Sekundärtugenden sind wichtig fürs Zusammenleben

Oskar Lafontaine hat Fleiß, Anstand und sowas mal als „Sekundärtugenden“ bezeichnet, mit denen man auch ein KZ betreiben könne. Was für eine Unverschämtheit, oder?

Fleiß, Anstand, Disziplin und Ehrlichkeit sind das Fundament einer jeden lebenswerten Gesellschaft.Und auch diejenigen, die das verachten und sich Anarchie und Chaos wünschen, leben gut und gerne davon, dass eine Mehrheit ihre eigenen Regeln noch ernstnimmt und die Gesellschaft lebenswert erhält.

Ich habe eine neue Lieblingskneipe in Berlin, genau genommen in Spandau. Zwei Mädels betreiben den Laden erfolgreich, tolles Essen, Kilkenny und Köstritzer vom Fass. Kann man machen. Als ich vor ein paar Wochen das erste Mal dort war, wusste ich nicht, dass die zum Bezahlen keine Karten, sondern nur Bargeld, akzeptieren. Und genau das hatte ich nicht dabei. Peinlich.

Ich habe einem Kellner die Lage erklärt, kein Problem, sagte er und erklärte, wo ich einen Geldautomaten fände. Ich also raus, nach 20 Minuten wieder da und bezahlt. Der Kellner schien überrascht, dass ich wirklich wiederkomme und bezahle. Er bedanke sich extra dafür.

Vorgestern in unserem Kaff am Niederrhein nochmal

Ich abends auf dem Weg nach Hause und seit dem Morgen (Brötchen) nichts gegessen. Also, rechts ran, rein in den „Samos Grill“, Pizza Tonno bestellt. „Ich bin in 10 Minuten wieder da“, versprach ich. Ich hatte nämlich wieder kein Bargeld dabei und musste noch eben zum Geldautomaten bei der Volksbank, einziger Geldautomaten im Umkreis von 10 Kilometern

Was passierte? Na, klar. „Der Geldautomat ist leider zur Zeit deffekt“, stand da auf dem Bildschirm.

Zurück im „Samos Grill“ war meine Pizza fertig. Ich erklärte die Situation, man gab mein Nachtmahl heraus und ich versprach, am nächsten Tag zu kommen und zu bezahlen.

Machte ich auch, aber wieder schienen alle gestern überrascht, dass da ein Trottel wirklich kommt und seine Rechnung bezahlt….

Was ich sagen möchte: Ehrlichkeit scheint in dieser Gesellschaft langsam zunehmend etwas Exotisches zu werden…

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Dieser Artikel wurde 18 mal kommentiert

  1. H.K. Antworten

    Lieber Herr Kelle,

    zwei Punkte:

    1. Daß Sie in beiden Fällen wieder „auftauchen“ und bezahlen, „wie sich das gehört“, war doch klar.
    Ich zumindest hätte von Ihnen auch nichts Anderes erwartet.

    2. Daß die Kellner in beiden Fällen erstaunt geguckt haben, ist auch nicht besonders bemerkenswert.
    Wenn in einer Gesellschaft, in einem Land, die höchsten Repräsentanten ( und -onkels ) ihre „Untertanen“ belügen und über den Tisch ziehen, daß die Schwarte kracht, sich im günstigsten Fall „an nichts erinnern“ können, sollte eigentlich auch umgekehrt zu folgern sein, nach dem Motto „der Fisch stinkt vom Kopf“.

    Zumindest war da „ein Herr mit Schnäuzer“ Thema an zwei Abendbrottischen.

    „Stellt euch mal vor, was mir heute passiert ist“.

    „Nein, daß es SOWAS noch gibt“ – was eigentlich selbstverständlich ist, im „besten Deutschland, das wir jemals hatten“.

  2. Gerd Rau Antworten

    Da hat H.K. den Finger drauf, unsere Politiker haben eine Vorbildwirkung, ob Sie wollen oder nicht. Und wenn da Gier und Egoismus vorgelebt wird schlägt das auf den Rest des Landes durch und ehrliche Menschen sind nicht mehr der Normalzustand sondern sorgen für Erstaunen.

