Lassen Sie heute doch mal was raushängen….
Seit zwei Jahren werbe ich unter meinen Freunden dafür, den Tag der Deutschen wirklich zu feiern. So als Fest des Volkes, um das es ja eigentlich gehen sollte. Die Franzosen, die Briten, die Amis feiern ihr eigenes Land als großes Volksfest auf den Straßen. Wir Deutschen haben eine Honoratioren-Versammlung mit dunklen Anzügen, dunklen Kostümen und dunklen Streicherklängen, unterbrochen von staatstragenden Reden mehr oder weniger großer Rhetoriker. Und dann noch in einer deutschen Landeshauptstadt ein staatlich organisiertes Fest mit weißen Zeltchen, Volkstanz und Spezialitäten, dessen wichtigstes Thema in diesem Jahr ist: Wird eine Bombe explodieren? Und: Wie viele Autos werden angezündet? Wir Deutschen sind anders als andere, das kann man mit Fug und Recht behaupten.
Wie wäre es mal mit zivilem Ungehorsam? Schwarz-Rot-Goldene Fahnen darf man auch am Tag der deutschen Einheit raushängen, nicht nur bei Fußballturnieren. Noch, wenigstens. Ein Nachbar sprach meine Frau im Sommer an, als sie zur Fußball-Europameisterschaft unser Auto mit einem Fähnchen und den obligatorischen Rückspiegel-Verzierungen schmückte: „Seid ihr denn so deutsch“, wollte er wissen. Und meine Frau versicherte ihm: „Ja, wir sind so deutsch. Du übrigens auch….“ Wenn meine geneigten Leser heute auch mal zeigen wollen, dass sie auch deutsch sind – hängen sie eine Fahne raus, wenn sie eine haben! Oder stecken Sie ein Fähnchen an ihr Auto! Oder wechseln Sie wenigstens Ihr Profilbild bei Facebook gegen ein schwarz-rot-goldenes Motiv aus! Und nächstes Jahr laden wir dann mal unsere Nachbarn zum Einheitsfest an und legen ein paar Bratwürste auf den Grill. Wir brauchen keine Regierung, die uns sagt, wann und wie wir unser Land feiern dürfen. Wir machen das selbst!
Ganz meine Meinung, Klaus! Einen schönen Feier-Tag in guter Stimmung und Gesellschaft, gerne mit schwarz-rot-gold!
Was soll man denn von uns Bürgern noch erwarten, wenn selbst die zweithöchste Repräsentantin des Landes vor laufenden Kameras das kleine schwarz-rot-goldene Stückchen Stoff, welches Herr Gröhe ihr – für heutige Verhältnisse – beinahe schon „überschwänglich“ zusteckte, umgehend und mit völlig entrüsteter Mine „entsorgte“. Wie erbärmlich.
Das was sich heute in Dresden abspielt, ist doch nur noch eine Farce, unwürdig eingedenk der dramatischen Ereignisse im Laufe der jüngeren Geschichte unseres Vaterlandes (vorsorglich meine Entschuldigung, falls der Begriff Vaterland inzwischen auch schon auf dem Index stehen sollte). Das in der Vergangenheit vielgepriesene Land der Dichter und Denker verkommt inzwischen leider auf vo vielen Ebenen. Wer hat Schuld? Jeder einzelne von uns trägt für dieses Land eine Verantwortung. Ob man sich bemüht, dieser auch gerecht zu werden, steht auf einem völlig anderen Blatt. Die immer verbissener werdenden politischen „Grabenkämpfe“ machen den Bürger allmählich mürbe. Letztlich gibt er auf.
Ich selbst freue mich bis zum heutigen Tag sehr über das kostbare Geschenk der Wiedervereinigung. Wenn sich nun zwischen „Wessis“ und „Ossis“ allerdings wieder Gräben auftun (was ich als sehr traurig empfinde), frage ich mich, warum man besonders hier in Westdeutschland mit ungebrochenem Optimismus die grenzenlose Multikulturalität vorantreibt. Gilt es doch erst einmal, innerhalb Deutschlands zusammen zu wachsen; danach können wir unsere Bemühungen Richtung Europa ausweiten. Wenn Ersteres innerhalb von 26 Jahren noch nicht einmal gelungen scheint, wie soll dann die Integration Kulturfremder überhaupt gelingen? Versteh‘ ich nicht.
Der heutige 3. Oktober kommt mir vor, wie der 40. Jahrestag der DDR. Im Saal wurde gefeiert und draußen knüppelte die Polizei. Es ist bekannt, wielange der Staat das überlebt hat.
