Frauenfußball: Tolles Team, tolle Leistung – aber nichts für mich

0:1 in der Verlängerung ist echt doof. Die deutsche Fußball-Nationalfrauschaft hat gestern Abend gegen Spanien erneut einen mitreißenden Kampf geliefert, aber Weltfußballerin Aitana Bonmatí zerstörte mit ihrem Treffer in der 113. Minute den großen Traum vom Finale bei der Europameisterschaft.

So ist Fußball, so ist Wettkampf, manchmal gewinnt man/frau, manchmal verliert man/frau aber auch.

Bundespräsident und Bundeskanzler gratulierten und bekundeten, wie stolz Deutschland auf das Team von Bundestrainer Christian Wück sei, und ja, als „Deutschland zuerst!“-Vertreter bekunde ich uneingeschränkt, dass ich großen Respekt vor der Leistung unserer Frauen habe – und das ganz sicher nicht nur beim Fußball.

Di Ursprünge des Frauenfußballs, so Wikipedia, liegen bereits im 12. Jahrhundert, Franzosen und Eskimos – kein Witz – sollen die ersten gewesen sein, bei denen Frauen ein Fußball-ähnliches Spiel ausprobierten. 1894 wurde dann in England das erste richtige Fußballteam zusammengestellt von der Frauenrechts-Aktivistin Nettie J. Honeyball. Die gründete in diesem Jahr den ersten Frauenfußballclub überhaupt – den „British Ladies’ Football Club“.
Am 23. März 1895 sahen 10.000 Besucher das erste Spiel Nordengland gegen Südengland (Endergebnis 7:1) an, die aber weniger an der sportlichen Seite als an der Spielkleidung der Frauen interessiert gewesen sein sollen. Die Spielerinnen trugen Hüte sowie Röcke über Knickerbockern, „um den Anstand zu wahren“.

1902 allerdings verbot der englische Fußballverband seinen Vereinen, Frauenfußball zu betreiben – der Sport sei zu hart und zu männlich.

Auch in Deutschland spielten Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts so etwas ähnliches wie Fußball. Die Damen standen im Kreis und kickten sich gegenseitig Bälle zu. Aber im Vergleich zu anderen europäischen Staaten blieb Frauenfußball bei uns lange eine Randerscheinung, die eher im akademischen Bereich – also bei Studentinnen an den Unis – gepflegt wurde. Das Spiel mit dem Ball nach Art der Männer galt als für Frauen moralisch verwerflich, schreibt Wikipedia. 1930 entstand in Frankfurt der erste „Damen-Fußball-Club“, gegründet von einer Lotte Specht. Ihre Auftritte – gegen Männermannschaften – lösten massive Proteste aus, so dass der Verein nach nur einem Jahr aufgelöst wurde.

Als die Nazis die Macht in Deutschland übernahmen war dann sowieso Feierabend für die Kickerinnen. Frauen hatten erstmal die Aufgabe Mütter zu werden und nicht nachmittags auf den Sportplatz zu trainieren. Der Vollständigkeit halber: In den 50er Jahren begannen Frauen in Westdeutschland in Vereinen Fußball zu spielen, und in der DDR wagte 1968 der BSG Empor Mitte-Dresden den Start einer ersten Frauenmannschaft. Was für ein Wort, oder?

Ich war, bitte sehen Sie mir das nach, am Anfang, wenig euphorisiert, als auch in meiner lippischen Heimat die ersten Mädchen-Teams aufliefen. Irgendwie sah das alles ganz unwirklich aus, wie die 14- und 16-Jährigen da auf dem Rasen bolzten.

Und selbst im Jahr 2011, als zum ersten Mal eine Frauenfußball-WM in Deutschland stattfand, diskutierten wir Männerfußball-Fans heiß, was wir nun mit diesem internationalen Turnier machen sollten. Legendär – ich habe das hier schon mal erzählt – war einer unserer monatlichen Fanabende der „Rheinlandarminen“ in der Kneipe „Low Budget“ an der Aaachener Straße in Köln, wo es allerlei Bier und Tequila aus dem Holzfass gab – ich hoffe heute noch gibt. Und einen Bielefeld-Wimpel an der Wand. Wir – 12 Jungs und 2 Mädchen, alle aus Ostwestfalen, die es beruflich, wegen des Studiums oder der Liebe an den Rhein verschlagen hatten, diskutierten heiss und unter erheblichem Alkoholeinfluss, ob wie die Frauen-Spiele schauen sollten. Fast alle Männer waren dagegen, und mein langjähriger Freund „Kricke“ beugte sich mit glasigem Blick und großem Ernst zu mir herüber und machte aus seinem Herzen keine Mördergrube: „Klaus, das is‘ ein ganz anderer Sport…“ Wie oft haben Kricke und ich in den Jahren danach noch über diesen Moment immer wieder gelacht.

