Zu Glauben, das ist ein niemals endender Lernprozess – aber wenn Sie sich darauf einlassen, ist es phantastisch

Und wieder ist Weihnachten. Und wieder ärgern wir uns seit den Sommerferien über Lebkuchen und Dominosteine in den Regalen der Supermärkte. Wir zermartern uns Monate vorher den Kopf über die passenden Weihnachtsgeschenke für die Kinder. Wir laufen am Tag vor dem Heiligen Abend noch durch Fußgängerzonen, um zu erwerben, was noch fehlt für das große Fest der Christen, das in unseren Breitengraden seit vielen Jahren zu einer Orgie an Kommerz und Überfluss zu verkommen droht.

Und wir fürchten uns, beim Besuch des Weihnachtsmarktes oder auch bei großen, überfüllten Gottesdiensten vor denen, die in viel zu großer Zahl in unseren Ländern leben, und von denen viele uns, unsere Art zu leben und zu glauben, ganz einfach nur hassen. Weil wir Christen sind, weil hier das christliche Abendland ist, manche sagen, christliches Abendland war.

Und während mein großartiger Kollege Martin Eberts gestern das Christentum einem „Faktencheck“ unterzogen hat, erlauben Sie mir ein paar Gedanken zur Zukunft des christlichen Glaubens. Die ist nämlich gar nicht so schlecht, wie glaubensferne Menschen und Atheisten hierzulande annehmen.

Jedenfalls erlebe ich über das Jahr immer wieder wunderbare christliche Veranstaltungen und Gottesdienste, die spüren lassen, dass es ohne Zweifel einen neuen Aufbruch gibt. Auch hier in Deutschland. Selbst in unserer atheistisch geprägten Hauptstadt, wo einem der gern verwendete Satz „Warum lässt Gott so etwas zu“ an jeder zweiten Ecke in den Kopf kommt.

Ich gehe regelmäßig sonntags in den Gottesdienst, der bei uns Katholiken Heilige Messe heißt. Warum muss ich das, wollte unsere jüngste Tochter vor Jahren mal von mir wissen, als ich gerade die Jacke anzog, um zur Kirche zu entschwinden. Ich blieb stehen, legte die Jacke beiseite und versuchte ihr zu erklären, dass ich das keineswegs müsse. Und mir passiere auch nichts, wenn ich mich jetzt mit ihr nochmal an den Frühstückstisch setze, um Nutella auf ein Brötchen zu streichen. Sondern, dass ich das möchte, unbedingt, dass mir etwas fehlt, wenn ich nicht in die Messe gehe. Und dass es dort ist, als wenn frische Luft durch meinen Kopf weht, und dass ich mich danach besser fühle als vorher.

Nun, ich weiß nicht, ob es sie überzeugt hat

Aber der Glaube an den einen Gott, die Kenntnis der Lehren Jesu, das ist so revolutionär, und das fühlt sich so großartig an, dass ich manchmal Freunde bedauere, die nicht glauben können. Dabei gibt es immer Hoffnung, auch für Sünder. Und, das habe ich in den über 40 Jahren gelernt, da ich meinen persönlichen Weg gefunden habe – der Glaube an Gott ist ein niemals endender Prozess.

Und wissen Sie, was das Geheimnis ist?

Ganz einfach: Sie müssen sich aus freiem Willen darauf einlassen, dass die ganze, große Geschichte um Jesus Christus wirklich wahr ist. Und wenn Sie in dem Bewusstsein den ersten Schritt gehen, dann werden Sie feststellen – und das kann Jahre dauern – dass sich Ihr Leben und Ihre Art zu glauben immer und immer wieder verändert.

Und dass das Äußerliche nicht mehr die Bedeutung hat…

Klar, ich war mehrfach in der Osternacht im Kölner Dom. Zwei Stunden das volle Programm. Eine majestätische Orgelmusik, Chorgesang und ohrenbetäubender Glockenschlag vom „dicken Pitter“, wie die Kölner liebevoll die Petersglocke nennen. Und so unfassbar viel Weihrauch, dass man den Kardinal beim Einzug gar nicht erkennen konnte. Ich habe Messen erlebt mit Papst Johannes und Papst Benedikt, stand auf dem Petersplatz zwischen 350.000 Gläubigen aus allen Teilen der Welt. Oder ich war bei der abendlichen Marienprozession in Lourdes dabei. Das ist mitreißend, auch für diejenigen, die – frei nach Habermas – religiös unmusikalisch sind. Als wir nach der Prozession noch in die pulsierende Stadt schlenderten mit all den Leuchtreklamen vor den Devotionaliengeschäften, raste eine Ordensfrau am Steuer eines Kleinbusses vorbei, Fenster auf, laute Rap-Musik an. Glauben Sie mir, es gibt ein Leben auch in der Kirche. Das fühle sich an, wie „ein katholisches Disneyland“, sagte mein Sohn Michael spontan. Und klar, da hat er recht.

Es ist egal, wie jemand seinen Zugang zu Jesus Christus und zum Glauben findet. Hauptsache, Sie finden ihn.

Eine katholische Messe in Afrika oder ein evangelikaler Großgottesdienst in Amerika oder Brasilien – das ist etwas anders als sonntags der oft karge Gottesdienst in ihrer Gemeinde vor Ort. Und wenn Sie bei den alljährlichen MEHR-Gebetstreffen in Augsburg sind, dann verstehen Sie, was gelebte Ökumene wirklich bedeutet und wie jung und kraftvoll der Glaube auch nach 2000 Jahren ist.

Im Grunde geht es um Jesus

Das ist das Zentrum, das ist es, worauf man sich konzentrieren sollte und muss. Dann ist plötzlich alles ganz logisch, ja zwingend. Debatten über Zölibat der Priester, über schlechte Predigten bei der Beerdigung von Oma oder finanzielle Erwägungen bei der Kirchensteuer – alles ist völlig bedeutungslos.