Heute zum Tag der Deutschen Einheit war ich beim Chinesen essen. Mit meinem Sohn und seiner chinesischen Freundin.
Übrigens ein wunderschönes Mottobild! könnte mein patriotisches Computerhintergrundbild zieren.
Fahren wir durch die deutschen Landschaften, so können wir mit fug und recht sagen: Schönes Land. Fahren wir in die Dörfer und Städte, dann sind das teilweise und zumeist schöne Dörfer und Städte. Gehen wir in den Ortschaften spazieren, so können wir zumeist feststellen: Nette Leute, diese Deutschen. Ja, Schrullen hat ja jedes Volk auf seine Weise. Ja, hässliche Ortsteile finden sich überall und öde Landschaften auch. Fiese Menschen gibt es auch überall. Ohne das Hässliche würden wir das Schöne doch gar nicht zu würdigen wissen. Wir feiern im Stillen und genießen in Bescheidenheit. Das ist eine deutsche Tugend. Natürlich kann man das auch überschwänglich mit vielen draußen feiern. Das wäre vielleicht südländisch lebensfroh.
Beruflich bin ich durch viele Ortschaften in Deutschlands Ost und West gekommen. Die Trennung OST/West ist für mich nur noch eine in Betonköpfen und bei Humorlosen. In meinen Jahren in Eisenach habe ich die „Ossis“ sehr zu schätzen gelernt und mich als Wessi im Gegenzug auch. So, wie icke die Berliner Schnauze toll finde, freue ich mich über Rheinische Frohnatur, nordische Wortkargheit, Bayerische Urigkeit und sächsische Gemütlichkeit. Feiern wir unsere Wiedervereinigung, indem wir die Besonderheiten jeder regionalen Mentalitäten finden und uns daran erfreuen. Die Politiker können uns dabei doch völlig Wurscht sein.
Wenn wir in bestimmte Stadtviertel kommen, so trifft man dort sehr internationales Publikum. Wenn es nicht gerade Brennpunkte sind, so freut mich auch dort die Lebensart der Leute und bei schönem Wetter könnte man fast meinen, im Urlaub zu sein. Ich fühle mich nicht bedroht, sondern neugierig auf jene Leute. Auch das ist Deutschland: Weltoffen.
Jetzt lese ich endlich, was ich schon seit einer Weile vermutet habe. Ja, es muss dieses Urlaubsgefühl sein („so wertvoll wie – nein, kein kleines Steak, sondern wie ein kleiner Urlaub“), welches sich beim Anblick so vieler „exotisch“ anmutender Neubürger in deutschen Städten unwillkürlich einstellt. So mag es jedoch geschehen, dass der klare Blick für die langfristigen Implikationen getrübt wird, welche eine massenhafte, teils unkontrollierte, Zuwanderung – die sich aufgrund der massiven Überbevölkerung in anderen Teilen der Welt eher noch verstärken wird – zwangsläufig mit sich bringt. Obwohl mein eigener Lebensstil ein beachtliches Quantum an Weltoffenheit erfordert, gebe ich zu, dass sich meine Neugier auf das von Herrn Droste so genannte internationale Publikum in Grenzen hält; dies vermutlich weil ich diese Neugier in der Vergangenheit schon zur Genüge stillen konnte.
Jahahahhh, aber wenn man mit dem zoologischen Blick …. 😉
Was verstehen Sie unter „zoologischer Blick“, Herr Droste? Bitte erklären Sie sich. Danke.
Hab ich doch. Wo war das gleich? Die Geschichte mit dem Anhalter aus Afrika.
Sind wir nicht alle irgendwie besonders gewitzte Tierchen, die da so kreuchen und irgendwas wollen? Geleitet von mehr oder minder niederen Trieben und Begierden, geplagt von Ängsten und unguten Empfindungen, strebend nach der Befriedigung. Da ja das Kulturelle all diese animalischen Empfindungen und Regungen überlagert, fühlen wir uns als etwas Erhabenes. Ethologisch doch recht interessant, gell? Und im Vergleich der Völker auch recht vielfältig.
Dieses macht mich neugierig auf diese Fremden.
Also irgendwie kann ich nicht mehr glauben, dass es sowas gibt wie eine „Deutsche Einheit“. Vielleicht sollte man sich mal diesen Verhaltenscodex durchlesen https://www.tag-der-deutschen-einheit.sachsen.de/verhaltenskodex-4877.html
Also da wo ich wohne gibt es in einem Komplex von 5 Ortsteilen eine Polzeistation in der gegelentlich mal einer reingeht, vermutlich um die Hydrkulturblumen zu gießen und ein paar Spinnenweben wegzuschaffen. Hier im Ort gibt es öfter Fahrzeuge, die mit Blaulicht unterwegs sind. Die weitaus meisten – gefühlte 90% – sind weiß, 9,9% sind rot und die anderen blau.
