Auf Dauer ist Peking die einzige globale Herausforderung für den Westen

Der Angriff Russlands auf die Ukraine überdeckt seit drei Monaten jedes andere Thema in diesem Teil der Welt und damit natürlich auch in Deutschland. Putins Russland und der aggressive globale Islamismus – so denken viele Deutsche –  sind außenpolitisch unsere größten und gefährlichsten Herausforderungen. Doch diese Sichtweise ist verengt. In Südostasien lauert eine ungleich größere Herausforderung auf Deutschland, Europa und die westliche Welt: China.

China hat eine Strategie, die es seit Jahrzehnten beharrlich verfolgt. China will die global bestimmende Macht werden. Und China hätte das Zeug dazu, die Vereinigten Staaten als Führungsmacht irgendwann abzulösen, weil Peking viel klüger vorgeht, als der Islam und Russland sowieso, das mit seinem imperialen Gehabe gerade alles einreißt, was es positiv in den vergangenen 20 Jahren aufgebaut hat.

Die Russische Föderation stützt sich einzig auf ihre reichhaltigen Öl- und Gasvorkommen im Boden und natürlich auf die gewaltigen Weizenproduktionen, die große Teile der Welt vor Hunger bewahren – jedenfalls bisher. Und natürlich auch auf seine Atomwaffen. Die so hochbewertete Armee zeigt seit dem 24. Februar 2022 dagegen, was für eine desorganisierte und unmotivierte Durchschnittsstreitmacht sie tatsächlich ist. In einer Woche in Kiew und dann zurück nach Hause? War wohl nichts. Da hat sich ein „Stratege“ im Kreml selbst entzaubert.

Auch die islamischen Staaten sind – differenziert betrachtet – für den Westen interessanter als Russland. Zum einen Steinzeit-Länder wie Afghanistan, Somalia oder Jemen, die nur insofern wichtig für uns sind, als dort weiter terroristische Krebsgeschwüre wuchern. Hier sind die Demokratien und das christliche Abendlang gefragt, stets ein Auge drauf zu behalten, dass Al-Kaida und der IS nicht wieder ihr mörderisches Haupt aufrichten und uns bedrohen können. 9/11 und der Angriff auf Paris am 13. November 2015 sind nicht vergessen und dürfen niemals vergessen werden, sonst erleben wir irgendwann wieder Ähnliches oder sogar Schlimmeres. Der islamische Terror ist ein Krebsgeschwür, und der Westen darf nicht zulassen, dass sich wieder Metastasen bilden.

Interessant ist natürlich der Kurs des islamisch geprägten Staates Türkei, dessen Präsident Erdogan einen ganz anderen, für uns unberechenbar erscheinenden Kurs fährt. Zweifellos will er den Einfluss und die Macht Ankaras im Nahen Osten und Europas verstärken. So kauft er Flugabwehrraketen bei den Russen, ist Mitglied des westlichen Bündnisses NATO, mit einem extrem wichtigen Standort an der NATO-Außengrenze zum explosiven Nahen Osten, blockiert die Beitrittswünsche Schwedens und Finnlands, hält der EU Millionen Flüchtlinge vom Leib, kassiert dafür Milliarden aus Brüssel und Berlin, bombardiert die Kurden im Norden Iraks und verbreitet gute Laune im Rosengarten des Weißen Hauses beim Plausch mit Uncle Joe. Das muss Erdogan erstmal einer nachmachen.

Interessant auch die Bemühungen der reichen Öl-Staaten wie Dubai und Katar, die ihre sprudelnden Dollar-Milliarden in Tourismus, Sport, Beteiligungen in USA und Europa und nun auch in Erdgasgeschäfte mit Deutschland stecken. Die Scheichs denken voraus, sie wollen weiter ganz vorn dabei sein, wenn irgendwann das Öl nicht mehr sprudelt. Sie investieren in ihre Zukunft. Schade, dass Präsident Putin keine Zeit hat, sich mit solchen Dingen zu beschäftigen.

Und wenn wir gerade dabei sind: Pakistan ist auch ein islamisches Land, und es hat Atomwaffen. Direkt daneben liegt der aufstrebende Riese Indien. Der hat auch Atomwaffen. Und weil der mit Moskau rummacht, ist Pakistan automatisch unser Freund. Oder so. Aber ist er das wirklich? Freund der Amerikaner wollen sie auf jeden Fall bleiben, auch wenn ihr Geheimdienst ISI gern mit den Taliban im Nachbarland kungelt.

Ist der Iran nun soweit?

