Ich mag den individuellen Einzelhandel, aber die Realität ist anders

Vorhin habe ich auf Facebook meiner Freude Ausdruck verliehen, dass ich am 23. Dezember um 12.09 Uhr das letzte Weihnachtsgeschenk für meine Lieben in diesem Jahre erwerben konnte. Ein seit vielen Jahren nicht erreichter Rekord. Nicht selten war ich morgens am 24. noch unterwegs mit Plastiktüten in irgendwelchen Fußgängerzonen. Männer halt, werden einige der Damen jetzt denken, die meinen Blog lesen und schätzen.

Wie sicher viele von Ihnen, die bürgerlich und konservativ denken und fühlen, gehöre auch ich zu denen, die solche „Malls“, erfunden natürlich – wie sollte es anders sein – in den USA, erstmal ablehnen. Alles unter einem Dach, der Laden als Erlebnispark. Ich gehe lieber in das kleine Buchgeschäft an der Ecke, wo der Eigentümer mich mit Namen kennt und eine Viertelstunde Zeit hat, mich zu beraten.

Aber ich gehe auch gern morgens in ein kleines Café, esse eine Laugenbrezel mit Butter und lese dort eine altmodische Zeitung, Artikel und Fotos, gedruckt auf Papier. Und doch weiß ich, die Zeit dieser Art, Medien zu konsumieren, neigt sich mit Riesenschritten dem Ende zu. Und so ist es auch mit dem kleinen Fachhandel, mit dem Tante-Emma-Laden oder dem Schuhgeschäft.

Im Havelpark oder dem Rheinpark-Center in Neuss, der Mall of Berlin und wie sie alle heißen, besteht immerhin die letzte Bastion des Einzelhandels gegen die großen Online-Händler, allen voran amazon. Man muss das (gefühlt) nicht mögen, aber es ist einfach praktisch.

Das, was man haben will, findet man bei den zahlreichen Händlern unter einem Dach schnell. Und man läuft durch Geschäfte und entdeckt plötzlich etwas, wo man spontan denkt, das wäre doch was für meine Tochter oder für diesen oder jenen Freund. Hier ein Schmuckstück, nebenan eine Topfblume für die Tante, dann schnell einen Espresso trinken oder eine Currywurst essen.

Heute Morgen, als ich durch das vielfältige Angebot an Geschäften schlenderte, entdeckte ich sogar einen Barbershop, ein junger Mann am Eingang sprach mit an, weil er wohl gesehen hatte, dass ich mich seit 5 Tagen nicht mehr rasiert hatte. Warum denn nicht, rein, 20 Minuten später um 10 Jahre jünger – alles für 12 Euro. Kann man machen…

Ja, ich finde Malls gut, wenngleich ich mir wünschen würde, dort nicht nur auf Handelsketten wie Deichmann oder Kaufland zu stoßen, die es überall in Deutschland gibt. Da müsste eine andere Mischung sein, mehr Einzelhändler, die wirklich einen einzigartigen Laden und ein individuelles Angebot darbieten.

Um meine Weihnachts-Havanna zu erwerben fuhr ich dann doch noch nach Potsdam in die Innenstadt zum Zigarrenhändler meine Vertrauens. Ich kam mit dem Eigentümer ins Gespräch, das 45 Minuten dauerte und zu dem sich dann auch noch mehrere andere gesellten. Es ging natürlich um diese furchtbar unfähige Bundesregierung, unsinnige Stadtplanungen und darum, dass Sozialismus immer doof ist. Schön, dass es solche Geschäfte noch gibt….

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Dieser Artikel wurde 11 mal kommentiert

  1. Sobiech Antworten

    Die Städte in Deutschland sind zu klein für richtige Malls. Wenn man zb den MoA in Manila kennt an dem jeden Tag 300000+ Kunden durchlaufen dann kommen einem hier die Tränen in die Augen bei den winzigen Malls.
    Und aus diesem Grund werden diese längerfristig auch verschwinden und durch Online-Händler grösstenteils verdrängt werden.
    Zuerst haben die Malls die Tante Emma Läden fertiggemacht und jetzt werden sie selber durch Online-Händler fertiggemacht weil einfach nicht genug Kunden überhaupt kommen können damit sich das rentiert.

    • .TS. Antworten

      Ist das Centro in Oberhausen groß genug? Und mit rund 10 Mio potentiellen Kunden im Einzugsbereich?

      Ich fands furchtbar, einmal drin und nie wieder…

  2. Andreas aus E. Antworten

    Ich habe lokalen Einzelhandel immer nach Kräften unterstützt. Geht ja nicht immer, der Traditionsmetzger ruft für das regionale Borstenvieh eben mehr ab als nebenan der Discounter oder der Edeka. Wobei bei uns der Edeka meistes an Frischetheke angebotenes Fleisch von gleichen Regionalmästern bezieht. Preislich gleich, aber eben praktisch, wenn man beim Kolonialwarenhändler gleich noch Tagesdosis Wein oder Granatäpfel (brauch ich wegen meiner Prostatabeschwerden) erwerben kann, was bei reinem Fleischerladen ja nicht geht. Die Geldbörse lasse ich bei diesen Betrachtungen mal außerhalb der Betrachtung, das ist ja ohnehin klar.