    • H.K. Antworten

      Lieber Herr Rau,

      es sind ja nicht nur unsere Politiker.

      Wenn „Goldstücke“, die junge Mädchen vergewaltigen, von der Justiz bezeichnet werden als „Mensch, der auf dem besten Wege ist, ein gutes Mitglied der Gesellschaft zu werden“, lüften sich bei mir zumindest die Augenbrauen.

      Aber Sie haben selbstverständlich recht:

      Wenn „C III R“ auf Staatsbesuch in Deutschland weilt und ein festliches Dinée im Schloß Bellevue gegeben wird, die Herren allesamt ( incl. „Campino“, ebenso wie Christian Lindner ) im Frack erscheinen, die Damen entsprechend in „lang“, und die Zweithöchste dieses Staates in rotem Blazer und schwarzer Hose, die sie den ganzen Tag im Bundestag getragen hat, vorfährt, so fällt das nicht nur mir auf.

      Leider hat von dem Empfang und Abendessen weder das Erste noch das ZDF Bilder von Herrn Habeck in lang oder Frau Lang im Frack gezeigt.

      Und ob die bezahlt haben, ist auch nicht überliefert …

    • S v B Antworten

      @Gerd Rau

      Das mit der Vorbildfunktion wäre wünschenswert, kann aber nicht als Bedingung gelten. Politiker sind, bzw. gerieren sich, moralisch weder schlechter noch besser als der Durchschnitt der Bevölkerung. Sie rekrutieren sich aus Letzterer. Demnach repräsentieren sie bestenfalls den Durchschnitt und spiegeln folglich dessen Qualitäten wider. Sonst nichts. – Leider kann ich mich nicht mehr daran erinnern, wo ich vor einigen Jahren die seinerzeit auch für mich ziemlich enttäuschende Qualitäts-Analyse gelesen habe. Eine enttäuschende Einsicht, mit der sich der „gemeine Bürger“ jedoch wohl wird arrangieren müssen. – Jedem Individuum bleibt es allerdings unbenommen, sich seine eigenen moralischen Maßstäbe zu setzen und im Einklang mit diesen durchs Leben zu gehen. Selbstredend gilt dies auch für alle politischen Akteure.

      • H.K. Antworten

        Jo.

        „Das tut man nicht“ ist ebenso wie „das gehört sich nicht“ völlig unbekannt.

        ( Wenn sich „DIE Politiker“ aus „DER Gesellschaft“ rekrutieren, sollten wir vielleicht auch für Mörder, Vergewaltiger, Kinderschänder und was weiß ich noch eine entsprechende Anzahl berücksichtigen … ).

        • S v B Antworten

          @H.K.
          Zum zweiten Absatz: Ihr wohlmeinender Vorschlag dürfte sich wohl kaum realisieren lassen. Gewisse Vorstrafen (wenn nicht gar sämtliche) werden zumindest den von Ihnen zitierten Delinquentenkreis qua Gesetz vom passiven Wahlrecht ausschließen. Anderes kann ich mir wirklich nicht vorstellen. Aber, was nicht ist, kann durchaus noch werden. Heutzutage sollte man nichts für so abwegig halten, als dass es sich nicht irgendwann in der Realität wiederfinden würde. Wie ich jüngst kommentierte – man gewinnt den Eindruck, dass sich vieles in sein Gegenteil verkehrt. Eine merkwürdige Entwicklung.

  3. Günther M. Antworten

    Oskar Lafontaine hatte Recht mit seiner Einschätzung, scheinheilige Moralapostel bedienten sich schon immer gerne dieser Schlagworte, um in deren Schatten, die Moralkeule schwingend, ihre Partikularinteressen zu verfolgen.
    Hier von Unverschämtheit zu reden zeugt von Unwissen, die lange Liste derer, die sich nach Weltkrieg II einer Farbveränderung unterzogen haben spricht doch Bände.
    Zu finden unter…
    „Liste ehemaliger NSDAP-Mitglieder, die nach Mai 1945 politisch tätig waren.“

