Ein Abend in Wien vor der Präsidentenwahl

„Wenn Alexander van der Bellen gewinnt, gibt er sein Amt nach spätestens zwei Jahren wieder auf“, sagte mir einer der österreichischen Kollegen, die ich gestern Abend in Wien kennenlernte. Der Grüne Präsidentschaftskandidat habe nämlich in seinem Leben noch nie richtig gearbeitet. Und wenn da jeden Tag morgens um acht Uhr der Fahrer vor dem Haus stehe und sagt „Herr Bundespräsident, ich bringe Sie jetzt ins Büro und hole sie um 18 Uhr wieder ab“ – ja, dann würde der aufgeben. Der Humor der Österreicher ist wunderbar. Ich war ein paar Mal da, immer nur kurz, und ich war gestern mit 56 Jahren überhaupt das erste Mal in der Stadt Wien. Allgemeines Kopfschütteln der Umstehenden. Berechtigt!

Es war ein anregender und launiger Abend. Das Thema „Macht und Medien“ hatte viele Interessierte angelockt. Ich sollte die Lage in Deutschland schildern, und schnell stellte sich heraus, dass es nahezu gleiche Probleme gibt. Eine linkslastige Mainstreampresse und ein wenig innovatives öffentlich-rechtliches System. Einen Unterschied gibt es allerdings schon: die sogenannte Presseförderung. Ja wirklich, der österreichische Staat schüttet seit 1975 alljährlich zum Erhalt der regionalen Vielfalt einen vergleichsweise niedrigen Millionenbetrag an kleinere Medien aus. Von einstmals 35 Tageszeitungen im Nachbarland seien nur noch 14 übriggeblieben, und die Politik mache sich Sorgen um die Meinungsvielfalt im Lande. Andere Länder, andere Sitten.

Nun ja, viele Meinungen gibt es, und viel los ist auch im politischen Österreich. Früher als in Deutschland sind da neue Parteien entstanden oder unbedeutende Parteien zu starken Kräften angewachsen. Die Vetternwirtschaft ist der Auslöser. Jahrzehntelange große Koalitionen aus SPÖ und ÖVP, rote und schwarze Parteien, die sich den Staat, öffentliche Betriebe, Banken, ja sogar Automobilclubs untereinander aufgeteilt haben. Und irgendwann waren’s „die Leit“ satt. Und so beobachten wir alle mit Popcorn und Bier, wie sich ein sogenannter Rechtspopulist (Norbert Hofer) und ein sogenannter Grüner (vdBellen) darum zanken, nächster Bundespräsident der Alpenrepublik zu werden. Die einstmals großen Parteien SPÖ und ÖVP sind in der ersten Runde der Wahlen mit knapp über zehn Prozent ausgeschieden. Angela? Sigmar? Hört Ihr die Signale?

Die beiden österreichischen Tageszeitungen, die ich im Flugzeug gestern und heute gelesen habe, lassen die Gewissheit durchschimmern, dass es der Grüne van der Bellen mit einer geradezu übermenschlichen Aufholjagd sicher schaffen werde, das Schlimmste, also den „Blauen“ Hofer, noch zu verhindern. So weit die Medien. Alle anderen, die ich gefragt habe – am Buffet, im Hotel und im Taxi zum Flughafen wollten den FPÖ-Mann wählen oder sind zumindest sicher, dass er gewinnt.

Ich bin gespannt.

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Dieser Artikel wurde 12 mal kommentiert

  1. Dorothea Hohner Antworten

    Lieber Herr Kelle,
    gespannt werden und dürfen wir alle sein. Die Österreicher haben immer einen Schmäh auf Lager, ich weiß das und deswegen ist ihr Humor so herzerwärmend. Wien ist wunderschön, aber leider ähnlich links/rot/Grün/Innenversifft wie München. Ich jedoch glaube (und hoffe es auch), daß Herr Hofer gewinnen wird, alles andere ließe mich an Wahlmanipulation glauben, wenn ich die vorigen Wahlergebnisse anschaue. Ich wünsche uns allen ein schönes Wochenende, schauen wir mal, dann sehen wir es schon!!

    • Hans Antworten

      „links/rot/Grün/Innenversifft wie München“. Genau deswegen geht es München am Besten unter allen deutschen Großstädten!
      Und klar, falls Hofer die Wahl nicht gewinnt, dann ist es halt „Wahlmanipulation“. Ach wie schön einfach die Welt doch ist….