Auch mein Lifetime-Freund Ralf soll in diesem Zusammenhang erwähnt werden. Der ist Zeit seines Lebens leidenschaftlicher Fußballfan (Borussia Mönchengladbach), und als vor zwei Jahren Frauen-WM war, warb er am Telefon einmal leidenschaftlich dafür, die Spiele anzuschauen, die schnell, technisch hochwertig und athletisch auf höchstem Niveau seien. Und wenn Ralf mir etwas empfiehlt, dann nehme ich das ernst, immer. Ob es um Sport geht, um Netflix-Serien oder – in unseren jungen Jahren – um Frauen. Klaus, das musst Du unbedingt machen, das lass‘ lieber sein. Dafür hat man Freunde, oder?

Ich habe damals mal reingeschaut, aber es hat nicht wirklich gezündet bei mir. Ich war zweimal eingeladen bei Spielen der Frauen-Bundesliga, und natürlich, wenn Spiele nationaler Ehre anstehen, wie gestern, sitze ich auf dem Sofa, freue mich über die jungen Spielerinnen, die mit großem Ernst vor dem Anpfiff die deutsche Nationalhymne singen. Singen, nicht die Lippen bewegen, wie wir das von manchen der männlichen Kollegen kennen.

Und das Spiel gestern war gut, schnell, spannend, abwechslungsreich. Besonders Ann-Katrin Berger aus Göppingen, unsere Nationaltorhüterin, ist klasse, wie ich immer wieder gelesen und in Videos gesehen hatte, auch wenn sie beim einzigen Tor gestern keine glückliche Figur machte. Aber sei’s drum. Tolle Leistung, wir sind stolz auf Euch! Wirklich.

Aber, und jetzt komme ich zum Wehrmutstropfen, der wahrscheinlich gar nicht mit dem Frauenfußball zu tun hat, sondern mit mir altem konservativen Knochen. Der berühmte Funke springt bei mir beim Zuschauen einfach nicht über. Ich habe es wirklich versucht, ich schaue gerne Fußball. Das Spiel der Freuen ist schnell und elegant, aber irgendetwas fehlt mir, wenn ich zuschaue. Vielleicht ist es gerade die nicht so ausgeprägt Härte beim Zweikampf, vielleicht ist es einfach Gewohnheit, wen man seit Kindertagen immer nur Männerfußball geschaut hat. Ich weiß es nicht.

Jedenfalls hebe ich gestern nach Spielschluss den Fernseher ausgeschaltet und bin ins Bett gegangen. Vor dem Einschlafen im Dunkeln überlegte ich noch, wie ich an Tickets für die erste Pokalhauptrunde zwischen Arminia Bielefeld und Werder Bremen am 15. August kommen kann. Pokal der Männer…

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Dieser Artikel wurde 16 mal kommentiert

  1. Achim Koester Antworten

    Ich finde es ein bisschen schade, dass Frauenfußball bei Ihnen nicht gezündet hat, an der Spielweise liegt es ganz sicher nicht, die ist sogar teilweise besser als bei den Männern, jedenfalls, was den Einsatzwillen angeht, das ist bei einer Kampfsportart ja wichtig. Unsere Mädels haben sich gestern, im krassen Gegensatz zu vielen anderen Männervereinen (ja, ich meine auch die Bayern) regelrecht den A… aufgerissen und bis zur letzten Minute gekämpft. Das finde ich bewundernswert.
    Wenn ich da an den pomadigen Sané denke….
    Brutale Fouls sind ebenfalls seltener, die braucht es eigentlich auch nicht, selbst bei vollem Einsatz. Von der Ästhetik beim Frauenfußball bin ich weit mehr beeindruckt als bei den Männern. Die blöden Mätzchen wie Karte fordern, Zeit schinden und theatralisches Gehabe nehmen leider mit zunehmender Professionalität ebenfalls zu, schade.

  2. gerd Antworten

    Zumindest was die Tattoos angeht, stehen manche Frauen den Männern nichts nach. Gruselig.

  3. Inge H. Antworten

    Mir geht’s da wie Herrn Kelle, auch bei mir springt kein Funke über bei den Frauen. Und auch ich könnte nicht sagen, warum. Ich habe seit meiner Teenagerzeit immer Länderspiele geliebt, keine Bundesliga, die war mir egal. Ich schwärme heute noch von der alten „(Trainer)Schön-Mannschaft“, die es m.M.n. in so einem Zusammenspiel nicht mehr gibt.
    Seit Fußball nur noch zum Geschäftsmodell verkommen ist, seit der Wokeismus ausgebrochen ist, seit man Netzer und Dillinger abserviert hat als Kommentatoren, weil einige geistig Unbedarfte deren Sarkasmus nicht auf die Reihe kriegten, ist bei mir Schicht im Schacht, auch bei den Männern.

  4. H.K. Antworten

    Zumindest spielen bei den „Ladies“ ( noch ) nicht halb Schwarzafrika gegen halb Schwarzafrika …

    Und es ist auch ( noch ) nicht bei jeder Spieler*/-/:/_/•/In von „Star“ oder „Juwel“ die Rede.

    • H.K. Antworten

      Pardon:

      „von „Star*/-/:/_/•/In“ oder „Juwel*/-/:/_/•/In““ muß es selbstverständlich heißen.

