Nach 42 Jahren habe ich gestern mal wieder an einem Erste-Hilfe-Kurs teilgenommen, ganztägig, damit es sich auch lohnt. Und es lohnte sich wirklich, denn ich erfuhr nicht nur viel Neues über Krankheiten und Unfälle im Haushalt, bei der Freizeit oder auf Arbeit. Oder wie gefährlich es bereits ist, wenn man nur bis an zu den Knöcheln im Wasser des Rheins steht. Ich erfuhr auch etwas über die abnehmende Bereitschaft von Teilen unserer Gesellschaft, anderen Menschen in einer Notlage zu helfen. Familienmitglieder wie den eigenen Kindern oder guten Freunden schon noch überwiegend. Aber Fremden? Oder gar ekligen Typen? Da gehen alle vorbei und schauen angestrengt in die andere Richtung. Nächstenliebe? Das steht im christlichen Abendland unserer Zeit nicht mehr hoch im Kurs.

Der Referent gestern, selbst erfahrener Rettungssanitäter, erzählte von einem Vorfall an einem Badesee hier am Niederrhein, wo ein kleines Kind unbeaufsichtigt ins Wasser lief und unterging. Der Kleine war minutenlang ohne Sauerstoff und unter Wasser, bis sie ihn herausholen konnten, Brustmassage, Mund-zu-Mund-Beatmung und Gott sei Dank, ja, das Kind hat es überlebt. Unser Rettungssanitäter machte daraufhin gegenüber den etwa 60 Badegästen, von denen ganze drei Hilfe angeboten hatten, seinen Unmut über die völlige Interessenlosigkeit der anderen Luft. Da stand einer von seinem Liegetuch auf, ging aus den Retter zu und sagte: „Alter, mach mal nicht so eine Welle hier. Der Kleine hat doch überlebt….“

Was für ekelhafte Mitbürger gibt es.

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Dieser Artikel wurde 9 mal kommentiert

  1. H.K. Antworten

    Herr Kelle,

    ich weiß gar nicht, worüber Sie sich aufregen !

    Dafür holen wir doch die halbe „arme, traumatisierte“ Welt nach Deutschland und tun ALLES, daß fremde Menschen, besonders natürlich KINDER, nicht ertrinken – zumindest allerdings im Mittelmeer …

    Außerdem protestieren wir gegen das Kükenschreddern !

    ( Zum „Ausgleich“ sind wir dann für das jederzeitige und selbstbestimmte Recht auf Abtreibung in Deutschland – das SAGEN wir nicht nur, das MEINEN wir sogar so ! Und was DABEI mit ungeborenen Kindern geschieht, wollen wir nicht wirklich wissen ).

    Also bitte, „mach mal hier nicht die Welle, Alter !“

    ( Äääähemmm)

  2. Querdenker Antworten

    In Deutschland sterben ca. 900.000 Menschen jedes Jahr. Auf 365 Tage, 24 Stunden und 60 Minuten verteilt sind das etwa 1,7 Sterbefälle pro Minute. Rein statistisch stirbt alle 40 Sekunden ein Mensch in Deutschland. Solange das alles nur statistisch ist, geht uns der Tod am Allerwertesten vorbei und bis auf das direkte Umfeld nimmt niemand den geringsten Anteil. Bekommt der Tod allerdings Gesicht und Namen, ist es gesellschaftlicher Konsens und Pflicht, den Tod mit allen Mitteln zu verhindern und seine Betroffenheit zu zeigen. Dieser Konsens ist im Wandel, für einige Teile der Gesellschaft beschränkt sich das Mitgefühl nur noch auf Freunde und Familie und das ertrinkende Kind ist einfach nur der nächste anonyme Todesfall im 40 Sekunden Rhythmus. Ich sehe zwei Punkte, die diesen Wandel beschleunigen, so driftet unsere Gesellschaft mit rasender Geschwindigkeit auseinander und alle Gräben werden permanent vertieft und nicht geschlossen. Dann gibt es einen inflationären Missbrauch von Bildern mit dem Ziel uns zu manipulieren und das stumpft extrem ab. Denken wir zum Beispiel an einen mit vollkommen unbekannten Regierungspräsidenten oder an Alan Kurdi, das Bild eines toten Kindes am Strand wurde missbraucht um die Stimmung zugunsten der Flüchtlinge zu verschieben. Ohne das Bild wäre Alan Kurdi nur einer von drei namenlosen Todesfälle pro Sekunde, die es statistisch weltweit gibt.

    • H.K. Antworten

      Es ist für mich trtzdem erschreckend, wie gleichgültig wir insgesamt geworden sind.

      Das gilt auch für Unfälle oder im Vorraum einer Bank Zusammengebrochene, über die man lieber hinwegsteigt, statt sich zu kümmern.

      Wer nicht selbst helfen kann oder will – warum auch immer – kann zumindest sein Handy benutzen und den Notruf wählen.
      Tut wirklich nicht weh !

  3. Alexander Droste Antworten

    Menschen wollen nicht in ihrer Ruhe gestört werden. Daher reagieren sie mürrisch, wenn man sie aus ihrem Traumzustand aufweckt. Wenn sie träumen, dass da gerade ein Kind ertrinkt, ist es ja nur ein Traum. Weckt man sie auf und appelliert an ihre Verantwortung, ist das schon eine arge Belästigung. Kümmert sich irgendwer um das Kind, na dann ist doch alles gut. Träum schön weiter!