    > Ein Beispiel für Sekundärtugenden?
    Männlich: NSDAP Mitglied, HJ-Bannführer, Mitglied der Legion Condor, Referent im Reichsministeriums für Volksaufklärung & Propaganda, Leiter eines Propagandaamtes.
    > Dann ein bemerkenswerter „Wäschewechsel“…
    Nach 1945 fünf Jahre für US-Geheimbehörden tätig.
    > 1960 eine Diffamierungswelle gegen Willy Brandt (SPD) eingeleitet, der damalige Kanzlerkandidat sei unehelicher Herkunft.
    (Natürlich hochinteressant für Regenbogenpresse konsumierende Spießer)
    > 1972 mit Hilfe von Millionenspenden anonyme Postfach-Kampagnen gegen Willy Brandt und Walter Scheel (FDP)
    > Jederzeit handelte dieser Pirouettendreher…
    fleißig, anständig, diszipliniert, ehrlich – u n d – in treuer Pflichterfüllung!

    Mal am Rande…
    Die bekannt gewordenen „Maskendealer“ aus jüngster Zeit kamen aus welcher politischen Ecke?
    > Tja, da können sich Spießerlein auf’s Köpfchen stellen & mit der hinteren, unteren Auswurföffnung Fliegen fangen – Herr Lafontaine ist nicht unverschämt,
    sondern der liegt richtig – Punkt.

  4. .TS. Antworten

    „Bargeld […] hatte ich nicht dabei. Peinlich.“

    Komisch daß das anscheinend sonst noch keinem aufgefallen ist.
    Haben wir hier etwa schon schwedische Verhältnisse?

    • H.K. Antworten

      Ich wollte es nicht so direkt sagen, aber seit viiiiieeeelen Jahren bereits ist eine Angewohnheit, auf dringendes Anraten meines „alten Herrn“, einen „Not-Hunderter“ ( inzwischen einen „€-Not-Fuffziger“ ) mitzuführen, und zwar nicht im „normalen“ Geldbeutel.

      Eben „für alle Fälle“.
      Sollte der angegriffen werden, wird schnellstmöglich aufgefüllt.

      Aber vielleicht wußte mein alter Herr schon damals, daß ich nie so seriös und vertrauenswürdig aussehen würde wie Herr Kelle …

  5. gast Antworten

    In diesem Zusammenhang sind die Beobachtungen von Vishal Mangalwadi interessant. Vereinfacht gesagt: Gesellschaften, in denen christliche Tugenden gelebt werden, generieren Wohlstand für alle, während Gesellschaften, in denen jeder den anderen über den Tisch zu ziehen versucht, nur Wohlstand für eine Elite schaffen.

  6. Achim Koester Antworten

    Ich habe viele Jahre in der Gastronomie gearbeitet, aber ohne Sicherheiten habe ich keinen Gast jemals aus dem Lokal gelassen, mindestens ein Pfand, z.B. die Kreditkarte oder Armbanduhr, musste er zurücklassen, damit seine Rückkehr gesichert war.

  7. S v B Antworten

    Oft habe ich festgestellt, dass es gerade um die für die Vertrauensbildung innerhalb der Bevölkerung eines Landes unabdingbaren Sekundärtugenden in multikulturellen Gesellschaften bisweilen deutlich weniger gut bestellt ist. Ist es aus verschiedenen Gründen doch weitaus schwieriger, ja mitunter gar unmöglich, diese Tugenden untereinander in Deckungsgleichheit zu bringen. Ein gewichtiges Argument, das eher für eine nationalstaatliche Organisation von Ländern spricht. Je unüberschaubarer und „bunter“ (wahllos zusammengewürfelter) eine Gesellschaft, desto schwieriger wird es sich gestalten, annähernd identische Wertvorstellungen und Regeln zum Maß aller Dinge, ja zur Basis jeglichen Wirkens, zu erklären. Nun, erklären kann man freilich und wiederholt vieles, aber ob dies von allen Bevölkerungsteilen letztlich auch gleichermaßen respektiert, befolgt und aus ehrlicher Überzeugung hochgehalten wird, dürfte mehr als fraglich sein. Was das angeht, dürfte sich in Deutschland der Zug zumindest schon in Bewegung gesetzt haben – wenn er nicht schon raus aus der Halle ist. Dass gerade durch starke Fremdeinwanderung Gesellschaften in Gefahr geraten, „unübersichtlich“, ja unkontrollierbarer, zu werden, und dass gerade dies oft einen signifikanten Beitrag dazu leistet, dass sich innerhalb dieser Gesellschaften gegenseitiges Misstrauen einstellt bzw. verbreitet, war schon Thema einer Seminararbeit, die ich vor mehr als 40 Jahren über „Die heutige Situation der indigenen Bevölkerung in niederländisch Guayana“ verfasste. Damals ging solches an einer westdeutschen Uni übrigens noch völlig unbeanstandet durch. – Tja, warum sollte das alles heute so viel anders sein? Dass solch fragwürdige Veränderungen jedoch längst in die globale Agenda unserer Zeit eingepreist sind, ist wohl anzunehmen.