      • Achim Koester Antworten

        @H.K.
        Mein Deutschlehrer, ein sehr kluger und gebildeter Mann, gab uns Schülern einen guten Rat:
        „Vermeidet Superlative, denn dann habt ihr keine Steigerungsmöglichkeit mehr.“
        Heute ist diese Weisheit in Journalistenkreisen in Vergessenheit geraten, lediglich einige Kommentatoren z.B. im Focus verwenden noch super-Superlative wie „minimalst, optimalst, einzigst“

        • H.K. Antworten

          Die „Zeitung mit den vier Buchstaben“ schreibt schon seit einiger Zeit gern von „Helden“.

          Und alle IOC-Präsidenten, an die ich mich erinnern kann, sprChen ausnahmslos von „these were the best games ever“.

          Wahrscheinlich von Persil ( oder so ) abgeschaut: „Das weißeste Weiß aller Zeiten“ ( oder so ).

          Und Friedrich Merz spricht von der „besten Bundesregierung seit Jahrzehnten“ …

          • Achim Koester

            @H.K.
            Sehen Sie das ist doch nicht zu steigern.🤮

  5. Dr. Hildegard Königs-Albrecht Antworten

    Im Gegensatz zu Herrn Kelle ist der deutsche Bundeskanzler vom Frauenfußball elektrisiert:
    In einem Video-Clip beteuert er, er habe „noch nie, ganz ehrlich noch nie, bei einem Fußballspiel so gefiebert“ wie bei dem Spiel der deutschen Frauen am letzten Samstag.
    Soll man das ernst nehmen?
    Hat Merz die entscheidenden Spiele der Nationalmannschaft um EM oder WM nicht gesehen?
    Oder hat ihm sein Beraterteam diese Video-Clips empfohlen, um seine Bürgernähe zu demonstrieren? Siehe der Krawattenclip!
    Für mich ist das eine wenig gelungene Propagandamasche, die zu Friedrich Merz so gar nicht passt.

    • Klaus Kelle Antworten

      @Dr. Hildegard Königs-Albrecht,

      er habe „noch nie, ganz ehrlich noch nie, bei einem Fußballspiel so gefiebert“

      Das sagt viel über Friedrich Merz aus. Wenn das wirklich so ist, dann hat er den Spirit des Fußballspiels nicht einmal ansatzweise begriffen.

      Klaus Kelle

      • Dr. Hildegard Königs-Albrecht Antworten

        Für mich gehören die täglichen Superlative des Bundeskanzlers eher zu seiner PR-Aktion, die Stimmung in der Bevölkerung schönzureden.
        Man merkt, daß es nicht echt und unüberlegt ist. Schon der Zusatz „ganz ehrlich“ widerlegt die Aussage, zumal Herr Merz „ganz ehrlich“ oft seine Meinung wechselt.
        Selbst Fußballmuffel erinnern sich an hochspannende Spiele.

        • Klaus Kelle Antworten

          @Dr. Hildegard Königs-Albrecht,

          ich hoffe sehr, mit „Superlative des Bundeskanzlers“ meinen Sie nicht mich, denn ich hebe ihn ganz sicher nicht in den Himmel. Das Schleifen der Schuldenbrems oder das Ja-Wort zu Frau von Storch waren unterirdisch, was Sie auch bei mir lesen können. Andererseits ist ständiges Schlechtreden auch nicht angemessen, denn außenpolitisch macht Merz es sehr gut bisher, zumindest fehlerfrei. Möchten Sie lieber wieder Frau Merkel oder Herrn Scholz im Kanzleramt sitzen haben? Ich ganz sicher nicht.

          Ein schönes Wochenende!

          Klaus Kelle

  6. Tina Hansen Antworten

    Also, ich finde Fussball total langweilig, egal wer da spielt.
    Husch und weg… 😁

    • S v B Antworten

      Stimme Ihnen voll zu, liebe Tina Hansen.
      Nur… während WMs mache ich gelegentlich mal ’ne Ausnahme. Das Halbfinal-Spiel Brasilien Deutschland 2014 in Belo Horizonte z. B. war für mich die Mutter aller Fußballspiele. Man musste es einfach gesehen haben. War es doch DAS Spiel, das dem Zuschauer am heimischen TV teils nicht einmal fünf ruhige Minuten ließ, um seine Notdurft zu verrichten. Es endete 1:7 für Deutschland,. Ein Spiel gegen Brasilien!!! Zum Thema Frauenfußball möchte ich mich nicht äußern. Vielleicht nur soviel – er ist definitiv „not my cuppa tea“.

      • H.K. Antworten

        Kürzlich las ich irgendwo von einer Fußballer*/-/:/_/•/In, die unbedingt in einer Herrenmannschaft mitspielen wollte und sich anschließend bitter über „ruppiges Verhalten“ und „anzügliche Bemerkungen“ beklagte …

        Bestimmt hat auch mindestens irgend einer dieser Rüpel den Ball zu doll getreten …

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