Als regelmäßige Leser meiner Beiträge wissen Sie, dass die Teilnahme an der katholischen Messe für mich zu jedem Sonntag unbedingt dazu gehört. Uns so saß ich auch heute in meiner Gemeinde in der vierten Reihe und wartete auf das, was da kam. Es war ein Gastprediger, der Pastor der evangelischen Kirchengemeinde im Ort. Es ist hier üblich, dass er einmal im Jahr bei uns predigt, und unser Pfarrer einmal im Jahr zu den evangelischen Brüdern und Schwestern geht.

Unser Gast erfüllte meine erwartungen zu 100 Prozent. Sein Thema war der G20-Gipfel. Was die Staatschefs alles nicht beschlossen hätten, was sie hätten anders machen sollen, über was nicht einmal geredet wurde, dass sie sich für die ihnen anvertrauten Menschen überhaupt nicht interessieren und so weiter. Christus pur, sozusagen.

Über die tagelangen Gewaltexesse in Hamburg und mehr als 200 verletzte Polizisten sagte er nichts. Und das ist auch gar nicht nötig, denn er ist ja ein Gottesmann und kein Politiker. Er hätte einfach über Jesus Christus und das Evangelium sprechen können, aber leider verpasste er diese Chance. Meine Erwartungen an moderne christliche Prediger sind einfach zu hoch.

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Dieser Artikel wurde 20 mal kommentiert

  1. Klaus Beck Antworten

    Hat die Kirche schon irgendwann einmal in der Geschichte ein verständiges Wort zu „Krieg“ gefunden?

  2. Alexander Droste Antworten

    Jesus hat selbst öfters auf die Politik Stellung bezogen. Er war dann sogar selber Aktivist. Er bezog sich stets auf die alten Schriften und predigte im Sinne der „Geringprivilegierten“. Er trat ein für Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit. Er war gegen Selbstgerichtigkeit aber für die Freiheit und den Schutz des Rechts auf Leben. Er gestand dem Menschen Fehlerhaftigeit zu und verlangte die Reue. Wer ihm folgt, dem sei das Heil im Himmel sicher. Das darf ein evangelischer Pastor auch.
    Religion ist stets auch politisch, leider. Gewiss hätte der Prediger auch Zitate zum aktuellen Anlass heraussuchen können. Aber braucht man die unbedingt, wenn es um die Ethik der Weltmächtigen der Jetztzeit geht? Was hätte Jesus dazu gesagt? Sowas zum Beispiel: „Gebt dem Keiser, was ihm gehört.“ Oder: „Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.“ So oder so ähnlich. Kennen wir doch. Warum ständig wiederholen?
    Wie hätte jetzt der spirituelle Teil ausgesehen? „Vergib uns unsere Sünde.“ „Danke für deine Gnade.“ „Mache die Welt gerecht.“ „Du bist so gütig.“ Draußen tobt der Mob.
    Ist das christliche Moral? „Ich bin klein und schwach, lass den da oben mal machen, aber mich möge er verschonen.“ Und der Pastor von „den Anderen“ genügt nicht meinen Ansprüchen.

    • Andreas Antworten

      Ja, ich denke das diese Ausführungen ein schönes Beispiel dafür sind, warum die Menschen vom Christentum abstehen.

      Wer selbst keinen wahrhaftigen Glauben hat, kann auch kein Beispiel geben.

  3. S v B Antworten

    „Vielleicht erwarte ich einfach nur zu viel“

    Gerade von einem evangelischen Gottesmann darf in dieser Zeit sicher nicht (mehr) allzu viel erwartet werden, lieber Herr Kelle. In diesem Falle hätte es vielleicht eher Sinn gemacht, Herrn Kleber oder Frau Slomka einzuladen. Beide Optionen hätten allerdings eine jeweils happige Honorarzahlung erforderdert. (Ironie aus).

  4. Klaus Beck Antworten

    Aus der „Achgut“ von heute zum Titel „Gott verschwand beleidigt gegen Norden“:

    „Lange hätten die Menschen und Gott leidlich miteinander gelebt, erzählt ein Stammesmythos. Da habe Gott plötzlich von ihnen verlangt, dass sie ihm den Hintern leckten. Die Anuak hätten abgelehnt, sie seien anständige Menschen. Darauf sei Gott beleidigt gegen Norden verschwunden. Die Araber und die Weissen zeigten weniger Scham und seien dafür mit Reichtum belohnt worden. Solange sich Gott nicht bessert, meinen die Anuak, solle er bleiben, wo er ist.“

  5. colorado 07 Antworten

    Da hilft nur noch Nicolas Gomez Davila weiter, der der Meinung war, die Riten schützten den Glauben, die Predigten unterminierten ihn.
    Ich bin als regelmäßiger Kirchgänger auch langsam der Meinung, dass eine Predigt eine mehr als fragwürdige Unterbrechung der heiligen Liturgie ist, zumindest wenn der Prediger nur Eigenbau produziert.

