Ein wirklich unglaublicher Vorgang: 373 Abgeordnete der Partei des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan und selbst der von Oppositionsparteien wie der kemalistischen CHP stimmten heute dafür, die Immunität von 138 Abgeordneten größtenteils der prokurdischen HDP aufzuheben. Angeblich seien sie alle Unterstützer einer terroristischen Organisation, nämlich der kurdischen Arbeiterpartei.

Die betroffenen Abgeordneten einer Partei, die mehr als zehn Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnten, werden heute vom Erdogan-Regime nicht nur politisch ausgeschaltet, sondern sie müssen sich auf Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft, ja mehrjährige Haftstrafen einrichten.

Glaubt immer noch jemand, dass Erdogan ein lupenreiner Demokrat ist? Die Türkei, das wird an diesem Tag unübersehbar, ist nicht kompatibel mit den freien Gesellschaften Europas. Gleichzeitig macht dieser Vorgang auch deutlich, wie kompliziert Realpolitik heutzutage ist. Europa und auch Deutschland brauchen die Türkei. Sie brauchen Erdogan, damit er die völlig verkorkste Flüchtlingspolitik von Frau Merkel rettet. Die NATO braucht die Türkei dringend militärisch an den Grenzen der IS-Irren. Und vier Millionen Türken leben in unserem Land. Und jedesmal, wenn Erdogan in einem deutschen Fußballstadion eine Rede hält, kommen Zehntausende seiner Landsleute und jubeln ihm zu.

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Dieser Artikel wurde 12 mal kommentiert

  1. Jürgen Backhaus Antworten

    Demokratie, Demokratur, Diktatur= Erdogans Weg. Leider hat sich der Westen von ihm abhängig gemacht. Habe heute noch ein Gespräch mit einem türkischstämmigen Arbeitskollegen geführt, der früher ein Anhänger dieses Politikers war. Inzwischen hat er aber erkannt, wie sehr Erdogans Poltik sich verändert hat und ist ein absoluter Gegner geworden. Hoffentlich sehen das auch andere ehemalige Anhänger so. Ob er in der Türkei noch zu stoppen ist wage ich zu bezweifeln.

  2. Tina Hansen Antworten

    Lieber Herr Kelle,
    Ihre Frau hat einen großartigen Beitrag über das Taxi-Fahren in Deutschland und daraus folgende Erkenntnisse geschrieben. Ich fahre manchmal Taxi und manchmal auch mit dem Bus. Neulich in Hamburg-Altona hatte ich einen türkisch stämmigen Busfahrer, der fast lupenreines Deutsch sprach. Er sah, wo ich eingestiegen war, und drückte mir herzlich die Daumen dafür, dass dort aus der festen freien Mitarbeit ein fester Arbeitsvertrag wird. Es handelte sich um eine höherrangige Niederlassung der Deutschen Bundeswehr.
    Dann versuchte er, ebenfalls in gutem Deutsch, mir die Vorteile Erdogans für die Türkei zu erklären. Er war sehr überzeugt. Mich hat er nicht überzeugt, aber wir trennten uns herzlich. Wir waren lange Zeit allein im Bus; als andere Leute zustiegen, senkte er die Stimme, weil er mir bei meinem neuen Job nicht schaden wolle, wie er sagte. Nicht schaden wolle, weil ich mich mit ihm austausche, der Erdogan schätzt.
    Kleiner Bruch im Beitrag, keine elegante Überleitung:
    Da beißt die Maus beisst da keinen Faden ab: Wir sind aufgrund der verkorksten Flüchtlings-Politik der Kanzlerin, die meiner Meinung nach maßgeblich voran getrieben wurde durch die deutschen Leitmedien im letzten Herbst, von diesem Menschen und seinem Regime abhängig.
    Wenn Frau Merkel Anstand hätte, würde sie mal ein ehrliches Wort dazu finden. Oder zurücktreten.

    Viele Grüße – und schön, dass Sie wieder „an Bord“ sind!

