Die Stimmung in der Regionalbahn von Krefeld nach Kleve war schlecht, Tendenz sinkend. Ich hatte den letzten Klappsitz ganz links für mich sichern können, vor mir drei junge Frauen mit Kopftuch, in der Reihe neben mir – so weit man das optisch einsortieren kann – ausnahmslos junge Männer mit, wie das heute so schön heißt, Migrationshintergrund. Einer von ihnen sehr laut. Er redete unablässig in sein Smartphone, in seiner Sprache und unfassbar laut. Niemand sagte etwas, alle schauten unbewegt geradeaus, man will ja in diesen Zeiten nicht unangenehm auffallen.

Nach zehn Minuten wurde es einem älteren Ehepaar – beide sicher 70 – auf der gegenüberliegenden Seite zu bunt. „Können Sie mal etwas leiser sein? Hier wollen auch Leute ihre Ruhe haben….“ Der Angesprochene unterbrach sein Telefonat und blaffte die Frau an: „Warum denn? Was hast Du?“ „Sie sind zu laut, sie stören andere Leute.“ „Warum sagst Du das, was willst Du von mir?“ Andere riefen jetzt auch dazwischen. Manche in einer Sprache, die ich nicht verstand, andere auf Deutsch. Aus einer der Reihen wehte ein Satzfetzen zu mir herüber: „…man mal sehen, was das für Typen sind, die wir uns hier ins Land holen.“ Wie gesagt, die Stimmung war wirklich unangenehm und sehr angespannt in diesem randvollen Wagen der Nordwestbahn.

Schließlich stand der neben mir sitzende Mann auf, zeigte auf den Telefonierer und sprach ihn mit ziemlich düsterem Blick unmissverständlich an. „Du, sprich jetzt leiser. Die Leute wollen ihre Ruhe haben und Du benimmst Dich jetzt!“ Wenn ein stämmiger gut 1,90-Meter-Mann so etwas nachdrücklich sagt, verfehlt das seine Wirkung in der Regel nicht, und es wurde tatsächlich augenblicklich deutlich ruhiger. Mein Nachbar setzte sich wieder, schaute mich an und sagte: „Die Deutschen sind schlimm.“ Ich fragte: „Warum?“ Und er sagte: „Ich habe schon in vielen Ländern gelebt, aber hier ist es am schlimmsten.“ Ja, aber was ist denn so schlimm, muss doch keiner nach Deutschland kommen? Er sagte: „Wenn sich in anderen Ländern in einem Zug jemand daneben benimmt, stehen die anderen auf und werfen ihn an der nächsten Station raus, zur Not auch aus dem Fenster.“ Ein interessanter Gedanke, dachte ich, sagte aber: „Nun, so etwas ist in Deutschland eigentlich nicht üblich.“ Und ich versuchte zu erklären: „Es kommen derzeit viele Menschen, und es ist schwierig mit unterschiedlicher Religion und fremden Kulturen….“ „Das hat nichts mit Kultur oder Religion zu tun, sondern mit Gesetzen“, erwiderte er, zeigte auf den Smartphone-Mann und erklärte mir: „Wenn der wüsste, dass er sich benehmen muss und sonst kein Geld mehr bekommt, dann würde er sich benehmen. Aber es sagt ihm niemand.“ Auf der weiteren Fahrt erfuhr ich noch, dass mein Sitznachbar aus dem Iran stammt, seit zehn Jahren in Deutschland lebt und übrigens auch für seinen Lebensunterhalt arbeitet. Als wir schließlich austiegen, verabschiedeten wir uns mit Handschlag voneinander.

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Dieser Artikel wurde 11 mal kommentiert

  1. Andreas Schneider Antworten

    Eine Beobachtung, wie ich sie als häufiger Nutzer des ÖPNV durchaus nachvollziehen kann, Herr Kelle.

    Wobei aber zumeist der 1,90-Meter-Nachbar mit derart trefflicher Einstellung fehlt. SOLCHE „Migranten“ sind tatsächlich eine Bereicherung!

  2. Alexander Droste Antworten

    Grandios, nicht war? Ein Mensch mit A…. in der Hose. Dafür braucht es keine Nationalität. Dafür braucht es Entschlossenheit. Ich glaube, die Deutschen haben Angst davor unhöflich, unfreundlich oder unkorrekt zu sein. Was ist eigentlich korrekt? Warum sind wir so verunsichert?

    Lieber Herr Kelle, mir gefiel aber auch Ihre Reaktion. „Nun, so etwas ist in Deutschland eigentlich nicht üblich.“ Aber möglicherweise wird es alsbald notwendig. Hat dann der Staat noch das Gewaltmonopol?

  3. Alexander Droste Antworten

    Mir fällt gerade ein: Die Neudeutschen sind unsere Sprecher. Als Kabarettisten lästern sie, was das Zeug hält über die ausländischen Leute, was wir uns niemals mehr zu trauen wagen z.B. Kaja Yanar, Serdar Somuncu
    Ja, ich sehe sie ein wenig als „großer Bruder“.

  4. Pingback: Im Zug von Krefeld nach Kleve –Denken erwünscht – der Kelle-Blog - Wertewandel

  5. Andreas Schneider Antworten

    Die „Angst der Deutschen“, Herr Droste, ist nachvollziehbar. Allzu schnell wird die „Ausländerkarte“ gezogen, und Sie dürfen Gift darauf nehmen, dass wohlmeinendes Gutmenschenvolk prompt auf diesen Karren aufspringt, um den „Rassisten“ in seine Schranken zu weisen.