  6. S v B Antworten

    Wie ich vernahm, glaubt inzwischen schon der eine oder andere katholische Geistliche nicht mehr an die Wandlung. Beide großen christlichen Kirchen gehen schwierigen Zeiten entgegen; zumindest sehe ich das für Deutschland voraus. Als erste wird es die evangelische Kirche treffen, in letzter Konsequenz vermutlich aber auch die katholische. Die Welt zerbröselt förmlich vor unseren Augen, um es mal flapsig auszudrücken. Dafür gewinnen Ungewissheit, Angst und Aggression immer mehr an Terrain. Kein beruhigender Gedanke.

    • Klaus Beck Antworten

      Sie haben völlig recht. Die Welt zerbröselt in fast apokalyptischem Tempo, und zwar auf allen Ebenen und an allen Ecken.
      Und der humoristische Aspekt daran ist: (Fast) niemand interessiert sich dafür.

      Man bekommt eine kleine Ahnung über die kafkaesken Gelage im Führerbunker, als die ausgelassene Entourage nur beim Verrutschen der Grammophon-Nadel durch die Erschütterungen der immer näher kommenden Einschläge der Artillerie zwar kurz inne hielt, dann aber mit fröhlichem „Stößchen“ unbeirrt wieder zum leichten Leben über ging.

      • S v B Antworten

        „…(Fast) niemand interessiert sich dafür.“

        Dem Vernehmen nach soll auch das Orchester der Titanic bis zum bitteren Ende durchgefiedelt haben. War’s die sture Pflichterfüllung, die sie so zwanghaft weiterspielen ließ, oder war’s doch der fatalistische Blick auf die sich immer stärker neigende Fläche unter ihren Füßen?

        Obwohl ich stets es bin, die andere in jüngerer Zeit gerne und mit voller Absicht in Gespräche über Politik hineinzieht, haben mich heute flüchtig Bekannte völlig unerwartet von sich aus(!) auf die Lage im Land angesprochen. Sie beklagten sich über die Zustände im Land und darüber, dass „es so nun wirklich nicht mehr weitergehen“ könne. Selbstredend bestärkte ich die guten Leute in ihrer Meinung und verabschiedete mich schließlich, nicht ohne in semi-verschwörerischem Ton herauszulassen, dass meine Wahlentscheidung schon längst gefallen sei. Diese Aussage machte Eindruck, wie mir schien. Fazit: es geschehen durchaus noch Zeichen und Wunder; wenn auch sicher nicht genug.

  7. Tina Hansen Antworten

    Ich habe es selbst erlebt: nachdem ich es am Donnerstag abend mit öffentlichen Verkehrsmitteln, knapper Not, ordentlicher Verspätung und klopfendem Herz geschafft hatte, aus der schon fast belagerten Stadt hinaus zu kommen, drängten mir wohl meinende Gutmenschen als erstes ein Gespräch über die Nutzlosigkeit von G20 im allgemeinen und Ivanka Trump im besonderen auf. Mein mehrfacher Hinweis, ich sei froh, nicht verletzt worden zu sein, verhallte ungehört.

    • Klaus Beck Antworten

      Tja, auf Einzelschicksale können die willfährigen Straßenhuren der Staatsräson leider keine Rücksicht nehmen, zumal sie spätestens jetzt gemerkt haben, dass sie trotz ihres heldenschwarz zelebrierten Klassenkampfes gegen das Establishment schon lange von genau diesem Establishment gef… werden.

      Wie tragisch, wie demütigend muss die Erfahrung sein, dass Scholz, Merkel und Co. die eigene, jahrelang als Linkenhochburg proklamierte „Schanze“ und den trauten Kiez ganz bewusst als polizeibetreute Spiel- und Krawallwiese den Underdogs zur Verfügung stellen, während das Establishment in der Elbphilharmonie und in Blankenese gut bewacht ungestört weiter in visuellen, auditiven und gustatorischen Genüssen schwelgt.

