Bedingt verteidigungsfähig: Weil wir seit 30 Jahren politisch geschlafen haben

Der frühere Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, hat nach der gestrigen Bundestags-Anhörung mit den Chefs der drei deutschen Nachrichtendienste deren Gängelung durch zu viel Bürokratie und Kontrolle kritisiert.

„Unsere Sicherheitsbehörden ersticken an der alltäglichen Bürokratie“, sagt er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Genehmigungsvorbehalte, Zustimmungserfordernisse, Antragsverfahren, Dokumentationsauflagen, Berichtspflichten, hohe rechtliche und tatsächliche Hürden für operative Maßnahmen und ein überbordender Datenschutz lähmen die Leistungsfähigkeit der Dienste.“

Die Erkenntnisse des gestrigen Tages und die Erkenntnisse Schindlers kommen nicht überraschend. Schon vor vielen Jahren machte man sich über die „Schlapphüte“des Verfassungsschutzes lustig, die kein Geheimdienst, sondern eine „Zeitungsartitelausschnittsbehörde“ seien. Das halte ich für übertrieben, aber im Kern war die Kritik auch nicht von der Hand zu weisen. In friedlichen Zeiten wird eben auch friedlich vor sich hingearbeitet.

Wenn ich zum Beispiel an meine 18 Monate Wehrdienst bei der Bundeswehr in den 90er Jahren denke – jeder von uns wusste, das wir niemals in den Krieg ziehen müssen. Wir spielten das nur, robben durch den Wald, an Seilen übers Wasser hangeln, G3 mit verbundenen Augen in 90 Sekunden auseinander und wieder zusammenbauen.

Aber Krieg? Auslandseinsätze auf dem Balkan in Afrika und Afghanistan. Das war weit außerhalb unserer Vorstellungskraft. So wie die Landesverteidigung auch. „Die Bundeswehr ist eine Trachtentruppe, die den Feind so lange unterhalten muss, bis die Amerikaner kommen“, lautete damals beim Bier in der Kasernen-Kantine unser Schnack.

Das ist vorbei, und ganz offenkundig tut sich die deutsche Gesellschaft schwer damit, die vielfältigen Bedrohungen unserer Zeit ernst zu nehmen.

Angefangen beim überforderten Bundeskanzler bis hin zu ostdeutschen Landsleuten, die vorsichtshalber im Keller ihre alten NVA-Uniform wieder aufbügeln, weil es doch so schön war mit Schießbefehl an der Mauer, Sozialismus-Mangelwirtschaft und den „Freunden“ aus Russland.

In Bezug auf die Verteidigung unseres Landes haben sie alle versagt. Alle.

Besonders viel Schaden haben FDP und Grüne mit ihren überzogenen Datenschutzgesetzen und ihrer Blockadehaltung gegenüber allem, was die Sicherheitsdienste in unserem Land für ihre Arbeit brauchen, angerichtet.

Und über die Verteidigungsminister_*Innen von der Leyen, AKK und Lambrecht aus CDU und SPD müssen wir hier gar nicht anfangen. Das ist nicht gut für mein Herz.

Schindler, der vor vier Jahren Gastredner unserer „Schwarmintelligenz“-Konferenz in Essen war, ist ein Profi, einer, der die Dinge von innen kennt und weiß, was alles schiefläuft. Wussten Sie zum Beispiel, dass der deutsche BND geheimdienstliche Erkenntnisse, die er im Ausland durch Abhören und Spione gewinnt, nicht an die westlichen Partnerdienste weitergeben kann?

Weil, ja…weil was?

Irgendeine politische Beschränkung, während wir immer wieder mit Informationen gefüttert werden vom Bruder jenseits des Atlantiks, von den Kollegen aus Frankreich und der Türkei. So wurden seit 9/11 in Deutschland mehr als 20 Terroranschläge konkret verhindert. Und wir? Wir geben nichts.

Klar, dass nicht nur Donald Trump mehr von der Europäern erwartet, als sie leisten

„Wir brauchen endlich auch eine Zeitenwende für die Nachrichtendienste mit mehr Geld, mehr Personal, mehr rechtlichen Befugnissen und mit mehr Vertrauen“, sagt Schindler. Gerade in einer Zeit, in der Putins Russland wieder zu einer ernsten Bedrohung der Welt geworden ist, wie wir alle sie uns seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht mehr vorstellen konnten.

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Dieser Artikel wurde 28 mal kommentiert

      • H.K. Antworten

        Nö.

