Ich bekomme in jüngster Zeit immer mal Mails oder auch Nachrichten im Chat von Facebook, wo mich Mitglieder und Aktivisten aus der AfD kritisieren (absolut legitim) oder in Einzelfällen beschimpfen (nicht schön, aber bitte). Ich sei nämlich ein „Systemjournalist“, der Schadenfreude angesichts der Entwicklungen in ihrer Partei empfinde. Und „CDU-hörig“ sei ich auch. Ich weiß jetzt nicht, woran genau sich das alles festmacht, aber wer sich wie ich politisch äußert, wer immer mal kräftig gegen Andere austeilt, der darf nicht zimperlich sein. Also soweit alles gut.

Gleichzeitig habe ich es nun endlich geschafft – ich bin jetzt auch rechtsextrem! In einer – sagen wir – „Ausarbeitung“ für eine angesehene politische Stiftung stellen mich zwei Hobby-Astrologen in einen Zusammenhang mit AfD, Putin-Treuen, Verschwörungstheoretikern und Fremdenfeinden. Mich. Auf so etwas muss man erst mal kommen. Was mich beruhigt: ich bin da in bester Gesellschaft von vielen honorigen Leuten, allen voran meine Frau Birgit, mehreren Journalisten und Bloggern, der großartigen Hedwig von Beverfoerde, die den Elternprotest in Baden-Württemberg organisiert, und so weiter. Ein „Who is Who“ engagierter und zutiefst demokratisch eingestellter Menschen, die mit Fakten und Argumenten dem Zeitgeist entgegentreten. In diesem Zusammenhang genannt zu werden, ist eine Ehre. Das Pamphlet selbst mit dem Logo der Stiftung ist von einer intellektuellen Dürftigkeit, dass sich eine ernsthafte Auseinandersetzung damit erübrigt. Nicht satisfaktionsfähig. Sollen die Autoren es für den Deutschen Comedy-Preis einreichen oder als „Die Geisterjäger“ auf Tournee gehen. Die Frage allerdings, weshalb sich eine traditionsreiche Stiftung für solchen Schmonzes hergibt, wird noch zu klären sein. Falls nötig auch vor Gericht. Ich kann jedenfalls als Journalist gut damit leben, wenn mich die AfDler für „System“ halten und das „System“ für einen heimlichen AfD-Sympathisanten. In erster Linie und vor allem bin ich Journalist und bemühe mich um Äquidistanz.

Es sind seltsame Zeiten, wo kaum noch jemand in Deutschland Wert darauf zu legen scheint, Themen sachlich zu diskutieren und Argumente auszutauschen. Man will Personen diskreditieren, am besten persönlich fertigmachen, wenigstens aber der Lächerlichkeit preisgeben. Wenn ich derzeit so lese, was in den Netzwerken über Bernd Lucke gelästert wird, reibe ich mir oft die Augen. Das sind bisweilen dieselben früheren Parteigänger von ihm, die ihn noch vor einem Jahr in den Himmel gehoben haben. Lucke, der einzige Politiker, der noch Durchblick hat. Der Mann, den Deutschland braucht. Der, dem alle anderen Politiker nicht das Wasser reichen können, weil er so klug ist. Und nun? Ein teamunfähiger, unsympathischer Depp, der die schöne AfD kaputt machen wollte, eingeschleust von Frau Merkel, um verloren gegangene Unionswähler wieder einzufangen und so weiter und so weiter. Nichts erzeugt so viel Emotionen und Hass wie eine zerbochene Liebe. Scheinbar auch in der Politik.

Und dann ist da noch eine weitere Gruppe, die nicht unerwähnt bleiben darf. Nennen wir sie die Schenkelklopfer, auch viele aus der CDU dabei. Hatten sie vor einem Jahr noch die Hosen voll bis zum Hemdkragen, dass ihnen die AfD große Mengen an Wählern und Mitgliedern abjagen könnte, sind sie jetzt besonders gut drauf. So richtig locker. Haha, das war’s dann wohl. Wieder einen Angriff der Konservativen erfolgreich ausgesessen. Ja, ja, der Lucki, das hat er nun davon. Und ALFA? Haha, da ist ja bei Omega Schluß mit neuen Parteien. Ja, sie sind betont locker in diesen Tagen. Die Konkurrenz haben sie akut erstmal vom Hals, manch einer wird vielleicht sogar reumütig zurückkehren, so hoffen sie. Aber ob man sie überhaupt noch nimmt, wenn’s an der Tür klopft – das ist längst nicht ausgemacht. Niemand, so scheint mir, beschäftigt sich damit, was aus diesen drei Millionen Wählern bei der Europawahl wird, denen das etablierte Angebot nicht auszureichen scheint. Die Leute sind ja noch da, und sie werden wohlmöglich sogar mehr. Wenn Konservative auch in Zukunft mit ihren Anliegen beim Establishment kein Gehör finden, werden sich viele dann wieder etwas Neues suchen. Statt zur Schau getragener Überheblichkeit sollten sich die Etablierten etwas demütiger geben und darüber nachdenken, was sie eigentlich selbst falsch gemacht haben, bevor AfD und Co. ein ein Thema wurden.