      Oh ja, es ist schon ein Sch… Leben, wenn man nichts gelernt hat, Transferleistungsempfänger ist, noch bei den Eltern wohnt, das Klima stirbt und das Koks so unverschämt teuer ist. Und dann platzt auch noch der riesiggroße, täglich mit Worthülsensprech aufgepumpte linke Lebenslüge-Ballon mitten in dem von mir selbst besetzten Haus …

  8. Frank Emath Antworten

    Nein, Herr Kelle, Sie erwarten nicht zu viel! Uns wird einfach zu viel zugemutet. Unsere Gesellschaft wird seit Jahren von linkslastigen erbärmlichen Zeitgenossen ideologisch regelrecht vergewaltigt. Stellen Sie sich mal vor, im Hamburg hätten fünf Rechtsradikale ein Schaufenster eingeschlagen, dann wäre hier die Hölle los. Mehr brauche ich nicht zu sagen. Und das schlimme ist, dass sich unsere Medien durch Genossen wie Slomka, Kleber und auch von diversen Kanzeln zu Meisterschülern des K.E. von Schnitzler entwickelt haben und den Urvatter des dreckigen, ideologisch angehauchten Journalismus bei weitem übertreffen. Bei alldem sollte man das biblische Sprichwort mit dem Säen und Ernten nicht vergessen. Die Zeit der Abrechnung wird kommen, da bin ich mir ziemlich sicher. Hamburg war zwar der völlig falsche Anfang, aber es war ein Anfang!

    • Tina Hansen Antworten

      Auch meine Überlegung war es, wie sich diese Republik verhalten würde, wenn es Rechte gewesen wären, die hier alles in Schutt und Asche gelegt hätten. Das Gekeife hätte uns mindestens bis Weihnachten in den Ohren gelegen.

    • S v B Antworten

      Vielleicht war Hamburg ja auch nur ein Vorgeschmack auf die Qualität tätlicher Auseinandersetzungen, wie sie für tribale Gesellschaften typisch sind. Es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, dass sich Deutschland, ausgehend von einer postdemokratischen, multikulturellen Gesellschaft, in letzter Konsequenz wieder in eine Art Stammesgesellschaft zurück entwickeln könnte. Obwohl dieser Gedanke heute noch abstrus scheinen mag, folgt er doch einer gewissen Logik.

      • labrador12 Antworten

        Liebe SvB

        Diese Entwicklung scheint mir durchaus im Bereich des Möglichen

      • labrador12 Antworten

        Liebe SvB

        Als Versuch einer Erklärung:

        Mir geht es im Folgenden um eine Beschreibung und nicht um eine Bewertung, auch wenn manche Begriffe dazu verleiten als Wertung aufgefasst zu werden!

        Jordan B Peterson meint, das die politisch Überzeugung viel mehr mit unserem Veranlagungen (The Big Five) zu tun hat als allgemein bekannt: Liberal (im US Sinne) kommt eher vor bei Menschen die hohe Werte in Openness haben und Konservativ bei Menschen die hohe Werte bei Industriousness haben. Die „Politisch Korrekten“ passen nicht in dieses Schema.

        Nun hat Peterson an seinem Institut eine Post-Doc, die Verträglichkeit (Agreeableness, ein weiterer Wesenzug der „Big Five“) als charakterisierenden Unterschied zwischen PC und den anderen:beiden politischen Richtungen herausgefunden hat.

        Agreeableness (Sorry, aber ich kenne das nur auf Englisch und die deutschen Begriffe klingen nicht richtig für mich) klingt zuerst mal toll. Sie ist aber ein zweischneidige Schwert. Eine Bärin ist sehr verträglich zu ihren Jungen, versuchen Sie mal in die Nähe der Jungtiere zu gelangen und Sie sehen die „dunkle Seite“ der Agreeableness. Agreableness unterscheidet also stark zwischen „In-Group“ und Out of Group“. Das ist eine Beschreibungsform von Tribalismus.

        Peterson weist darauf hin, das im Mittel Frauen eine halbe Standardabweichung mehr Agreeable sind als Männer. Es gibt also einen großen Bereich, der sowohl mit Frauen als auch mit Männern gefüllt ist, bei den Extremen treten die Unterschiede aber deutlich hervor (Im Gefängnis sind viel mehr Männer als Frauen und die sind alle sehr „disagreeable“). Er vermutet als Ursache dafür, dass die Selektion nicht auf den Vorteil der Mutter allein sondern den Vorteil der Mutter-Kind Dyade fokussiert(e). Deshalb nennt er Agreeableness auch „maternal trait“ und verweist auf ihre Bedeutung zur „Aufzucht“ von Babys.