        Das sind die 80er.

        ( Also 80 bis 89 ).

        Und von Januar 73 bis September 90 dauerte der Wehrdienst 15 Monate. ( Aber drei Monate Urlaub waren danach sicher hilfreich … 😉 ).

      • GJ Antworten

        Na, jetzt bin ich aber wirklich baff Herr Kelle. Alternative Fakten haben sich eingeschlichen. Ich verbuche das unter urlaubsreif 😉

      • Günther M. Antworten

        Kleine Ergänzung, Herr Kelle:
        Wir befinden uns im 3. Jahrtausend, aber im 21. Jahrhundert.
        Sie persönlich in den 60ern und im 7. Lebensjahrzehnt (Dekade) und haben mit dem Erreichen von 65 Lebensjahren den 66ten Geburtstag.
        Alles klar?
        Und bei der „Schnurre“ mit den 18 stat 15 Monaten Wehrpflicht, von Forist H.K. aufgedeckt, fällt mir glatt der adelige Reiter auf der Kanonenkugel ein.

  1. S v B Antworten

    Sorry, KOMPLETT OFF-TOPIC, doch absolut hörens- bzw. sehenswert:

    Die Rede Michel Friedmanns im Hessischen Landtag zum 50. Todestag Oskar Schindlers, gehalten am Mittwoch letzter Woche. Eine knappe halbe Stunde, die es in sich hat.

      • GJ Antworten

        Das musste ich jetzt googeln. Was Sie alles wissen… Zumal schon so lange her. Also der Norddeutsche ist wohl wirklich nachtragend, gell? 😂

          • H.K.

            Aber vielleicht sollte ich mir die „Angie“-Methode angewöhnen – wäre meiner Gesundheit sicher nicht abträglich ( „mir doch egal“ ).

  2. Martin Ludwig Antworten

    Herr Kelle, ist das zwischenzeitig schon pathologisch? „….bis hin zu ostdeutschen Landsleuten, die vorsichtshalber im Keller ihre alten NVA-Uniform wieder aufbügeln, weil es doch so schön war mit Schießbefehl an der Mauer, Sozialismus-Mangelwirtschaft und den „Freunden“ aus Russland.“

    Die meisten ostdeutschen Landsleute haben ein ganz feines Gespür im Hinblick auf Sozialismus und Mangelwirtschaft. Das ist vermutlich auch der Grund, weshalb dort die Grünen und die SPD ein so dermaßen schlechtes Wahlergebnis eingefahren haben.
    Eine Mauer entlang der Grenzen würde ich mir sehr wünschen und wenn jemand eine Grenze ohne meine Zustimmung überquert, dann sollte da auch geschossen werden dürfen. Ist übrigens in ihrem gelobten Land jenseits des Atlantiks auch so.

    Was Putin angeht muss ich zwischenzeitig nur schmunzeln. Unsere Freunde stehen im Westen, der Feind im Osten. Da ist offensichtlich ganz viel vom Schnack beim Kasernen-Bier hängen geblieben. Dass unsere Freunde unsere kritische Infrastruktur gesprengt haben, sei’s drum. Dass Sie mehrere Kriege mit zwischenzeitig aufgedeckten Lügen begonnen haben, geschenkt. Dass Menschenrechtsverletzungen jenseits aller Vorstellungskraft stattfinden und über Leben und Tot von Zivilisten auf der ganzen Welt im Keller eines Gebäudes in den USA entschieden wird…vollkommen unkritisch, geradezu lächerlich egal.