  3. Dorothea Hohner Antworten

    Lieber Herr Kelle,
    unsere Kanzlerin hat einen unwürdigen Kotau vollführt vor einem selcbsternannten Kalifen, der jedes Demokratieverständnis vermissen läßt, er kümmert sich weder um Menschen- noch um Frauenrechte. Frau Dr. Fausta hat einen unsäglichen Pakt mit dem Teufel geschlossen, dabei ihre Seele verscherbelt und uns gleich mit.
    Ich kann nicht einsehen, warum wir die sogenannten Flüchtlinge in Idomeni 1:1 umtauschen gegen vermeintliche legale Asylanten aus der Türkei, und dafür noch 6 Milliarden blechen sollen. Diesen verblödeten Deal kann mir keiner erklären, wo soll da unser Vorteil sein. Richtig, es gibt keinen. Ich schlage vor, wir zahlen nicht, weil wir dann immerhin 6 Milliarden für sogenannte Flüchtlinge mehr haben, die aus Idomeni kommen….und legal abgelehnt werden!

  4. Walter Lerche Antworten

    Die Türkei ist das einzige islamische Land, wo Staat und Islam getrennt sind. Erdogan und seine AKP drehen diese Rad der Geschichte zurück. Die Trennung von Staat und Islam gibt es sonst nirgendwo. Das liegt am Führungsanspruch des Islam, den Erdgan mit vielen kleinen Schritten personifiziert. In Deutschland forderte er bereits vor Jahren öffentlich von seinen Landsleuten, sich nicht zu integrieren und sich nicht assimilieren zu lassen. Das wissen Journalisten und Politiker gleichermaßen. Ähnlich wie vor Jahren, als sich das finanzielle Debakel Griechenlands ankündigte, interessierte das erneut niemand! Wenn nun die Situation auch in der Türkei eskaliert und sich nicht mehr verbergen lässt, gibt es den großen Aufschrei und viele müssen sich plötzlich dazu äußern. Das hätten sie mal früher tun sollen!
    Die „Demokratie“-Freunde seien daran erinnert, dass in der Türkei küzlich Wahlen waren, 2 x sogar! Frau Merkel persönlich weilte 1 Woche zuvor dort, was Erdogan möglicher Weise zusätzliche Stimmen einbrachte. Und die Türken haben „demokratisch“ entschieden. Das Parlament trifft nun Entscheidungen, die vermeintlich einer Demokratie nicht würdig sind. Aber wie kann Erdogan Diktator sein, wenn er doch demokratisch gewählt worden ist? Ist die Türkei jetzt eine Demokratie oder nicht? Oder gilt eine Demokratie nur dann als solche, wenn sie den bei uns herrschenden Ideologien schmeckt?
    In Deutschland werden allen Parteien gleiche Chancen gewährt. Ist das so?
    Wichtig für die Nato ist die Türke nicht wegen des IS, sondern sie ist wichtig für die USA gegen Russland. Genauso ist das mit Griechenland, vermutlich der wahre Grund, es um jeden Preis im Euro zu halten. Wären griechische Häfen offen für russische Schiffe, dann wäre Europas Süden offen wie ein Scheunentor. Nicht ohne Grund pokerte Zipras mit seinen Reisen zu Putin und auch eine Pipelin wurde in dieser Zeit unterschrieben, als die EU versuchte Spar- und Reformdruck aufzubauen. Also ich ziehe meine Hose nicht mit der Kneifzange an. Sorry, aber denken ist doch hier erwünscht.

  5. Pingback: Von einem ungeliebten Freund, der dieses Mal zu weit geht –Denken erwünscht – der Kelle-Blog – Wertewandel

  6. Lama Felix Antworten

    Alles ist moeglich. Man kann sich durchaus demokratisch waehlen lassen, um danach autokratisch zu regieren. Wird seit der „Einfuehrung“ von Chavez in Venezuela immer wieder gern bevorzugt. Der Wille des Volkes wird nur respektiert, wenn es sich fuer die phrasendreschenden Kommunisten entschieden hat. Bei der letzten Parlamentswahl im Dezember hat die Opposition eine Zweidtittelmehrheit errungen.
    Das aber stoert unseren Presidenten nicht. Er regiert mit Dekreten und widersetzt sich dem Willen des Volkes insofern, indem er ein verfassungskonformes Referendum nicht zulassen will, weil er seine vorzeitige Absetzung befuerchtet. Ein freiwilliger Ruecktritt kommt fuer ihn niemals in frage.

    Warum also soll Erdogan anders handeln, wenn die Mehrheit hinter ihm steht??