So wie übrigens die Debatte um die restaurierte St. Hedwigs-Kathedrale in Berlin. Ich war drin, und ja, es ist nicht mein persönlicher Geschmack. Es ist mit alles zu weiß, zu modern, kein großes Kreuz, ein runder Altar einfach in der Mitte des kreisrunden, ja…, Saales. Hier wird mit allem gebrochen, was den dereinst rheinischen Katholizismus ausmachte. Die linksextreme taz schrieb gerade dazu: „Denn diese hochästhetisierende Kargheit erinnert doch sehr an den Zen-Kult von Wohlstandsbürgern um 2000. Und ja, da ist etwas dran.

Der Bruch mit allem, was katholische Ästhetik früher einmal auszeichnete, hatte auch für massiven Widerstand des Glaubensvolkes der Hauptstadt-Gemeinde gesorgt. Aber – frei nach Merkel – jetzt isse nun mal da, die Kathedrale. Und eine Kathedrale, das ist ein Raum des Glaubens, das ist sakraler Raum. Da kann und soll man beten, beichten, die Eucharistie feiern. Auch, wenn es einem modisch nicht zusagt.

Als ich mir St. Hedwig anschaute vor ein paar Tagen, fiel mir ein Artikel im „Stern“ vor einigen Jahren ein über katholische Christen in China. Die Rom-Orientierten, die ihren Glauben nicht in der kommunistischen Volkskirche leben, sondern verborgen. Dazu hatte man ein Foto gestellt von ein paar Christen in einem privaten Keller rund um eine brennende Kerze. Unglaublich beeindruckend, mit welcher Hingabe und unter welchen Gefahren solche Menschen ihren Glauben leben und Jesu folgen.

Und uns ist eine Kirche zu weiß…

Ich wünsche Ihnen und Ihren Lieben gesegnete Weihnachten!

Klaus Kelle

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Dieser Artikel wurde 2 mal kommentiert

  1. Johannes Antworten

    „Es ist egal, wie jemand seinen Zugang zu Jesus Christus und zum Glauben findet. Hauptsache, Sie finden ihn.“

    Volle Zustimmung!

    Bei mir war es das Chemiestudium. Im 7. Semester, ein Semester vor meiner Diplomprüfung lass ich in meinem damaligen Lehrbuch der makromolekularen Chemie den Satz: „Gleichung 95 widerlegt die Hypothese der Evolutionstheorie.“

    Mein Weltbild wurde erschüttert; war ich doch fest überzeugt, ein Produkt des Zufalls zu sein.

    Zum Glück wohnte in meinem Studentenwohnheim jemand mit einer Bibel, die ich mir auslieh und zu lesen begann. So begegnete ich Jesus Christus und vertraue ihm bis heute. Und ich weiß, er bringt auch mich, den ehemaligen Wissenschaftsgläubigen anś Ziel: Einmal bei ihm zu sein.

    Allen Mitforisten und natürlich Ihnen, werter Herr Kelle, wünsche ich ein gesegnetes Weihnachten!

  2. Dr. Hildegard Königs-Albrecht Antworten

    Lieber Herr Kelle,

    danke für dieses schöne Bekenntnis in solch tristen Tagen und Monaten des Jahres.
    Alleine glauben ist oft schwer, aber in einer großen oder auch kleinen Gemeinschaft zu glauben, fällt leichter.
    Unser Glaube gibt uns ein gutes Rüstzeug, um das Leben in allen Turbulenzen zu bestehen. Aber es tut manchmal not, ihn immer wieder neu zu entdecken, sei es an besonderen Orten, sei es bei besonderen Begegnungen.

    Und wir sollten unseren Glauben bekennen und verteidigen, er ist die Grundlage unserer Existenz.

    Alexander Kissler schreibt dazu bei NIUS:

    Heiligabend und der erste Weihnachtstag sind der Ernstfall – nicht nur, aber besonders in diesem Jahr. Ohne die Geburt Jesu gäbe es kein Christentum, und ohne Christentum kein Abendland, kein Europa, keinen Westen.
    Wie stark oder schwach die Spuren auch zu verschiedenen Zeiten gewesen sein mögen:
    Die Freiheitsrechte des Individuums, die Scheidung der geistlichen von der weltlichen Sphäre, der Rechtsstaat und die Gewaltenteilungen sind allesamt Ableitungen der christlichen Botschaft und Auswirkungen der christlichen Hoffnung: dass der Mensch als freies Wesen nicht allein ist, dass er sich für seine Taten rechtfertigen muss und jederzeit umkehren kann.
    Das grauenhafte Attentat von Magdeburg zeigt, zu welch abscheulichen Aktionen der Mensch fähig ist in seiner Verblendung. Er hat eben auch die Freiheit zum Bösen. Der Mensch kann töten, morden, brandschatzen. Der Weihnachtsmarkt als Zielobjekt zeigt zudem, dass abseits aller wahnhaften Verstrickung eine Veranstaltung mit einem christlichen Gründungsimpuls gewählt wurde. Es war eben kein Jahr- oder Wochen-, sondern ein Weihnachtsmarkt, den der saudi-arabische Attentäter verheerte.
    So belegt dieses Weihnachtsfest noch in seiner mörderischen Verschattung: Es sind auch die christlichen Wurzeln unserer Gesellschaft, die auf dem Spiel stehen.
    Niemand muss Christ sein, niemand darf zu einem Glauben oder Unglauben gezwungen werden. Eine Gemeinschaft aber, die ihre Wurzeln kappt, tappt blind in die Zukunft.

    In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!

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