    Sowohl mit Erfahrungen aus dem (früheren) Ehrenamt wie auch aus dem Tagesgeschäft meines Berufs könnte ich dazu Bände füllen.

  6. Felix Becker Antworten

    Ich weiß, das darf ich ja -politisch korrekt- gar nicht sagen: Es sind tatsächlich matchoide Männer mit „Migrationshintergrund“ in Deutschland unterwegs. M.E. liegt das an deren anderer Kultur. Und ich finde, dass denen kulturelle Gepflogenheiten und Grenzen deutlich aufgezeigt werden müssen.

  7. Tom Antworten

    Lieber Herr Alexander Droste

    richtig:
    Warum sind Sie so verunsichert?
    Diese Menschen kommen doch vielfach aus autoritären Kulturen. Die interpretieren ihren Höflichkeit automatisch als Schwachheit und Ihnen selbst scheint es mittlerweile ebenfalls zu dämmern, wenn ich Ihre Verehrung für die „Großen Brüder“ richtig verstehe.

    Es sind im übrigen nicht „Die Neudeutschen“ sonder bloß einige „Neudeutsche“. Nämlich Jene, die im Gegensatz zu den meisten Alt/Bio-Deutschen, die der Faszination des Abenteuers erlegen sind, den Endbahnhof des Zuges kennen, und ablehnen.

  8. Johannes Peerenboom, Kleve, Niersstr. 35 Antworten

    Als Klever mit der Örtlichkeit vertraut (LFA Innen- u. Recht im Landtag der FdP) habe ich zu meinem größten Bedauern ( das meine ich ehrlich!!) das Geschehen nicht erlebt. Wie gerne hätte ich dem vermutl. Migranten ( Migrant=“Made“), was ich beim Karate pp gelernt habe, die älteren Leute bedauere ich, alleine das „DU“ von diesem Pattjacken (Pol.-Jargon) verurteile ich aufs schärfste. KEIN Politiker hat den Mut dieses Verhalten (siehe Duisburg ) auch nur anzusprechen, geschweige etwas zu unternehmen. Wir haben so ein schönes Land und lassen uns unser Leben durch diese Personen/ Verhalten melr als vermiesen…..WARUM??????

  9. Thelse Schliebs Antworten

    Sehr geehrter Herr Kelle,
    das Thema, das Sie hier anschneiden, wird neuerdings auch von Politikern mehr und mehr ins Gespräch gebracht, endlich! Denn für uns Bürger ist es schon seit langem ein Dorn im Auge, dass Ausländer sich bei uns fehlverhalten dürfen, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden. Ja sogar unsere Ordnungskräfte haben lieber beide Augen zugedrückt, wahrscheinlich weil sie „von oben“ keine Rückendeckung bekamen. Und ein Bürger, der seinen Unmut äußerte, war „fremdenfeinlich“ und womöglich sogar Neonazi. Ein kleines Beispiel aus meiner Erinnerung:
    Vor ca. 15-20 Jahren(!) erzählte mir eine empörte Nachbarin, dass ihr Sohn, damals 15 oder 16 Jahre alt, von einem türkischen Jungen grundlos derbe verprügelt worden war. Die Nachbarin suchte die Eltern des anderen Jungen zwecks Aussprache auf, wurde aber von diesen beschimpft und bedroht. Daraufhin ging sie zur Polizei. Auf der Wache sagte ihr der diensthabende Polizist sinngemäß „ich kann zwar eine Anzeige aufnehmen, aber ich würde Ihnen raten, davon lieber abzusehen. Sie bringen sonst Ihre ganze Familie in Gefahr, und wir sind da auch machtlos“.
    Angesichts der neuen Flut von Flüchtlingen sehe ich wirklich die Gefahr, dass wir demnächst nicht mehr Herren im eigenen Land sind, wenn unsere Regierung nicht endlich schnelle und wirkungsvolle Maßnahmen ergreift, um den Fremden die Grenzen unserer Gastfreundschaft aufzuzeigen und auch auf die Einhaltung dieser Grenzen strikt zu achten.

    Freundliche Grüße
    Thelse Schliebs

  10. uschi obermaier Antworten

    so ein schwachsinn…
    die bösen ausländer. verstoßen gegen jede deutsche regel, gegen den deutschen anstand! denen müsste man das geld kürzen (welches geld?).
    wie ist es denn dann mit den junggesellinnenabschieden jeden samstag im zug, mit den kegelvereinen, den männer-gruppen, die allesamt am wochenende entscheiden, sich in den regionalexpressen dieses landes mit schnaps, sekt und pils gute laune anzutrinken (und diese gleich allen mitreisenden aufzuzwängen)?

    hier wird auf sinnlosen dingen herumgeritten, alles mit dem einem ziel: aufzeigen, dass man ja nichts gegen die ausländer habe – solange die sich an unsere (ich schließe mich von dieser überlegung aus) deutschen regeln zu halten habe und überhaupt kommt man zu dem schluss: die können das gar nicht. denn deren mentalität ist eine ganz andere.
    folge: vermischung der kulturen unerwünscht, damit die kartoffeln weiter das reisen mit der bahn genießen dürfen.
    gute reise.

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