  7. Alexander Droste Antworten

    Es erinnert mich an eine Epoche unseres Landes, die man als die Dunkelste unserer Geschichte zählt. 1933 war das Schicksalsjahr für Deutschland. 2016 ist es für die Türkei. Nun werden die Progrome gegen Kurden noch skrupelloser. Die Unterstellungen werden mittels ordentlich eingestielter Gerichte bestätigt, wer nicht regimekonform ist, wird per se als Terrorist verurteilt. Erdogan legt sich mit allen an, bricht Absprachen und, was besonders interessant ist: Die türkische Bevölkerung jubelt ihm zu. Adolf Hitler, dessen Präsidialsystem er laut eigener Aussage anstrebt, lässt herzlich grüßen.

    Ich bin nicht der Ansicht, dass wir von der Türkei abhängig sind. Ganz im Gegenteil. Wir sind abhängig von einer zerstrittenen Europäischen Union, die schon bald keine mehr ist. George Friedman sieht das realistisch und zieht seinen Nutzen daraus. Es bröckelt an allen Ecken. Nationalismus ist wieder hipp. Bravo! Eine Vision wird zur Utopie. Wenn ich jetzt Bundeskanzler wäre, würde ich die Beziehungen zur Türkei auf ein Minimum reduzieren und ich würde alle Erdogananhänger ausweisen oder unter Beobachtung stellen. Sie sind auch für uns eine Bedrohung.

    Was mich bei alledem maßlos ärgert ist diese Doppelzüngigkeit: Russland wird ausgehungert, weil es sich dagegen sträubt, dass die NATO den militärischen Ring um sein Land schließt und wir paktieren dabei mit rechtsradikalen ukrainischen Nationalisten. Dem Faschisten Erdokan und den wahhabitischen Verbrechern in Saudi-Arabien wie auch dem rechtsradikalen Netanjahu kriecht man mit Wonne in den A…h, weil sie unsere Waffen kaufen. Was mich zusätzlich extrem stört ist eine Beteiligung Deutschlands an geostratigischen Aggressionen seitens der USA. Deutsche Kampfjets an der Russischen Grenze???? Nukleare Teilhabe???? Geht´s noch??? So viel Geschichsvergessenheit!!!! Solch eine Lust auf Harmagedon!!!!
    Lesen Sie die Bücher von Dr. Daniele Ganser (Geheimarmeen in Europa), Peter Scholl-Latour (die Welt aus den Fugen; Russland im Zangengriff), Dr. Michael Lüders (Wer den Wind sät), Eugen Drewermann (Krieg ist Krankheit, keine Lösung), Hermann Ploppa (Die Macher hinter den Kulissen), und vergleichen Sie das mit dem, was westliche Propaganda im Sinne von Zbigniew Brzezinski (Die einzige Weltmacht) ist.

    Erdokan ist ein Teil der NATO, ein Verteidigungsbündnis gegen die Unterdrückung der Menschenrechte und dem Schutz der Demokratie sollte das mal sein. Der UN-Sicherheitsrat, die UNO, die OSZE, alles nur noch Farce!

    Schöne neue Welt. Danke

    • Friedrich Albrecht Antworten

      Den ersten beiden Abschnitten Ihres Beitrags kann ich zustimmen. Warum danach der Schwenk à la Putinversteher? Das hat für mich ein Gschmäckle.

      • Alexander Droste Antworten

        Das Geschmäckle ist die Doppelmoral. Zufällig ist Russland dabei das prominenteste Objekt, das ich neben das Objekt Türkei stelle. Doppelmoral mag ich nicht. Wenn man Putin mit Embargo „segnet“, dann ist es jetzt Zeit, das auch an Erdogan anzuwenden.

  8. Walter Lerche Antworten

    Alles wird deutlich und ergibt einen Zusammenhang, wenn man es aus der Distanz geostrategisch aus der Sicht der Rivalen betrachtet. Politik ist rein interessengeleitet und nicht werteorientiert.

  9. Felix Becker Antworten

    Wie meinten die GRÜNEN Vertreter von Multikulti: Die Türkei sei eine Bereicherung Europas -:)
    Und immerhin hat die Mehrheit der Türken Ihn gewählt!

  10. Nini Antworten

    Als man die Flüchtlinge dem türkischen Staat – oder besser Herrn Erdogan – überließ, hatte ich schon Bauchschmerzen. Habe dies jedoch nicht geäußert, weil ich dachte, vielleicht wird es ja noch gut. Nun aber, nachdem man Flüchtlinge auch noch als politisches Spielzeug benutzt, würde ich dafür sein, diese Leute nach Deutschland zu holen. Hier werden sie wenigstens nicht als Druckmittel benutzt und man kümmert sich um sie, wie es sich gehört.

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