    • H.K. Antworten

      Hm.

      Wenn eine Gemeinschaft, ein Verein, eine „Truppe“, eine Gesellschaft, neue Mitglieder aufnimmt, so sollten diese Neu(ankömm)linge ein Mindestmaß an Empathie für den Laden, in dem sie zukünftig Mithlied sein möchten, aufbringen.

      Es macht wenig Sinn, als jemand mit krächzender Stimme Mitglied eines Chores werden zu wollen. Ebensowenig ist es sinnvoll Rettungssanitäter werden zu wollen, wenn man kein Blut sehen kann.

      Es bestehen also allerseits gewisse Anforderungen oder auch Grundvoraussetzungen, um irgendwo „mitzumachen“.

      Wenn aber NIEMAND dem Neuling bzw. Aspiranten erklärt, welches denn diese Grundvoraussetzungen sind bzw. daß es überhaupt solche gibt, darf sich niemand wundern, anschließend lauter Menschen da mitmischen, die von Tuten ujd Blasen keine Ahnung haben bzw. meinen, ihr eigenes Ding durchziehen zu müssen/ wollen/ können.

      Klare Regeln und Anforderungen erleichtern vieles.

      Aber wenn sich niemand traut, diese Regeln zu benennen UND DURCHZUSETZEN, sind Hopfen und Schmalz verloren.

      • S v B Antworten

        @H.K. „Klare Regeln und Anforderungen erleichtern vieles.“

        Das ist wohl richtig; dennoch darf keinesfalls unterschätzt werden, wo, von wem und wie Individuen sozialisiert – also gewissermaßen „auf Werte ausgerichtet, nachgerade getrimmt“ wurden. Der Grundstein dafür wird regelmäßig im Elternhaus – für gewöhnlich, aber nicht zwangsläufig in heimatlicher Umgebung – gelegt. Eine spezifische Sozialisation später dann eben mal über Bord zu werfen, um sich quasi auf Geheiß eine vielleicht völlig andersartige überzustülpen, wird nur selten gelingen. – Lese u. a. auch zu diesem Themenkomplex gerade recht Interessantes in einem Werk des bekannten US-amerikanischen Professors für Politik und Geostrategie, John J. Mearsheimer. Titel: The Great Delusion.

        • H.K. Antworten

          Deshalb hatte m.E. Helmut Schmidt recht mit seiner Aussage, daß Mengen von Menschen aus völlig kulturfremden Gesellschaften zu „Mord und Totschlag“ führen.

          Er hat recht gehabt und recht bekommen.
          Leider.

          • S v B

            Lieber H.K., was bleibt unsereinem denn noch viel anderes übrig, als längst schon verstorbenen, herausragende „Politiker-Exemplaren“ Ströme bitterer Tränen nachzuweinen? Alleine das legendäre Interview, das Sandra Maischberger seinerzeit mit dem großen, hochbetagten, abgeklärten und so politik- wie lebenserfahrenen Helmut Schmidt führte, lässt die Sehnsucht nach Politikern seines staatsmännischen Formats fast schon als physischen Schmerz spürbar werden. Habt die Erinnerung an politische Schwergewichte vergangener Jahre vielleicht gerade die älteren Wahlbürger zu anspruchsvoll werden lassen? Oder hat die Qualität der „Politjugend“ im Vergleich zu ihren Altvorderen wirklich so erheblich und nachweisbar abgenommen? Die Antwort liegt wohl auf der Hand.

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