Wenn wir hier auf eine Feier gehen, dann würde keiner mitbekommen, wenn ich irgendwas mitnehme, was verboten ist, es würde keinen interessieren. Und einen Rucksack dürfte ich auch tragen.
Wenn ich diesen Codex so lese, dann frage ich mich wirklich, ob wir hier vom gleichen Deutschland reden.
Wenn es der 9. November, der Tag des Mauerfalles wäre, oder nach wie vor der 17. Juni könnte ich mich mit Ihren Gedanken anfreunden. Doch eine auf Verfassungsbruch begründete staatliche Einheit, wie die am 3. Oktober, halte ich nicht für feiernswert.
Lese-Empfehlung: eine beeindruckend aufschlussreiche Analyse zum Tag der Deutschen Einheit fand ich übrigens auch auf Tichys Einblick. Sie stammt aus der Feder von Gerd Held und trägt die Überschrift Deutsche Einheit 2016 – der heimliche Abschied.
Lieber Herr Kelle, ich hoffe, dass der „Link“ zu diesem Meinungsmagazin gestattet ist… ?
Am 9. November 1989 lag ich nach Feierabend rücklings in der neuen Spüle, die ich an diesem Tage meiner besseren Hälfte kredenzt hatte und schloss gerade den Syphon an, als meine Frau mit fassungslosem Blick und unsicherer Stimme „Die Grenze ist auf!“ von der Küchentür her verkündete. Ich habe mich, völlig überrascht, dermaßen schnell aufgerichtet, dass ich mir dabei an dem neuen Möbel den Kopf kräftig angestoßen habe. An der Schmerz habe ich jedoch keine Erinnerung mehr, trotz der gewaltigen Beule. Allzu faszinierend waren die TV-Berichte dieses Abends.
Wohl ein Jeder, der diesen Abend erlebt hat, wird berichten können, wo und unter welchen Umständen ihn die Nachricht von der Grenzöffnung ereilte. DAS war Emotion pur, DAS empfinde ich auch heute noch, über ein Vierteljahrhundert später, als DEN prägenden, alles bestimmenden Moment der damaligen Ereignisse.
Am 3. Oktober 1990 hatten wir dann Besuch. Die Ost-Verwandtschaft der Familie meiner Frau war eingetroffen, und unsere Planung für den großen Tag sah vor, in gemütlicher Runde die Übertragung der Feierlichkeiten zu verfolgen. Allein – die Runde geriet dermaßen gemütlich und tiefsinnig, dass der Fernsehapparat ausgeschaltet blieb und wir uns stundenlang über die vergangenen Jahrzehnte, die vielfältigen Entbehrungen der Besucher und unseren Hoffnungen auf eine nun hoffentlich bessere, gemeinsame Zukunft unterhielten. Irgendwann gegen 21 Uhr rutschte dann einem Cousin ein völlig perplexes „Ach je – wir sind ja jetzt vereint!“ heraus. Der Festakt in der Berliner Philharmonie ist unbeachtet an uns vorüber gegangen, die bereit gestellten Sektflaschen blieben ungeöffnet.
Am 9. November 1991 erreichte uns abends ein Anruf aus Ebeleben. Der mittlerweile verstorbene Onkel meiner Frau war ein Telefon. „Wisst Ihr noch, letztes Jahr?“ begann er, bevor in seinem Schluchzen der Rest des Gesagten unterging. Am 3. Oktober zuvor hatte sich niemand gemeldet.
Nein, wenn ich eine Fahne heraushängen würde, dann am 9. November. Die Erinnerung daran nimmt mich seitdem jedes Jahr erneut gefangen und ruft die unvergleichlichen Stunden wie auch die damit verbundenen Empfindungen immer wieder lebhaft ins Gedächtnis.
Der 3. Oktober? Ein Honoratiorenakt, der Verzicht auf den 9. November der rückwärtsgewandte Kniefall vor Ereignissen, deren Protagonisten schon zu diesem Zeitpunkt zumeist unter der Erde lagen – anstatt eines mutigen, zukunftsweisenden Bekenntnisses zu DEM „Schicksalstag der Deutschen“.
Dass dieses Land zudem in jüngster Zeit eine durchaus bedenkliche Entwicklung nimmt, ist meiner Feierlaune ohnehin abträglich. Ich hoffe sehr, dass ich bald wieder ein Heimatland wahrnehme, für das ich gern eine Fahne hisse. In der jetzigen Situation steht mir beim besten Willen der Sinn nicht danach.