – aber nichts wirklich Weihnachtliches.

Klar, die ersten Lebkuchen und Marzipankartoffeln finden wir bei manchen Discountern schon Ende August im Regal, was ich stoisch ignoriere, obwohl ich einer frischen Marzipanmasse grundsätzlich zugeneigt bin.

Und dann die Suche nach Weihnachtsmotiven

Jedes Jahr das gleiche Theater, wenn ich versuche, Weihnachtskarten mit christlichen Motiven zu finden in der Druckerei meines Vertrauens. Dazu muss ich sagen, dass ich meine Firmen-Weihnachtskarten jedes Jahr mit einem eigenen Text selbst drucken lasse, aber ich hoffe immer auf eine Jesus-Figur in der Krippe oder wenigstens ein Kreuz auf dem Bild – aber nix. Vor drei Jahren wählte ich eine Straßenszene aus Oslo bei Nacht mit leuchtenden Gaslaternen als Motiv aus, weil ich den ganzen Schmonzes mit Nikoläusen auf fliegenden Schlitten, bunten Christbaumkugeln und Schneelandschaften nicht mehr ertragen kann.

Weihnachten, verdammt noch mal, das ist das Fest der Geburt Jesu Christi. Und nicht das Fest fetter Coca Cola-Weihnachtsmänner, die mit Paketen durch die Luft fliegen. Das ist eine ernste Sache. Aber bald werden sie es nicht mehr wissen. Weil es verdrängt wird aus unserem Alltag.

Genießen Sie den bevorstehenden Advent, trinken Sie ruhig einen überteuerten Glühwein mit Schuss und essen ein paar gebrannte Mandeln – aber vergessen Sie nicht, um was es beim Weihnachtsfest eigentlich geht!

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Dieser Artikel wurde 7 mal kommentiert

  1. Hildegard Königs-Albrecht Dr. Antworten

    Da merkt man schon, daß der Volkstrauertag im Osten von Deutschland eine größere Bedeutung als im Westen hat.
    Die Katholiken im Westen gedenken an Allerheiligen, also am 1. November, ihrer Toten, schmücken die Gräber und gehen zu Andachten, obwohl eigentlich Allerseelen der richtige Gedenktag wäre.
    Allerheiligen ist allerdings nur in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland ein Feiertag. In den anderen Bundesländern feiert man das fest am folgenden Sonntag.
    Der Volkstrauertag spielt jedenfalls im Rheinland keine besondere Rolle.

    Zum grauenhaften Weihnachtskitsch empfehle ich : ignorieren.
    Weihnachtskarten mit christlichen Motiven findet man im Internet, z.B. bei ‚Kirche in Not‘. Selbstgestalten ist natürlich noch persönlicher.

  2. Achim Koester Antworten

    Wer schon einmal die XMas (ich sage bewusst nicht Weihnachts-) Dekoration in Saigon, Hongkong oder Singapur gesehen hat, der weiß wie weit der Kitsch noch getrieben werden kann. Da geht es uns trotz der Amerikanisierung (oder soll ch besser „Pervertierung“ sagen?) des deutschen Weihnachtsbrauchs noch relativ gut, und letztendlich hängt es von Jedem selbst ab, was er aus dem Fest macht.

    • H.K. Antworten

      „Kitsch as Kitsch can …“

      „Je lauter und bunter, desto schön“.

      Es ist nicht nur das Fest Weihnachten, das zum Kauf- und Konsum- und Fress-Rausch verkommt.

      Wir haben in diesem Land alle möglichen Feiertage, christliche Feiertage.

      Fragen Sie mal auf der Straße, wer ( von den „Erwachsenen“ ! ) weiß, welches Fest wofür steht.

      Ja, ich freue mich auch über kleine Geschenke oder besser „Aufmerksamkeiten“ zu Weihnachten, besonders, wenn sie von weit her kommen, von jemandem, den man vielleicht das ganze Jahr nicht gesehen hat.

      Aber das Wichtigste, selbst wenn jemand absolut nicht an den lieben Gott glauben mag, ist doch, daß man mit seinen Lieben zusammen ist und sich darüber freut.

      Und da ist völlig gleichgültig, ob es Pellkartoffeln mit Quark oder Trüffel und Kaviar zu essen gibt.

      Wichtig ist, daß möglichst keiner allein ist, einsam und traurig, auch die Nörgel-Tante oder der Mecker-Onkel nicht.
      Und dafür braucht es weder aufwendige Menues noch großartige Geschenke.

      Manchmal reicht ein Anruf „möchtest du nicht zu uns kommen? wir würden uns freuen“ und an Weihnachten dann ein herzliches Lächeln und ein In-den-Arm-nehmen …

      Manchmal ist es das letzte Mal.

      • Alexander Droste Antworten

        Weihnachten feiert die Geburt von Wahrheit, Freiheit und Friede. An jedem Tag wird dieses Angebot gekreuzigt.

  3. GJ Antworten

    Aufgrund nötigen Arztbesuchs war ich in der nächstgelegenen größeren Stadt unterwegs, die ich ansonsten seit längerem meide. Es wird gerade der Weihnachtsmarkt aufgebaut und die Dekorationen für die Fußgängerzone beigekarrt. Da staunte ich nicht schlecht, beleuchtete pferdegroße Einhörner zu sehen. Ochs, Esel, Schafe war wohl gestern. Heute muß es Einhorn und Elch mit roter Clownsnase sein. Im Briefkasten hätte ich dieser Tage einen Onlinekatalog mit seitenweise „Weihnachtspullis“ und Kopfbedeckungen. Ich hatte diesbezüglich schon einen Schock, als wir vor 3 Jahren zur Weihnachtsfeier der Abteilung eingeladen wurden. Vor dem Weihnachtsessen gab es einen „Überraschungsevent“, der außerdem dem Teamzusammenhalt dienen sollte. Und für das Essen war ein Gruppenfoto angekündigt, zu dem ausdrücklich um „Weihnachtsoutfit“ gebeten wurde.
    Darunter verstand ich eine schwarze Hose und ein edles Oberteil mit silbrigen Glitzer, entsprechender Schmuck.
    Heraus gekommen ist als Event ein Besuch in einem Escaperoom, in dem es darum ging, sich aus einem Verlies zu befreien und in einem anderen Raum ein Weltraumballerspiel zu veranstalten. Unter weihnachtlicher Kleidung verstanden viele Kollegen das Aufsetzen von Elchköpfen sowie Pullis mit Eisbären oder Nikoläusen, die besoffen vom Schlitten fallen. Das war für mich das Allerletzte. Als diverse Kollegen nach dem Hauptgang anfingen, sich mit der Tischdekoration zu bewerfen, zog ich mich unter Verzicht auf den Nachtisch zurück. Nein, daß brauche ich nicht!

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