        Wir sehen heute wie Frauen breit gefächert in der Politik das Sagen haben. Das wird nicht ohne Auswirkungen bleiben. Die Rückkehr des Tribalismus könnte eine davon sein.

        Und um einen Einwand vorwegzunehmen: Man muss in diesem Sinn „Stamm/tribe“ nicht ethnisch definieren, es geht darum, ob der Gegenüber innerhalb oder außerhalb der eigenen Gruppe ist. Man betrachte etwa eine PC-Feministin, die innerhalb ihres Zirkels höchst besorgt um das Wohlbefinden ihrer Genoss(inn)en ist, die jedem Mann außerhalb der Gruppe aber am liebsten „eunuchisieren“ würde …

        • S v B Antworten

          Danke für Ihre interessante Einlassung, lieber labrador12.

          Aufgrund welcher Gemeinsamkeiten und Differenzierungen sich eine Formation zukünftiger tribaler Entitäten letztlich vollziehen würde, entzieht sich heutiger Kenntnis und bleibt darum vorerst spekulativ. Dass diese Formierung sich jedoch gänzlich ohne Berücksichtigung familiärer Bindungen im kleinen sowie ethnischer Identitäten im größeren Rahmen vollziehen würde, wage ich zu bezweifeln. In jedem Falle würde eine Re-Tribalisierung die stets fortschreitende Atomisierung* unserer Gesellschaft wieder umkehren.

          *Rolf Peter Sieferle in seinem Buch Das Migrationsproblem

          • labrador12

            Liebe SvB,

            Sie beklagen zurecht die Atomisierung unserer Gesellschaft. Ich sehe darin aber keinen Widerspruch, Ich denke da zB an Herrn Kelle’s „Von den Helden des Alltags“, vom 7. Juli 2017:
            – Der Pizzabote würde in einem tribalen System solche Risiken nur für seine „Häuptlinge“, aber niemals für einen wildfremden Kunden auf sich nehmen.
            – Polizisten lassen sich derzeit noch für’n Appel und ’n Ei (großartig bezahlt sind Polizisten wirklich nicht; in Schwedens quotieren gerade bedenklich viele Polizisten ihren Dienst (1), (2)) von wildfremden mit Betonplatten und Molotowcocktails bewerfen ohne SCHARF/tödlich zurückzuschießen. Was tun, wenn sich niemand mehr findet, der diese Arbeit machen will? In einem tribalen System gibt es keine Polizei mehr. Man hat die Gangs auf der Straße, das Recht des Stärkeren anstelle von Gesetzen; Sozialstaat adeeeee, …
            – unsere (westliche) Gesellschaft ist deshalb so erfolgreich, weil die große Mehrheit, ihren Dienst tut. Das kann man missbrauchen, keine Frage, aber ohne hätten wir hier eine veritable Hölle. Sie haben in einem früheren Posting mal angedeutet, dass Sie auf Ihren Reisen auch solche Teile der Welt (von einem bevorzugten Platz; mein Zusatz) kennengelernt haben.

            Ist es wünschenswert, die Atomisierung so aufzuhalten?

            Ja, ganz richtig, auch die Probleme mit Migranten fördern die Tribalisierung, aber selbst wenn es in Deutschland keinen einzigen Migranten gäbe, alles andere so bliebe wie jetzt, es würde wenig ändern.

            (1) von Danisch „Code 291: …“ am 2.4.2017:
            „Der Bayernkurier (2, bei Danisch verlinkt) meldet, dass in Schweden immer mehr Polizisten den Dienst quittieren, bereits Hunderte (und Schweden ist ja nicht so bevölkerungsreich). Sogar Mikaela Kellner, deren Bild um die Welt ging, als sie im Schwimmbad im Bikini einen Dieb dingfest machte.“

            (2) Bayernkurier
            „Hunderte schwedischer Polizisten haben im vergangenen Jahr den Dienst quittiert. Aus Ärger über schlechte Bezahlung und immer drückendere Arbeitsbedingungen.“ …
            „80 Prozent der Polizisten tragen sich mit Kündigungsgedanken, jeder vierte Polizist sucht schon aktiv nach einer neuen Stelle“

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