Und dann wollen wir auch nicht diese Mittelmacht Iran vergessen, der Unruheherd schlechthin im Nahen Osten. Der Gegenspieler Saudi-Arabiens, der Exporteur von Terrorismus und Entwickler von Atomwaffen. Gerade las ich, dass es mal wieder so weit ist.

Rafael Grossi, Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) warnt, dass der Iran „in einigen Wochen“ genug Uran angereichert haben wird, um eine Atomwaffe herzustellen. „Das wird passieren“, sagte Grossi am Montag in Wien.

Für einen Atomsprengkopf braucht ein Staat etwa 50 Kilogramm angereichertes Uran mit einem Reinheitsgrad von 90 Prozent. Der Iran besitzt laut IAEA bereits 43 Kilogramm mit einem Reinheitsgrad von 60 Prozent. Da ist es nicht mehr weit…

Kann insbesondere der Staat Israel – ebenfalls Atommacht – und kann Europa zuschauen, wenn ein fanatisches Mullah-Regime in den Besitz einer solchen Waffe kommt? Zumal es in der Vergangenheit immer wieder Führer in Teheran gab, die davon schwafelten, Israel von der Landkarte auslöschen zu wollen? Ich denke, hier können die USA, Europa und insbesondere Israel nicht tatenlos zuschauen.

Es gibt ganz viele Facetten in diesem großen Spiel, weit mehr, als man in einem einzelnen Beitrag hier schildern kann. Im Grunde müsste ich mal ein Buch darüber schreiben, was ich zu diesem Thema inzwischen alles an Informationen habe.Wenn ich bloß nicht seit vier Jahren schon an einem anderen Buch schreibe, dass jetzt endlich mal fertig bekommen sollte.

Aber ein Aspekt fiel mir heute noch auf zum Thema China. Der Rote Drache kauft ja seit vielen Jahren Beteiligungen an ertragsreichen und strategisch wichtigen Unternehmen in den USA, Europa und anderen Teilen der Welt. Da geht es um Hightech und die Möglichkeit, weiter Wissen zu klauen, wie sie das seit vielen Jahren tun. Da geht es aber auch um verschachtelte Beteiligungen zum Beispiel an Versicherungsunternehmen, um sich Zugang zum europäischen Bankensystem zu verschaffen.

Heute überraschte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) mit einer Aussage im „Handelsblatt“, er und das Bundesland würden eine denkbare Übernahme von Mercedes durch chinesische Investoren „im Notfall verhindern“.

Denn die bereits jetzt starke Stellung von zwei chinesischen Großinvestoren bei Mercedes hatte in der Vergangenheit Ängste ausgelöst. Der Stuttgarter Dax-Konzern befindet sich bereits zu knapp einem Fünftel in chinesischer Hand. Der chinesische Mercedes-Partner BAIC ist bei den Schwaben größter Einzelaktionär mit einem Anteil von 9,98 Prozent. Der chinesische Investor Li Shufu hält zudem über eine Firma 9,69 Prozent. Auch der Staatsfonds von Kuwait hat mit 6,84 Prozent ein dickes Aktienpaket.
Dass neben der Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nun auch der einzige grüne Ministerpräsident in der Außenpolitik klare Kante zeigen – ich muss sagen, das überrascht mich wirklich.

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Dieser Artikel wurde 16 mal kommentiert

  1. Angelika Antworten

    Es ist einfach ein Great Game. Welches im Gegensatz zur näheren Vergangenheit wieder offen ist. Ostasien (inklusive China) steigt sicher auf. Europa steigt sicher ab. Andere Länder wie Indien, die Golfstaaten, Brasilien, … könnten auch aufsteigen.
    Für die USA ist sicher der Pazifik ihr wichtigster Bezugspunkt in der Zukunft. Dadurch wird sich deren Engagement in anderen Weltgegenden wie Europa und den Nahen Osten verringern.
    Das Gute für uns Lebenden: Solche Veränderungen dauern zum Glück länger. Als z.B. schon lange klar war, dass die katholische Supermacht Spanien des 16. Jahrhunderts absteigen wird, hat dieser Abstieg doch lange gedauert. Genauso wird der Abstieg Europas zum Glück länger dauern.

  2. H.K. Antworten

    Das Problem – aus meiner Sicht – besteht z.B. beim Iran darin, daß die Mullahs demnächst nicht nur Atomwaffen besitzen werden, die sie auch abfeuern können ( alle Embargos dieser Welt werden nicht verhindern, daß das, was man im Land haben will, dort auch hinkommt, s. Nordkorea ), sondern daß diese „Führer“ auch völlig anders ticken als wir im Westen.

    Während wir i.d.R. schon eine Weile brauchen, um auf 180 zu kommen, so geht das dort wesentlich schneller – und das nicht nur auf 180, sondern auf 250.