  2. Walter Lerche Antworten

    Ein Grüner Bundespräsident im deutschsprachigen Raum ist mehr als genug. Wer will denn schon zwei? Vor unserem Grünen hatten wir einen Schwarzen. Leider haben den die Medien kaputt gemacht.
    Gefördert wird in Deutschland mit rekordverdächtigen Milliarden, leider großenteils ohne Sinn und Verstand mit seltsamen Prioritäten und ohne Kontrolle der Resultate. Dabei scheint der Weg das Ziel zu sein. Unsere öffentlich-rechtlichen Medien werden sehr komfortabel per Gesetz gefördert mit unserem Geld über die GEZ. Die bekommen jedes Jahr mehr und mussten noch nie sparen. In Österrreich bekommen die kleinen Zeitungen etwas ab, dafür fördern wir unsere Autoindustrie mittels E-Autos. Auch wenn diese Technologie noch nicht nachhaltig und das „Tanken“ noch nicht durchdacht ist, na und, das können die Österreicher nicht.

  3. Pingback: Ein Abend in Wien vor der Präsidentenwahl –Denken erwünscht – der Kelle-Blog – Wertewandel

  4. Walter Lerche Antworten

    Presseförderung gibt es auch in Deutschland reichlich. Ich erinner mich an bedeutsame Journalisten-Rabatte, das war mal Thema im Mainstream und schnell wieder weg. Wenn die Leser für bestimmte Medien schwinden, dann kann man diese subventionieren analog Museen oder den „Kohlepfennig“. Fördergelder sind, wenn überhaupt, dann für die Zukunft zu verwenden.

  5. Felix Becker Antworten

    Ich bin gespannt auf die Kommentare aus Deutschland, falls Herr Hofer die Wahl gewinnt!

  6. Walter Lerche Antworten

    Sollte es der Grüne van der Bellen schaffen, dann würde sich erneut über weitere Jahre nichts an der Postenschieberei und bloßer Verwaltung der Pfründe ändern. Und weil auch hinter österreichischem Humor immer ein Stückl Wahrheit steckt, sollte der Grüne seine Faulheit besser privat als im Amt ausleben dürfen.

  7. Henning Müller Antworten

    Sehr geehrter Herr Kelle

    In unserem Nachbarland geht es mitunter merkwürdig zu.
    Einerseits rechnet man in Wahlergebnisse Prognosen ein, andererseits weiß man dennoch schon wer gewinnt.
    Als Herr Strache auf die Unstimmigkeiten der ORF-Zahlen hinwies, erklärte ein Experte, daß der ORF bereits die Prognosen von SORA berücksichtigen würde.
    Allerdings bleibt eine Prognose eine Prognose und ist eben kein Ergebnis.
    In dieser Hinsicht war die Wahlberichterstattung eine Farce, weil echte Resultate mit Erwartungen vermischt wurden.
    Es bleibt auch unerfindlich, warum die Briefwahl einen Tag später ausgezählt wird. Das riecht zumindest nach Korrektur, falls es nicht so läuft wie vom Establishment gewünscht.
    Positiv bleibt zu bewerten, daß trotz massiver Propaganda inkl. der Staatskünstler, 50 % der Österreicher einen Blauen wählten.
    Und wenn der Grüne hauchdünn gewinnt, werden wohl die Stimmzettel nochmals nachgezählt, denn warum die Briefwahl völlig konträr zum Landestrend verlaufen soll, erschließt sich nur Wenigen.

  8. Tina Hansen Antworten

    Es ist gar wunderlich.
    Politisch interessiert, wie ich nun einmal bin, ließ ich gestern abend NTV laufen, um mich über die Wahlergebnisse in unserem Nachbarland Österreich solide zu informieren. Man teilte mir mit, und zwar wiederholt, das Ergebnis sei 50:50. Haargenau sozusagen. Mit dieser Erkenntnis ging ich ins Bett.
    Als ich heute morgen erwachte und ins Internet ging, stellte sich heraus, dass das Ergebnis, das NTV mir mitgeteilt hatte, nicht mit den Angaben auf der offiziellen Seite des österreichischen Innenministeriums übereinstimmte. Hier hat Herr Hofer einen Vorsprung von fast 4 Prozent vor Herrn van der Bellen.
    Ich war irritiert.
    Durch eigene Recherche brachte ich sodann in Erfahrung, dass die vom ORF an alle Welt übermittelte – offenkundig falsche – Zahl bereits die noch nicht ausgezählten Briefwählerstimmen berücksichtigt habe.
    Meine Irritation stieg, denn wenn die Briefwählerstimmen noch gar nicht ausgezählt sind, woher weiß dann der ORF und mit ihm NTV und unsere gesamten Leitmedien bereits das Ergebnis?
    Hatte man mir eine Prognose als Ergebnis verkauft?
    Oder kennt man bereits die Ergebnisse der Briefwählerstimmen?
    Warum eigentlich braucht man einen ganzen Tag, um selbige auszuzählen, zumal wenn ihr Ergebnis schon feststeht?
    Grübelnd ging ich in den Tag.
    Da mich das Thema nicht losließ, setzte ich meine Recherche soeben in meiner Mittagspause im Internet fort und erfuhr nun über die ARD-Tagesschau-Seite, dass man davon ausgehe, dass die Briefwähler Herrn van der Bellen wählen würden, da gebildete Menschen grundsätzlich gehäuft Herrn van der Bellen wählen würden und Briefwähler überdurchschnittlich gebildet seien.
    Eine Quellen-Angabe bzgl. Bildungsstand der Briefwählerschaft blieb man mir bis zur Stunde schuldig.
    Bisher dachte ich immer, Briefwähler wären im Durchschnitt älter als der Durchschnitt aller Wähler und würden deshalb eher konservativ wählen. Nun sind sie also nicht älter, sondern gebildeter. Und deshalb hat der ORF und mit ihm NTV mir gestern abend ein falsches Wahlergebnis präsentiert.
    Ich staune.