    Ich bin bein Ihnen, was den Zustand unserer Bundeswehr betrifft. Ich habe vier Jahre meines Lebens in der Bundeswehrverwaltung zugebracht und ich kenne das (völlig dysfunktionale) System dort nur zu gut.
    Fakt ist auch, wenn man der Bundeswehr heute 10 Milliarden Euro für die Landesverteidigung überlässt, versickern mindestens 5 Milliarden davon in den Verwaltungsapparat und in Gerichtsverhandlungen, Strafzahlungen, Anwaltsberatung und Vergabeverfahren. Deutschland ist was die Verwaltung betrifft eine Hydra und jeder Versuch, die Verwaltung zu vereinfachen endet in zusätzlicher Belastung.
    Was wir brauchen ist eine echte Reform des gesamten öffentlichen Auftragswesens und der VOL/A und VOL/B. Das Geld muss endlich effizient genutzt werden können… was jedoch zwangsläufig auch dazu führen würde, dass einige wenige sich vermutlich wieder die Taschen voll machen und im Hinterzimmer geklüngelt wird. So doof das jetzt klingt – damit müssen wir endlich leben lernen. Es ist letztlich auch jetzt nicht anders, nur die Wege sind länger und es sitzen mehr Beteiligte dazwischen, welche die Hand aufhalten.
    Wir sind ein ebenso korrupter Bananenstaat, wie viele andere Länder dieser Erde. Der Betrug ist nur schwieriger, langwieriger und teurer.
    Wir brauchen einen Typ Gewehre, einen Typ Pistolen, einen Typ Panzer und einen Typ sonstige Fahrzeuge.
    Von diesen Typen müssen dann je nach Einsatzzweck unterschiedliche Varianten her, welche jedoch alle auf gleicher Basis funktionieren. Die Teile müssen untereinander austauschbar und in großer Stückzahl verfügbar sein.
    Verschiedene Kaliber darf es so nichtmehr geben – und wenn nötig, werden Einsteckläufe produziert. Ein G3 kann ebenso als .22 lfb genutzt werden.
    Die Entscheidung über die Anschaffung muss von der Truppe selbst getroffen werden, nicht von irgendwelchen Theoretikern.
    Munition muss quasi unbegrenzt verfügbar sein, damit Üben zu jeder Zeit möglich ist. Daneben muss der Job Soldat finanziell sehr viel attraktiver und der Komfort dagegen sehr viel unattraktiver werden. Soldaten müssen ihre Kasernen wieder selbst bewachen und reinigen – es kann nicht sein, dass hierfür multi-Milliarden von Euro ausgegeben werden müssen.
    Mit dem Aufstieg im System müssen dann „Vergünstigungen“ bei den unangenehmen Diensten einher gehen. Das Leistungsprinzip muss auf allen Ebenen etabliert und durchgesetzt werden!
    Alle Dienstleister für Dienstbekleidung, Dienstfahrzeuge, Dienstgebäude etc. müssen weg und die Bekleidung, Gebäude und Fahrzeuge wieder von der Truppe selbst beschafft und verwaltet werden. Letztlich steht dies sogar sehr unmissverständlich so im deutschen Grundgesetz unter Artikel 87b Abs. 1 – den wir zu meiner Zeit noch auswendig lernen mussten!

    • Klaus Kelle Antworten

      Es ist immer bedauerlich, wenn jemand wie Sie interessante und gut belegte Beiträge posten, aber vorher immer erstmal ein bisschen herumpöbeln müssen. Wenn Sie das brauchen…

      • Martin Ludwig Antworten

        Sehen Sie, Herr Kelle… das ist zu 100 % mein Gedanke, wann immer ich Ihren Blog lese! Warum zum Henker muss in jedem Artikel mindestens eine Spitze gegen die AfD, das BSW oder Putin sein? Geht’s wirklich nie ohne?

    • H.K. Antworten

      Die Crux bei Bedarfsermittlung und Beschaffung ist u.a. die Tatsache, daß z.B. Inspekteure und Offiziere in den verantwortlichen Positionen oft nur einige wenige Jahre auf ihrem Posten sitzen, die ( eigentlichen ) Entscheider im BAAINBw ( Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr ) aber oft viele Jahre, und das mit ( s.o. ) wechselnden Ansprechpartnern.

      Und wenn wir uns vorstellen, daß rund 180.000 Soldaten knapp 81.000 „Zivilbedienstete“ gegenüberstehen, wird klar, daß, wenn Einrichtungen wie Personalräte etc. noch dazu kommen, Vieles, sehr Vieles, auf der ( verwaltungstechnischen ) Strecke bleibt.

      Jeder, der irgendwann einmal „gedient“ hat, dürfte schon vor teils Jahrzehnten erlebt haben, daß er als Soldat zur ( teils weit entfernten ) „Kleiderkammer“ kam, um etwas zu tauschen und mit der Antwort eines „Zivilbediensteten“ „heute nicht, erst übermorgen ist wieder Tauschtag“ unverrichteter Dinge heimgeschickt wurde.

      Und, was hat sich in all den Jahren geändert ? Nüscht.

      Bei all dem: Der Fisch stinkt zuerst vom Kopf.

      Die Damen IBUKs haben es dann auf die Spitze getrieben.

      Die Bundeswehr braucht einen Minister, der TATSÄCHLICH weiß, wovon er redet. Da reicht es auch nicht, wenn da mal einer 15 Monate als „Cheffahrer“ gedient hat.