    Dieser ja, kann man es Jähzorn nennen ? führt schnell dazu, daß Emotionen völlig aus dem Ruder laufen und zu Eskalationen ungeahnten Ausmaßes führen können.

    Von daher ist die ganze Gegend ein einziger Unruheherd.

    Was China angeht, so sind wir offenbar dabei, langsam aber sicher zu begreifen, daß eine komplette, wirklich 1000%ige Abhängigkeit von einem fernöstlichen Land nicht der Weisheit letzter Schluß sein kann.

    Während wir in der Pandemie bereits feststellen mußten, daß wir dieses Masken-ja, Masken-nein-Hinundher wesentlich dadurch zu bewältigen hatten, daß es hier einfach diese „Pfennigsartikel“ nicht gab und die weltweite Nachfrage die Preise in ungeahnte Höhen trieb, sehen die Probleme aktuell noch anders aus.

    Auch bei Medikamenten, die mittlerweile fast komplett aus Fernost kommen, hat die Gier das Hirn gefressen.
    Es ging vor zig Jahren mit Aspirin los, das in Fernost so billig hergestellt wurde, daß die Produktion hier komplett unwirtschaftlich war.

    Was dabei herauskommt, wenn man sich von EINEM Lieferanten/ Land abhängig macht, erleben wir derzeit bei ( elektronischen ) Ersatzteilen u.ä.

    Das Zeug hängt in Shanghai und sonstwo fest, weil zigtausende Container fehlen.

    Da staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich.

    Die „ ( feindliche ) Übernahme“ von zahlreichen Firmen durch China macht aus deren Sicht selbstverständlich ebenso Sinn wie die Aktivitäten der Chinesen in Afrika. Dort macht man ganze Länder wirtschaftlich so abhängig, bis es kein Zurück mehr gibt.

    Da staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich.

    Die ebenso „feindliche Übernahme“ Taiwans durch die Chinesen, so sie denn tatsächlich in Angriff genommen wird ( im wahrsten Sinne des Wortes ), könnte uns noch einiges Mehr an Kopfzerbrechen bereiten als der Krieg in der Ukraine.

    Wenn China die Muskeln spielen lässt, sprich seine Kampfbomber rottenweise über taiwanesisches Gebiet donnern lässt, so sind das genauso Einschüchterungsversuche wie die des „großen Führers“ in Pjöngjang gegenüber Südkorea.

    Die USA sind geographisch weit weg, und da kann man es ja mal versuchen – auch, wenn „sleepy Joe“ droht und entsprechende Beistandsversprechen abgibt.

    Für Israel und Palästina gilt Ähnliches wie für den Iran. Je nachdem, welche Hitzköpfe da am Ruder sind, kann es ziemlich schnell ziemlich laut knallen.

    Aber da unsere Bundesregierung Israels Sicherheit ja zur „Staatsräson“ erklärt ( hat ), im Einklang damit jedoch immer mehr Antisemiten aus aller Herren Länder nach Deutschland holt und unsere Bundeswehr ja allerbestens aufgestellt und ausgerüstet ist, kann zumindest da ja nicht wirklich etwas passieren …

  3. Angelika Antworten

    „Putins Russland und der aggressive globale Islamismus – so denken viele Deutsche – sind außenpolitisch unsere größten und gefährlichsten Herausforderungen. „:
    Die größte Bedrohung für die Bewohner der BRD und der EU sind die BRD und die EU. Sonst nichts.
    Deshalb finde ich jeden Gedanke der Westler, BRD und/oder EU gegen irgendeinen „Feind“ von außen zu verteidigen, lächerlich.

    • H.K. Antworten

      Dann sollten wir die Bundeswehr doch sofort abschaffen !

      Was wir da alles sparen könnten …

      • Angelika Antworten

        Gerne. Nur habe ich in der BRD nichts zu sagen. Gar nichts. Und das Geld wird sowieso für irgendwas rausgehauen. Also „Ersparnisse“ gibt es in der BRD nicht.

          • Angelika

            Es ist nur eine Feststellung, keine Bewertung:
            In der BRD könnten die Reptilienmenschen die Wahl gewinnen und an die Macht kommen. An der Außenpolitik würden sich trotzdem nur Nuancen ändern. Einfach weil der Druck des Faktischen so ist, wie er ist. Selbst bei einer Machtergreifung der Kommunisten in der BRD, würden die nicht aus der NATO aussteigen. Einfach, weil sie es nicht könnten.
            Dazu bräuchte es eine zweite Macht, die innerhalb Europas stark und präsent ist, an die sie sich anlehnen könnten. Und die gibt es nicht. Russland ist nicht so stark. Und China ist zu weit weg.