    Dieser Zustand ist übrigens ideal für Despoten und Demagogen, super günstig für inszenierte Seuchen und Katastrophenszenarien alla Klimatod. Man faselt ihnen im Halbschlaf etwas vor von Kampf gegen rechts und alle sind Verschwörungstheoretiker und böse rechte Populisten, dann holen die Träumer im Halbschlaf ordentlich aus und lassen sich beliebig hierhin und dahin manipulieren.

    Das Fernsehen hat sie hypnotisiert. Das hat man mir sogar schon vor 40 Jahren gesagt. Daher bleibe ich lieber wach und schreibe hier anstatt fern zu sehen.

    • Bettina Antworten

      Lieber Herr Droste,
      Ich denke, die Menschen sind überwiegend mit ihrem Handy beschäftigt. Schauen Sie sich um. Wieviele Menschen nehmen ihre Umwelt überhaupt noch wahr? Sie müssen froh sein, wenn Sie nicht über den Haufen gerannt oder gefahren werden. Mütter mit Kindern starren Kinderwagen schiebend auf ihr Smartphone. Gestern wäre ein kleiner Junge beinahe mit seinem Fahrrädchen auf die Hauptverkehrsstrasse geraden. Die Mutter war mit ihrem Smartphone beschäftigt Aber ständig von „Achtsamkeit“ faseln…..

  4. S v B Antworten

    Ich meine, einmal irgendwo gelesen zu haben, dass die Fähigkeit zur Empathie – meist im Elternhaus – anerzogen wird. Oder leider auch nicht. Letztlich warten die so genannten Spiegelneuronen geduldig (vielleicht sind sie auch ganz heiß drauf?), ihren Anlagen entsprechend trainiert zu werden. Ohne eine intensive Konditionierung von außen geschieht dies jedoch nicht. In den meisten Menschen dürfte eine zumindest hinreichend gesunde Anlage dieser so wichtigen Neuronen vorhanden sein. Hm, vermutlich sind ALLE Neuronen superwichtig, aber egal. Bei dem einen oder anderen hingegen scheint dieses Soll jedoch nicht im gewünschten Maße erfüllt zu sein, oder es existiert lediglich in mangelhafter Ausprägung. Was weiß man denn? – Zu analysieren, wo genau bei dem aufgrund seiner Wortwahl ziemlich „porolohaft“ aufgetretenen Badegast spiegelneuronal der Hase im Pfeffer liegt, ob diesbezüglich also ein Defizit bei ihm vorliegt, wäre Sache des Psychologen. – Aus der Ferne jedoch stelle ich, in meiner Funktion als Küchen-Psychologin, mal die Behauptung auf, dass bei besagtem Badegast – jedenfalls was seine Fähigkeit zur Empathie angeht – Hopfen und Malz auf Nimmerwiedersehen verloren sind. Und das gewiss nicht erst seit gestern. – Nun bleibt nur noch zu hoffen, dass der kleine Bub sich von dem Unglück längst wieder erholt und – vor allem – keine dauerhaften Schäden davon getragen hat.

  5. colorado 07 Antworten

    Empathie ist bei uns meist nur noch eine rhetorische Pflichtübung. Aber sie praktisch werden soll, ist nicht mehr viel von ihr zu spüren. Das ist im Großen wie im Kleinen so.

    • S v B Antworten

      Lieber colorado 07,
      mir scheint zudem die oft recht publikumswirksam demonstrierte Empathie in der Hauptsache von zeitgeistigen Ideologien angetrieben zu sein. Während man sich vielleicht demonstrativ intensiv mit seinem Smartphone beschäftigt und achtlos am Nächsten vorbei eilt, legt man sich bei allem, was einen exotischen Touch aufweist, ganz gewaltig ins Zeug. Dieses Phänomen ist heute recht oft zu beobachten, woraus man schließen könnte, dass Bodenständigkeit diesbezüglich eher als bäh, Exotik hingegen als total hip gilt.

    • W. Lerche Antworten

      Woran ist Empathie gebunden, an unser genetisches Material oder an Erziehung?
      Kann es sein, dass die bewusste „Nicht-Erziehung“ von Kindern zunimmt, den Zeitgeist befeuert? Es soll sogar Bücher darüber gehen, wo postuliert wird: „Erziehung von Kindern ist wie deren Vergewaltigung“: Es sei abzulehnen, dass der „Geist der Eltern“ den Kindern übergestülpt wird. Ich vermute, in unserer Nachbarschaft gibt es solche Leute. Neulich lief ein 4-jähriger Bengel hinter unserem PkW (Schritttempo in der Siedlung) her, und drosch mit einem Knüppel gegen das Blech. Als ich anhielt, war der Bengel weg. Ich ging zu dessen Eltern …und … dessen Vater sprach seinen Sohn an, doch der lehnte das Gespräch ab. Fertig. – Das sind unsere künftigen tragenden Säulen – die Zukunft Deutschlands.

      Herr Kelle, warum machen sie einen Erste-Hilfe-Kurs? 🙂

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