    Dann gibt es diese ausgeuferten Verkaufsflächen auf ehemals grüner Wiese. Klar, mir ist ein Baumarkt dort lieber als eine Windkraftanlage, und Parkplätze (ohne Extragebühren) gibt es dort auch, aber so urbane Geselligkeit findet dort eher nicht statt.

    Das einzig Wahre wäre die mit eingesessenen Fachgeschäften und Gastronomien durchmischte Innenstadt, wo es auch Bekannte zu treffen gibt.
    Aber leider ist es so, daß man hiesige Fußgängerzone im Grunde nur bis morgens um Elf angenehm betreten kann. Sofern man überhaupt will, denn der individuell betriebene Einzelhandel dort ist – vorsichtig formuliert – sehr übersichtlich geworden.
    Morgens jedenfalls nervt in der Fußgängerzone immer der Lieferverkehr. Der war schon immer störend, aber eben auch notwendig.
    Weit abschreckender ist hingegen das Publikum, was sich ab Mittag dort einfindet.
    Ehedem hockte rund um die Hauptkirche das Punker- und Asigesochse (Eigenbezeichnung, keine Beleidigung) und pinkelte recyceltes Dosenbier ins Gebüsch am Gotteshaus, insgesamt unschön, dennoch friedlich, hinnehmbar.

    Heute hingegen sind Gastronomien ab Mittag vollbesetzt mit Bereicherungen aus südlichen Gefilden. Selbst das typische Omi-und-Opi-Café wurde längst übernommen.
    Dort schlürfe ich doch keinen Kaffee, und darum gehe ich auch nicht in den kleinen Spielzeugladen nebenan.

    Letztens ging ich aber doch mal in die „City“. Es gibt dort nämlich eines der wenigen Exemplare der aussterbenden Gattung Innenstadtelektrogeschäft. Mein Behuf war der Erwerb eines Rasierapparates.
    Ich rasiere mich nämlich selbst. Wie das geht hat mir Opa vor halbem Jahrhundert mal erklärt, Papa dann später den Umgang mit dem Elektriker (er hatte gemerkt, daß ich seinen heimlich benutzt hatte).
    Niemals jedenfalls würde ich so einen „Barbershop“ betreten. Die sind das Aus für hergebrachtes Friseurmeisterhandwerk, man sollte derlei nicht unterstützen.

    „20 Minuten später um 10 Jahre jünger – alles für 12 Euro. Kann man machen…“ – Kann man auch lassen. Aber Sie, werter Herr Kelle, haben wohl Zeit genug (20 Minuten für eine Tätigkeit, die ich morgens während der Zeitungslesungssitzung auf heimischen Thron innerhalb von drei Minuten erledige) und wohl dicke Geldbörse.

    Nun gut, es ist Festtagsstimmung, gleich geht es noch einmal auf hiesigen Weihnachtsmarkt, einen überteuerten Glühwein will ich mir vor familiärer Gans erlauben, die „Mall“ mit zugeklebten For-Rent-Schaufenstern ist ja zum Glück verschlossen, und wünsche Ihnen besinnliche Festtage und daß Sie nie falschen Barbershop erwischen:
    https://www.projekt-gutenberg.org/wbusch/fipps/fipps31.html

    Beste Grüße!

  3. GJ Antworten

    In der uns nächstgelegenen Stadt gibt es ein Einkaufsforum mit den üblichen Kettengeschäften, in denen überwiegend Personal steht, das mutmaßlich aus Follower*innen von irgendwelchen Instagram-Influenzer*innen besteht. Künstlich, oft ziemlich unterbelichtet und keines fehlerfreien deutschen Satzes mächtig. Wenn man eine Fachfrage zu der gewünschten Kleidung stellt, dann kommt meist sowas wie: “ Musst du da hinte mal gucke“ oder, nach Blick auf meine Größe „Haben wir nix“. Wenn ich nach Extensions oder dem neuesten Trend zu Nagel-Styling oder Piercing fragen würde, hätten sie mutmaßlich eine passende Antwort, voll krass Alder. In diesem Umfeld fühle ich mich nicht wohl. Deutsche trifft man hier kaum an, und wenn dann huschen sie schweigend und mit gesenktem Kopf aneinander vorbei. Vor dieser „Mall“ liegt der zentrale Busbahnhof. Viel los dort, vor allem morgens und mittags, wenn viele Schüler unterwegs sind. Letzte Woche war dort eine 89-jährige mit Rollator unterwegs zu ihrem Bussteig. Vielleicht kam sie vom Arzt, vielleicht hat sie Einkäufe gemacht. Jedenfalls kam sie mit dem Rollator den hohen Bordstein des Bussteigs nicht hoch und offenbar hat ihr keiner der sicherlich reichlich Herumstehenden geholfen. Gleichgültigkeit? Alle aufs Handy geglotzt? Ein anfahrender Bus scherte mit seinem Hinterteil aus und brachte die Dame damit zu Fall. Sie hat sich Knochen gebrochen. Vielleicht muß die Dame Weihnachten im Krankenhaus liegen? Vielleicht überlebt sie das nicht? Da bin ich fassungslos. In der Polizeipressemeldung stand, daß Zeugen gesucht werden. Da wird sich kaum jemand melden, müßten sie doch erklären, warum sie ihr vorher nicht geholfen haben.