        • H.K. Antworten

          Die Wehrpflicht ist ja auch nicht abgeschafft, sondern nur „ausgesetzt“. Sie könnte „jederzeit“ wieder eingesetzt werden.

      • Günther M. Antworten

        Quelle t-online, 16.12.2020

        12 (1.340.000 x 3.110 €) = (50.008.800.000 € – Einkommenssteuer) + Beihilfe = ??.???.???.??? €

        Wie hoch war der Wehretat 2020?

    • H.E. Antworten

      Naja, nachdem 24/7 Putin und Russland – hier ohne jede Wertung – als das Böse schlechthin charakterisiert worden sind, wundern wir uns jetzt über das Meinungsbild?
      Ich stimme Ihnen zu: Während wir uns über Putin empören, geht der Kampf der woken gegen preiswerte Energie, Wohnen, Lebensmittel und Mobilität (aktuell Verbrennerverbot ab 2035) mit noch höherer Intensität genauso weiter, wie die Zersetzung von Familie und Gesellschaft.
      Aber den liberal-konservativen Bürgern ist der Kampf gegen Russland wichtiger.
      Sie werden sich wundern.
      Meine Meinung und in diesem Punkt habe ich eine etwa andere Auffassung als Sie, werte Angelika : Wir befinden uns schon im „in der zweiten Halbzeit des Endspiels“ und der Gegner führt gerade 2:0!

      • Angelika Antworten

        Ich weiß nicht, wie die weitere Entwicklung (vor allem der Durchschnittsbürger) ist.
        Ein Bekannter, der schon länger unzufrieden ist, sagte 2017, er wähle nicht die AfD, denn „man könne nicht die Braunen wählen“. 2021 hat er die AfD doch gewählt. Scheinbar war der Frust jetzt doch größer, aber „Höcke und Co müssen raus“. Mal sehen, was er 2025 sagt. Vielleicht sind dann „Höcke und Co doch OK“? Eine andere Bekannt, die vor kurzem noch über die „Querdeppen“ schimpfte, sagte vor kurzem „Warum demonstrieren die denn nicht gegen die Inflation.“ Die scheint sie jetzt zu stören.
        Wenn es irgendwann eine „Unruhe“ in der Bevölkerung gibt, dann nur wegen der Kohle. Die könnte der BRD und der EU langsam ausgehen. Und das war ja DAS Erfolgsrezept von BRD und EU: Geld an die Leute zu verteilen, um sie bei Laune zu halten. Wenn ihnen das Geld ausgeht, könnte es schwieriger werden.

  4. Peter Neumann Antworten

    Zu „Angelika“: „BRD“ ist DDR-Jargon. Manche sind offenbar dort stecken geblieben.

    • Angelika Antworten

      Nein. BRD, so heißt das aktuelle Gebilde hier nun mal. Habe ich mir nicht ausgedacht. Von 1871 bis 1945 gab es hier das „Deutsche Reich“. Vorher den „Deutschen Bund“. Jahrhundert lang hieß es „Heiliges Römisches Reich“.

  5. S v B Antworten

    Wer die Mühe nicht scheut, sich mit (nicht nur, aber meist doch englischsprachigen) Büchern zu Geo-Politik und Geo-Ökonomie zu befassen, wird von Entwicklungen in der Welt wenig überrascht sein. Über die größeren Zusammenhänge in der Weltpolitik, über das globale Ganze also, klären weder die Fernsehanstalten noch die Print-Medien in diesem Land in der gebotenen Ausführlichkeit auf. Meist sind es einzelne „Ereignisse“, die dem Hörer oder Leser präsentiert werden. Eher selten werden diese in ihren vielfältigen globalen Zusammenhängen und Implikationen kommuniziert. Die inzwischen enorm hohe Komplexität unserer Welt macht es zudem wohl auch für Journalisten immer schwerer, ja fast schon unmöglich, sich klare und auch detaillierte Kenntnisse zu verschaffen. Alles hängt letztlich mit allem zusammen. Manchmal offensichtlich, manchmal weniger offensichtlich, aber immer häufiger auch nur „irgendwie“; sowohl machtpolitisch als auch ökonomisch. Und dann… wird’s ganz kompliziert.

    Ein einzelner ungenügend bedachter Akt in einer hochkomplexen Welt. Vergleichbar vielleicht mit einem fragilen Konstrukt, welches in Teilen – oder gar zur Gänze – unvermittelt zusammenstürzt, sobald nahe der Basis nur ein einziges Element entnommen wurde. Selbst dann, wenn so behutsam wie nur irgend möglich vorgegangen wurde. Klingt fast schon nach Chaos-Theorie.

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