      Und es sollte schnellstens abgeschafft werden, daß Admirale und Generale JEDERZEIT und OHNE ANGABE VON GRÜNDEN abgelöst und in den ( einstweiligen ) Ruhestand versetzt werden können.

      Wer auch nur „ja, aber“ sagt, riskiert schon seine Pension.

      EIN falsches Wort, und derjenige ist Geschichte.

  3. GJ Antworten

    In den 90ern gab es Auslandseinsätze der Bundeswehr, zur Friedenssicherung auf dem Balkan. Mein Mann ist jünger als Sie, Herr Kelle, war aber bereits in den 80ern bei der Bundeswehr. 8
    Jahre Zeitsoldat, und das war kein Spaziergang in Bierlaune. NATO-Doppelbeschluß, kalter Krieg. Bei uns in Hessen saßen wir auf einem Pulverfass, das Fulda-Gap in unmittelbarer Nähe. In seiner hessischen Kaserne waren Nikes stationiert. Er erzählt heute noch davon, daß sie oft nicht wußten, ob Übung oder Ernstfall, wenn der
    Alarm losging und die Raketen in Stellung gebracht wurden. Er hat unter Verteidigungsminister Wörner gedient. Bei der Nachtwache wurde auch mal die eine oder andere Kuh erschossen, wenn es nahe des gesicherten Zauns zu annähernden Geräuschen kam. Das war kein Spaß, und daß es friedlich bleiben würde, war alles andere als sicher. Ich war Ende der 70er, Anfang der 80er im Katastrophenschutz. Da hat man auch das eine oder andere mitbekommen, das die normale Bevölkerung lieber nicht wußte.

    • Klaus Kelle Antworten

      @GJ,

      das mag bei Zeitsoldaten auch anders und ernsthafter gewesen sein, als bei uns Wehrpfichtigen. Ich bin bei Eiseskälte nachts auch auf Wache im Munitionsdepot Streife gelaufen. Das haben wir ernstgenommen, und wenn beim Kontrollanruf niemand den Hörer abnahm, war das auch mumig, schließlich war RAF-Zeit. Aber Angst, in den Krieg zu müssen, hatte bei uns niemand.

      kk

    • H.K. Antworten

      Manfred Wörner.

      Ein „Ungedienter“.

      Einer, der sich als Reservist zum Jetpiloten hat ausbilden lassen.

      Ein „richtiger“ Verteidigungsminister !

      ( Bis auf die eine Sache da … ).

        • H.K. Antworten

          Heutzutage würde „General K.“ auf einem pinkfarbenen Einhorn mit Federboa, die Regenbogenfahne in der Hand, vom „Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt“ persönlich und mit Handkuss verabschiedet – nach Brüssel, ins NATO-HQ.

          • GJ

            Aber bitte mit queerer Tanzeinlage unter Leitung von Frau Roth

          • H.K.

            Hab es mir gerade bei youtube nochmals angetan …

            „ Anastasia Biefang, erster Transgender bei der Bundeswehr“

            Herr Putin wird vor Angst und Ehrfurcht geschlottert haben, als er sah, was bei einem „Marsch auf Deutschland“ auf ihn zukäme …

            Solange wir solche „deutschen Reck*/-/:/_/•/Innen“ haben, wird es niemand wagen …

  4. GJ Antworten

    In die vorgenannten Bundeswehrzeit vielen diverse Anschläge. Hans Herbert Karry 1981, Bombenanschlag auf Ramstein, Bombenanschlag Rhein-Main-Airbase, Attentat auf Herrhausen 1989. RAF hinten und vorne.

  5. Gerd_ Rau Antworten

    Wenn man hier so manche Kommentare liest, das Stockholm-Syndrom ist weit verbreitet, vor allem im Osten. Man regt sich über die „bösen Amerikaner“ auf und vergisst die Kriege die Russland geführt hat.
    Nach der Wende konnte ich mir z.B. eine Reise nach Südtirol leisten, was in Vorwendezeiten nicht denkbar gewesen wäre. Also ich lebe lieber in einem Land was die Amerikaner besetzt halten, als in einem Land was die Russen besetzen.

  6. gerd Antworten

    „Wenn man hier so manche Kommentare liest, das Stockholm-Syndrom ist weit verbreitet, vor allem im Osten.“

    Der Westen unserer Republik wählt immer noch fleissig seinen eigenen Untergang. Das hat wohl auch etwas mit dem Stockholm-Syndrom zu tun.

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