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Dieser Artikel wurde 6 mal kommentiert

  1. Andreas Schneider Antworten

    Nun, dann sind Sie jetzt ja ebenfalls in den illustren Kreis Derer aufgenommen, die – dank eingeschalteten Gehirns – „rechts“ anlanden, Herr Kelle. Willkommen! 🙁

    Wir leben in einer Zeit der Schlagworte, die obendrein von ihren Nutzern – sei es aus Unkenntnis, sei es aus Berechnung – oftmals falsch oder nach eigenem Gusto definiert werden, je nach Gemengelage.

    Den Niedergang der Streitkultur mache ich in erster Linie an der Anonymität des Internets fest. Oder wann hat man Ihnen besagte Vorwürfe Aug‘ in Auge entgegen gebracht? Dass zudem über nunmehr gute 2 Jahrzehnte lang ein sog. „Mainstream“ eine ganze Schülergeneration von Kindesbeinen an dergestalt indoktriniert hat, nur ja „diese eine“ Wahrheit zu akzeptieren, tut ein Übriges.

  2. marco jansen Antworten

    Sehr geehrter Herr Kelle,
    zu Lucke und der Entwicklung der AFD zeigt sich meines Erachtens, dass die Partei und Ihre Führung nicht in der Lage sind sich demokratischen Prozessen auszusetzen. Selbst wenn der Entscheidungsprozess oder Flügelkampf der AFD ein demokratischer Prozess war, so war doch das Verhlaten der Deligierten unangemessen für eine Patrei, die von sich behauptet Meinungen jeder Art Gehör verschaffen zu wollen. Intern jedenfalls scheint die AFD an diesem Anspruch zu scheitern. Und Herr Lucke auch. ALFA erscheint, nach neusten Meldungen ein enges Korsett für Meinungen anzulegen. Wenn sich Lucke dann in Wortmeldungen weiterhin mit dem Duktus des Empörten Mahner wider dem Mainstream präsentiert, erscheint das immer weniger glaubwürdig, da er selbst nicht in der Lage ist sich gegenläufigen Strömungen zu stellen. Was meines Erachtens bei der AFD fehlte – auch Lucke selbst – ist die Fähigkeit die anstrengenden Prozesse des Konsens auszuhalten, die Teil unserer Demokratie sein müssen, weil wir eben keine Minderheitengesellschaft sind. Politische Entscheidungen werden mit Sicherheit nicht von Allen getragen, aber von Vielen, auch von jenen, die im Ringen um die Ausrichtung der Politik unterlegen sind. Das, so erlebe ich die Auftritte von Herrn Lucke, scheint bei ihm und seiner Partei nicht angekommen zu sein.

    Was die persönlichen Anfeindungen auch an Ihre Person angeht: Es ist tatsächlich schade, dass wir zunehmend in Schlagworte verfallen, wenn wir eigentlich Inhalte diskutieren sollten. Das bewerte ich so wie Herr Schneider.

  3. Alexander Droste Antworten

    Kultur geht mit der schleichenden Verblödung einher – Streitkultur zumal mit der wachsenden Unfähigkeit zu angemessener Kommunikation, beginnend mit dem geduldigen Zuhören. Und wie bei den kleinen Vögeln, die als Nesthocker ihren Schnabel aufreißen, bekommen diejenigen, die ihren Schnabel am weitesten aufreißen, am meisten hinein. Die bekommen dann das Recht um z.B. die Kinder in den Kindergärten und Schulen mit verwirrter Sexualität zu belästigen.

    Alle Angriffe gegen konservative Werte und deren Verfechter kommen von einem ziemlich verblödeten, zumeist linken, Pöbel. Die Schlagwörter wie Nazi und rechtspopulistisch etc. entlarven das eigentlich immerzu. Den Schreihälsen mit ihren Nazivorwürfen, die sie auch ständig mit irgendwelchen Beweisen zu untermauern versuchen, kann man den Beweis entgegenhalten, dass sie selber Nazi sind, denn sie gebrauchen die selbe Sprache wie die Nazis, nämlich deutsch.

    Die Streitkultur scheitert auch an der immer stärker um sich greifenden Unfähigkeit, sich unterzuordnen; sprich die Mehrheit hat entschieden, Klappe zu; also eine Sozialunfähigkeit. Privat kann man ja seine Meinung ja kund tun. Nur der Stil dabei entscheidet, ob und wie man sich gegen die Allgemeinheit auflehnt und ob man das Gesamtklima vergiftet. Sachlichkeit ist da heute offenbar keine Option mehr. Und das stimmt, was Andreas Schneider anführt. Die Anonymität des Internet macht die Leute hemmungslos.

  4. Alexander Droste Antworten

    „Kultur geht mit der schleichenden Verblödung einher“ sollte heißen „… geht … zugrunde.“
    Verzeihung.

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