    • S v B Antworten

      @GJ
      Gut beobachtet. Der Umgang miteinander wird spürbar rauer,. Und der Weg in Richtung totaler Beliebigkeit im Handeln scheint zumindest eingeschlagen. Welch eine Schande!

      Apropos Handel. Auch mir geht das oft peinlich dilettantische Verkaufspersonal inzwischen gehörig gegen den Strich. Von Tuten und Blasen keine Ahnung, sprich Fachkenntnisse nicht einmal rudimentär vorhanden, und die eigentlich erforderlichen, hinlänglich flüssigen, Deutschkenntnisse sind allzu oft unter aller Kanone. Immer mehr trägt dazu bei, dass man sich im eigenen Land fremd, also fehl am Platze, fühlt. Nicht einmal vor einer oberbayerischen Kleinstadt macht diese nachteilige Entwicklung halt. Auch hier gibt es nur noch sehr wenige Fachgeschäfte, in denen man von ansehnlichen, erfreulich sachkundigen Damen oder Herren entweder in akzeptablem Deutsch oder aber gepflegtem Bayerisch beraten bzw. bedient wird. Auf allen Ebenen geht’s spürbar bergab in diesem Land. Warum dann nicht auch im Einzelhandel? Und es könnte – wird? – mutmaßlich noch um einiges schlimmer kommen… Machen wir uns drauf gefasst.

  4. renz Antworten

    „Von Tuten und Blasen keine Ahnung, “ Aber , aber… diese Mädels haben von Blasen echt Ahnung. Von Tuten vielleicht… das hab ich denen nicht beigebracht. Außerdem ist solch ein Satz rassistisch. Auch Migranten-Wurzelinnen können blasen. Schließlich haben die einem Pascha zu gehorchen.

  5. GJ Antworten

    Der 24. ist vorbei. In meinem Krippchen zuhause wurden keine Figuren geköpft, alles friedlich zuhause. In Köln indes darf keiner unkontrolliert in den Dom wegen Terrorwarnung. Angeblich IS-Terror aus Afghanistan eingesickert. Gottesdienstbesuch nur nach Leibesvisitation möglich. Der Kölner Dom! Da ist jetzt aber wirklich Schluß ihr Lieben!!! Das regt mich derart auf, daß ich in dieser heiligen, stillen Nacht nicht schlafen kann.

    • gerd Antworten

      Wir sollen uns vom Gedanken. Weihnachten sei ein Fest des Friedens, verabschieden. Nach der Geburt des Erlösers liess Herodes alle neugeborenen männlichen Kinder im Umkreis seines Reiches ermorden. Kaum war der Heiland der Welt geboren, begann auch schon der Kampf gegen seine Heilsbotschaft. Das wird sich fortsetzen bis der Weltenrichter auf den Wolken des Himmels erscheint.

  6. Andreas Schneider Antworten

    3 persönliche Endrücke:

    Während meiner Weiterbildung zum Handels-Fachwirt an der IHK Siegen 1995-1997 liefen parallel Planung bzw. Bau der örtlichen City-Galerie (1998 erföffnet). Im Rückblick höchst interessant, welche „Belebung“ des örtlichen Handels auf theoretischer Ebene prognostiziert wurden (um diese Zeit versuchte auch Walmart auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen, was in Verbindung mit der City Galerie vor Ort so manche Blütenträume beflügelte).
    Letztlich hat sich vor Ort kaum mehr als eine Verlagerung des Handels aus der historisch gewachsenen „Mitte“ ergeben, wie das Walmart-Experiment endete, ist hinlänglich bekannt.

    2015 besuchte ich nach 12 Jahren einmal wieder das dänische Sonderborg, das mir aus früheren Urlauben u. a. mit einer sehr ansprechenden Fußgängezone in Erinerung war. Zwischenzeitlich war ein neues „Einkaufszentrum“ entstanden; einige der Geschäfte „von früher“ habe ich dort wieder entdeckt. Insgesamt nicht schlecht, aber eben nichts Besonderes im Vergleich zu anderen „Malls“, wo auch immer. Hingegen „glänzte“ die Fußgängerzone durch eine ganze Reihe von Leerständen. Für mich (und für die Stadt?) eine nicht eben besonders ersprießliche Entwicklung.

    Szenenwechsel – der Versuch meiner Lebensgefährtin, in den Schuhhandlungen einer benachbarten „Mall“ Ersatz für ihre geliebten, aber nun ausgetreten Slipper zu finden. Weder in den 8 Läden des Einkaufszentrums sowie 2 weiteren in der benachbarten Fußgängerzone wurde sie fündig. Letztlich folgte sie dem Rat einer Verkäuferin, die die gleichen Schuhe bevorzugt, und bestellte ihr Paar online. „Habe ich auch gemacht. Die werden hier nicht mehr geführt.“

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