    • Hans Antworten

      Der Unterschied ist ganz einfach zu verstehen: Das Innenministerium zählt einfach alle Stimmen zusammen. ORF arbeitet mit Prognosen, wie etwa ARD / ZDF auch.

      Also gar nicht wunderlich.

      Briefwähler: „Nun sind sie also nicht älter, sondern gebildeter.“ Scheint wohl der Wahrheit zu entspechen. „Und deshalb hat der ORF und mit ihm NTV mir gestern abend ein falsches Wahlergebnis präsentiert.“
      Nein, Prognose, siehe oben. ORF zählt nicht aus.

      „Ich staune.“ Ich auch. Weils so einfach ist.

  9. Tina Hansen Antworten

    Ein Nachtrag zum Thema:
    Selbstverständlich entwickelte sich auch auf Facebook unter den Lesern von SPIEGEL ONLINE eine erregte Debatte über die Vorgänge in Österreich. Ein Leser, männlich, höflich, sachlich, schrieb sinngemäß, er drücke Herrn Hofer die Daumen und werde selber 2017 AFD wählen. Nur diese eine Aussage. Er wurde daraufhin von anderen Lesern spontan als „Nazi“ und „Vollpfosten“ tituliert. Nach wenigen Minuten griff die Redaktion von SPON in die Debatte ein und zeigte dem Hofer-Anhänger, wörtlich „die gelbe Karte“ sowie die Hausordnung der SPON-Seite, die Beleidigungen verbiete. Nun hatte besagter Herr wirklich niemanden beleidigt, sondern war im Gegenteil selber beleidigt worden. Auf diesen Hinweis diverser anderer Leser reagierte die Redaktion überhaupt nicht mehr. Auch nicht auf meine Nachfrage, warum ich im vergangenen Herbst auf besagter SPON-Seite ungestraft als „Eva Braun“ angesprochen werden durfte, weil ich in höflicher Form eine Grenzschließung anregte., wenn Beleidigungen doch verboten seien. Ich fand und finde noch immer, dass es eine Beleidigung ist, wegen einer völlig normalen Meinungsäußerung mit der Bettgefährtin von Adolf Hitler verglichen zu werden. Da hätte doch eigentlich die Hausordnung greifen müssen? Aber so sei es…
    Wir leben in putzigen Zeiten.

  10. Daniel Mair Antworten

    Herr Hofer tritt dafür ein, dass Flüchtlingen nicht die gleichen Grundsicherungen bekommen sollten, wie Österreicher und außerdem sollte man gefälligst Flüchtlinge in Extra-Krankenkassen versichern. Ich kenne das Ö-Grundgesetz nicht und mache mir jetzt auch nicht die Mühe, danach zu göögeln 🙂 Fakt ist aber, wenn man Zugezogenen, die wirklich arbeiten wollen und können schon von vorneherein die Möglichkeiten nimmt auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, hat man in den (rechten) politischen Kreisen wieder das Argument „Die wollen nicht“.
    Nicht dass hier jetzt jemand denkt, ich würde den Alpen-Kretschmann unterstützen, der hat als Ex-Grüner und Multi-Kulti-Freund auch nix anderes beizutragen ausser „Entweder/Oder“ Insofern unterscheidet der sich in keinster Weise von Hofer.
    Vielleicht bekommt da der Seehofer mittlerweile die Krise, wenn er im Nachbarland sieht, es könnte Straßenschlachten zwischen Grün und Blau geben, weit und breit nix Braunes dabei und von Schwarz redet auch niemand mehr. 🙂

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